Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231226/2/Fi/Fl/Ga

Linz, 14.02.2011

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Dr. Johannes Fischer über die Berufung des X, vertreten durch X, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion der Stadt Wels vom 19. Jänner 2011, GZ 2-S-7.738/10/S, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 mit diesem Bescheid zu Recht erkannt:

I.               Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.

II.           Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 21, 24, 45 Abs. 1 Z 2 und § 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 66 VStG.


Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion der Stadt Wels (im Folgenden: belangte Behörde) vom 19. Jänner 2011, GZ 2-S-7.738/10/S, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) eine Geldstrafe in der Höhe von 1.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 8 Tage) wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 31 Abs. 1 iVm § 120 Abs. 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (im Folgenden: FPG 2005) verhängt.

Dem Bw wird vorgeworfen, wie vom fremdenpolizeilichen Referat der belangten Behörde am 15. April 2010 festgestellt worden sei, Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG 2005 zu sein, und sich von 20. Juli 2009 bis 15. April 2010 unrechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich aufgehalten zu haben. Dies deshalb, weil der Bw weder aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (im Folgenden: NAG) noch aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sei, kein vom Vertragsstaat ausgestellter Aufenthaltstitel gegeben sei, bzw. dem Bw eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz nicht zukomme. Ebenfalls habe der Bw keine Beschäftigungsbewil­ligung, Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbe­schäftigungsgesetz inne.

Begründend führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Tat durch die eigene dienstliche Wahrnehmung eines Bediensteten des fremdenpolizeilichen Referats der belangten Behörde und der hierüber vorgelegten Anzeige vom
15. April 2010 sowie aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens zweifelsfrei erwiesen sei. Hiebei wird u.a. darauf hingewiesen, dass Anträge gemäß § 43 Abs. 2 NAG weder ein Aufenthalts- oder Bleiberecht begründen noch solche der Erlassung und Durchführung fremdenpolizeilicher Maßnahmen entgegen stehen würden. Die Behörde schließt ihre Begründung mit Erwägungen zur Strafbemessung.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw am 20. Jänner 2011 zugestellt wurde, richtet sich die am 3. Februar 2011 zur Post gegebene – und damit rechtzeitige – Berufung vom 2. Februar 2011, die dem Unabhängigen Verwaltungssenat von der belangten Behörde mit Schreiben vom 4. Februar 2011 unter Anschluss des vollständigen Verwaltungsaktes zur Entscheidung vorgelegt wurde.

Begründend führt der Bw im Wesentlichen aus, dass er am 11. August 2009 einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 2 NAG gestellt habe und er die Entscheidung über diesen – über den noch nicht rechtskräftig entschieden worden sei – im Inland abwarten dürfe. Der Bw bestreite nicht, dass er derzeit über keine Aufenthaltsberechtigung verfüge, weise aber darauf hin, dass ihn an der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung, wenn überhaupt, nur ein geringes Verschulden treffe, sodass unter Anwendung des § 21 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden: VStG) gegenständliche Verwaltungsstrafe nicht erlassen werden hätte dürfen. Nach Ansicht des Bw liege eine entschuldigende Notstandssituation iSd § 6 VStG vor, weshalb ersucht werde, das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Erstbehörde (einschließlich der Schriftsätze der Parteien). Gemäß § 51e Abs. 1 Z 2 VStG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

2.2. Aus den angeführten Beweismitteln ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde liegt:

Der Bw ist X Staatsbürger. Der Bw reiste am 14. Februar 2002 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Linz, vom 15. September 2002 gemäß §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 negativ beschieden. Die dagegen rechtzeitig erhobene Berufung wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 15. Juli 2009, rechtskräftig mit 20. Juli 2009, abgewiesen.

Am 11. August 2009 stellte der Bw einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 2 NAG.

Der Bw hält sich - im vollen Wissen über diesen Umstand - ohne eine Aufenthaltsberechtigung oder eine Dokumentation des Aufenthaltsrechts nach dem NAG noch aufgrund einer Verordnung für Vertriebene im Bundesgebiet auf. Der Bw ist nicht im Besitz eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels, sein Asylantrag wurde negativ beendet, und er ist nicht Inhaber einer Beschäftigungsbewilligung, Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz.

3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Nach § 51c VStG hat der Unabhängige Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

3.2. Gemäß § 120 Abs. 1 Z 2 FPG 2005, BGBl. I 100 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl. I 135/2009, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 1.000 bis 5.000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen, wer sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Gemäß § 31 Abs. 1 FPG 2005 halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;

4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;

5. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 122/2009)

6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

§ 2 Abs. 4 Z 1 FPG 2005 definiert Fremde als Personen, die die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen.

