Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-300931/2/Gf/Mu

Linz, 10.02.2010

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof aus Anlass der Berufung des x, vertreten durch x, gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors von Wels vom 18. Jänner 2010, GZ 2-S-10133/09/SM, wegen einer Übertretung des Oö. Polizeistrafgesetzes zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 66 Abs. 1 VStG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Polizeidirektors von Wels vom 18. Jänner 2010, GZ GZ 2-S-10133/09/SM, wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe in Höhe von 100 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 48 Stunden) verhängt, weil er am 13. Mai 2009 um 22.25 Uhr in seiner Wohnung ein elektrisches Gerät so laut eingeschaltet gehabt habe, dass die dadurch verursachte Musik in der daneben liegenden Wohnung habe wahrgenommen werden können, sowie mehrmals die Türglocke an einer Nachbarwohnung betätigt habe. Durch diese ungebührliche Erregung störenden Lärmes habe er eine Übertretung des § 3 Abs. 1 des Oö. Polizeistrafgesetzes, LGBl.Nr. 36/1979, zuletzt geändert durch LGBl.Nr. 77/2007 (im Folgenden: OöPolStG), begangen, weshalb er nach § 10 Abs. 1 lit. a OöPolStG zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der ihm angelastete Sachverhalt auf Grund entsprechender Wahrnehmungen eines Zeugen als erwiesen anzusehen sei.

Im Zuge der Strafbemessung seien 6 einschlägige Vormerkungen als erschwerend zuwerten gewesen, während Milderungsgründe nicht hervorgekommen seien. Mangels entsprechender Mitwirkung seien die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Rechtsmittelwerbers von Amts wegen zu schätzen gewesen.

1.2. Gegen dieses ihm am 20. Jänner 2010 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 2. Februar 2010 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

Darin bringt der Beschwerdeführer vor, dass sein Gerät nicht zu laut aufgedreht gewesen sei. Im Übrigen habe es noch nie Probleme mit den Nachbarn gegeben.

Da in diesem Fall Aussage gegen Aussage stehe und eine gleichzeitige Einvernahme der beteiligten Personen bisher nicht erfolgt sei, wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BPD Wels zu GZ GZ 2-S-10133/09/SM; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 500 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde und auch die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – nachdem hier eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 10 Abs. 1 lit. a OöPolStG i.V.m. § 3 Abs. 1 OöPolStG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungs­übertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 360 Euro zu bestrafen, der ungebührlicherweise störenden Lärm erregt.

Nach § 3 Abs. 2 OöPolStG sind unter "störendem Lärm" alle wegen ihrer Dauer, Lautstärke oder Schallfrequenz für das menschliche Empfinden unangenehm in Erscheinung tretenden Geräusche zu verstehen; störender Lärm ist dann als "ungebührlicherweise erregt" anzusehen, wenn das Tun oder Unterlassen, das zur Erregung des Lärmes führt, gegen ein Verhalten verstößt, wie es im Zusammenleben mit anderen verlangt werden muss und jene Rücksichtnahme vermissen lässt, die die Umwelt verlangen kann (§ 3 Abs. 3 OöPolStG).

3.2. Im gegenständlichen Fall geht die belangte Behörde davon aus, dass der Aussage des einvernommenen Zeugen deshalb ein höheres Gewicht beizulegen sei, weil diese unter Wahrheitspflicht abgelegt worden sei, während sich der Rechtsmittelwerber als Beschuldigter frei verantworten, d.h. ohne drohende Strafsanktion auch die Unwahrheit aussagen könne.

Würde man dem gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden § 49 Abs. 1 Z. 1 AVG tatsächlich diesen Inhalt unterstellen, dann würde sich so das aus der Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK resultierende Privileg des Beschuldigten aber regelmäßig ins Gegenteil verkehren: Davon ausgehend, dass ihm schon a priori nicht bzw. weniger als einem unter Wahrheitspflicht einvernommenen Zeugen geglaubt wird, wäre er nämlich konsequenterweise grundsätzlich stets gehalten, seine Unschuld beweisen zu können. Ein derartiges Ergebnis lässt sich jedoch nicht nur mit der speziellen grundrechtlichen Garantie des Art. 6 Abs. 2 EMRK nicht vereinbaren, sondern es würde sich auch unter dem allgemeinen Sachlichkeitsgebot des Gleichheitsgrundsatzes betrachtet schon deshalb als unverhältnismäßig erweisen, weil die aus einer Falschaussage in der Praxis regelmäßig zu erwartende, relativ glimpfliche Sanktion deshalb, weil dieser Umstand notorisch ist, keineswegs eine echte Gewähr dafür zu bieten vermag, dass eine formell als Zeuge einvernommene Person stets auch tatsächlich die Wahrheit aussagt – und zwar erst recht dann nicht, wenn diese Aussage nicht unmaßgeblich dadurch beeinflusst wird, dass damit gleichzeitig auch essentielle eigenpersönliche Interessen des Zeugen verfolgt werden.

