Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165850/13/Fra/Bb/Gr

Linz, 01.08.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Johann Fragner über die Berufung des X, vertreten durch X, X, vom 4. März 2011 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Wels-Land vom 17. Februar 2011,  GZ VerkR96-5552-2010, betreffend Zurückweisung des Einspruches vom 5. Jänner 2011 gegen die Strafverfügung vom 22. April 2010, GZ VerkR96-5552-2010, zugestellt am 27. April 2010, als verspätet, nach Einholung eines nichtamtlichen Sachverständigengutachtens, zu Recht erkannt:

 

 

 

Die Berufung wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

Aus Anlass der Berufung wird festgestellt, dass die am 27. April 2010 dem Berufungswerber zugestellte Strafverfügung vom 22. April 2010, GZ VerkR96-5552-2010 nicht rechtswirksam erlassen wurde.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 iVm 9 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

 

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

 

1. Mit dem Bescheid des Bezirkshauptmannes von Wels-Land vom 17. Februar 2011, GZ VerkR96-5552-2010, wurde der Einspruch des X (des Berufungswerbers), erhoben durch die Sachwalterin X, vom 5. Jänner 2011 gegen die am 27. April 2010 dem Berufungswerber eigenhändig zugestellte Strafverfügung vom 22. April 2010, GZ VerkR96-5552-2010, als verspätet zurückgewiesen.

 

2. Gegen diesen Bescheid, der am 21. Februar 2011 zugestellt wurde, hat der Berufungswerber durch seine Sachwalterin fristgerecht – mit Schriftsatz vom 4. März 2011 – Berufung erhoben und beantragt, den angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

Im Einzelnen führt die Sachwalterin darin im Wesentlichen aus, dass im Sachverständigengutachten des Univ.-Prof. Dr. X vom 23. August 2010, das im Rahmen des Sachwalterschaftsverfahren eingeholt wurde,  festgestellt worden sei, dass beim Berufungswerber eine Persönlichkeitsstörung im Sinne einer Krankheit bestehe.

 

Es sei daher davon auszugehen, dass der Berufungswerber bereits zum Zeitpunkt der Zustellung der Strafverfügung (27. April 2010) nicht geschäftsfähig gewesen sei, zumal das Sachwalterschaftsverfahren bereits im November 2009 eingeleitet und die psychische Erkrankung somit schon damals auffällig gewesen sei.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Wels-Land hat die Berufungsschrift unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsstrafaktes mit Vorlageschreiben vom 15. März 2011, GZ VerkR96-5552-2010, dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates (§ 51 Abs.1 VStG), wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land und in die Berufung sowie in das im Berufungsverfahren erstattete Sachverständigengutachten vom 20. Juni 2011, des Univ.-Prof. Dr. X, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie und Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger in X.

 

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte unterbleiben, weil auf Grund der Aktenlage in Verbindung mit dem Sachverständigengutachten vom 20. Juni 2011 feststeht, dass die Berufung zurückzuweisen ist (§ 51e Abs.2 Z1 VStG). Im Übrigen wurde weder vom besachwalterten Berufungswerber noch von der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land als Verfahrenspartei eine Verhandlung beantragt.

 

4.1. Es ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat folgender rechtlich relevanter Sachverhalt, der seiner Entscheidung zu Grunde liegt: 

 

Am 22. April 2010 wurde von der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land zu GZ VerkR96-5552-2010 eine Strafverfügung wegen Verstoßes gegen § 44 Abs.4 KFG, adressiert an X (den Berufungswerber), erlassen und diesem nachweislich am 27. April 2010 persönlich zugestellt.

 

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Wels vom 31. August 2010, GZ 1 P 316/09w-21, wurde X, mit Sitz in X, gemäß § 268 ABGB zur Sachwalterin des Berufungswerbers für die Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern sowie zur Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten bestellt.

 

Im Zuge von auf Grund der genannten Strafverfügung vom 22. April 2010 eingeleiteten Vollzugsmaßnahmen wurde von der Sachwalterin des Berufungswerbers - mit Schriftsatz vom 5. Jänner 2011 - Einspruch gegen die Strafverfügung erhoben.

 

Im Einspruch wird unter Hinweis auf die Sachwalterbestellung sinngemäß vorgebracht, dass der Berufungswerber an einer Persönlichkeitsstörung leide und es ihm deshalb nicht möglich gewesen sei, der behördlichen Anordnung der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land gemäß zu handeln und die Kennzeichentafeln und den Zulassungsschein zurückzustellen. Die Sachwalterschaft sei bereits im November 2009 angeregt worden, sodass davon auszugehen sei, dass eine Geschäftsunfähigkeit des Berufungswerbers bereits ein Jahr vor der Sachwalterbestellung bestanden habe.

 

Am 17. Februar 2011 wurde letztlich der nunmehr angefochtene Bescheid erlassen und der Einspruch vom 5. Jänner 2011 gegen die am 27. April 2010 an den Berufungswerber zugestellte Strafverfügung vom 22. April 2010, GZ VerkR96-5552-2010, als verspätet zurückgewiesen.

