Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-531130/2/Re/Sta

Linz, 18.05.2011

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Werner Reichenberger über die Berufung des x, vertreten durch Rechtsanwälte x, x, vom 17. März 2011 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 4. März 2011, Ge20-46-11-02-2011, betreffend die Verfügung einer Zwangsmaßnahme gemäß § 360 Abs.4 GewO,  zu Recht erkannt:

 

 

          Anlässlich der Berufung wird der bekämpfte Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 4. März 2011, Ge20-46-11-02-2011, behoben.

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4, 67a Abs.1 und 67d des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 idgF (AVG)

§§ 359a und 360 Abs.1 und 4 Gewerbeordnung 1994 idgF (GewO 1994).

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem bekämpften Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 4. März 2011, Ge20-46-11-02-2011, hat die belangte Behörde gegenüber Herrn x, x, die Schließung des gewerbebehördlich nicht genehmigten Lackier- bzw. Spritzraumes im Bereich der Tischlereibetriebsanlage auf dem Gst. Nr. x der KG. x verfügt. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, gemäß § 360 Abs.1 GewO 1994 habe die Behörde bei Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs.1 Z1, 2 oder 3, unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens den Anlageninhaber innerhalb einer angemessenen Frist mit Verfahrensanordnung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes aufzufordern. Kommt der Gewerbeausübende bzw. Anlageninhaber dieser Aufforderung innerhalb offener Frist nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes notwendigen Maßnahmen, wie die Stilllegung von Maschinen oder die Schließung von Teilen des Betriebes oder die Schließung des gesamten Betriebes, zu verfügen.

Die bestehende gewerbliche Tischlereibetriebsanlage auf dem Gst. Nr. x der KG. x sei mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 10. April 1964, Ge-350-1964, genehmigt worden, nunmehr sei die Behörde in Kenntnis gesetzt worden, dass in der gegenständlichen Anlage eine Lackieranlage für Holzteile eingebaut worden sei und die Anlage betrieben werde. Dieser Spritzraum werde in der Genehmigung vom 10.4.1964 nicht erwähnt und somit durch die Genehmigung nicht umfasst. Das Erhebungsergebnis sei dem Anlageninhaber mit Schreiben vom 16. Dezember 2010 zur Kenntnis gebracht und er gleichzeitig aufgefordert worden, innerhalb einer Frist von 2 Monaten unter Vorlage geeigneter und vollständiger Projektsunterlagen um die gewerbebehördliche Genehmigung der von der Genehmigung nicht umfassten Anlagenteile, insbesondere des Lackierraumes, bei der Gewerbebehörde anzusuchen. Gleichzeitig wurde er darauf hingewiesen, dass mit fruchtlosem Ablauf der gesetzten Frist eine Schließung der gesamten Betriebsanlage im Sinne der Bestimmungen des § 360 GewO 1994 zu verfügen sein werde, zumal durch den Betrieb des nicht genehmigten Betriebsanlagenteiles eine Verwaltungsübertretung im Sinne der Bestimmung des § 366 Abs.1 Z2 GewO 1994 vorliege.  Da der Anlageninhaber innerhalb der gesetzten Frist bei der belangten Behörde keinen Antrag um nachträgliche Genehmigung jener Anlagenteile eingebracht habe, die von der Genehmigung aus dem Jahr 1964 nicht miterfasst seien, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

 

 

