Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-100421/10/Weg/Ri

Linz, 03.06.1992

VwSen - 100421/10/Weg/Ri Linz, am 3. Juni 1992 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch das Mitglied Dr. Kurt Wegschaider über die Berufung des Dr. R P vom 5. Februar 1992 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 16. Jänner 1992, St-8549/91-L, auf Grund des Ergebnisses der am 25. Mai 1992 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

I. a) Der Berufung hinsichtlich der Übertretung nach § 16 Abs.1 lit.a wird Folge gegeben, das Straferkenntnis diesbezüglich behoben und das Verfahren eingestellt.

b) Hinsichtlich der Übertretung nach § 16 Abs.1 lit.c wird die Berufung abgewiesen und der diesbezügliche Teil des Straferkenntnisses vollinhaltlich bestätigt.

II. Der Berufungswerber hat zusätzlich zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens in der Höhe von 150 S als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren den Betrag von 300 S bei sonstiger Exekution binnen zwei Wochen zu entrichten.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl.Nr. 51/1991, i.V.m. § 19, § 24, § 45 Abs.1 Z.1, § 51 Abs.1, § 51i, § 64, § 65 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl.Nr. 52/1991; § 16 Abs.1 lit.a und § 16 Abs. 1 lit.c Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), BGBl.Nr. 159/1960 i.d.F. BGBl.Nr. 615/1991.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretungen nach 1. § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 und 2. § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 Geldstrafen von 1. 1.500 S (im NEF 48 Stunden) und 2. 2.000 S (im NEF 60 Stunden) verhängt, weil dieser am 22. Juli 1991 um 17.45 Uhr in K auf der L Bundesstraße 126 zwischen Str.km 10,000 und 10,200 von L kommend in Richtung H den PKW gelenkt und 1. mehrere Kraftfahrzeuge überholt hat, ohne daß er einwandfrei erkennen hätte können, daß er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang wieder in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern und 2. entgegenkommende Straßenbenützer dadurch gefährdet und behindert hat, daß diese ihre Kraftfahrzeuge bis zum totalen Stillstand abbremsen mußten, um einen Zusammenstoß zu verhindern. Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 350 S in Vorschreibung gebracht.

2. Dagegen wendet der Berufungswerber einerseits in seiner Rechtfertigung vom 12. Dezember 1991 und andererseits in seiner Berufungsschrift sinngemäß ein, zum Beginn des Überholmanövers habe ausreichende Überholsicht bestanden. Zur letztlich nicht bestrittenen präkären Situation sei es durch das Fehlverhalten eines vor ihm fahrenden ebenfalls überholenden PKW's gekommen, der - offenbar infolge des herannahenden Gegenverkehrs - die rechte Fahrbahnseite so zumachte, daß ihm als nachfolgenden ebenfalls Überholenden weder vor diesem PKW noch hinter diesem PKW ein Einordnen möglich gewesen sei, obwohl der Gesamtabstand zwischen dem überholten Fahrzeug und dem weiter vorne fahrenden LKW für das gefahrlose Einordnen zweier PKW's ausgereicht hätte.

3. Die Berufung ist rechtzeitig. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht, sodaß die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates zur Sachentscheidung gegeben ist, der weil eine 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafe ausgesprochen wurde - durch ein Einzelmitglied zu erkennen hat. Da von den Parteien des Verfahrens kein Verzicht auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgegeben wurde, war eine solche anzuberaumen.