 

Nach dem Gutachten des im Berufungsverfahren beigezogenen nichtamtlichen Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. X vom 20. Juni 2011 sei der Berufungswerber auf Grund seiner Persönlichkeitsstruktur nicht in der Lage die notwendigen Schritte in die Wege zu leiten, um zumindest seine soziale Absicherung herbeizuführen. Diese Persönlichkeitsstruktur habe bereits in den Jahren 2009 und 2010 bestanden, sodass er schon damals nicht in der Lage gewesen sei prozessuale Vorgänge zu erkennen und zu verstehen und sich den Anforderungen von derartigen Verfahren entsprechend zu verhalten.

 

4.2. Diese Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land, dem Beschluss des Bezirksgerichtes Wels vom 31. August 2010, GZ 1 P 316/09w-21, über die Bestellung eines Sachwalters und dem Gutachten des nichtamtlichen Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. X vom 20. Juni 2011.

 

Das Sachverständigengutachten ist schlüssig und nachvollziehbar. Der Unabhängige Verwaltungssenat vermag daran inhaltlich keine Zweifel zu hegen. Auch die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land und die Sachwalterin des Berufungswerbers haben dagegen keine Einwände erhoben, obwohl ihnen Gelegenheit geboten wurde, zu diesem Gutachten Stellung zu nehmen. Trotz nachweislicher Zustellung erfolgte binnen der gesetzten Frist, die am 15. Juli 2011 (Einlangen beim Oö. Verwaltungssenat) endete und durchaus angemessen war, keinerlei Reaktion. Das Gutachten ist somit beweiskräftig und war daher der Entscheidung zu Grunde zu legen.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat hierüber in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 9 AVG ist die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen, wenn in den Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist.

 

Dabei gilt der Grundsatz, dass die Rechtsfähigkeit die Parteifähigkeit und die Handlungsfähigkeit die Prozessfähigkeit begründet (VwGH 25. Mai 1993, 90/04/0223). Das Fehlen der Prozessfähigkeit ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen.

 

Für die Prozessfähigkeit im Verwaltungsstrafverfahren kommt es nicht darauf an, ob der Betreffende im Sinne des § 3 Abs.1 VStG zurechnungsfähig ist oder nicht. Vielmehr ist im Hinblick auf § 24 VStG iVm § 9 AVG entscheidend, ob derjenige im Zeitpunkt der betreffenden Verfahrensabschnitte in der Lage ist, Bedeutung und Tragweite des Verfahrens und der sich ereignenden prozessualen Vorgänge zu erkennen, zu verstehen und sich den Anforderungen eines derartigen Verfahrens entsprechend zu verhalten (VwGH 29. März 1989, 89/02/0014).

 

Der Beschluss über die Bestellung eines Sachwalters wirkt für die Zeit ab seiner Erlassung insofern konstitutiv, als die Prozessfähigkeit und Handlungsfähigkeit in dem umschriebenen Ausmaß nicht mehr gegeben ist. Für die Zeit davor ist jedoch zu prüfen, ob die betreffende Person schon damals (in den in Betracht kommenden Zeitpunkten) nicht mehr prozess- und handlungsfähig gewesen ist, (VwGH 20. Februar 2002, 2001/08/0192).

 

Für die Frage der Wirksamkeit einer Zustellung kommt es darauf an, ob der Zustellungsempfänger handlungsfähig war, und nicht darauf, ob für ihn bereits ein Sachwalter bestellt worden ist (VwGH 19. September 2000, 2000/05/0012).

 

5.2. Der Berufungswerber war entsprechend dem Sachverständigengutachten vom 20. Juni 2011 auf Grund seiner Persönlichkeitsstruktur bereits in den Jahren 2009 und 2010 nicht in der Lage prozessuale Vorgänge zu erkennen und zu verstehen und sich den Anforderungen von derartigen Verfahren entsprechend zu verhalten. Folglich mangelte es ihm daher auch schon im Zeitpunkt der Zustellung der Strafverfügung am 27. April 2010 an der Prozess- bzw. Handlungsfähigkeit.

 

Mangelnde Prozessfähigkeit führt zur Unwirksamkeit verfahrensrechtlicher Akte. War eine nicht voll handlungsfähige Person in einem Verwaltungsverfahren durch ihren gesetzlichen Vertreter nicht vertreten, so kann der ergangene Bescheid dieser Person gegenüber nicht rechtswirksam werden (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Seite 225 E 28 zu § 9 AVG). Eine an einen Handlungsunfähigen vorgenommene Zustellung löst keine Rechtswirkungen aus (Hinweis VwGH 8. Juli 1971, 487/71, VwSlg 8057 A/1971).

 

Es konnte daher die dem Berufungswerber am 27. April 2010 zugestellte Strafverfügung vom 22. April 2010, GZ VerkR96-5222-2010, keine Rechtswirksamkeit entfalten und keine Rechtswirkungen auslösen, weshalb die gegenständliche Berufung, da sie sich gegen einen nicht dem Rechtsbestand angehörenden Bescheid wendet, als unzulässig zurückzuweisen war.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.

Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Dr. Johann  F r a g n e r

 

 

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