2. Gegen diesen Bescheid hat x, vertreten durch Rechtsanwälte x, x, mit Schriftsatz vom 17. März 2011, am selben Tag der Post zur Beförderung übergeben und somit innerhalb offener Frist eingebracht, Berufung erhoben. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, für die im Bescheid bezeichnete Lackier- und Spritzanlage auf Gst. Nr. x der KG. x liege eine rechtskräftige Betriebsanlagengenehmigung vor. Dem Genehmigungsbescheid vom 10. April 1964, Ge-350-1964, sei der Bauplan vom 12-1963 zu Grunde gelegen. In diesem Plan sei als Betriebsräumlichkeit auch ein Spritzraum aufgezählt. Die Spritzanlage sei im Jahr 1964 vorhanden und errichtet gewesen; dies ergebe sich daraus, dass diese seit 1960 bereits in Betrieb war. Aus dem der Berufung beigelegten Anlagenverzeichnis vom 19. August 1960 sei ersichtlich, dass die Spritzanlage bereits damals angeschafft gewesen sei. Das Grundstück x sei laut ebenfalls vorgelegtem Kaufvertrag bereits im Jahr 1962 erworben und sei der Verkäuferin bekannt gewesen, dass auf der Liegenschaft eine Tischlerei errichtet werden solle. Praxis und Judikatur würden sich am Grundsatz der Einheit der Betriebsanlage orientieren. Eine Betriebsanlage stelle demnach bei örtlichem Zusammenhang aller Anlagenteile ein einheitliches Objekt dar. Zum Betrieb einer Tischlereiwerkstätte gehörte schon zum damaligen Zeitpunkt zwingend das Vorhandensein einer Betriebsanlage. Diese Gesetzeslage sei mit Sicherheit auch dem damaligen Verhandlungsleiter bekannt gewesen und sei daher davon auszugehen, dass die Lackier- und Spritzanlage durch den Bescheid vom 10. April 1964 mit umfasst sei. Wäre die Spritzanlage nicht genehmigungsfähig gewesen, wäre dies im Bescheid vermerkt worden. Tatsächlich sei die Anlage 1964 bis 1988 anstandslos in Betrieb gewesen.  Die damals geltende Rechtslage erkläre den Umstand, dass einzelne Maschinen- und Anlagenteile im Bescheid nicht gesondert aufgeführt seien. Im Baubescheid seien einige Maschinen genannt, was jedoch nicht bedeutet, dass im Baubescheid nicht genannte Maschinen nicht ebenfalls bewilligt worden wären. Die gewerberechtliche Genehmigung ergebe sich auch aus den von der Behörde selbst erstelltem Verzeichnis über die Betriebsanlagen des Einschreiters, welches als Beilage 3 der Berufung beigelegt sei. In diesem Verzeichnis scheine sowohl Lackierraum als auch Werkstättenraum auf Parz. Nr. x der KG. x auf. Auch der handschriftliche Vermerk würde das Vorhandensein des Lackierraumes 1964 bestätigen. Der daneben befindliche handschriftliche Vermerk, dass keine Bewilligung erteilt worden wäre, sei erst nachträglich ergänzt worden.

Auch die Voraussetzungen für die Betriebsschließung würden nicht vorliegen. Die dem gegenständlichen Bescheid zu Grunde liegende Rechtsgrundlage des § 360 Abs.4 GewO 1994 sehe die gänzliche oder teilweise Schließung eines Betriebes vor, um eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen abzuwehren oder um unzumutbare Belästigungen der Nachbarn abzustellen.  Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben. Das verfahrenseinleitende Schreiben des Arbeitsinspektorates sei mit 21. Juli 1988 datiert und seien bis heute keine Nachbarn in ihrer Gesundheit gefährdet. Im Gegenteil sei bereits im Sommer 2007 ein Verfahren betreffend die Spritzanlage anhängig und Anlassfall für dieses Verfahren nicht gesundheitsgefährdende Bedenken, sondern zivilrechtliche Auffassungsunterschiede gewesen. Die umfangreichen Vergleichsver­handlungen seien auch von der belangten Behörde insofern zur Kenntnis genommen worden, als keine weiteren Schritte gesetzt worden seien. Der Betrieb sei im Hinblick auf eine einvernehmliche Regelung mit dem Nachbarn drastisch eingeschränkt worden. Diesbezügliche Urkunden würden vorgelegt. Demnach ergaben sich im Jahr 2009 durchschnittlich 10,84 Arbeitstage pro Monat. Im Zeitraum 2010 bis 2012 lediglich durchschnittlich 1,73 Tage pro Monat. Im Zeitraum Jänner bis Dezember 2010 sei nur 42,81 kg an Lösungsmitteln verarbeitet worden. Laut Auskunft der Wirtschaftskammer habe ein Ein-Mann-Tischlereibetrieb pro Jahr ca. 1.000 kg Verbrauch an Lösungsmittel. Der sohin sehr eingeschränkte Betrieb sei daher keinesfalls gesundheitsgefährdend oder schädlich für Nachbarn. Die Voraussetzungen des § 360 Abs.4 für eine Schließung liege somit nicht vor.   

