Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-100700/15/Fra/Ka

Linz, 06.11.1992

VwSen - 100700/15/Fra/Ka Linz, am 6. November 1992 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des R K, A, I, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J E K, W, W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 1. April 1992, VerkR 96/5976/1991, betreffend Übertretung der StVO 1960, nach der am 30. Oktober 1992 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG i.V.m. §§ 24, 51, 51e Abs.1 und 45 Abs.1 Z.2 VStG.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Strafkostenbeiträgen.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat mit Straferkenntnis vom 1. April 1992, VerkR 96/5976/1991 über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs.2 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 1.400 S (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag) verhängt, weil er am 21. April 1991 gegen 15.10 Uhr den PKW der Marke Mercedes, mit dem Kennzeichen im Gemeindegebiet O und S auf der I A, Richtung S gelenkt hat, wobei er von Autobahnkilometer bis die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h überschritten hat.

Ferner wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Strafverfahren in Höhe von 10 % der verhängten Strafe verpflichtet.

I.2. Die Erstbehörde stützt den Schuldspruch auf die Anzeige des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich vom 26. April 1990 sowie auf das Ergebnis des durchgeführten Ermittlungsverfahrens.

I.3. Gegen das unter Ziffer I.1. angeführte Straferkenntnis hat der Beschuldigte rechtzeitig Berufung erhoben.

Der Beschuldigte bezweifelt, ob die Meldungsleger tatsächlich aus einem Winkel und aus einer Distanz von 400 m genau feststellen konnten, wann er die Kilometrierung passierte. Sollten sie sich dabei auch nur leicht verschätzt haben, habe dies bei der ihm vorgeworfenen Geschwindigkeit eine enorme Auswirkung hinsichtlich der gestoppten Zeit, welche er für eine bestimmte Strecke benötigte. Der Sachverständige Ing. L habe in seinem Gutachten vom 31.12.1991 festgestellt, daß es vom Standort der Beamten bis zum Autobahnkilometer eine Wegstrecke von 370 m sei. Feststellungen, in welche Richtung gesehen vom Autobahnkilometer diese 370 m liegen, seien nicht gemacht worden, obwohl er dies ausdrücklich beantragt habe. Die Meldungsleger befanden sich zumindest 100 m von der Autobahn entfernt. Dies bedeute, daß er, als die Meldungsleger die Verfolgung aufgenommen haben, zumindest bereits 100 m, möglicherweise aber auch bereits 370 m von ihnen entfernt war. Dennoch wollen ihn die Meldungsleger bereits bei km eingeholt haben, sodaß sie genau sehen konnten, wann er Autobahnkilometer passiert habe. Aus den gemessenen Kilometern und der gestoppten Zeit von 2 Minuten, 12,02 Sekunden hätten sodann die Meldungsleger eine von ihm gefahrene Durchschnittsgeschwindigkeit von 177,2 km/h errechnet. Aufgrund der angegebenen Daten habe auch der Sachverständige diese Geschwindigkeit ermittelt. Dieser Sachverständige habe in seinem Gutachten weiters festgestellt, daß eindeutig nachvollzogen werden konnte, daß die betreffende Strecke unter ungünstigeren Bedingungen in einer Zeit von 2 Minuten 8,4 Sekunden vom Standort des Beamten, also 370 m vor Autobahnkilometer weg bis zur Autobahnkilometer durchfahren werden konnte. Dies ergebe eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 178,6 km/h. Die durchschnittliche Geschwindigkeitsdifferenz betrug sohin lediglich 1,4 km/h. Daher haben die beiden Meldungsleger in der Zeit von 2 Minuten 8,4 Sekunden maximal 50 m mehr zurückgelegt, als er mit seiner angeblich gefahrenen Geschwindigkeit. Da die Meldungsleger beim Wegfahren jedoch bereits weit hinter ihm waren und außerdem erst vom Stand aus beschleunigen mußten, konnten sie innerhalb der angegebenen Zeit niemals soweit an sein KFZ herankommen, daß sie feststellen konnten, wann er denn den Autobahnkilometer passierte. Keinesfalls konnten sie in der angegebenen Zeit auf 150 m an ihn herankommen bzw. ihn überhaupt einholen. Die von den Meldungslegern angegebene und gemessene Strecke sei sohin äußerst zweifelhaft. Bereits kleinere Schwankungen in der Messung würden jedoch bereits zu dem Ergenis führen, daß er die Geschwindigkeit von 130 km/h nicht oder lediglich unwesentlich überschritten habe. Es gebe somit Anhaltspunkte dafür, daß der die Stoppung durchführende Gendarmeriebeamte die Stoppung zu spät begonnen hat und insbesondere, daß er mit seinem Streifenwagen nicht aufschließen konnte und sohin auch beim Kilometer die Stoppung nicht korrekt beenden konnte.

