Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720271/2/BP/Eg

Linz, 01.04.2010

 

Mitglied, Berichter/in, Bearbeiter/in:                                                                                                                               Zimmer, Rückfragen:

Mag. Dr. Bernhard Pree                                                                                     4A13, Tel. Kl. 15685

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung der x, in eigener Person wie auch als gesetzliche Vertreterin für x, x,  x und x, alle rumänische Staatsangehörige, wohnhaft in x, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 8. März 2010, GZ: Sich40-27924-2010, zu Recht erkannt:

 

 

 

I.       Der Berufung wird hinsichtlich der gegen die Einschreiterin und ihre minderjährigen Kinder x, x,          x und x verhängten      Ausweisung aus dem Gebiet der Republik Österreich stattgegeben       und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1 Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 8. März 2010, GZ: Sich40-27024-2010, wurden die Berufungswerberin (im Folgenden Bw) und ihre minderjährigen Kinder, x, geb. 23.10.2003, x, geb. 15.06.2005, x, geb. 08.01.2007, und x, geb. 12.08.2008, alle StA von Rumänien, aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich ausgewiesen.

 

Als Rechtsgrundlage werden § 53 Abs. 1, § 86 Abs. 2, Abs. 3 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 i.V.m. § 55 NAG 2005 genannt.

 

Begründend führt die belangte Behörde an, dass die Bw und ihre minderjährigen Kinder seit 17. Februar 2010 in Österreich aufhältig seien. Der Ehegatte sei bereits seit dem 17. November 2009  an der bezeichneten Adresse aufhältig. Am 23. Februar 2010 hätten die Bw und ihre Kinder persönlich bei der Niederlassungsbehörde einen Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung gestellt. Zu diesem Zeitpunkt habe eine Bestätigung der OÖ. GKK für die Krankenversicherung sowie ein Dienstvertrag des Gatten als Landarbeiter mit einem monatlichen Bruttolohn von 1.050,- Euro nach geltendem Kollektivvertrag vorgelegen.

Bei der Prüfung der Anträge sei festgestellt worden, dass der Gatte über ein monatliches Nettoeinkommen von 890,40 Euro verfüge. Laut Sozialhilferichtsatz müssten einem Ehepaar mit vier minderjährigen Kindern jedoch monatlich 1.637,60 Euro zur Verfügung stehen. Somit entstehe ein monatlicher Differenzbetrag in der Höhe von 747,20 Euro und würde somit der Richtsatz bei weitem nicht erreicht. Aus diesem Grund bestehe die begründete Gefahr, dass der weitere Aufenthalt der Bw und der Aufenthalt der minderjährigen Kinder zu einer finanziellen Gefahr einer öffentlichen Gebietskörperschaft führen würde.

Mit nachweislichem Schreiben vom 23. Februar 2010 sei die beabsichtigte Ausweisung der Bw mitgeteilt worden.

 

Nach Darlegung der maßgeblichen Rechtsvorschriften führt die belangte Behörde weiters an, dass der Gatte der Bw für die Bw und die gemeinsamen minderjährigen Kinder zur Gänze unterhaltspflichtig sei, er jedoch aufgrund seines geringen Einkommens nicht in der Lage sei für die Bw und die gemeinsamen Kinder den Unterhalt zur Gänze zu bestreiten. Daher bestehe die begründete Gefahr, dass der Aufenthalt der Bw und der Aufenthalt der gemeinsamen minderjährigen Kinder zu einer finanziellen Belastung einer öffentlichen Gebietskörperschaft führen werde.

 

Aus der Richtlinienverordnung zu BGBl. I 122/2009, sei ersichtlich, dass sich aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nach wie vor ergebe, dass zur Berechnung der ausreichenden Existenzmittel für gemeinschaftsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger die Sozialhilferichtsätze als Anhaltspunkte herangezogen werden können, wobei die Berechnung die erforderlichen Unterhaltsmittel selbst, die Berücksichtigung und Abwägung der individuellen konkreten Umstände einzelfallbezogen zu erfolgen hätten.

 

Der Grenzwert der Sozialhilferichtsätze in der Höhe von 1.637,60 Euro werde bei weitem nicht erreicht. Dieser Umstand sei jedoch eine Grundvoraussetzung für die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung. Somit gefährde der Familienaufenthalt auch den Aufenthalt des Gatten in Österreich.

 

Weiters führt die Fremdenpolizeibehörde aus, dass die Ausweisung der Bw und der Kinder ein wesentlicher Eingriff in das Privat- und Familienleben darstelle. Sie sei gemeinsam mit den minderjährigen Kindern zu ihrem Ehegatten eingereist, da der Ehegatte bereits seit dem 17. November 2009 in Österreich aufhältig sei. Es stehe fest, dass die Bw bis zu ihrer Einreise nach Österreich am 17. Februar 2010 von ihm getrennt gelebt habe und das Familienleben getrennt stattgefunden habe. Da die Bw und auch die minderjährigen Kinder EWR-Bürger seien, würden sie keiner Einreisebeschränkung unterliegen und könnten jederzeit den Ehegatten besuchen. Ebenso sei es auch dem Ehegatten zuzumuten die Bw und die gemeinsamen Kinder in Rumänien zu besuchen. Da die Bw und die Kinder erst seit knapp einem Monat in Österreich aufhältig seien, könne von einer intensiven Integration noch nicht ausgegangen werden.