 

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck als belangte Behörde hat diese Berufungsschrift gemeinsam mit dem zu Grunde liegenden Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Die belangte Behörde hat dabei keine inhaltlichen Äußerungen zum Berufungsvorbringen abgegeben und keinen Widerspruch im Sinne des § 67h Abs.1 AVG erhoben.

 

Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich durch Einzelmitglied ergibt sich aus § 359a GewO 1994  i.V.m. § 67a  Abs.1 AVG.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde zu Ge20-46-11-02-2011.

 

Im Grunde des § 67d Abs.1 AVG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung mangels Erfordernis abgesehen werden.

 

 

4. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

Gemäß § 360 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde, wenn der Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z1, 2 oder 3 besteht, unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens, den Gewerbeausübenden bzw. den Anlageninhaber mit Verfahrensanordnung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes innerhalb einer angemessen, von der Behörde zu bestimmenden Frist aufzufordern; eine solche Aufforderung hat auch dann zu ergehen, wenn der Verdacht einer Übertretung gemäß  § 367 Z25 besteht und nicht bereits ein einschlägiges Verfahren gemäß § 78 Abs. 2, § 79 c Abs. 4 oder § 82 Abs. 3 anhängig ist. Kommt der Gewerbeausübende bzw. der Anlageninhaber dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes jeweils notwendigen Maßnahmen, wie die Stilllegung von Maschinen oder die Schließung von Teilen des Betriebes oder die Schließung des gesamten Betriebes, zu verfügen.

 

Bei den Übertretungen gemäß § 366 Abs.1, Z1, 2 oder 3 der GewO 1994 handelt es sich um die Straftatbestände der Gewerbeausübung ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben (Z1), des Errichtens oder Betreibens einer genehmigungspflichtigen Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung (Z2) bzw. des Änderns einer genehmigten Betriebsanlage oder des Betriebes derselben nach einer Änderung ohne erforderliche Genehmigung.

 

Als allgemeine Voraussetzung für ein Vorgehen nach § 360 der Gewerbeordnung 1994 führt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur für die Verfügung von Maßnahmen die tatsächliche Ausübung der Tätigkeit bzw. den tatsächlichen Betrieb der Betriebsanlage an.  Der normative Inhalt des § 360 Abs.1 leg.cit. setzt für die Anordnung jeweils notwendiger Maßnahmen das weiterhin gegebene Nichtvorliegen eines der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes voraus (VwGH 20.1.1987, 86/04/0139). Dabei darf die Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes durch jeweils notwendige Maßnahmen lediglich der "contrarius actus" zu jenen Zuwiderhandlungen sein, hinsichtlich derer der Verdacht einer Verwaltungsübertretung besteht.

 

Die in § 360 Abs.1 GewO 1994 geregelte Ermächtigung zur Verfügung einstweiliger Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen hat zur Voraussetzung, dass eine solche Maßnahme erst nach einer entsprechenden Aufforderung (Verfahrensanordnung) zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes gesetzt werden darf. Dabei bedeutet die "Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes" die Wiederherstellung jener Sollordnung, die sich aus den in Betracht kommenden gewerberechtlichen Bestimmungen ergibt, also etwa die Einstellung der unbefugten Gewerbeausübung, die Einstellung des unbefugten Errichtens oder Betreibens einer Betriebsanlage, die Schließung des gesamten Betriebes, die Einhaltung einer Bescheidauflage etc.