3.3.1. Im vorliegenden Fall ist zunächst unbestritten, dass der Bw nicht österreichischer Staatsangehöriger und somit Fremder im Sinne des FPG 2005 ist. Unstrittig ist ebenfalls, dass der Bw über keinen der in § 31 Abs. 1 Z 2-4 und 6 FPG 2005 genannten Aufenthaltstitel verfügt.

Der objektive Tatbestand des unrechtmäßigen Aufenthalts ist daher zweifellos als erfüllt anzusehen.

3.3.2. Hinsichtlich der subjektiven Tatseite ist § 120 FPG 2005 als Unge­horsamsdelikt im Sinne des § 5 VStG anzusehen, da zur Vollendung der Tat kein Erfolg eintreten muss. Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt, wenn eine Verwal­tungsvorschrift über das Ver­schulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahr­lässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Gebot dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwal­tungs­übertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungs­vorschrift kein Verschulden trifft.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs hat der Bw initiativ alles darzu­legen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch das Beibringen von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

Der Bw bringt diesbezüglich insbesondere die Stellung des Antrags gemäß § 43 Abs. 2 NAG auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung am 11. August 2009 vor.

Mit Erkenntnis vom 22. Oktober 2009, 2009/21/0293, hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass aus dem Recht zur Stellung eines Antrages auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung "zwingend das Recht abzuleiten [ist], die Entscheidung im Inland abwarten zu dürfen". Wenn es im genannten Erkenntnis zwar nicht um die Strafbarkeit des Beschwerdeführers, sondern um die Rechtmäßigkeit der Ausweisung desselben ging, ist nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates die in der Entscheidung zum Ausdruck kommende Rechtsansicht des Gerichtshofes doch auch auf Strafverfahren umzulegen.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass ab dem Zeitpunkt der (zulässigen) Beantragung einer humanitären Niederlassungsbewilligung kein Verschulden des Bw hinsichtlich eines unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet vorliegt. Wenn der Bw nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes die Erledigung seines Antrages im Inland abwarten darf, dürfte eine Bestrafung dieses Verhaltens den Grundsätzen des Rechtsstaates wohl widerstreiten. Für den Bw liegt diesfalls nämlich eine entschuldigende Notstandssituation iSd § 6 VStG mit einem unauflöslichen Interessenkonflikt vor, wenn er einerseits zur Ausreise verpflichtet ist und andererseits aber im Inland bleiben muss, damit sein Antrag auf Verleihung eines humanitären Aufenthaltstitel überhaupt eine positive Erledigungschance hat.

3.3.3. In concreto hat der Bw am 11. August 2009 einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 2 NAG gestellt. Ab Antragstellung ist dem Bw somit das inkriminierte Verhalten nicht mehr subjektiv vorwerfbar.

Der Tatzeitraum, der dem Bw von der belangten Behörde angelastet wurde, reicht vom 20. Juli 2009 bis zum 15. April 2010. Wie eben dargelegt, hätte die belangte Behörde jedoch aufgrund der Stellung eines Antrags auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 2 NAG am 11. August 2010 den Tatzeitraum entsprechend zu beschränken gehabt. Was den übrigen vorgeworfenen Tatzeitraum vom 20. Juli 2009 bis zum 10. August 2009 betrifft, vertritt der erkennende Verwaltungssenat die Ansicht, dass den Bw insoweit ebenfalls kein Verschulden trifft, weil es dem Bw auch nicht zumutbar war, noch am selben Tag, mit dem die Abweisung des Asylantrages rechtskräftig wurde, aus dem Bundesgebiet auszureisen. Vielmehr muss ihm auch zur Erfüllung der Ausreiseverpflichtung ein gewisser angemessener Zeitraum zur Regelung seiner Verhältnisse und zum Organisieren der Ausreise zugebilligt werden. Innerhalb dieser angemessenen Zeit kann der Bw auch einen Antrag auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung einbringen. Da der Bw gegenständlich innerhalb der kurzen Frist von nur wenigen Tagen einen solchen Antrag gestellt hatte, war nicht davon auszugehen, dass er den Zeitraum einer angemessenen Überlegungsfrist überschritten hat (vgl. VwSen-231070/2/Wei/Fu/Sta vom 14.7.2010).

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass für den gesamten Tatzeitraum vom 20. Juli 2009 bis zum 15. April 2010 kein Verschulden des Bw vorliegt.

3.4. Aus diesem Grund war daher der gegenständlichen Berufung gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtenen Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG einzustellen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Johannes Fischer

 

 

 

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