Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165857/8/Ki/Jo VwSen-522825/3/Ki/Jo

Linz, 16.05.2011

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufungen des Herrn X, vertreten durch Herrn X,

·         vom 3. März 2011 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 24. Jänner 2011, VerkR96-42340-2009-Hai, wegen einer Übertretung der StVO 1960 sowie

·         vom 5. April 2011 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 21. März 2011, VerkR21-146-2010, wegen Entziehung der Lenkberechtigung

nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 12. Mai 2011 zu Recht erkannt:

 

I.                  Der Berufung gegen das Straferkenntnis vom 24. Jänner 2011, VerkR96-42340-2009-Hai, wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

 

II.              Der Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 21. März 2011, VerkR21-146-2010, wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.

 

III.          Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:   §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG;

zu II.:  § 26 Abs.3 FSG iVm §§ 66 Abs.1 und 67a AVG;

zu III.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1.1. Mit Straferkenntnis vom 24. Jänner 2011, VerkR96-42340-2009-Hai, hat die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck den Berufungswerber für schuldig befunden, er habe am 09.06.2009, 09:41 Uhr, in der Gemeinde Vöcklabruck, B1, bei km 245.100, in Fahrtrichtung Vöcklabruck/Wels, Bundesstraße von Timelkam Richtung Vöcklabruck, mit dem Fahrzeug "Kennzeichen X, PKW, Audi A4, weiß" am angeführten Ort, welcher im Ortsgebiet liegt, die durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 48 km/h überschritten. Er habe dadurch § 52 lit.a Z10a StVO verletzt. Gemäß § 99 Abs.2c Z9 StVO 1960 wurde diesbezüglich eine Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.

 

1.1.2. Mit Bescheid vom 21. März 2011, VerkR21-146-2010, hat die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck dem Berufungswerber die Lenkberechtigung für die Klasse B für die Dauer von 2 Wochen, gerechnet ab Rechtskraft dieses Bescheides, entzogen und wurde gleichzeitig angeordnet, er habe den Führerschein nach Rechtskraft unverzüglich bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck oder bei der Polizeiinspektion Frankenmarkt abzuliefern.

 

1.1.3. Beiden Entscheidungen lag zugrunde, dass der Berufungswerber laut Anzeige der Landesverkehrsabteilung Oberösterreich im Ortsgebiet die zulässige Höchstgeschwindigkeit (laut Verordnung 60 km/h) um 48 km/h überschritten habe.

 

1.2. Der Rechtsmittelwerber erhob gegen diese Entscheidungen am 3. März 2011 (gegen das Straferkenntnis) bzw. am 5. April 2011 (gegen den Entzug der Lenkberechtigung) Berufung.  

 

Er bestreitet im Wesentlichen im Bereich des angeführten Tatortes die vorgeworfene Geschwindigkeitsüberschreitung begangen zu haben.

 

2.1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat die Berufungen ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat mit Schreiben vom 15. März 2011 (Verwaltungsstrafverfahren) bzw. vom 7. April 2011 (FSG-Verfahren) vorgelegt.

 

2.2. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich ist hinsichtlich Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 51 Abs.1 VStG bzw. hinsichtlich FSG-Verfahren gemäß § 35 Abs.1 FSG gegeben. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hatte in beiden Fällen durch das laut Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

2.3. Die Berufungen wurden jeweils innerhalb der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck eingebracht und sie sind daher rechtzeitig.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die Verfahrensakte sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 12. Mai 2011, es wurde über beide Berufungen verhandelt. Anwesend bei dieser Verhandlung waren der Berufungswerber im Beisein eines Vertreters sowie eine Vertreterin der belangten Behörde. Als Zeuge wurde der Meldungsleger einvernommen, als verkehrstechnischer Amtssachverständiger fungierte X vom Amt der Oö. Landesregierung.

 

2.5. Aus den vorliegenden Akten bzw. als Ergebnis der mündlichen Berufungsverhandlung ergibt sich folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

 

Laut Anzeige der Landesverkehrsabteilung Oberösterreich vom 18. Juni 2009 führte der Meldungsleger, X, aus, er habe durch Nachfahrt mit einem Zivilstreifenfahrzeug zwischen Strkm. 245,8 und Strkm. 245,1 der B1 durch Ablesen am geeichten Tachometer festgestellt, dass der Beschuldigte im Freiland und in einer 60 km/h-Beschränkung, welche ca. 200 m vor dem Ortsgebiet beginnt, mit einer Geschwindigkeit von 120 km/h unterwegs gewesen sein soll.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat zunächst gegen den Berufungswerber eine Strafverfügung wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung (VerkR96-42340-2009 vom 29. Juni 2009) erlassen, welche von diesem beeinsprucht wurde.

 

Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wurde das nunmehr angefochtene Straferkenntnis und als Folge dessen der Bescheid betreffend Entziehung der Lenkberechtigung erlassen.

 

Im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung bestritt der Berufungswerber, am angeführten Tatort die vom Meldungsleger angezeigte Geschwindigkeit eingehalten zu haben, er gestand zwar ein, dass er vorher die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten haben könnte, konkret bezogen auf den im Straferkenntnis bezeichneten Tatort bestritt er jedoch ausdrücklich den Tatvorwurf.