 

Gemäß § 360 Abs. 4 GewO 1994 hat die Behörde, um die durch eine diesem Bundesgesetz unterliegende Tätigkeit oder durch Nichtbeachtung von Anforderungen an Maschinen, Geräte und Ausrüstungen (§71) verursachte Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder für das Eigentum abzuwehren oder um die durch eine nichtgenehmigte Betriebsanlage verursachte unzumutbare Belästigung der Nachbarn abzustellen, entsprechend dem Ausmaß der Gefährdung oder Belästigung, mit Bescheid die gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes, die Stilllegung von Maschinen oder sonstige die Anlage betreffenden Sicherheitsmaßnahmen oder Vorkehrungen zu verfügen. Hat die Behörde Grund zur Annahme, dass zur Gefahrenabwehr Sofortmaßnahmen an Ort und Stelle erforderlich sind, so darf sie nach Verständigung des Betriebsinhabers, seines Stellvertreters oder des Eigentümers der Anlage oder, wenn eine Verständigung dieser Person nicht möglich ist, einer Person, die tatsächlich die Betriebsführung wahrnimmt, solche Maßnahmen auch ohne vorausgegangenes Verfahren und vor Erlassung eines Bescheides an Ort und Stelle treffen.

 

Aus dem vorgelegten Verfahrensakt der belangten Behörde ergibt sich, dass die verfahrensgegenständliche Tischlereibetriebsanlage baurechtlich mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Vöcklabruck vom 23. Juli 1964, BP-121/63 He und gewerberechtliche mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. April 1964, Ge-350-1964, jeweils unter Vorschreibung von Auflagen, erteilt worden ist.

Im Jahre 2006 wurde von Anrainern die Frage an die Bezirksverwaltungsbehörde gestellt, ob für einen Lackierraum und Absaugung eine gewerbebehördliche Genehmigung besteht.

 

Im Rahmen einer durchgeführten gewerbebehördlichen Überprüfung am 13. Juni 2007 wurde festgestellt, dass der oben zitierte Genehmigungsbescheid die gewerbebehördliche Genehmigung eines Werkstättenraumes am gegenständlichen Standort umfasse und im Befund zur Verhandlungsschrift vermerkt wurde, dass diese Maschinenwerkstätte für kleinere Reparaturarbeiten des Betriebes x eingerichtet werde. Hinsichtlich Maschinenausstattung wurde auf einen Plan verwiesen, der nicht auffindbar war. Festgestellt wurde im Rahmen dieser Überprüfung, dass im Raum südlich des im Einreichplan bezeichneten Vorraumes ein Bereich zur Oberflächenbehandlung von Holzteilen eingerichtet wurde und eine hofseitige Spritzwand mit einer Absaugfläche von ca. 2 m2 installiert wurde. Die Frischluft wird hofseitig angesaugt, die Abluft über einen Blechkanal über Dach geführt. Die Auftragung des Lackes erfolge über eine Spritzpistole mit externer Druckluftversorgung. Unklar blieb bei dieser Überprüfung die Frage des Vorliegens einer gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigung für diese Anlagenteile. Mit Schreiben vom 5. Juli 2007 wurde der Anlageninhaber im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung aufgefordert, für einen Lackier- bzw. Spritzraum sowie für eine Handwerkstätte um Erteilung der hiefür erforderlichen gewerbebehördlichen Genehmigung binnen Frist anzusuchen.

 

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 16. Dezember 2010 wurde der Anlageninhaber neuerlich aufgefordert, innerhalb einer Frist von 2 Monaten unter Vorlage geeigneter und vollständiger Projektsunterlagen um die gewerbebehördliche Genehmigung der von der bisherigen Genehmigung nicht umfassten Anlagenteile anzusuchen. Für den Fall des Nichtentsprechens wurde gleichzeitig eine Schließungsverfügung der gesamten Betriebsanlage im Sinne der Bestimmungen des § 360 GewO 1994 angekündigt.

