Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550563/4/Kl/Pe

Linz, 05.01.2011

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 5. Kammer (Vorsitzende Mag. Michaela Bismaier, Berichterin Dr. Ilse Klempt, Beisitzer Dr. Ewald Langeder) über den Antrag der x Gesellschaft m.b.H., vertreten durch Rechtsanwältin x, x Straße x, x, vom 30.12.2010 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren der x GmbH betreffend das Vorhaben „Musiktheater x, Paket 7/3 Ausbau Bühnen, Los 4 Bühnenpodeste“, zu Recht erkannt:

 

 

Dem Antrag wird stattgegeben und der Auftraggeberin x GmbH die Erteilung des Zuschlags bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis 28. Februar 2011, untersagt.

Rechtsgrundlagen:

§§ 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 – Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006 idgF LGBl. Nr. 68/2010.

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Eingabe vom 30.12.2010, hat die x Gesellschaft m.b.H. (im Folgenden: Antragstellerin) einen Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der Auftraggeberin die Zuschlagserteilung bis zur Entscheidung im Nachprüfungs­verfahren, zu untersagen, gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von insgesamt 7.500 Euro (gemeint wohl: 3.750 Euro) beantragt.

 

Begründend führte die Antragstellerin eingangs hiezu aus, dass die Auftraggeberin ein Vergabeverfahren betreffend die Leistungen „Paket 7/3 Ausbau Bühnen“ eingeleitet habe und es sich um ein offenes Verfahren im Oberschwellenbereich handle.

 

Inhalt der Ausschreibung „Paket 7/3 Ausbau Bühnen“ seien das Teilpaket 01 Bühnenholz, Teilpaket 02 Bühnentextilien, Teilpaket 03 Bühnentechnischer Stahlbau und das Teilpaket 04 Bühnenpodeste.

 

Das gegenständliche Los Bühnenpodeste umfasse größtenteils die Lieferung und Montage von 158 „stationären“ Bühnenpodesten sowie die Lieferung und Montage von drei Handwindezügen und Nachweisleistungen. Bei „stationären“ Bühnenpodesten handle es sich um fest im Raum eingebaute Podeste, welche je nach Bedarf in verschiedene Höhen gehoben werden können. In der Ausschreibung wurden stationäre Podeste in der Größe von jeweils 2 x 1 m gefordert, welche einen gesamten Raumumfang von 316 ergeben.

Entsprechend der Ausschreibung sollen die Podeste mit bauaufsichtlich  zugelassenen Dübeln fest am Boden verschraubt werden. Die Grundplatte sei höhenjustierbar auszuführen, um Unebenheiten im Boden auszugleichen, und abschließend zu untergießen. Diese Arbeiten würden ein sehr hohes Maß an fachmännischem Können erfordern, damit die Podeste die gewünschte Höhe millimetergenau erreichen und sich auch bei Belastung nicht bewegen würden. Der Hubvorgang solle laut Ausschreibung manuell ausgeführt werden, aber von Gasdruckfedern, Druckfedern, Zugfedern oder gleichwertig unterstützt werden.

 

Weiters umfasse das Leistungsverzeichnis die Lieferung und Montage von drei Handwindezügen, die Lieferung der technischen Dokumentation und Ausführplänen sowie Nachweisleistungen bestehend aus Stundenlohnarbeiten und Stahlkonstruktionen.

In den Vergabebestimmungen sei vom Bieter der Nachweis verlangt worden, dass er zur Durchführung des Auftrages befugt sei. Zum Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit sei eine Referenzliste der maßgeblichen in den letzten fünf Jahren erbrachten Bauleistungen verlangt worden.

 

Als Abgabetermin wurde der 15.11.2010, 11.00 Uhr, und als alleiniges Zuschlagskriterium wurde der niedrigste Preis festgesetzt.

 

Die Antragstellerin habe ein formrichtiges und formgültig unterfertigtes Angebot vor Ablauf der gesetzten Angebotsfrist am 12.11.2010 hinsichtlich des Teilpaketes Bühnenpodeste gelegt und die angeforderten Unterlagen und Urkunden sowie einen ÖNORM-gerechten Datenträger beigelegt. Die Angebotssumme betrage brutto 304.914,00 Euro (exkl. USt.).

 

Am 15.11.2010 um 11.30 Uhr habe die Angebotsöffnung stattgefunden. Folgende Bieter haben ebenfalls ein Angebot gelegt:

xgmbH                                                                         brutto 200.469,00 Euro,

x GmbH                                                                       brutto 231.489,70 Euro,

x GmbH                                                                       brutto 291.696,00 Euro.

Ein weiters teilnehmendes Unternehmen sei noch über dem Angebotspreis der Antragstellerin gelegen.

 

Mit Schreiben vom 21.12.2010 habe die Auftraggeberin mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, der Firma xgmbH (im Folgenden: präsumtive Zuschlagsempfängerin), als Billigstbieter mit einer Angebotssumme von 200.376,00 Euro brutto, nach Ablauf der Stillhaltefrist am 31.12.2010 den Zuschlag zu erteilen.

 

Zum Interesse am Vertragsabschluss führt die Antragstellerin aus, dass sie auf stationäre Bühnenpodeste spezialisiert und in diesem Bereich besonders versiert sei. Beim gegenständlichen Auftrag handle es sich um einen der größten und prestigeträchtigsten Aufträge, dem eine besondere Bedeutung als mögliche Referenz zukomme.

Die Angebote der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sowie der anderen Bieter seien auszuscheiden gewesen und sei der Antragstellerin durch die angefochtene Entscheidung die Möglichkeit genommen worden, als Billigstbieterin den Zuschlag zu erhalten.

Der Antragstellerin drohe ein Schaden an entgangenen Beiträgen zu den Gemeinkosten und an entgangenem Gewinn in der Höhe von ca. 5 % der Auftragssumme (ca. 18.000 Euro) sowie die Frustration der Kosten für die Beteiligung am Vergabeverfahren in der Höhe von ca. 10.000 Euro und der Kosten für die Rechtsverfolgung, sollte ihrem Antrag nicht stattgegeben werden. Außerdem drohe der Antragstellerin der Verlust eines für sie sehr wichtigen Referenzprojektes.

 

Die Antragstellerin erachte sich in ihren subjektiven Rechten auf Durchführung eines fairen und rechtskonformen Vergabeverfahrens, auf Gleichbehandlung, auf fairen und lauteren Wettbewerb sowie auf Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung zu ihren Gunsten und auf Zuschlagserteilung verletzt. Die Angebote der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sowie der übrigen Bieter hätten ausgeschieden werden müssen und wäre dem Angebot der Antragstellerin als jenem mit dem niedrigsten Preis der Zuschlag zu erteilen gewesen.

 

Als Gründe für die Rechtswidrigkeiten bezeichnet die Antragstellerin die mangelnde Befugnis bzw. Berechtigung, die mangelnde technische Leistungsfähigkeit der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sowie die mangelnde Preisplausibilität und mangelnde Gleichwertigkeit des Angebotes der präsumtiven Zuschlagsempfängerin.

 

Der gegenständliche Auftrag erfordere Kenntnisse im Umgang mit bzw. dem Aufbau von Metallinstallationen und falle daher in den Berechtigungsumfang des reglementierten Gewerbes Metalltechnik für Metall- und Maschinenbau gemäß § 94 Z59 GewO.

Die präsumtive Zuschlagsempfängerin sei ein in Deutschland niedergelassenes Unternehmen und sei der Antragstellerin nicht bekannt, über welche Befugnis bzw. Berechtigung die präsumtive Zuschlagsempfängerin tatsächlich in Deutschland verfüge. Im Dienstleisterregister des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit sei keine Anzeige der präsumtiven Zuschlagsempfängerin eingetragen, woraus folge, dass sie die als Voraussetzung für die grenzüberschreitende Tätigkeit normierte Anzeigepflicht verletze und hätte eine Anzeige bereits vor Angebotslegung erfolgen müssen, da die Angebotslegung bereits zur Gewerbeausübung gerechnet werde.

Der präsumtiven Zuschlagsempfängerin fehle es daher an der erforderlichen Befugnis bzw. Berechtigung zur Ausführung des gegenständlichen Auftrages und hätte sie ausgeschieden werden müssen. Sie habe durch die nicht erstattete Anzeige einen Verwaltungsstraftatbestand erfüllt, sodass auch ihre berufliche Zuverlässigkeit nicht gegeben sei. Auch wäre die präsumtive Zuschlagsempfängerin auf Grund der mangelnden Leistungsfähigkeit auszuscheiden gewesen, da der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit ihr die Tätigkeit in Österreich wegen der nicht erfolgten Anzeige untersagen kann, sodass die präsumtive Zuschlagsempfängerin den Auftrag nicht mehr ausführen kann und ihr daher die Leistungsfähigkeit fehle.

Dies gelte auch hinsichtlich der weiteren Bieterin x GmbH, da auch sie im Dienstleistungsregisters des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit nicht eingetragen sei. Die in Österreich niedergelassene x GmbH verfüge lediglich über die Gewerbeberechtigung für Handel sowie für das Handwerk Tapezieren und Dekorateur, weshalb es ihr an der notwendigen Gewerbeberechtigung für Metall- und Maschinenbau fehle und sie ebenfalls wegen fehlender Befugnis bzw. Berechtigung auszuscheiden gewesen wäre.

 

Zur mangelnden technischen Leistungsfähigkeit führte die Antragstellerin aus, dass der Bieter gemäß den Ausschreibungsunterlagen über einschlägige Erfahrungen verfügen müsse. Als Mindesteignung sei der Nachweis für mindestens ein einschlägiges Referenzobjekt der letzten fünf Jahre mit einer Auftragssumme von mindestens 100.000 Euro zu erbringen. Die Antragstellerin hat sämtliche Projekte der letzten fünf Jahre in Österreich als Referenzen angegeben, auch jene, die unter der geforderten Auftragssumme liegen. Darüber hinaus führte sie weitere internationale Projekte an, die jedoch von der Firma x ausgeführt worden seien.

