Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165730/11/Br/Th

Linz, 22.02.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier, über die gegen das Strafausmaß gerichtete Berufung des Herrn X,  vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. X, Mag. X u. Mag. X, X, betreffend das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, vom 17.05. 2010, Zl. VerkR96-49036-2009, zu Recht:

 

 

 I.    Der gegen das Strafausmaß gerichteten Berufung wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Geldstrafe auf 160 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 72 Stunden ermäßigt wird.

 

II.  Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demnach auf 17 Euro. Für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskosten­beitrag.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 19, 24 und 51 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG;

zu II.: §§ 65 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit dem o.a. Straferkenntnis hat die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck über den Berufungswerber wegen einer am 4.7.2009 um 15:18 Uhr als Lenker eines nach dem Kennzeichen bestimmten KFZ, auf der Westautonbahn, Baustelle Nr. 1, bei Strkm 234.144 in Fahrtrichtung Wien, begangenen Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit im Umfang von 52 km/h (erlaubte Höchstgeschwindigkeit 60 km/h), eine Geldstrafe von  245 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 108 Stunden ausgesprochen.

 

 

1.1.  Begründet wurde der Strafausspruch im Ergebnis damit, dass Geschwindigkeitsüberschreitungen die Hauptursache für Verkehrsunfälle  wären und demnach sie zu den besonders schweren Verstößen im Straßenverkehr zählten und daher auch entsprechend konsequent zu bestrafen seien. Es sei evident und bedürfe dies keiner ausschweifenden Begründung, dass der Unrechtsgehalt einer Geschwindigkeitsüberschreitung umso größer sei, je größer die Geschwindigkeitsüberschreitung selbst ist. Das Risiko für den Beschuldigten selbst, aber auch für die übrigen Verkehrsteilnehmer steige mit der jeweiligen Geschwindigkeitsüberschreitung nicht linear sondern progressiv, weshalb die Gefährdung der zu schützenden Interessen (Verkehrssicherheit) ein besonders hohes Ausmaß hat.

Im gegenständlichen Fall sei die Gefährdung als erheblich einzustufen gewesen, da die erlaubte Höchstgeschwindigkeit um 52 km/h (Messtoleranz bereits berücksichtigt) überschritten wurde. Strafmildernde Umstände lagen nicht vor.

 

 

2. Dem trat der Berufungswerber vorerst mit der durch seinen Rechtsvertreter fristgerecht erhobenen und die Tat vorerst dem Grunde nach bestreitenden Berufung entgegen. Nach Übermittlung der in Vorbereitung der Berufungsverhandlung getätigten Erhebungen und Anberaumung einer Berufungsverhandlung, wurde dem Schriftsatz vom 18.2.2011 das Rechtsmittel auf das Strafausmaß eingeschränkt. Unter Hinweis auf das bereits lange Zurückliegen des Vorfalls und der bloß geringfügigen Überschreitung wurde die Anwendung des § 20 VStG angeregt.

 

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat den Verfahrensakt ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Berufungsentscheidung am 31.1.2011 vorgelegt. Dessen Zuständigkeit ist gemäß § 51 Abs.1 VStG begründet. 

Die verspätete Aktenvorlage wurde mit einem Versehen begründet.

 

 

3.1. Beweis erhoben wurde durch vorgängige Erhebung betreffend die Lenkereigenschaft. Dem Berufungswerber wurde im Wege seines Rechtsvertreters diesbezüglich Parteiengehör gewährt. Bei der Wohnsitzbehörde des Berufungswerbers wurde eine Anfrage über Verwaltungsvormerkungen gestellt.

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Es trifft grundsätzlich zu, dass mit der Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit im Umfang von 52 km/h in aller Regel im Vergleich zur erlaubten Höchstgeschwindigkeit eine entsprechend  erhöhte Gefahren­potenzierung einhergeht.