Innerhalb offener Frist hat der Anlageninhaber ein entsprechendes Ansuchen an die Behörde nicht vorgelegt, sondern statt dessen mit Schreiben vom 18. Februar 2011 mitgeteilt, dass die Werkstätte nur mehr fallweise benützt werde, seit Oktober kein Tischler mehr hauptberuflich in der Werkstätte beschäftigt sei, die Arbeiten sich nur auf kleiner Reparaturen und Anpassungsarbeiten mit einer insgesamt deutlichen Reduzierung des Arbeitsumfanges beschränken und die noch verrichteten Arbeiten in keinem Fall produzierenden Charakter aufweisen würden. Die Werkstätte bleibe jedoch mangels Standortalternativen, wenn auch nur mehr in geringem Ausmaß benutzt, ein wichtiger Bereich.

In der Folge erging der nunmehr bekämpfte Bescheid vom 4. März 2011, mit welchem auf der Rechtsgrundlage des § 360 Abs.4 GewO 1994 die Schließung des gewerbebehördlich nicht genehmigten Lackier- bzw. Spritzraumes im Bereich der Tischlereibetriebsanlage auf dem Gst. Nr. x der KG. x verfügt wurde.

 

Als allgemeine Voraussetzung für ein Vorgehen nach der oben zitierten Bestimmung des § 360 der GewO führt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur für die Verfügung von Maßnahmen die tatsächliche Ausübung der Tätigkeit bzw. den tatsächlichen Betrieb der Betriebsanlage an.

 

In Bezug auf die im Bescheid angeführte Rechtsgrundlage des § 360 Abs.4 GewO 1994 ist dem Berufungswerber insofern Recht zu geben, als im gegenständlichen Verfahren nicht geprüft wurde, ob durch die diesem Bundesgesetz unterliegende Tätigkeit tatsächlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder  für das Eigentum eingetreten ist oder ob durch die nicht genehmigte Betriebsanlage unzumutbare Belästigungen der Nachbarschaft verursacht worden sind. Nur im Falle des Nachweises von derartigen unzumutbaren Belästigungen bzw. verursachten Gefährdungen ist eine Verfügung nach § 360 Abs.4 GewO 1994 zulässig. Der bekämpfte Bescheid konnte daher  auf der Rechtsgrundlage des § 360 Abs.4 GewO 1994 nicht aufrecht erhalten werden.

 

Auch eine Auswechslung  der zu Grunde liegenden Gesetzesbestimmung der GewO dahingehend, als das gegenständliche Verfahren primär nach den Intentionen des  § 360 Abs.1 geführt worden ist, konnte jedoch aus folgenden Gründen nicht erfolgen:

 

Der normative Inhalt des § 360 Abs.1 GewO 1994 setzt für die Anordnung jeweils notwendiger Maßnahmen das weiterhin gegebene Nichtvorliegen eines des Rechtsordnung entsprechenden Zustandes voraus. Die in § 360 Abs.1 GewO 1994 geregelte Ermächtigung zur Verfügung einstiger Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen hat zur Voraussetzung, dass eine solche Maßnahme erst nach einer entsprechenden Aufforderung (Verfahrensanordnung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes ...) gesetzt werden darf. Das Fehlen dieser Voraussetzung (der Aufforderung im Sinne des Gesetzes) bewirkt, dass die Maßnahme, als mit dem Mangel eines gesetzlichen Erfordernisses behaftet, unzulässig ist. Nach dem Wortlaut des § 360 Abs.1 GewO 1994 ist zwischen dem vom Anlageninhaber zu setzenden Verhalten und den von der Behörde zu verfügenden Maßnahmen zu unterscheiden. Sache des Anlageninhabers ist es, den der Rechtsordnung entsprechenden Zustand herzustellen und zwar auf die von ihm zu wählende Art und Weise, das heißt, mit dem von ihm zu wählenden Maßnahmen. Tut er dies nicht innerhalb offener Frist, so hat die Behörde die zur Erreichung des Sollzustandes notwendigen Maßnahmen zu verfügen. In der Verfahrensanordnung ist somit der Sollzustand so hinreichend konkret zu beschreiben, dass kein Zweifel daran bestehen kann, welches Ergebnis der Anlageninhaber innerhalb der gesetzten Frist zu bewirken hat (VwGH 16.7.1996, 96/04/0062).

