Linz, 19.05.2010
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn
I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.
II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.
Rechtsgrundlagen:
I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009 – AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009 – VStG.
II.: § 66 Abs.1 VStG.
Entscheidungsgründe:
1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz folgendes aus:
2. Der Berufungswerber wendet sich dagegen mit seiner fristgerecht durch seine ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung mit folgenden Ausführungen:
3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser ist durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen (§ 51c VStG).
4. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte angesichts des Ergebnisses der im Vorfeld einer Berufungsverhandlung gewonnenen Fakten und dem darauf gewährten Parteiengehör unterbleiben.
Ergänzend Beweis erhoben wurde durch Rückfrage bei der Haftpflichtversicherung des Berufungswerbers, sowie bei der Geschädigten über die Besichtigungsmöglichkeit des angeblich vorfallskausalen Schadens. Den Parteien wurde diese in einem Aktenvermerk festgehaltenen Informationen mit der Einladung sich dazu zu äussern zur Kenntnis gebracht.
5. Faktenlage und deren Beurteilung:
Die Zweitbeteiligte X stellte am 25.6.2008 um 17:30 Uhr an ihrem in der Pyrachstraße 39, in Steyr parallel zum Farbahnrand zum parken abgestellten Pkw den ganz knapp an ihrer Stoßstange stehenden Pkw des Berufungswerbers fest. In weiterer Folge konnte sie an ihrem Pkw eine leichte Eindellung der Stoßstange feststellen. Sie erstattete diesbezüglich Anzeige auf der Polizeiinspektion Tomitzstraße der Bundespolizeidirektion Steyr. Darin meinte sie unter anderem dem Zweitbeteiligte hätte diese Beschädigung (gemeint wohl als von ihm verursacht) auffallen müssen. Am Fahrzeug des Berufungswerbers wurde aus diesem Grund ein Verständigungszettel hinterlegt.
Um 18:50 Uhr meldete sich der Berufungswerber telefonsich bei der genannten Polizeiinspektion, worauf um 19:17 Uhr mit ihm wegen dieses Vorfalles eine Niederschrift aufgenommen wurde.
Der Berufungswerber räumte dabei die knappe Parksituation und auch den beim Einparken mit schleifender Kupplung verspürten Widerstand ein. Der Anstoß sei derart gering gewesen, dass er der festen Überzeugung gewesen sei dadurch keinen Schaden verursacht zu haben. Hätte er tatsächlich Unfallflucht begehen wollen hätte er doch das Fahrzeug dort nicht stehen gelassen.
Im Rahmen des weiteren Verfahrens stellte er weiterhin eine dabei entstandene Schadensverursachung jeweils in Abrede.
Der noch in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 30.9.2008 erhobene Vorwurf auf § 4 Abs.1 lit. a u. § 4 Abs.1 lit.c StVO wurde bereits von der Behörde erster Instanz nicht mehr weiter verfolgt.
Das im Zuge des Verfahrens eingeholte Gutachten eines Amtssachverständigen vom 17.4.2009 und dessen Ergänzung vom 12.8.2009 besagt (siehe die Wiedergabe oben in der textlichen Wiedergabe des angefochtenen Straferkenntnisses), dass im Ergebnis lediglich von der Möglichkeit der Verursachung dieses als geringfügig bezeichneten Schadens die Rede sein könne. Der SV verweist auf das vergebliche Bemühen das Fahrzeug bzw. die Zweitbeteiligte zu einer direkten Besichtigung zu erreichen. Daher konnte auch die Übereinstimmung der Anstoßstellen nicht überprüft bzw. diese nicht mit Sicherheit festgestellt werden.
Damit scheint die Zuordnung des Schadens an sich, so die h. Interpretation dieser Aussage im Gutachten des SV, nicht gesichert. Weiter vermeinte der SV, dass eine derartige Kollission nicht mit Sicherheit wahrgenommen werden hätte können, jedoch ein allfälliger Schaden in dieser Situation dem Verursacher objektiv ins Bewusstsein kommen hätte müssen.
Der Berufungswerber verweist in einer Stellungnahme vom 9.10.2009 auf ein Gutachten von Dipl.-Ing. X, welcher auf die Elastizität und Rückverformung einer Plastikstoßstange verweist, was üblicher Weise bei bloß ganz geringen Kontakten zu keinen Schäden führe.