I.4. Vom Rechtsinstitut der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht. Sie hat das Rechtsmittel samt Verfahrensakt dem O.ö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt. Eine Gegenäußerung wurde nicht abgegeben. Durch die Vorlage wurde die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates ausgelöst. Dieser hat, weil keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

I.5. Am 30. Oktober 1992 wurde an Ort und Stelle unter Zuziehung der Meldungsleger sowie eines Amtssachverständigen für Verkehrstechnik eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. Die Verhandlung erbrachte folgendes Ergebnis:

Dem seinerzeitigen Gutachten des Amtssachverständigen Ing. L folgend, nach dem der Standort der Meldungsleger bei der Beobachtung 370 m vor Autobahnkilometer war, hat eine Rückmessung ergeben, daß der Standort an der Spitze bei der Aufteilung der Autobahnzu- bzw. abfahrten gelegen sein mußte. Von diesem Standort ist derzeit und war auch damals, bedingt durch einen Höhenrücken sowie durch die Leitschienen, welche auch zum Tatzeitpunkt an der Autobahnzufahrt angebracht waren, der Straßenkilometer als Meßpunktmarkierung nicht sichtbar. Von diesem Standort konnten die Meldungsleger aufgrund der Sichtbehinderung der Leitschienen Fahrzeuge erstmals nach Verlassen der Autobahnüberführung ca. 280 m vor Autobahnkilometer erblicken. Dieser Punkt liegt 50 m nach der Autobahnüberführung. Auf welchen Punkt der Beginn der Meßstrecke damals erkannt werden konnte, war zum Zeitpunkt des Ortsaugenscheines aufgrund des Böschungsbewuchses nicht mehr feststellbar. Die Auffahrtrampe zur Autobahn beträgt 25 Grad, dies wurde über die beiden Kadetten vermessen. Als weiteres Ergebnis des Ortsaugenscheines, nämlich aufgrund der Aussagen der Meldungsleger sowie aufgrund der Berechnungen des Amtssachverständigen ist festzuhalten, daß die Meldungsleger nicht ununterbrochen die Möglichkeit hatten, das von ihnen verfolgte Fahrzeug zu beobachten. Die Meldungsleger selbst schlossen diese Möglichkeit nicht aus. Zudem kommt, daß sich der Abstand des Patrouillenfahrzeuges zum verfolgten Fahrzeug auf beinahe einen Kilometer vergrößert hat. Vom Standort der Meldungsleger ist es objektiv nicht möglich, ein Fahrzeugkennzeichen, wenn diese auf Höhe des Standortes vorbeifährt, abzulesen. Eine solche Ablesbarkeit wäre erst dann möglich, wenn dies der Blickwinkel zuläßt. Befindet sich ein Fahrzeug auf dieser Höhe, so ist vom Standort des Meldungslegers aus gesehen, die Entfernung bereits so groß, daß unter Berücksichtigung der gefahrenen Geschwindigkeit eine eindeutige Entzifferung eines Kennzeichens objektiv unmöglich erscheint.

Ausgehend von dem Ergebnis des vom UVS anläßlich des Ortsaugenscheines durchgeführten Beweisverfahrens ist daher zu konstatieren, daß die Meldungsleger nicht ununterbrochen die Möglichkeit gehabt haben, das von ihnen verfolgte Fahrzeug zu beobachten. Ausgehend von einem anfänglichem Abstand von zumindest 370 m hat sich dieser Abstand bis zur Erreichung der Geschwindigkeit des verfolgten Fahrzeuges auf beinahe einen Kilometer vergrößert. Es ist daher nicht mir der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit auszuschließen, daß das von den Meldungslegern ursprünglich verfolgte und gestoppte Fahrzeug mit dem letztendlich angehaltenen Fahrzeug ident ist, insbesondere aufgrund der ungünstigen Sichtverhältnisse des ursprünglichen Standortes der Meldungsleger, von dem aus lediglich die Wagentype und die Farbe festgestellt werden kann.

Zu den Einwänden des Berufungswerbers bezüglich des bereits im erstinstanzlichen Verfahren erstellten Gutachten selbst, ist darauf hinzuweisen, daß mit Sicherheit ein größerer Streckenmeßfehler als 130 m nicht zugrundezulegen ist, denn die Durchfahrtshöhe beim Meßstreckenendpunkt kann mit 65 m in beiden Richtungen eingegrenzt werden, sodaß sich eben eine Fehlmeßstrecke von 130 m ergibt. Unter diesen Voraussetzungen wäre die Meßstrecke von 6500 m mit einer Fehlerrechnung so einzugrenzen, daß sie maximal 6630 m betragen hätte und minimal 6370 m. Dem zugrundegelegt wurde nun die tatsächliche Meßzeit von 132,02 Sekunden. Daraus ergibt sich eine Maximalgeschwindigkeit von 180,79 km/h und eine Minimalgeschwindigkeit von 173,7 km/h.

zu II. Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r

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