Gerade ein derartiger Interessenkonflikt ist jedoch im gegenständlichen Fall eines typischen Nachbarstreits gegeben.

Liegen unter solchen Umständen aber keine anderen Beweismittel als sich im Hinblick auf die essentiellen Tatbestandsmerkmale der Verbotsnorm diametral widersprechende Aussagen der mit notwendig ambivalenten Interessen involvierten Streitteile vor, dann kann auf einer derartigen Basis aber schon von vornherein keine Rede davon sein, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit allein deshalb als erwiesen angenommen werden konnte, weil prinzipiell der Aussage des Zeugen und nicht jener des Beschuldigten zu folgen war.

Vielmehr war bei einer derartigen Konstellation dann, wenn sich keine materiell-konkreten (d.h. nicht ausschließlich in der unterschiedlichen prozessualen Stellung fußenden) Anhaltspunkte dafür ergeben, dass und warum der Aussage des Nachbarn bedenkenlos gefolgt, jene des Rechtsmittelwerbers demgegenüber jedoch zweifelsfrei als unwahr qualifiziert werden konnte, gerade im Gegenteil davon auszugehen, dass der nach Art. 6 Abs. 2 EMRK erforderliche gesetzliche Nachweis der Schuld gerade nicht erbracht werden kann.

 

3.3. Aus diesem Grund war daher der gegenständlichen Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Rechtsmittelwerber gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr.  G r o f

Rechtssatz:

VwSen-300931/2/Gf/Mu vom 10. Februar 2010

Art. 6 Abs. 2 EMRK; § 49 Abs. 1 Z. 1 VStG

Im gegenständlichen Fall geht die belangte Behörde davon aus, dass der Aussage des einvernommenen Zeugen deshalb ein höheres Gewicht beizulegen sei, weil diese unter Wahrheitspflicht abgelegt worden sei, während sich der Rechtsmittelwerber als Beschuldigter frei verantworten, d.h. ohne drohende Strafsanktion auch die Unwahrheit aussagen könne.

Würde man dem gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden § 49 Abs. 1 Z. 1 AVG tatsächlich diesen Inhalt unterstellen, dann würde sich so das aus der Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK resultierende Privileg des Beschuldigten aber regelmäßig ins Gegenteil verkehren: Davon ausgehend, dass ihm schon a priori nicht bzw. weniger als einem unter Wahrheitspflicht einvernommenen Zeugen geglaubt wird, wäre er nämlich konsequenterweise grundsätzlich stets gehalten, seine Unschuld beweisen zu können. Ein derartiges Ergebnis lässt sich jedoch nicht nur mit der speziellen grundrechtlichen Garantie des Art. 6 Abs. 2 EMRK nicht vereinbaren, sondern es würde sich auch unter dem allgemeinen Sachlichkeitsgebot des Gleichheitsgrundsatzes betrachtet schon deshalb als unverhältnismäßig erweisen, weil die aus einer Falschaussage in der Praxis regelmäßig zu erwartende, relativ glimpfliche Sanktion deshalb, weil dieser Umstand notorisch ist, keineswegs eine echte Gewähr dafür zu bieten vermag, dass eine formell als Zeuge einvernommene Person stets auch tatsächlich die Wahrheit aussagt – und zwar erst recht dann nicht, wenn diese Aussage nicht unmaßgeblich dadurch beeinflusst wird, dass damit gleichzeitig auch essentielle eigenpersönliche Interessen des Zeugen verfolgt werden.

Gerade ein derartiger Interessenkonflikt ist jedoch im gegenständlichen Fall eines typischen Nachbarstreits gegeben.

Liegen unter solchen Umständen aber keine anderen Beweismittel als sich im Hinblick auf die essentiellen Tatbestandsmerkmale der Verbotsnorm diametral widersprechende Aussagen der mit notwendig ambivalenten Interessen involvierten Streitteile vor, dann kann auf einer derartigen Basis aber schon von vornherein keine Rede davon sein, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit allein deshalb als erwiesen angenommen werden konnte, weil prinzipiell der Aussage des Zeugen und nicht jener des Beschuldigten zu folgen war.

Vielmehr war bei einer derartigen Konstellation dann, wenn sich keine materiell-konkreten (d.h. nicht ausschließlich in der unterschiedlichen prozessualen Stellung fußenden) Anhaltspunkte dafür ergeben, dass und warum der Aussage des Nachbarn bedenkenlos gefolgt, jene des Rechtsmittelwerbers demgegenüber jedoch zweifelsfrei als unwahr qualifiziert werden konnte, gerade im Gegenteil davon auszugehen, dass der nach Art. 6 Abs. 2 EMRK erforderliche gesetzliche Nachweis der Schuld gerade nicht erbracht werden kann.

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum