Linz, 23.12.2010
E R K E N N T N I S
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Rechtsanwälte X, vom 22. November 2010 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Freistadt vom 5. November 2010, VerkR21-247-2010-GG, wegen Entziehung der Lenkberechtigung ua, zu Recht erkannt
Der Berufung wird insofern teilweise Folge gegeben, als die Entziehungsdauer auf drei Monate, gerechnet ab 8. Februar 2011, herabgesetzt wird.
Rechtsgrundlage:
§§ 66 Abs.4 und 67a AVG
Entscheidungsgründe:
1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) gemäß §§ 7, 24 Abs.1 Z1, 25, 29, 30, 32 FSG die von der BH Freistadt am 29. April 2008, Zl. X, für die Klassen AV, A und B erteilte Lenkberechtigung ab dem Ende der mit Bescheid der BH Freistadt vom 26. Februar 2010, VerkR21-330-2009, ausgesprochenen Entziehungsdauer, dh ab 8. Februar 2011, bis einschließlich 19. Juni 2012, dh für weitere 16 Monate, entzogen – und diese Entziehung auch auf allfällig von einer Behörde eines EWR-Staates erteilte oder innerhalb der Entziehungsdauer zukünftig erteilte ausländische Lenkberechtigungen bezogen – und ihm für den gleichen Zeitraum ein Lenkverbot für Motorfahrräder, vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge und Invalidenkraftfahrzeuge erteilt sowie das Recht aberkannt, von einer allfällig bestehenden ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen. Weiters wurde er aufgefordert, einen allfällig vorhandenen ausländischen Führerschein unverzüglich der Behörde abzuliefern. Einer Berufung dagegen wurde die aufschiebende Wirkung gemäß § 64 Abs.2 AVG aberkannt.
Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 9. November 2010.
2. Ausschließlich gegen die Entziehungsdauer wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG).
3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, die Entziehungsdauer de facto von zwei Jahren ab Vorfallszeitpunkt bzw 16 Monaten nach der "alten" Entziehung sei bei Weitem überzogen und nicht zu begründen. Er gestehe zu, bereits mehrfach durch Lenken in alkoholisiertem Zustand aufgefallen zu sein und dass ihm letztmalig der Führerschein für 15 Monate, dh bis 8. Februar 2011, entzogen worden sei. Das sei nicht zu beschönigen und die Entziehung sei völlig zu Recht erfolgt. Im nunmehrigen Fall vermöge aber die Begründung der Erstinstanz für die derart lange Entziehungsdauer nicht zu überzeugen. Gemäß § 26 Abs.1 Z1 FSG sei eine Entziehungsdauer von drei Monaten für ein solches Lenken ohne Lenkberechtigung vorgesehen; Vormerkungen im Vormerksystem lägen nicht vor. Es sei eine erstmalige Übertretung und die von der Erstinstanz herangezogenen Kriterien wie Verkehrsunzuverlässigkeit seien hier irrelevant; es handle sich "nur" um ein Fahren ohne Lenkberechtigung, daher sei es der Behörde verwehrt, eine länger als dreimonatige Entziehung auszusprechen. Abgesehen davon sei eine Wertung gemäß § 7 Abs.4 FSG vorzunehmen. Wenn ihm (nach Absolvierung der Maßnahmen) der Führerschein frühestens nach drei Monaten, dh im Juni 2011, wieder ausgefolgt werde, sei seit dem Vorfall bereits ein Jahr verstrichen. Aufgrund der im ggst Fall erlittenen lebensgefährlichen Verletzungen sei er sicherlich "vernünftiger" geworden und werde sich in Zukunft normgerechter verhalten als bisher. Beantragt wird die Herabsetzung der Entziehungsdauer auf drei Monate ab Wiedererlangung des alten Führerscheins, dh bis 8.6.2011.
4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.
Dem Bw wurde zuletzt mit – rechtskräftigem – Bescheid der Erstinstanz vom
26. Februar 2010, VerkR21-330-2009, die Lenkberechtigung für die Klassen AV, A und B wegen Verkehrsunzuverlässigkeit auf der Grundlage des § 7 Abs.3 Z1 FSG wegen Übertretung gemäß §§ 5 Abs.1 iVm 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 für die Dauer von 15 Monaten, dh von 8. November 2009 bis 8. Februar 2011, entzogen und eine Nachschulung angeordnet.
Mit Schreiben der Erstinstanz vom 10. August 2010 wurde der Bw davon in Kenntnis gesetzt, dass aufgrund der Anzeige der PI Freistadt vom 9. Juli 2010, GZ: A1/4364/01/2010, beabsichtigt sei, ihm die Lenkberechtigung weiterhin zu entziehen über den im oben angeführten Bescheid ausgesprochenen Zeitraum hinaus. Demnach habe er Bw am 19. Juni 2010 um 6.35 Uhr im Gemeindegebiet von Lasberg auf der Nordkamm Straße L 579 bei km 1.958 den Pkw X trotz entzogener Lenkberechtigung gelenkt.
Der Bw hat in der Stellungnahme vom 15. Oktober 2010 die Anschuldigung ausdrücklich als richtig zugestanden.
In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.
Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die verkehrszuverlässig sind. Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen ua die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird. Als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.1 FSG hat gemäß § 7 Abs.3 Z6 lit.a FSG zu gelten, wenn jemand ein Kraftfahrzeug lenkt trotz entzogener Lenkberechtigung oder bestehenden Lenkverbotes oder trotz vorläufig abgenommenen Führerscheins.
Gemäß § 1 Abs.3 FSG ist das Lenken eines Kraftfahrzeuges und das Ziehen eines Anhängers ist, ausgenommen in den – hier nicht zutreffenden – Fällen des Abs.5, nur zulässig mit einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung für die Klasse oder Unterklasse, in die das Kraftfahrzeug fällt.
Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Abs.1 genannten und in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
Gemäß § 25 Abs.3 FSG ist bei der Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen.
Der Bw weist in der Vergangenheit Entziehungen der Lenkberechtigung wegen Alkoholdelikten auf, wobei die letzte vorher mit Bescheid der Erstinstanz vom
26. Februar 2010, VerkR21-330-2009-GG, erfolgte und für die Zeit bis 8. Februar 2011 die Lenkberechtigung für die Klassen AV, A und B entzogen wurde. Am 19.6.2010 hat der Bw – unbestritten – ein Kraftfahrzeug gelenkt, ohne im Besitz der erforderlichen gültigen Lenkberechtigung zu sein.
Im Sinne einer Wertung gemäß § 7 Abs.4 FSG ist dazu zu sagen, dass beim Vorfall vom 19. Juni 2010 von Alkohol keine Rede ist, dh das zu beurteilende Verhalten des Bw im Sinne des § 7 Abs.3 Z6 lit.a FSG erschöpft sich im Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkberechtigung und sowohl die Verwerflichkeit als auch die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen das zu wertende Verhalten gesetzt wurde, ist mit einem Alkoholdelikt nicht vergleichbar. Der Bw hat, soweit aus dem vorgelegten Verfahrensakt und dem Führerscheinregister ersichtlich, erstmalig ein Kraftfahrzeug, ohne im Besitz einer gültigen Lenkberechtigung zu sein, gelenkt und ergibt sich auch aus der Begründung des nunmehr nur hinsichtlich der Entziehungsdauer angefochtenen Bescheides nichts anderes. Die Festsetzung einer Entziehungsdauer von 16 Monaten, gerechnet ab Ende der letzten Entziehung, dh ab 8. Februar 2011, ist daher aus der Sicht des UVS sachlich nicht begründbar. Die Ausführungen der Erstinstanz, die davon ausgeht, dass der Bw nicht gewillt ist, gesetzliche Bestimmungen einzuhalten, betreffend ausschließlich das Lenken ohne Lenkberechtigung, wobei frühere Entziehungszeiten wegen gesundheitlicher Nichteignung damit in keinem Zusammenhang stehen und eine Verkehrsunzuverlässigkeit wegen eines Alkoholdeliktes nicht mit einer solchen wegen "bloßen" Lenkens ohne Lenkberechtigung vergleichbar ist. Die Herabsetzung der Entziehungsdauer auf die gesetzliche Mindestdauer von drei Monaten gemäß § 25 Abs.3 FSG im Sinne einer Prognose, wann der Bw seine Verkehrszuverlässigkeit wieder erlangt haben wird, ist wegen der erstmaligen Begehung gerechtfertigt, aber auch geboten, um ihn von weiteren derartigen Aktionen abzuhalten.
Das Lenkverbot und die Aberkennung des Rechts, von einem allenfalls vorhandenen ausländischen Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, gründet sich gemäß §§ 32 Abs.1, 24 Abs.1 und 30 Abs.1 FSG als einziges Kriterium auf die Verkehrsunzuverlässigkeit und ist damit für den gleichen Zeitraum wie die Entziehungsdauer ebenfalls durch den Gesetzgeber zwingend vorgesehen.
Es war daher im Anfechtungsumfang spruchgemäß zu entscheiden.
Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Mag. Bissenberger
Beschlagwortung:
Lenken ohne LB erstmalig = 3 Monate Mindestentziehungsdauer