Abschließend vermeint der Berufungswerber daher, dass hier ein Schulspruch iSd § 4 Abs.5 StVO nicht mit einer für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit aufrecht erhalten werden könne.
Die Erhebungen der Berufungsbehörde führten zum Ergebnis, dass die Haftpflichtversicherung des Berufungswerbers wohl unpräjudiziell eines Verschuldens eine Reparaturkostenablöse in Höhe von 200 Euro an die angeblich Geschädigte bezahlte.
Diese wiederum erklärte anlässlich einer Rückfrage der Berufungsbehörde, dass sie den angeblichen Schaden nicht reparieren habe lassen, zwischenzeitig jedoch die Stoßstange wegen eines anderen Schadens ausgetauscht werden habe müssen. Diese stehe für eine Besichtigung daher nicht mehr zur Verfügung. Konkret auf das „Bemerken müssen“ des behaupteten Schadens angesprochen meinte sie, dass der Zweitbeteiligte allenfalls doch nichts gemerkt haben könnte. Offenbar ob der Geringfügigkeit des vermeintlich von ihm verursachten Schadens.
Die Behörde erster Instanz trat der im h. Schreiben (Parteiengehör) vertretenen Auffassung - im Zweifelsfalle mit einer Einstellung vorgehen zu wollen - in deren Stellungnahme v. 19.5.2010 in Vermeidung eines unverhältnissmäßig hohen Verfahrensaufwandes nicht entgegen.
5.1. Vor Hintergrund der Beweis- u. Faktenlage folgt demnach die Berufungsbehörde der Verantwortung des Berufungswerbers, wonach er den Schaden, falls er ihn überhaupt verursacht haben sollte, einerseits nicht bemerkte, wobei für ihn wohl auch keine Anhaltspunkte bestanden haben die auf einen allfälligen Schaden hingedeutet und damit die Meldepflicht ausgelöst hätten. Unbeachtlich des hier nicht mit Sicherheit erwiesenen Faktums einer Schadensverursachung an sich, war sich der Berufungswerber offenbar keiner Schadensverursachung bewusst und ist ihm jedenfalls diesbezüglich keine objektiv sorgfaltswidrige Unterlassung nachzuweisen. Seiner Verantwortung war demnach auf Grund der Aktenlage und der ergänzenden Erhebungen durch die Berufungsbehörde zu folgen gewesen, sodaß es letztlich einer Beweiserörterung im Rahmen einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung nicht mehr bedurfte.
6. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Die Meldepflicht setzt einerseits einen Vorfall (Verkehrsunfall) und andererseits ein Wissen (müssen) eines solchen voraus. Dabei ist aber nicht unbedingt das positive Wissen vom Verkehrsunfall und vom ursächlichen Zusammenhang erforderlich, sondern es genügt – da der Anwendungsbereich des § 4 StVO in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich auf die Schuldform des Vorsatzes beschränkt ist (§ 5 VStG) – wenn die betreffende Person bei gehöriger Aufmerksamkeit den Verkehrsunfall und den ursächlichen Zusammenhang hätte erkennen können (siehe Pürstl - Somereder, Kommentar zur StVO, 11. Auflage, S 69 Rn 34, sowie – unter vielen – VwGH 23.5.2002, 2001/03/0417, VwGH 13.2.1991, 90/03/0114 mit Hinweis auf VwGH 9.9.1981, 81/03/0125 u. VwGH 31.1.1986, 85/18/0367).
Da hier letztlich weder von einem erwiesenen, nämlich dem Berufungswerber zuzurechnenden, Sachschaden an sich ausgegangen werden kann, und – falls tatsächlich der geringfügige Schaden von Berufungswerber verursacht worden sein sollte - letztlich in dessen Nichterkennen ein schuldhaftes Verhalten nicht mit Sicherheit zu erblicken wäre, war mangels Tatbestand das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG zumindest im Zweifel einzustellen. Denn schon bei bloßem Zweifel am Tatvorwurf ist von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen (vgl. VwGH 12.3.1986, 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122, VwGH 18.9.1991, 90/03/0266 mit Hinweis auf VwGH 8.3.1985, 85/18/0191).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r