Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231104/2/SR/Sta

Linz, 12.07.2010

 

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des x, geboren am x, x, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Wels-Land vom 16. Februar 2010, Sich96-236-2009/WIM, wegen einer Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes, zu Recht erkannt:

 

 

I.       Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis   aufgehoben und das Strafverfahren eingestellt.

II.     Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des      Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen    Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu   leisten.

 

Rechtsgrundlage:

zu I: § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG iVm § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG; § 45 Abs. 1 Z 2 VStG.

zu II: § 66 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1 Der Bezirkshauptmann von Wels-Land hat mit Strafverfügung vom
4. September 2009, Zl. Sich96-236-2009/WIM, über den Berufungswerber (im Folgenden BW) wegen einer Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes eine Geldstrafe in der Höhe von 170 Euro verhängt und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 96 Stunden vorgesehen.

 

Dabei wurde dem Bw folgender Vorwurf gemacht:

"Sie haben sich am 20.08.2009, von 08.46 Uhr bis 08.50 Uhr in Wels, Linzer Straße gegenüber Haus Nr. x trotz vorangegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während dieses seine gesetzlichen Aufgaben im Zuge einer Verkehrskontrolle wahrnahm, aggressiv verhalten und dadurch eine Amtshandlung behindert, indem sie nach Information über den Grund der Anhaltung erzürnt aus dem PKW sprangen, wild vor dem Gesicht des Polizeiorgans umher gestikulierten und lautstark schrieen: `Ich bezahle sowieso nicht. Zeigen Sie mich ruhig an, dass ich nicht lache. Sie müssen dort kontrollieren, wo es notwendig ist, aber nicht hier. Lassen Sie die Staatsbürger doch in Ruhe,´ und indem Sie die nochmalige Aufforderung, Ihr Verhalten einzustellen wieder ignorierten und schrieen: `Ich will von beiden Beamten die Dienstnummer haben, aber in Kartenformat!´ wurden Sie von der Anzeigeerstattung in Kenntnis gesetzt."

 

1.2.         Innerhalb offener Frist hat der Bw dagegen einen mehrseitigen begründeten Einspruch eingebracht.

 

1.3.         Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wurde dem Bw das Verfahrensergebnis zur Kenntnis mitgeteilt, ihm Akteneinsicht gewährt und die Abgabe einer mündlichen oder schriftlichen Stellungnahme eingeräumt.

 

1.4.         Am 19. November 2009 erschien der Bw bei der belangten Behörde. Seine Stellungnahme wurde in Form einer Niederschrift festgehalten.

 

1.5.          Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis (der Spruch ist abgesehen vom Schreibfehler "2008" anstelle "2009" übereinstimmend mit jenem der Strafverfügung) hat die belangte Behörde über den Bw wegen  Verletzung des § 82 Abs. 1 SPG eine Geldstrafe in der Höhe von 170 Euro verhängt und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 96 Stunden vorgesehen.

 

Das Straferkenntnis wurde dem Bw am 20. Februar 2010 durch Hinterlegung zugestellt.

 

1.6. Innerhalb offener Frist hat der Bw am 3. März 2010 bei der belangten Behörde vorgesprochen und die Beigebung eines Verteidigers beantragt. Den Antrag, der in Form einer Niederschrift aufgenommen worden ist, hat der Bw ausschließlich mit seiner tristen finanziellen Situation begründet.

 

1.7. Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates vom 7. April 2010, VwSen-231091/2/SR/Sta, wurde der Antrag des Bw abgewiesen.

 

1.8. Innerhalb offener Frist hat der Bw bei der belangten Behörde vorgesprochen und Berufung erhoben. Seine Angaben wurden am 11. Mai 2010 niederschriftlich festgehalten.

Begründend führte der Bw im Wesentlichen aus, dass die ihm vorgeworfenen Delikte nicht der Wahrheit entsprechen würden. Nach der Anhaltung habe der Polizist von ihm den Führerschein und Zulassungsschein verlangt und den Grund der Anhaltung mitgeteilt. Während der Amtshandlung habe er seine Meinung in durchaus angebrachter Form und keinesfalls aggressiv vertreten. Gelogen sei, dass er aus dem Auto gesprungen sei. Wie bereits in der "Erstberufung" ausgeführt, sei der Beweggrund für den Vorwurf des aggressiven Verhaltens ausschließlich dadurch begründet, dass er am Ende der Amtshandlung die Unverschämtheit besessen habe, nach der Dienstnummer der beiden Beamten zu fragen.