 

Die belangte Behörde kommt zum Schluss, dass die Ausweisung dringend geboten sei, um das wirtschaftliche Wohl des Staates nicht zu gefährden. Gerade in wirtschaftlich schlechten Zeiten dürfe das wirtschaftliche Wohl nicht gefährdet werden, um zahlreiche Sozialleistungen weiterhin finanzieren zu können. Das wirtschaftliche Wohl des Staates betreffe ein Grundinteresse der Gesellschaft, da ja diese die Sozialleistungen in Anspruch nehmen würden. EWR-Bürger müssten auch in der Lage sein, den Aufenthalt hier im Bundesgebiet selbst zu finanzieren. Es könne nicht Aufgabe des Staates sein, für den Unterhalt von EWR-Bürgern aufkommen zu müssen. Dieser Umstand sei auch deutlich von der EU Kommission festgelegt worden.

 

1.2. Mit Schriftsatz vom 23. März 2010 erhob die Bw Berufung gegen den in Rede stehenden Bescheid.

 

Begründend führt die Bw aus, dass das zu geringe monatliche Nettoeinkommen ihres Gatten nicht mehr zutreffend sei und legte gleichzeitig eine Änderungsmeldung der Österreichischen Sozialversicherung vor, wonach ab diesem Zeitpunkt eine Lohnerhöhung stattfinde, die sich auf ein monatliches Bruttoeinkommen von 2.446,58 Euro belaufe. Somit sei der Ehegatte der Bw sehr wohl in der Lage den vorgegebenen Richtsatz zu erfüllen und stelle so keine finanzielle Gefahr für den Staat dar.

 

Abschließend bittet die Bw  darum dies zur Kenntnis zu nehmen und ersucht entsprechende Maßnahmen zu setzen.

 

 

2. Mit Schreiben vom 23. März 2010 wurde der gegenständliche Verwaltungsakt dem Oö. Verwaltungssenat von der belangten Behörde vorgelegt.

 

2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt. Im Übrigen liegt kein darauf gerichteter Parteienantrag vor (§ 67d AVG).

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1. und 1.2. dieses Erkenntnisses dargestellten Sachverhalt aus.

 

Insbesondere wird auf die – der Berufung beigefügten – Änderungsmeldung verwiesen, die bei der OÖ. GKK am 23. März 2010 einlangte und auf der der Dienstgeber des Ehegatten der Bw eine Entgeltsänderung ab 1. April 2010 auf einen monatlichen Betrag von 2.446,58 Euro bestätigt. Auch wenn dieser Betrag durchaus als relativ hoch und das durchschnittliche Einkommen in diesem Arbeitsbereich übersteigend angesehen werden kann, liegen keine triftigen Gründe vor,  die Richtigkeit der Angaben anzuzweifeln.

 

2.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 86 Abs.2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl I Nr. 135/2009 können EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige dann ausgewiesen werden (§ 53 Abs. 1), wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 1 NAG das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn sie haben bereits das Daueraufenthaltsrecht erworben; diesfalls ist eine Ausweisung unter den Voraussetzungen des § 56 zulässig.

 

Gemäß Abs. 3 leg cit ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise des Fremden wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

 

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich aufhalten. 

 


Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 66 Abs. 1 leg.cit. die Ausweisung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 55 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 135/2009, kommt EWR-Bürgern und ihren Angehörigen das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

 

Gemäß § 51 Abs. 1 NAG sind auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;

2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen müssen, oder

3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.

 

Gemäß §52 Abs 1 NAG sind auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie EWR-Bürger, die Angehörige von gemeinschaftsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1. Ehegatte oder eingetragener Partner sind;

2. Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und darüber hinaus sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;

3. Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;

4. Lebenspartner sind, der das Bestehen einer dauerhaften Beziehung im Herkunftsstaat nachweist, oder

5. sonstige Angehörige des EWR-Bürgers sind,

a) die vom EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat Unterhalt tatsächlich bezogen haben,

b) die mit dem EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, oder

c) bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege zwingend erforderlich machen.

 

3.2. Im vorliegenden Fall ist völlig unbestritten, dass die Bw als rumänische Staatsangehörige wie auch ihre Kinder selbst EWR-Bürger und Angehörige eines EWR-Bürgers im Sinn des § 52 Abs. 1 NAG sind.

 

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass EWR-Bürger und ihre Angehörigen bei einem Aufenthalt bis zu drei Monaten keines Aufenthaltstitels bedürfen, weshalb auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 NAG in diesem Zeitraum auch nicht geprüft werden müssen. Die in Rede stehenden Familienangehörigen halten sich in Österreich – wie sich aus der Aktenlage ergibt – seit 17. Februar 2010 auf, weshalb eine Ausweisung allein schon aus diesem Grund zum jetzigen Zeitpunkt nicht zulässig ist.

 

3.3. Weiters ist – unabhängig davon - im Hinblick auf § 51 Abs. 1 anzuführen, dass die Ziffer 1 dieser Bestimmung (die Arbeitnehmereigenschaft des Gatten bzw. Vaters) im Verfahren bislang unbestritten war. Die belangte Behörde gründete ihre Ausweisungsentscheidung auf die nicht ausreichenden Existenzmittel des Primär-Freizügigkeitsberechtigten. Wie sich aus dem Sachverhalt ergibt übersteigen diese jedoch nunmehr das für eine Familie mit vier Kindern angenommene Sozialhilfeniveau von 1.637,80 Euro, was durch die Bescheinigung eines Einkommens von 2.446,58 Euro brutto dokumentiert wird. Es waren also die vorliegenden Ausweisungsentscheidungen auch aus diesem Grund aufzuheben ohne, dass weiters auf die Kann-Bestimmung des § 86 Abs. 2 FPG und die Auswirkungen auf das Privat- und Familienleben einzugehen ist.

 

3.4. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Hinweis: Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 16,80 Euro (Eingabegebühr) angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.


Bernhard Pree

 

 

 

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