Da die präsumtive Zuschlagsempfängerin noch die übrigen Bieter keines der angeführten Projekte ausführten, können sie nicht über die zwingende Mindestreferenz verfügen und fehle es ihnen daher an der technischen Leistungsfähigkeit, weshalb sie auszuscheiden gewesen wären.

Weiters sei das Angebot mit 200.376 Euro der präsumtiven Zuschlagsempfängerin im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrig und betriebswirtschaftlich weder erklär- noch nachvollziehbar. Die x GmbH liege mit ihrem Angebotspreis um fast 50 % und die Antragstellerin fast 100 % über dem Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin. Der Durchschnittspreis aller fünf abgegebenen Angebote übersteige den Angebotspreis der präsumtiven Zuschlagsempfängerin um mehr als 45 %. Auch weiche der Angebotspreis der präsumtiven Zuschlagsempfängerin eklatant vom der Auftragsvergabe zu Grunde liegenden geschätzten Auftragswert von 400.000 Euro ab und übersteige dieser das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin um 100 %.

Der angebotene Gesamtpreis der präsumtiven Zuschlagsempfängerin halte dem Vergleich mit marktüblichen Preisen nicht stand, sodass ein ungewöhnlich niedriger Gesamtpreis vorliege und begründete Zweifel an der Angemessenheit der Preise bestünden. Es hätte eine vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt werden müssen und sei die Auftraggeberin verpflichtet gewesen, eine solche durchzuführen. Die vertiefte Angebotsprüfung hätte ergeben, dass der Gesamtpreis der präsumtiven Zuschlagsempfängerin nicht plausibel sei und sie daher auszuscheiden gewesen wäre.

Zusammenfassend könne gesagt werden, dass der Erlassung der einstweiligen Verfügung weder Interessen der Auftraggeberin noch besondere öffentliche Interessen entgegenstehen würden. Hingegen überwiege das Interesse der Antragstellerin bei weitem.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat die x GmbH als Auftraggeberin am Nachprüfungs­verfahren beteiligt. Eine Stellungnahme hinsichtlich der Erlassung der einstweiligen Verfügung langte bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht ein.

 

3.  Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs.1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 (Oö. VergRSG 2006) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens (Vergabeverfahren), die gemäß Art.14b Abs.2 Z2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Gemäß Art.14b Abs.2 Z2 lit.c B-VG ist die Vollziehung Landessache hinsichtlich der Vergabe von Aufträgen durch Unternehmungen im Sinne des Art.126b Abs.2, soweit sie nicht unter die Z1 lit.c fällt, sowie der Vergabe von Aufträgen durch Unternehmungen im Sinne des Art.127 Abs.3 und Art.127a Abs.3 und 8.

 

Gemäß Art.127 Abs.3 B-VG überprüft der Rechnungshof weiter die Gebarung von Unternehmungen, an denen das Land allein oder gemeinsam mit anderen der Zuständigkeit des Rechnungshofes unterliegenden Rechtsträgern mit mindestens 50 vH des Stamm-, Grund- oder Eigenkapitals beteiligt ist oder die das Land allein oder gemeinsam mit anderen solchen Rechtsträgern betreibt.

 

Die x GmbH ist 100 %ige Tochter der x GmbH, diese ist wiederum 100 %ige Tochter der x GmbH, welche wiederum im 100 %igen Eigentum des Landes Oberösterreich steht. Die x GmbH stellt als Unternehmen im Sinne des Art.127 Abs.3 B-VG einen öffentlichen Auftraggeber dar, der im Sinne des Art.14b Abs.2 Z2 lit.c B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fällt. Das gegenständliche Nachprüfungs­verfahren unterliegt daher den Bestimmungen des Oö. VergRSG 2006.  

 

Gemäß § 2 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 obliegt dem Unabhängigen Verwaltungs­senat die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs.1 leg.cit.

 

3.2.  Gemäß § 2 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 ist der Unabhängige Verwaltungssenat bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig. Aufgrund der Höhe des Auftragswertes des ausgeschriebenen Bauauftrages sind die Bestimmungen für den Oberschwellenbereich anzuwenden.

 

3.3. Gemäß § 8 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 hat der Unabhängige Verwaltungs­senat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs.1 leg.cit. hat der Unabhängige Verwaltungssenat vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabe­verfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs.3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Ver­fügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4.  Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundes­vergabe­gesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 (entspricht nunmehr Art.2 Abs.5) der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessens­abwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabe­verfahrens letztlich dienen soll.

 

3.5. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorial­verfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberin hat im Verfahren konkrete, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9).

 

Die Antragstellerin hat denkmöglich ausgeführt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, somit ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch die Auftraggeberin vorgebracht worden noch dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessensab­wägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass die Auftraggeberin ein Interesse an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabe­kontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben können, liegt in der Natur der Sache. Da - wie bereits erwähnt - kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrig­keiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 iVm § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006.

Gemäß § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. eine Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für den  Unabhängigen Verwaltungssenat somit die Möglichkeit besteht, die Aussetzung der Zuschlags­erteilung für zwei Monate, auszusprechen.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.4 Oö. VergRSG 2006 sofort vollstreckbar.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichts­hof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Michaela Bismaier

 

 

 

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