 

2.1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat die Berufung samt dem zugrundeliegenden Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 18. Mai 2010, eingelangt am 8. Juni 2010, vorgelegt und von einer Äußerung Abstand genommen.

 

2.2. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich ist gemäß § 51 Abs. 1 VStG gegeben. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hatte über diesen Antrag durch das laut Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51a Abs.3 VStG).

 

 3.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Erstbehörde. Da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 51e Abs. 2 Z 1 VStG abgesehen werden.

3.2.  Aus dem vorliegenden Akt ergibt sich für den Oö. Verwaltungssenat folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde liegt:

Am 20. August 2009 wurde der Bw um 08.45 Uhr in 4600 Wels, Linzer Straße gegenüber dem Haus Nr. x von Polizeiorganen angehalten, weil mittels Lasermessung die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit festgestellt worden ist. Nach der Ausfolgung der Fahrzeugpapiere nahm der Bw Bezug auf eine andere Amtshandlung, wurde bei der Schilderung immer lauter und brachte weiters sein Unverständnis über den Kontrollort vor. Aufgrund des Verhalten des Bw forderte ihn der amtshandelnde Polizeibeamte einerseits auf, sein Verhalten einzustellen und teilte ihm andererseits mit, dass der Bw an Ort und Stelle eine Organstrafverfügung in der Höhe von 25 Euro bezahlen könne (Grund: Geschwindigkeitsüberschreitung). Das bisherige Verhalten beibehaltend lehnte der Bw das Angebot ab und wurde in der Folge von der Anzeigeerstattung gemäß § 20 Abs. 2 StVO in Kenntnis gesetzt. Am Ende der Amtshandlung wurde der Bw ein zweites Mal aufgefordert sein Verhalten einzustellen. Trotz dieser Aufforderung ersuchte der Bw schreiend die beiden Beamten um Ausfolgung der Dienstnummern in "Kartenformat". Der "Einsatzleiter" gab dem Bw die Dienstnummer mündlich bekannt, "brach die Amtshandlung, um eine Eskalation zu vermeiden, ab" und setzte den Bw von der Anzeigeerstattung (aggressives Verhalten) in Kenntnis.

3.3. Das von den beiden Polizeibeamten geschilderte aggressive Verhalten wird vom Bw zwar in Abrede gestellt, gleichzeitig aber eingeräumt, dass er die Äußerungen ein wenig verärgert von sich gegeben und nicht übermäßig freundlich agiert habe.

Der Zeugenaussage der Insp. x vom 19. Oktober 2009 ist zu entnehmen, dass sie aufgrund ihrer dienstlichen Tätigkeiten (Vornahme weiterer Lasermessungen) die vorliegende Amtshandlung nur am Rande mitverfolgt hat, zwar bemerkte, dass der Bw immer lauter wurde und in Rage geriet, jedoch den genauen Wortlaut des "Gespräches zwischen dem Kollegen und dem Fahrzeuglenker" in Folge der sonstigen dienstlichen Inanspruchnahme nicht wiedergeben könne.

Nicht nachvollziehbar erscheint in diesem Zusammenhang die Aussage, dass der Bw "aggressiv" gegen beide Beamte gewesen sein soll, obwohl die Zeugin an der Amtshandlung bedingt durch weitere Lasermessungen unmittelbar gar nicht beteiligt war. Wesentliche Bedeutung kommt jenem Aussageteil zu, wonach der Bw erst "am Ende der Amtshandlung" die Bekanntgabe der Dienstnummern gefordert hat. Daraus ist erschließbar, dass die Amtshandlung, die die Geschwindigkeitsüberschreitung zum Gegenstand hatte, inhaltlich bereits beendet war.

