Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-100610/20/Sch/Rd

Linz, 11.03.1993

VwSen - 100610/20/Sch/Rd Linz, am 11.März 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch das Mitglied Dr. Schön über die Berufung der Frau E St vom 27. April 1992 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 13. April 1992, VerkR96/1577/1991 Bi/Sö, zu Recht:

I. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

II. Die Berufungswerberin hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten erster Instanz als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren den Betrag von 160 S (20% der verhängten Geldstrafe) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu leisten.

Rechtsgrundlagen: Zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 19 VStG. Zu II.: §§ 64ff VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.: 1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat mit Straferkenntnis vom 13. April 1992, VerkR96/1577/1991 Bi/Sö, über Frau E St,R, wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 4 Abs.5 StVO 1960 eine Geldstrafe von 800 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden verhängt, weil sie es am 13. Februar 1991 gegen 10.35 Uhr als Lenkerin des PKW gegenüber dem Hause R im Ortsgebiet von K unterlassen habe, nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem ihr Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang stand, die nächste Sicherheitsdienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallbeteiligten unterblieben ist.

Überdies wurde sie zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren in der Höhe von 80 S verpflichtet.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat die Berufungswerberin rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

Am 12. Jänner 1993 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung abgeführt.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat folgendes erwogen:

Die Berufungswerberin bestreitet die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung im wesentlichen mit der Begründung, daß der am Fahrzeug des E A vorhandene, etwa 2,5 bis 3 cm lange Kratzer nicht von ihr verursacht worden sei. Außer Streit gestellt wurde der Umstand, daß in technischer Hinsicht die Möglichkeit besteht, den Schaden grundsätzlich dem Fahrzeug der Berufungswerberin zurechnen zu können, da die Höhe und die Art des Schadens am Fahrzeug des E A mit der möglichen Anstoßstelle, nämlich der Fahrertür des Fahrzeuges der Berufungswerberin, als korrespondierend angesehen werden kann.

Ausgehend von dieser Prämisse ergab sich daher die entscheidungsrelevante Frage, ob ein möglicher Anstoß und damit eine Beschädigung des fremden Fahrzeuges von der Berufungswerberin wahrgenommen wurde bzw. bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte wahrgenommen werden müssen.

Der im Rahmen des Berufungsverfahrens beigezogene technische Amtssachverständige kommt zu dem gutachtlichen Schluß, daß in technischer Hinsicht eine solche Wahrnehmungsmöglichkeit nicht gestützt werden kann. Weder die akustische noch die optische bzw. fühlbare Wahrnehmungsmöglichkeit durch die Berufungswerberin konnte vom technischen Amtssachverständigen als technisch mit Sicherheit gegeben festgestellt werden.

Trotz dieser Beweisergebnisse konnte der Berufung kein Erfolg beschieden sein, da darüber hinaus nämlich noch von folgendem Sachverhalt auszugehen war:

Der einvernommene Zeuge E A gab anläßlich der Berufungsverhandlung glaubwürdig und schlüssig an, er sei zum relevanten Zeitpunkt in seinem Fahrzeug gesessen, als die Berufungswerberin zu ihrem, rechts neben seinem Fahrzeug geparkten PKW gekommen sei. Sie habe die Fahrertüre aufgesperrt und geöffnet. In diesem Moment habe er einen "Pumperer" gehört. Er sei daraufhin ausgestiegen und habe der Berufungswerberin den eingangs angeführten Schaden an seinem Fahrzeug zeigen wollen. Die in ihrem Fahrzeug schon sitzende Berufungswerberin habe sich jedoch desinteressiert gezeigt und sei weggefahren. Der Zeuge habe sich sodann zum Gendarmerieposten Kremsmünster begeben und die Angelegenheit angezeigt. Bei dem Versuch, mit ihr Kontakt aufzunehmen, habe er mit ihr Augenkontakt gehabt.

Die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen kann auch dann nicht als erschüttert angesehen werden, wenn man seine Aussage im vor dem Bezirksgericht Kremsmünster abgeführten Zivilprozeß einer Beurteilung unterzieht. In der Gerichtsverhandlung vom 22. Dezember 1992 hat dieser Zeuge auch dort Angaben gemacht, die mit jenen im Verwaltungsstrafverfahren nicht im Widerspruch stehen.

