Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522929/4/Br/Th

Linz, 17.08.2011

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X vertreten durch die Rechtsanwältin Dr. X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 14.7.2011, Zl. VerkR22-3-83-2010 iVm Berichtigungsbescheid vom 2.8.2011, zu Recht:

 

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz – AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I
Nr. 5/2008 iVm § 4 Abs.3 und Abs.7 FSG, BGBl. I Nr. 120/1997 zuletzt geändert durch BGBl. I
Nr. 31/2008.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem o.a. Bescheid, zugestellt am 15.7.2011, wurde dem Berufungswerber die Absolvierung einer Nachschulung (gemeint: bei einer vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie ermächtigten Stelle) binnen vier Monaten ab Zustellung dieses Bescheides aufgetragen. Ebenfalls wurde ausgesprochen, den ihm von der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen, am 15.3.2011 unter der Geschäftszahl: 10425305 ausgestellten Führerschein, zwecks Eintragung der Verlängerung der Probezeit und Neuausstellung eines Scheckkartenführerscheins der genannten Behörde innerhalb von vier Wochen vorzulegen bzw. die Vorlage zu veranlassen. Ebenfalls wurde auf die Verlängerung der Probezeit um ein weiteres Jahr hingewiesen.

Die Behörde erster Instanz stützte ihre Entscheidung auf § 4 Abs.3 u. 6 FSG.

 

 

1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz Folgendes aus:

"Gemäß § 4 Abs. 3 Führerscheingesetz (FSG) ist von der Behörde unverzüglich eine Nachschulung anzuordnen, wenn der Besitzer der Lenkerberechtigung innerhalb der Probezeit einen schweren Verstoß gemäß § 4 Abs. 6 begeht oder gegen die Bestimmungen des Abs. 7 verstößt.

 

Als schwerer Verstoß gilt unter anderem die Übertretung folgender Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung:

-    die Übertretung des § 4 Abs. 1 lit.a (Fahrerflucht)

      die Übertretung des § 7 Abs. 5 (Fahren gegen die zulässige Fahrtrichtung)

-    die Übertretung des § 16 Abs. 1 (Überholen unter gefährlichen Umständen)

-    die Übertretung des § 16 Abs. 2 lit.a (Nichtbefolgen von gem. § 52 lit.a Z.4a und Z.4c kundgemachten Überholverboten)

-    die Übertretung des § 19 Abs. 7 (Vorrangverletzung)

-    die Übertretung der §§ 37 Abs. 3, 38 Abs. 2a, 38 Abs. 5 (Überfahren von „Halt"-Zeichen bei geregelten Kreuzungen)

-    die Übertretung des § 46 Abs. 4 lit.a und b (Fahren auf der falschen Richtungsfahrbahn auf Autobahnen)

 

Als schwerer Verstoß gilt die mit technischen Hilfsmitteln festgestellte Überschreitung einer ziffernmäßig festgesetzten erlaubten Höchstgeschwindigkeit im Ausmaß von mehr als 20 km/h im Ortsgebiet und mehr als 40 km/h auf Freilandstraßen.

 

Als schwerer Verstoß gelten strafbare Handlungen gemäß § §§ 80, 81 oder 88 Strafgesetzbuch, die beim Lenken eines Kraftfahrzeuges begangen wurden.

 

Die Behörde geht von folgendem Sachverhalt aus:

 

Sie haben innerhalb der Probezeit am 21. Mai 2011 um 19:12 Uhr als Lenker des Personenkraftwagen X, im Gemeindegebiet Ohlsdorf, A1 bei km 217.638, in Richtung Wels, die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte - zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 50 km/h überschritten.

 

Sie sind von der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen mit Strafverfügung vom 21.06.2011, VerkR96-17986-2011, rechtskräftig wegen dieser Übertretung gemäß § 20 Abs. 2 StVO 1960 bestraft worden.

 

Die Nachschulung war daher anzuordnen."

 

 

1.2. Der Berichtigungsbescheid reduziert sich auf die Bezugnahme des mit der Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Gmunden (anstatt der Bezirkshauptmannschaft  Grieskirchen) vom 21.6.2011, VerkR96-17986-2011 in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruches  einer am 21.5.2011 um 19.12 Uhr im Freiland als Lenker eines Pkw begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung um mehr als 50 km.

