Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-100703/16/Bi/Fb

Linz, 28.10.1992

VwSen - 100703/16/Bi/Fb Linz, am 28. Oktober 1992 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des W A, D, W, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H C, F, G, vom 30. Mai 1992 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis vom 18. Mai 1992, VerkR96/578/1991/Vie, aufgrund des Ergebnisses der am 28. Oktober 1992 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht:

I. Der Berufung wird insofern stattgegeben, als der Schuldspruch mit der Maßgabe bestätigt wird, daß die Wortfolge "um 50 km/h" zu entfallen hat. Hinsichtlich der verhängten Strafe wird der Berufung insofern stattgegeben, als die Geldstrafe auf 1.500 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 36 Stunden herabgesetzt wird.

II. Der Kostenbeitrag für das Strafverfahren erster Instanz ermäßigt sich demnach auf 150 S und entfällt ein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren.

Rechtsgrundlage: zu I.: § 66 Abs.4 AVG i.V.m. §§ 24, 51 und 19 VStG, § 20 Abs.2 i.V.m. § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960.

zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I. 1. Die Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis hat mit Straferkenntnis vom 18. Mai 1992, VerkR96/578/1991/Vie, über Herrn W A wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs.2 i.V.m. § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 2.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden verhängt, weil er am 22. Jänner 1991 gegen 11.20 Uhr als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen auf der A I, Fahrtrichtung S, zwischen km 64,600 und 65,600 die auf österreichischen Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 50 km/h überschritten hat. Die Geschwindigkeitsüberschreitung wurde mittels Stoppung festgestellt.

Gleichzeitig wurde er zur Leistung eines Verfahrenskostenbeitrages von 200 S verpflichtet.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber rechtzeitig Berufung erhoben, die seitens der Erstbehörde dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich samt Verfahrensakt, jedoch ohne Gegenäußerung, vorgelegt wurde. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben, der, da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden hat. Am 28. Oktober 1992 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Beschuldigtenvertreters Dr. A für Dr. C, des Zeugen Bez.Insp. K sowie des verkehrstechnischen Amtssachverständigen Ing. S durchgeführt.

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, das Meßverfahren mittels Stoppuhr werde in den meisten Ländern Europas vor Gericht nicht mehr zugelassen, weil Meßpannen des bedienenden Organes nicht auszuschließen seien. Er habe bei der Anhaltung in S dem Beamten mitgeteilt, daß er höchstens 140 km/h bis 150 km/h gefahren sei, nicht aber 160, wie vom Beamten im Protokoll angegeben. Der Beamte in Suben habe ihm mitgeteilt, die Messung sei durch ein vor ihm fahrendes Polizeizivilfahrzeug vorgenommen worden, was aber nicht sein könne, da Hinter und vor ihm jeweils ein Fahrzeug mit deutschem Kennzeichen fuhr. Außerdem sei er im Meßbereich von mindestens 5 Fahrzeugen überholt worden, aber nur ein Auto sei außer ihm in S angehalten worden. Seines Erachtens habe der Beamte entweder überhaupt nicht gemessen, oder sein Fahrzeug sei mit einem anderen verwechselt worden. Er lege deshalb Berufung ein.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, insbesondere in das diesem beiliegende Gutachten des verkehrstechnischen Amtssachverständigen Ing. S vom 16. September 1991, sowie durch die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Meldungsleger zeugenschaftlich einvernommen wurde und bei dem das oben genannte Gutachten durch den Amtssachverständigen ergänzt wurde.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Der Meldungsleger Bez.Insp. K hat im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung glaubwürdig und schlüssig dargelegt, daß er am Tattag wie auch sonst Geschwindigkeitsmessungen in diesem Bereich der I von der Autobahnauffahrt O in Fahrtrichtung Grenze aus durchführte, wobei er sich im zweiten Drittel der Meßstrecke befand. Meßbeginn sei eine Plastikabschirmung bei einer Autobahnbrücke, Meßende der Ausfahrtswegweiser. Die Autobahn weise in diesem Bereich eine Krümmung auf, sodaß der im Verlauf der Autobahn ca. 850 m bis 900 m, in der Luftlinie aber näher gelegene Meßbeginn einsehbar sei, wobei die Sicht auf den ankommenden Verkehr weiter reiche, sodaß er Gelegenheit habe, mit dem Fernglas ihm schneller vorkommende Fahrzeuge herauszusuchen und diese dann auf der bezeichneten Strecke mittels Stoppuhr zu stoppen. Am Tattag seien wenige Fahrzeuge unterwegs gewesen, keinesfalls drei Fahrzeuge mit deutschem Kennzeichen hintereinander, sodaß eine Verwechslung des Fahrzeuges des Berufungswerbers ausgeschlossen sei. Es habe sich um einen Mercedes gehandelt, den er schon im Herannahen vor Passieren des ersten Meßpunktes für zu schnell gehalten habe, was sich dann durch die Messung mit der Stoppuhr bestätigt habe. Der PKW sei dann direkt an ihm vorbeigefahren und er habe im Wegfahren, nach Beendigung der Stoppung, mit dem Gucker noch die Anfangsbuchstaben des Kennzeichens festgestellt, die er seinem Kollegen beim Grenzübergang Suben mitgeteilt habe. Aus der Durchfahrtszeit von 19,91 Sekunden habe er eine Geschwindigkeit von 180,8 km/h errechnet. Es sei nicht richtig, daß die Geschwindigkeitsfeststellung durch ein Polizeizivilfahrzeug erfolgt sei. Die verwendete Stoppuhr befinde sich in seinem Privateigentum und funktioniere einwandfrei, da sich bei Vergleichsmessungen richtige Werte ergeben hätten. Wenn die Uhrenbatterie zur Neige gehe, beginne der Display zu blinken und dann sei auch keine Stoppung mehr möglich. Bei der gegenständlichen Stoppung sei dies nicht der Fall gewesen. Da er das herannahende Fahrzeug schon vor der Stoppung auf schneller als 160 km/h geschätzt habe, seien ihm beim Ergebnis der Stoppung keine Zweifel gekommen, und er könne ausschließen, daß ihm irgendwelche Fehler passiert seien. Er könne allerdings nicht unterscheiden, ob die Auslösung der Messung bei Überfahren der gedachten Verlängerung des ersten Meßpunktes mit den Vorderrädern oder mit den Hinterrädern erfolgt sei. Er habe bei Vergleichsmessungen auch mit Sachverständigen immer richtige Ergebnisse erzielt und sei selber bemüht, eine Messung mit reinem Gewissen durchzuführen und habe auch kein Interesse daran, jemandem etwas in die Schuhe zu schieben, was nicht der Richtigkeit entspreche.