Der unabhängige Verwaltungssenat hatte daher unter Anwendung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung dieser glaubwürdigen und schlüssigen Zeugenaussage mehr Gewicht beizumessen, als den Angaben der Berufungswerberin, die sich im wesentlichen auf das Bestreiten dieses Sachverhaltes beschränkte. Ausgehend von den Schilderungen des Zeugen war daher als gegeben anzunehmen, daß dieser versucht hat, mit der Berufungswerberin über den an seinem Fahrzeug entstandenen Schaden ein Gespräch zu führen bzw. sie hierauf aufmerksam zu machen. Selbst wenn man der Berufungswerberin konzediert, daß sie bereits im Fahrzeug gesessen war und auch die Fensterscheibe der Fahrertür geschlossen war, so hätten ihr die vom Zeugen an sie gerichteten Worte bzw. seine Gestik den von ihr verursachten Verkehrsunfall mit Sachschaden, mag letzterer auch geringfügig gewesen sein, zu Bewußtsein kommen lassen müssen. Diesbezüglich geht der unabhängige Verwaltungssenat aufgrund der Lebenserfahrung bzw. allgemein bekannter technischer Umstände davon aus, daß auch bei geschlossener Fensterscheibe der Fahrertür die Anrede durch eine außerhalb des Fahrzeuges befindliche Person, zumindest großteils, verstanden werden kann. Überdies schilderte der Zeuge sein Verhalten so, daß es in seiner Gesamtheit nur den Schluß zuließ, er habe die Berufungswerberin auf den Schaden an seinem Fahrzeug aufmerksam machen wollen. Auch die Reaktion der Berufungswerberin, mit der der Zeuge Augenkontakt gehabt hat, läßt den Schluß zu, daß ihr durchaus bewußt war bzw. zumindest bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte bewußt werden müssen, daß der Zeuge sie auf einen Schaden an seinem Fahrzeug aufmerksam machen wollte. Es geht nicht an, ein solches Verhalten, mag man auch der Ansicht sein, ein Schaden an einem fremden Fahrzeug könne nicht dem eigenen Verhalten zugerechnet werden, zu ignorieren und einfach davonzufahren. Dazu kommt noch, daß der Schutzzweck des § 4 StVO 1960 nicht darauf gerichtet ist, allenfalls die Verschuldensfrage an einem Verkehrsunfall zu klären, sondern dahingehend, einem Geschädigten langwierige Ermittlungen im Hinblick auf einen möglichen Schädiger zu ersparen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Meldung eines Verkehrsunfalles bzw. der Nachweis von Name und Anschrift durch die Unfallbeteiligten präjudizierend für den Ausgang eines Zivilprozesses ist. Dies ergibt sich schon daraus, daß die im § 4 StVO 1960 normierten Verpflichtungen bereits dann einzuhalten sind, wenn jemand auf seine Beteiligung an einem Unfall, von dessen Eintritt er selbst nichts bemerkt hat, aufmerksam gemacht wurde, auch wenn er bestreitet, daß sein Verhalten am Unfallort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei. Die Beantwortung der letzteren Frage muß allenfalls einem Straf- bzw. Zivilprozeß vorbehalten werden (vgl. VwGH 16.3.1978, 2715/77).

Zur Strafzumessung ist folgendes zu bemerken:

Übertretungen des § 4 StVO 1960, also die sogenannten "Fahrerfluchtdelikte", stellen gravierende Verstöße gegen die Verkehrsvorschriften dar. Dies ergibt sich aus dem bereits oben angeführten Schutzzweck dieser Norm.

Im konkreten Fall hat die Erstbehörde den Strafrahmen von bis zu 10.000 S lediglich zu 8% ausgeschöpft. Von einem überhöhten Strafausmaß kann daher schon aus diesem Grund nicht gesprochen werden. Erschwerungsgründe lagen nicht vor, der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit wurde von der Erstbehörde gewürdigt. Unter Bedachtnahme auf die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse der Berufungswerberin kann davon ausgegangen werden, daß diese zur Bezahlung der verhängten Geldstrafe ohne Beeinträchtigung ihrer Sorgepflichten bzw. ihrer Lebensführung in der Lage ist.

Zu II.: Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. S c h ö n 6

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