 

Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen. Geht man davon aus, dass es sich bei der im Schreiben vom 16. Dezember 2010, Ge20-46-11-02-2010, angesprochenen Anlagenänderung um eine genehmigungspflichtige Änderung der Tischlereibetriebsanlage handelt, so findet sich der nicht der Rechtsordnung entsprechende Zustand in der Errichtung bzw. im Betrieb der beschriebenen Anlagenteile. Die Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes im Sinne des § 360 Abs.1 GewO 1994 kann somit nur durch Außerbetriebnahme, allenfalls durch Entfernung dieser Anlagenteile herbeigeführt werden. In der, im gegenständlichen Verfahren jedoch ergangenen Anordnung vom 16. Dezember 2010 (diese wäre als Verfahrensanordnung gemäß § 360 Abs.1 heranzuziehen) wurde dem Berufungswerber jedoch lediglich aufgetragen, "unter Vorlage geeigneter und vollständiger Projektsunterlagen um die gewerbebehördliche Genehmigung der von der bisherigen Genehmigung nicht umfassenden Anlagenteile anzusuchen."

 

Diese Verfahrensanordnung ist nicht geeignet, den oben zitierten Anforderungen der geltenden Judikatur zu entsprechen, fordert sie den Anlageninhaber nur auf, ein entsprechendes Ansuchen zu stellen. Mit dem Einbringen eines solchen Ansuchens, wenn auch allenfalls unter Beilage vollständiger Projektsunterlagen alleine kann jedoch der der Rechtsordnung entsprechende Zustand im Sinne des § 360 Abs.1 GewO 1994 noch nicht hergestellt werden. Liegt somit zu diesem Zeitpunkt noch keine gewerberechtliche Betriebsanlagenänderungsgenehmigung vor – und nur diese stellt den der Rechtsordnung entsprechenden Zustand dar – darf daher die durch den Betrieb der angesprochenen Anlagenteile geänderte Betriebsanlage diesbezüglich noch nicht betrieben werden.

 

Da somit dem bekämpften Bescheid eine nicht dem § 360 Abs.1 GewO 1994 vollständige entsprechende Verfahrensanordnung zu Grunde liegt, kann darauf aufbauend ein rechtskonformer Bescheid betreffend Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen auch nach § 360 Abs.1. GewO 1994 nicht gestützt werden und war daher eine Richtigstellung der zu Grunde liegenden Rechtsnorm durch die Berufungsbehörde nicht möglich, weshalb insgesamt auf Grund der dargestellten Sach- und Rechtslage wie im Spruch zu entscheiden war.

 

Der Berufungswerber wird an dieser Stelle abschließend und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Behebung des angefochtenen Bescheides ausschließlich aus formellen Gründen zu erfolgen hatte und keine Entscheidung zur Frage der für den Betrieb von genehmigungspflichtigen Anlagenteilen erforderlichen Betriebsanlagengenehmigung beinhaltet bzw. einen allenfalls nicht genehmigten Betrieb in keiner Weise  legalisiert.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1.     Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2.     Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in der Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

Dr. Reichenberger

 

 

VwSen-531130/2/Re/Sta vom 18. Mai 2011

Erkenntnis

GewO 1994 §360 Abs1

Eine Verfahrensanordnung nach § 360 Abs1 GewO 1994 hat den Anlageninhaber zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes innerhalb einer näher zu bezeichnenden Frist aufzufordern. Die Aufforderung, binnen Frist um die erforderliche Betriebsanlagen­genehmigung für die festgestellte Änderung einer Betriebsanlage anzusuchen, erfüllt dieses Erfordernis nicht, da allein das Einbringen eines Genehmigungs­ansuchens den Betrieb der Anlage nicht legalisiert.

 

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