Unter Zugrundelegung des bereits im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens erstatteten und unbekämpft gebliebenen Gutachtens hat der technische Amtssachverständige Ing. S unter Bedachtnahme auf die zeugenschaftlichen Angaben des Meldungslegers gutachtlich ausgeführt, daß unter Zugrundelegung einer Meßstrecke von exakt 995 m - wenn nämlich der Meldungsleger den Meßvorgang erst ausgelöst hat, als das Fahrzeug mit den Hinterrädern bereits den Beginn der Meßstrecke überfahren hatte - eine tatsächliche Geschwindigkeit von 179,9 km/h zu errechnen ist. Berücksichtigt man beim Auslösen der Stoppuhr eine Reaktionszeit von einer Sekunde, so würde dies einer Geschwindigkeit von 172 km/h entsprechen.

Der unabhängige Verwaltungssenat vertritt die Auffassung, daß die in Rede stehende Stoppuhrenmessung als Grundlage für den Tatvorwurf durchaus heranziehbar ist, wobei dem Meldungsleger, der in dieser Hinsicht bereits über einige Erfahrung verfügt, durchaus zumutbar ist, eine Stoppuhrenmessung exakt durchzuführen, auch wenn die verwendete Stoppuhr - die im übrigen nicht eichfähig ist ihm selbst gehört und 10 Jahre alt ist. Der Meldungsleger hat durchaus glaubwürdig geschildert, daß ihm aufgrund der schon beim Herannahen geschätzten Geschwindigkeit des Fahrzeuges des Berufungswerbers die aufgrund der gestoppten Zeit errechnete Geschwindigkeit als durchaus damit im Einklang stehend erschienen ist, sodaß er hinsichtlich der Richtigkeit der durchgeführten Messung keine Zweifel hatte, wobei er auch bei der Verhandlung darauf hingewiesen hat, daß die Stoppuhr bei mehreren Vergleichsmessungen richtige Ergebnisse erbracht habe. Im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung entstand der Eindruck, daß der Meldungsleger diese Stoppungen sehr sorgfältig und genau durchführt.