 

 

2. Der Berufungswerber tritt dem Bescheid durch seine ausgewiesene Rechtsvertreterin mit folgenden Berufungsausführungen entgegen:

"In umseits rubrizierter Verwaltungssache bringt der Berufungswerber durch seine ausgewiesene Rechtsvertreterin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 14.07.2011, dem Berufungswerber zugestellt am 15.07.2011, sohin innerhalb offener Frist nachstehende

 

BERUFUNG

 

an den Unabhängigen Verwaltungssenat Linz als gegenständlich zuständige Berufungsbehörde ein und begründet diese wie folgt:

 

Der Bescheid der belangten Behörde vom 14.07.2011 ist rechtswidrig und wird zur Gänze wegen Nichtigkeit, aus dem Berufungsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung, wegen des Vorliegens wesentlicher Verfahrensmängel sowie aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung angefochten:

 

Zum Berufungsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung:

 

Die Erstbehörde stützte sich im angefochtenen Bescheid vom 14.07.2011 im Wesentlichen auf eine Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 21.06.2011. Es ist jedoch nicht richtig, dass die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen am 21.06.2011 eine Strafverfügung erlassen hätte, sondern existiert tatsächlich nur eine Strafverfugung der Bezirkshauptmannschaft Gmunden, auf welche sich aber die belangte Behörde nicht gestützt hat. Die belangte Behörde hat somit ihrer Entscheidung einen Sachverhalt zu Grunde gelegt, der nicht der Richtigkeit entspricht.

 

Im von der belangten Behörde angeführten § 4 Abs 3 FSG werden die Voraussetzungen normiert, bei deren Vorliegen von der Behörde eine Nachschulung angeordnet werden darf. Dies ist dann der Fall, wenn der Besitzer einer Lenkberechtigung innerhalb einer Probezeit einen schweren Verstoß gemäß § 4 Abs 6 FSG begangen oder gegen die Bestimmung des § 4 Abs 7 FSG verstoßen hat. Gegen welche Bestimmung des FSG der Berufungswerber verstoßen haben sollte, führt die belangte Behörde gegenständlich jedoch nicht aus. Sie trifft vielmehr kaum Feststellungen, welche aber für eine Subsumtion unter die §§ 4 Abs 6 2 1-3 bzw. 4 Abs 7 FSG erforderlich wären.

 

Die Bestimmung des § 4 Abs 6 Z 2 FSG sieht einen schweren Verstoß iSd § 4 Abs 3 FSG dann als vorliegend an, wenn mit technischen Hilfsmitteln eine Überschreitung einer Höchstgeschwindigkeit im Ausmaß von mehr als 20 km/h im Ortsgebiet bzw. im Ausmaß von mehr als 40 km/h auf Freilandstraßen festgestellt wurde.

 

Die belangte Behörde fuhrt gegenständlich aber nur aus, dass der Berufungswerber am 21.05.2011 um 19:12 Uhr als Lenker des PKW mit dem behördlichen Kennzeichen X im Gemeindegebiet von Ohlsdorf auf der A1 bei Kilometer 217.638 in Richtung Wels gefahren wäre und dabei eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 50 km/h überschritten hätte.

 

Sie trifft jedoch keinerlei Feststellungen, ob und gegebenenfalls mit welchen technischen Hilfsmitteln diese Überschreitung festgestellt worden wäre. Auch führt die belangte Behörde nicht aus, welche Geschwindigkeit beim Berufungswerber überhaupt gemessen worden ist. Weiters trifft die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid keine Feststellungen, wo sich in diesem Gebiet ein Straßenverkehrszeichen mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung befindet bzw. ob dieses Straßenverkehrszeichen überhaupt ordnungsgemäß kundgemacht wurde. Die belangte Behörde führt auch nicht aus, ob und in welchem Ausmaß bei der beim Berufungswerber gemessenen Geschwindigkeit eine Messtoleranz in Abzug gebracht wurde.

 

Statt diese Feststellungen selbst zu treffen, verweist die belangte Behörde nur lapidar auf eine Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen, welche jedoch gar nicht existiert. Auch wenn eine solche Strafverfügung existieren würde, wäre aber ein genereller Verweis auf eine solche Strafverfügung nicht zulässig. Vielmehr muss die belangte Behörde selbst die entsprechenden Feststellungen im Bescheid treffen. Aufgrund des Umstandes, dass überdies auf eine nicht existierende Strafverfügung, nämlich jene der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hingewiesen wurde, hat die belangte Behörde in zweierlei Hinsicht eine fehlerhafte bzw unvollständige Feststellung getroffen.

 

Es kann eine Strafverfügung, deren zugrunde liegende Fakten erst bei Erhebung eines Einspruches in einem ordentlichen Verfahren genauer geprüft werden können, keinesfalls eine taugliche Grundlage für die Erlassung eines Bescheides über die Anordnung einer Nachschulung darstellen. Vielmehr muss sich die belangte Behörde selbst mit den erhobenen Beweisen auseinandersetzen und diese entsprechend würdigen.

Zum Berufungsgrund der wesentlichen Verfahrensmängel:

 

Da die belangte Behörde selbst keine Erhebungen durchgerührt hat, sondern auf eine nicht existierende Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen verwiesen hat, verstößt sie damit gegen den ihr obliegenden Unmittelbarkeitsgrundsatz. Die belangte Behörde ist offensichtlich fälschlicherweise davon ausgegangen, dass sie sich auf eine vermeintliche Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen stützen kann, ohne selbst eine Beweiswürdigung durchzuführen und die notwendigen Feststellungen treffen zu müssen, weshalb der angefochtene Bescheid unter einem wesentlichen Verfahrensmangel leidet.