So liegt der Anhalteweg bei einer Vollbremsung (Reaktionszeit eine Sekunde, Bremsschwellzeit 0,2 Sekunden, Bremsverzögerung 7,5 m/sek2) aus 60 km/h bei 36,84 m. Aus 112 km/h beträgt dieser 98,74 m. Jene Stelle, an der der Pkw aus 60 km/h zu Stillstand gelangt, wäre bei der vom Berufungswerber gefahrenen Geschwindigkeit noch mit über 89 km/h durchfahren worden (Berechnung mit Anlalyzer Pro).

Dennoch wurde hier die Übertretung an einem Samstagnachmittag und demnach während der eher verkehrsarmen und wohl auch arbeitsfreien Zeit begangen.

Wie das Radarbild zeigt, befanden sich im zweispurig geführten Baustellenbereich - wo zu dieser Zeit vermutlich keine Arbeitsaktivitäten stattfanden -  nur wenige Fahrzeuge. Die von der Behörde erster Instanz vorgenommene Beurteilung des Tatunwertes wird dadurch doch deutlich relativiert.

Gemäß § 19 Abs.2 3. Satz VStG sind unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Nach § 34 Abs.2 StGB ist es auch ein Milderungsgrund, "wenn u.a. das gegen den Täter geführte Verfahren aus einem nicht von ihm oder seinem Verteidiger zu vertretenden Grund unverhältnismäßig lange gedauert hat".

Im Allgemeinen ist die Strafe umso strenger zu bemessen, je größer die Schädigung oder Gefährdung ist, die der Täter verschuldet hat oder die er zwar nicht herbeigeführt, aber auf die sich sein Verschulden erstreckt und je mehr Pflichten er durch seine Handlung verletzt hat.

Aus Art. 6 Abs.1 EMRK ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass das Gericht (aber auch eine Verwaltungsstrafbehörde) "innerhalb einer angemessenen Frist" zu entscheiden hat. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer ist nach der Rechtsprechung des EGMR nicht abstrakt, sondern im Lichte der besonderen Umstände jedes einzelnen Falles zu beurteilen. Diese besonderen Umstände ergeben sich aus dem Verhältnis und der Wechselwirkung verschiedener Faktoren. Neben Faktoren, welche die Verfahrensdauer beeinflussen, nämlich die Komplexität des Falles, das Verhalten des Beschwerdeführers und das Verhalten der staatlichen Behörden in dem bemängelten Verfahren, spielt die Bedeutung der Sache für den Rechtsmittelwerber als subjektives Element eine wichtige Rolle.

Ist die Beurteilung nach den einzelnen Kriterien aufwändig und ergibt sich aus der Gesamtverfahrensdauer, dass eine Verletzung vorliegt, verzichtet der EGMR auf eine eingehende Prüfung und nimmt er in einer pauschalen Beurteilung eine Verletzung an (vgl. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention2 [2005], §24 Rz 69f; Thienel, Die angemessene Verfahrensdauer [Art6 Abs1 MRK] in der Rechtsprechung der Straßburger Organe. Unter Bedachtnahme auf die österreichische Rechtslage, ÖJZ 1993, 473 [480] - vgl. VfGH v. 9.6.2006, B3585/05).

Bei einer Verfahrensdauer von zwischenzeitig doch zwanzig Monaten, wobei der Akt – wenn auch versehentlich – zehn Monate abgelegt war, kann die Verfahrensdauer bei der Beurteilung des Strafausmaßes nicht mehr unberücksichtigt bleiben.

Angesicht des in der Verfahrensdauer gründenden strafmildernden Aspektes konnte unter der Annahme eines zumindest durchschnittlichen Monatseinkommens des Berufungswerbers, in Verbindung mit den sonstigen Strafzumessungsgründen (keine straferschwerenden aber auch keine strafmildernden Umstände) der Strafberufung dennoch zum Teil gefolgt und mit der nunmehr ausgesprochenen Geldstrafe das Auslangen gefunden werden.

Für die Anwendung des § 20 VStG lagen jedoch die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vor.

Beträchtlich überwiegende Milderungsgründe ergeben sich weder aus der Aktenlage noch werden solche vom Berufungswerber aufgezeigt.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

H i n w e i s:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

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