Aufgrund der im Rahmen des Sachverständigengutachtens hervorgekommenen Toleranzgrößen, insbesondere beim Auslösen der Stoppuhr und beim Passieren des Beginnes der Meßstrecke, gelangt der unabhängige Verwaltungssenat zu der Auffassung, daß von der im Sachverständigengutachten hervorgekommenen günstigsten Geschwindigkeit von 172 km/h auszugehen ist, weshalb zum einen die Spruchkorrektur vorgenommen wurde und zum anderen - wie später auszuführen sein wird - die Strafe neu bemessen wurde.

Zum Berufungsvorbringen ist zusammenfassend festzustellen, daß sich im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung kein Anhaltspunkt dafür ergeben hat, daß das Fahrzeug verwechselt wurde, wobei auch eindeutig ausgeschlossen wurde, daß die Geschwindigkeitsmessung von einem Polizeizivilfahrzeug im Vor- oder Nachfahren erfolgt ist. Von "Meßpannen" ist im gegenständlichen Fall ebenfalls nicht auszugehen, wobei die Feststellungen über die örtlichen Gegebenheiten der Meßstrecke nicht in Zweifel gezogen wurden. Eine Überprüfung mittels Lokalaugenschein war daher weder erforderlich noch durchführbar, zumal sich mittlerweile im dortigen Bereich Lärmschutzwände befinden, sodaß die Sicht auf den ankommenden Verkehr eingeschränkt ist. Da der Rechtsmittelwerber aber auch in der Berufung geltend macht, die Geschwindigkeitsüberschreitungen könnten sich höchstens in einem Ausmaß von 140 km/h bis 150 km/h bewegen, ist davon auszugehen, daß ihm selbst bewußt war, daß er eine auf österreichischen Autobahnen nicht zulässige Geschwindigkeit eingehalten hat, sodaß er den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat. Nach der Judikatur des Verwaltungsegerichtshofes (vgl. Erk. vom 20. Februar 1991, Zl 90/02/0189) kommt es für die Tatbildmäßigkeit der Übertretung nach § 20 Abs.2 StVO auf Autobahnen nur darauf an, daß die Geschwindigkeit mit mehr als 130 km/h anzunehmen ist; dabei ist unerheblich, ob die von den Straßenaufsichtsorganen angegebene Geschwindigkeit tatsächlich 180 km/h oder - wie vom beteiligten KFZ-Lenker behauptet - 150 km/h betrug. Unter der Voraussetzung, daß die Geschwindigkeit auf einer Autobahn mehr als 130 km/h betrug, betrifft die Anführung der angeblichen Fahrgeschwindigkeit im Spruch des Straferkenntnisses kein wesentliches Element der Übertretung nach § 20 Abs.2 StVO; selbst eine unrichtige Geschwindigkeitsangabe würde unter dieser Voraussetzung den Spruch nicht mit Rechtswidrigkeit belasten.

Die Verwendung einer Stoppuhr zwecks Ermittlung einer allfälligen Geschwindigkeitsüberschreitung auf einer bestimmten, durch Meßpunkte begrenzten Strecke stellt eine zuverlässige Methode dar. Hiebei bedarf es nicht der Verwendung eines geeichten Geräts (VwGH vom 12. März 1986, Zl. 85/03/0176).

4.2. Zur Strafbemessung ist auszuführen, daß gemäß § 19 VStG Grundlage dafür stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen ist, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Gemäß Abs.2 sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden, und die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

§ 99 Abs.3 StVO 1960 sieht einen Strafrahmen bis 10.000 S vor. Unter Bedachtnahme auf die obigen Ausführungen zu dem Tatvorwurf zugrundezulegenden Geschwindigkeit war auch die verhängte Strafe herabzusetzen, wobei dem Rechtsmittelwerber die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit als Milderungsgrund zugutezuhalten ist. Erschwerend war kein Umstand. Die verhängte Strafe entspricht somit dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung und ist auch den Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen des Rechtsmittelwerbers angemessen (der von der Erstinstanz vorgenommenen Schätzung von einem Monatseinkommen von ca. 3.000 DM = 21.000 S wurde nicht entgegengetreten, Sorgepflichten oder Vermögen sind nicht bekannt).

Die verhängte Strafe liegt im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens und ist im Hinblick auf generalund vor allem spezialpräventive Überlegungen gerechtfertigt.

zu II.: Der Ausspruch über die Verfahrenskosten gründet sich auf die zitierten Gesetzesbestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger

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