 

Der Meldungsleger gab bei seiner zeugenschaftlichen Befragung zu Protokoll, er habe die gegenständliche Geschwindigkeitsüberschreitung durch Nachfahrt mit dem Dienstmotorrad festgestellt, dieses Dienstmotorrad habe einen geeichten Tachometer aufgewiesen. Er sei auf der Bundesstraße B1 Richtung Vöcklabruck gefahren und dann vom zur Anzeige gebrachten PKW-Lenker überholt worden. Er sei diesem nachgefahren. Zum Zeitpunkt des Überholtwerdens sei er mit einer normalen Geschwindigkeit, ca. 70 bis 80 km/h, gefahren. Je nach Verkehrsfluss habe er dann, nachdem er den Fahrzeuglenker wieder überholt hat, die Nachfahrt aufgenommen. Bei dem in der Anzeige angeführten Straßenkilometer 245,8 habe er dann den erforderlichen Abstand hergestellt, sodass er die Nachfahrt beginnen konnte. Im Zuge dieser Nachfahrt habe er geschaut, dass er einen gleichbleibenden Abstand zum vorausfahrenden beobachtenden Fahrzeug einhalten konnte und gleichzeitig habe er auch den Geschwindigkeitsmesser überwacht, wobei diese Kontrollblicke auf den Geschwindigkeitsmesser ca. zwei- oder dreimal stattfanden. Bei km 245,1 habe er dann das Blaulicht eingeschaltet. In weiterer Folge habe er den Fahrzeuglenker zum Anhalten aufgefordert.

 

Im Bereich der Nachfahrtsstrecke wies die B1 zwei Fahrstreifen auf, die gesamte Nachfahrt habe auf dem linken Fahrstreifen stattgefunden, dieser sei im Zeitpunkt der Nachfahrt während der ganzen Strecke problemlos zu befahren gewesen, es sei kein störender Verkehr vorhanden gewesen. Am rechten Fahrstreifen sei während der Nachfahrtszeit lockeres Verkehrsaufkommen festzustellen gewesen.

 

Der Berufungswerber widersprach dem insoferne auch, als er behauptete, er habe in diesem Nachfahrstreckenbereich mehrmals die Spur gewechselt.

 

Der verkehrstechnische Amtssachverständige stellte in seinem Gutachten resümierend fest, dass, lege man die Angaben des Meldungslegers zugrunde, eine ordnungsgemäße Feststellung der gefahrenen Geschwindigkeit möglich gewesen wäre.

 

2.6. In freier Beweiswürdigung erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, dass die Angaben des Meldungslegers durchaus die von ihm subjektiven Wahrnehmungen widerspiegeln können. Es ist aber zu berücksichtigen, dass die Nachfahrt mit dem Motorrad über eine relativ kurze Strecke, nämlich lediglich 700 m, stattgefunden hat. Weiters ist zu berücksichtigen, dass laut Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 1. Februar 1988, VerkR-662/2-1987, das Ortsgebiet erst beim km 245,232 beginnt, sodass letztlich eine relevante Beurteilungsstrecke hinsichtlich Geschwindigkeitsüberschreitung im Ortsgebiet lediglich 132 m betragen hat.

 

Davon ausgehend, dass bei einer Geschwindigkeit von 108 km/h (nach Abzug der Verkehrsfehlergrenze) eine Strecke von 700 m in 23 sec durchfahren wird, erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, dass in diesem Falle, insbesondere auch in Anbetracht der als Ortsgebiet relevanten kurzen Strecke, nicht mit einer zur Bestrafung führenden Sicherheit nachgewiesen werden kann, dass die vom Meldungsleger angegebene Geschwindigkeit tatsächlich objektiv verwirklicht werden konnte. Es ist auch zu berücksichtigen, dass der Polizeibeamte als Motorradfahrer einen Helm getragen hat und auch diesbezüglich in Anbetracht der gefahrenen Geschwindigkeit Verwirbelungen, welche das Ablesen eines Tachos erschweren würden, aufgetreten sein könnten.

 

3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

 

3.1. Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

 

Daraus ist abzuleiten, dass auch im Verwaltungsstrafverfahren der Grundsatz "in dubio pro reo" Anwendung zu finden hat, dh, dass, wenn dem Beschuldigten die Tat trotz aller vorliegenden Beweise nicht mit einer zur Bestrafung führenden Sicherheit nachgewiesen werden kann, das Strafverfahren einzustellen ist.

 

Wie bereits oben dargelegt wurde, mag es zutreffen, dass der Meldungsleger subjektiv eine entsprechend angezeigte Geschwindigkeitsüberschreitung wahrgenommen hat. In Anbetracht der Gesamtumstände, welche im Zuge der obigen Beweiswürdigung dargelegt wurden, kann jedoch nicht mit einer zur Bestrafung führenden Sicherheit nachgewiesen werden, dass – bezogen auf den konkreten festgestellten Tatort im Ortsgebiet – tatsächlich der Beschuldigte die vorgeworfene Geschwindigkeit eingehalten hat.

 

Aus diesem Grunde konnte der Berufung gegen das Straferkenntnis Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt werden.

 

3.2. Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2-4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.     die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.     die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs.5 ein neuer Führerschein auszustellen.

 

Gemäß § 7 Abs.1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1.       die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder eine durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2.       sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

 

Gemäß § 7 Abs.3 Z4 FSG hat als bestimmte Tatsache iSd Abs.1 zu gelten, wenn jemand die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 50 km/h oder eine Geschwindigkeit von 180 km/h überschritten hat und diese Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt wurde.

 

Nachdem dem Rechtsmittelwerber die vorgeworfene Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet nicht nachgewiesen werden kann, kann dieser Umstand auch nicht als bestimmte Tatsache iSd § 7 Abs.3 FSG gewertet werden.

 

Es war daher auch bezüglich Entziehung der Lenkberechtigung der Berufung Folge zu geben und der diesbezügliche Bescheid ersatzlos zu beheben.

 

4. Der Kostenausspruch (Verwaltungsstrafverfahren) stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Im gegenständlichen FSG-Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

Mag. Alfred Kisch

 

 

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