4. Auf Grund des Ergebnisses dieser am 25. Mai 1992 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, insbesondere auf Grund der zeugenschaftlichen Aussage des Meldungslegers Gr.Insp. H B und der Aussagen des Beschuldigten selbst, wird nachstehender entscheidungsrelevante Sachverhalt als erwiesen angenommen: Der Berufungswerber setzte schon bei Str.km 9,800 (diesbezüglich kann den Aussagen des Beschuldigten nicht entgegengetreten werden) zu einem Überholmanöver an und hatte zu diesem Zeitpunkt eine Überholsicht von ca. 400 m. Das überholte Fahrzeug fuhr dabei eine Geschwindigkeit von ca. 50 km/h. Ebenfalls zu einem Überholmanöver setzte ein vor dem Berufungswerber fahrender PKW an, an welchen sich der Berufungswerber anhängte. Die Fahrbahn ist an der gegenständlichen Stelle 9 m breit. Der Berufungswerber beschleunigte - ebenso wie der vor ihm überholende PKW beim Überholen auf ca. 100 km/h. Als Faustformel für die Berechnung der Überholstrecke gilt: Geschwindigkeit des Überholten (km/h = m) x 4. Die Überholstrecke betrug daher 200 m. Bei der Möglichkeit der Gefährdung des Gegenverkehrs bedarf es jedoch (wieder Faustformel) einer Sichtweite, die der doppelten Überholstrecke entspricht. Diese Sichtweite, nämlich 400 m von Str.km. 9,8 bis 10,2 hat bestanden. Der Berufungswerber hätte sohin, wenn er das allein überholende Fahrzeug gewesen wäre, innerhalb der zur Verfügung stehenden 400 m das Überholmanöver ohne Gefährdung des Gegenverkehrs beenden können. Da jedoch das vor ihm fahrende ebenfalls überholende Fahrzeug nach dem Überholvorgang wieder die rechte Fahrbahnseite aufsuchte und zwar in einer Form, die ein Einordnen des Berufungswerbers unmöglich machte, konnte der Berufungswerber den Überholvorgang nicht durch Einordnen beenden, sondern verblieb in der Mitte der Fahrbahn, wodurch der erste der entgegenkommenden Lenker sich zum Abbremsen des Fahrzeuges gezwungen glaubte. Die Notwendigkeit des abrupten Abbremsens bestand nach Aussage des Zeugen nicht, weil die vorhandene Fahrbahnbreite das Nebeneinanderbewegen dreier mehrspuriger Fahrzeuge erlaubte. Kritisch und einen Unfall zwangsläufig nach sich ziehend wäre die Situation gewesen, wenn entweder die entgegenkommenden Fahrzeuge nicht den äußerst rechten Fahrbahnstreifen benützt hätten bzw. eine größere Breite aufgewiesen hätten oder/und das selbe bei den überholten Fahrzeugen der Fall gewesen wäre.

Es konnte - weil die Meldungsleger den Beginn des Überholmanövers nicht beobachten konnten - nicht als erwiesen angenommen werden, daß die Zulässigkeit des Überholens am Beginn des Überholmanövers nicht doch gegeben war. Nur wenn der Beschuldigte sein Überholmanöver bei einer Sichtstrecke von weniger als 400 m begonnen hätte, was aber nicht nachzuweisen war, wäre die Zulässigkeit des Überholens am Beginn des Überholmanövers nicht gegeben gewesen.

Was die Möglichkeit des ordnungsgemäßen Einordnens betrifft, hat sich der Beschuldigte darauf verlassen, daß der vor ihm fahrende ebenfalls überholende PKW seine Platzwahl nach dem Einordnen so trifft, daß auch dem Beschuldigten wieder ein Einordnen möglich ist. Dieses Vertrauen wurde jedoch durch das Verhalten des Vordermannes nicht erfüllt.

5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung ist die Zulässigkeit des Überholens im Sinne dieser Gesetzesstelle am Beginn des Überholmanövers und nicht am Ende zu beurteilen. Zu Beginn des Überholens konnte der Beschuldigte infolge einer Sichtweite, die der doppelten Überholstrecke entspricht, nicht erkennen, daß andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder daß nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden sei.

Aus diesem Grunde war dem Grundsatz "in dubio pro reo" folgend hinsichtlich dieses Faktums der Berufung stattzugeben.

Gemäß § 16 Abs. 1 lit.c StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn er nicht einwandfrei erkennen kann, daß er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

Diese einwandfreie Erkennbarkeit eines gefahrlosen Einordnens konnte der Berufungswerber infolge des vor ihm fahrenden ebenfalls überholenden Fahrzeuges nur vermuten aber nicht mit Sicherheit annehmen. Die unklare Verkehrssituation ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung immer im bedenklichen Sinne auszulegen. Ihr ist insbesondere dadurch Rechnung zu tragen, daß eben mit dem Überholmanöver erst dann begonnen wird, wenn das vordere Fahrzeug sich wieder eingeordnet und ausreichend Platz zum Einordnen des nachfolgenden Überholenden gemacht hat. Dies muß dem Berufungswerber zum Vorwurf gemacht werden, weshalb hinsichtlich dieses Faktums der Berufung der Erfolg zu versagen war und das Straferkenntnis sowohl hinsichtlich der Schuld als auch - weil die Strafhöhe nicht beeinsprucht wurde und auch keine die Strafbemessung allenfalls ändernde Umstände aus dem Akt ersichtlich sind - hinsichtlich der Strafe zu bestätigen war.

6. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider

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