Die Angaben in der Anzeige vom 20. August 2009 und in den erstellten Niederschriften zeigen, dass sich der Bw während der Amtshandlung lautstark geäußert hat und dabei immer mehr in Rage gekommen ist. Aus der Anzeige ergibt sich eindeutig, dass die insgesamt nur vier Minuten in Anspruch nehmende Amtshandlung trotz der lautstarken Argumentation des Bw nicht behindert worden ist. Der Bw hat seine Fahrzeugpapiere ausgefolgt, die Bezahlung einer Organstrafverfügung abgelehnt und die Anzeigeerstattung zur Kenntnis genommen. Auch wenn er zwischenzeitig vom einschreitenden Polizeibeamten aufgefordert wurde, sein Verhalten einzustellen, lässt sich schon aus der Dauer und dem Verlauf der Amtshandlung schließen, dass eine Behinderung dieser nicht möglich war. Bedingt durch die Ausfolgung der Fahrzeugpapiere verfügte der Polizeibeamte über die notwendigen Daten zur Anzeigeerstattung wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung.

Wie in der Anzeige festgehalten, erfolgte die "zweite" Aufforderung erst nach der Mitteilung der Anzeigeerstattung, also unmittelbar nach dem faktischen Ende der Amtshandlung. Das "schreiende" Ersuchen des Bw um Ausfolgung der Dienstnummer in Kartenformat mag besonders rücksichtslos gewesen sein, war aber nicht geeignet, die bereits als beendet anzusehende Amtshandlung als solche zu behindern. Dass die Amtshandlung in diesem Stadium abgebrochen werden musste, um eine Eskalation zu vermeiden und eine Festnahme wegen Fortsetzung der strafbaren Handlung zu vermeiden lässt sich im Hinblick auf § 82 SPG nicht nachvollziehen.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Nach § 51c VStG hat der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall - weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde - durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

4.2. Gemäß § 82 Abs. 1 SPG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 218 Euro zu bestrafen, wer sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während dieses seine gesetzlichen Aufgaben wahrnimmt, aggressiv verhält und dadurch eine Amtshandlung behindert.

Zum Tatbild der zitierten Verwaltungsvorschrift gehört neben dem Einschreiten eines Organs der öffentlichen Aufsicht in Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgaben, dem aggressiven Verhalten und einer vorausgegangenen Abmahnung, auch der Umstand, dass durch das aggressive Verhalten eine Amtshandlung behindert wird. Demnach liegt ein strafbares Verhalten nur dann vor, wenn zum aggressiven Verhalten eine Behinderung der Amtshandlung hinzutritt (so auch die Erläut. zur RV 148 BlgNR 18. GP).

Es kann im konkreten Fall dahingestellt bleiben, ob das Verhalten des Bw - tatbestandserfüllend - als "aggressives Verhalten" gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht zu qualifizieren ist, und ob dieses Verhalten trotz vorausgegangener Abmahnung durch den Bw fortgesetzt wurde. Kumulativ zu diesen Tatbestandsmerkmalen ist für eine Bestrafung nach § 82 Abs. 1 SPG erforderlich, dass "dadurch eine Amtshandlung behindert" wird. Wie das Beweisverfahren ergeben hat, ist davon auszugehen, dass das - emotionale - Verhalten des Bw die konkrete Amtshandlung jedoch nicht behindert hat. Auch ist das Verhalten des Bw im Anschluss an die Anzeigeerstattung wegen einer Übertretung nach der Straßenverkehrsordnung nicht geeignet, den Tatbestand des § 82 Abs. 1 SPG zu erfüllen, da die zugrunde liegende Amtshandlung bereits zuvor beendet war.

Da es somit bereits an der objektiven Tatbestandserfüllung mangelt, scheidet eine Strafbarkeit des Bw nach § 82 Abs. 1 SPG aus. Es war der Berufung daher bereits aus diesem Grund - ohne auf die weiteren Vorbringen in der Berufung eingehen zu müssen - gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG einzustellen.

Ob und inwieweit das Verhalten des Bw tatbestandserfüllend iSd § 81 Abs. 1 SPG war, war mangels aufrechtem Tatvorwurf in diesem Verfahren nicht zu prüfen.

5. Bei diesem Verfahrenergebnis war dem Bw gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Stierschneider

 

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