 

Es besteht nämlich keine Bindungswirkung zwischen einer Entscheidung einer Strafbehörde, welche die Strafverfugung erlassen hat und einer Entscheidung einer Kraftfahrbehörde, welche mittels Bescheid eine Nachschulung anordnet. Die Kraftfahrbehörde muss vielmehr nach zuvor vorgenommener Beweiswürdigung den rechtlich relevanten Sachverhalt selbst feststellen.

 

Fakt ist nämlich, dass der Berufungswerber am 21.05.2011 um 19:12 Uhr keine Geschwindigkeitsübertretung von 50 km/h begangen hat, sondern mit einer Maximalgeschwindigkeit von 110 km/h gefahren ist. Der Berufungswerber hätte dazu einvernommen werden müssen. Der Berufungswerber kann keinesfalls schneller als 110 km/h gefahren sein, weshalb das Messgerät fehlerhaft bzw das Messergebnis falsch sein muss. Zur Beurteilung des verwendeten technischen Hilfsmittels wäre deshalb erforderlich gewesen, dass die Erstbehörde in ihren Feststellungen anführt, welches Messgerät überhaupt verwendet wurde, welche Geschwindigkeit gemessen wurde, welche Messtoleranz berücksichtigt wurde etc. Auch ist überhaupt nicht gesichert, dass sich ein ordnungsgemäß kundgemachtes Straßenverkehrszeichen in dem von der Behörde wiederum nicht näher konkretisierten Bereich auch tatsächlich dort befunden hat. Im angefochtenen Bescheid werden keinerlei Beweismittel angeführt, auf deren Grundlage die Behörde zu derartigen Feststellungen hätte kommen können.

 

Wie bereits angeführt, ist im angefochtenen Bescheid vom 14.07.2011 auch keine Feststellung darüber enthalten, ob und welches technische Hilfsmittel gegenständlich für die Geschwindigkeitsfeststellung überhaupt herangezogen wurde. Es kann deshalb auch nicht nachkontrolliert werden, ob es sich bei dem verwendeten Geschwindigkeitsmessgerät um ein geeichtes Gerät handelt, welches einer Überprüfung im 3-Jahres-Abstand bedarf bzw. ob die erforderlichen Überprüfungen überhaupt durchgeführt wurden. Die belangte Behörde hat gegenständlich auch auf kein Radarfoto, keine Anzeige etc. Bezug genommen.

 

Bei der Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung mit einem geeichtem Hilfsmittel wie einem Radar müssten weiters die in der Zulassung vorgesehenen Eich- und Verkehrsfehlergrenzen sowie ein zusätzlicher Sicherheitsfaktor wegen der Unsicherheit bei der Erfassung der Fahrzeuggeschwindigkeit berücksichtigt werden. Gegenständlich wurde von der belangten Behörde jedoch keine Feststellung darüber getroffen, welche Geschwindigkeit mit welchem Radargerät beim Berufungswerber gemessen wurde bzw. welche Messtoleranz aus welchen Gründen berücksichtigt wurde.

 

Im Sachverhalt des Bescheides ist somit zusammengefasst nicht angeführt, welche und wie die Geschwindigkeit des Berufungswerbers überhaupt gemessen wurde, ob technische Hilfsmittel herangezogen wurden bzw. welches Radargerät verwendet wurde, ob dieses entsprechend gewartet und geeicht ist, etc.

Der angefochtene Bescheid leidet somit an einem wesentlichen Verfahrensmangel. Zum Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung:

Die belangte Behörde stützt sich in ihrer rechtlichen Beurteilung auf § 4 Abs 3 FSG. Nach dieser Bestimmung ist von der Behörde unverzüglich eine Nachschulung dann anzuordnen, wenn der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb einer Probezeit einen schweren Verstoß iSd § 4 Abs 6 FSG begeht oder gegen § 4 Abs. 7 FSG verstößt. Ein schwerer Verstoß iSd § 4 Abs 6 Z 1 FSG würde unter anderem bei Fahrerflucht, einer Vorrangverletzung, einem Überholen unter gefährlichen Umständen, einem Fahren gegen die zulässige Fahrtrichtung etc. vorliegen.

 

Ein schwerer Verstoß nach § 4 Abs 6 Z 2 FSG liegt nur dann vor, wenn mit technischen Hilfsmitteln eine Überschreitung einer erlaubten Höchstgeschwindigkeit im Ausmaß von mehr als 20 km/h im Ortsgebiet oder von mehr als 40 km/h auf Freilandstraßen festgestellt wurde. Ein schwerer Verstoß iSd § 4 Abs 6 Z 3 FSG würde hingegen dann vorliegen, wenn die in den §§ 80, 81 oder 88 StGB normierten strafbaren Handlungen erfüllt wären.

Im angefochtenen Bescheid sind - wie bereits in der Feststellungsrüge angeführt - keine Feststellungen getroffen worden, welche unter einem dieser Tatbestände subsumiert werden könnten, weshalb die rechtliche Beurteilung im Bescheid falsch ist.

 

Auch wird im angefochtenen Bescheid nicht angeführt, auf welchen schweren Verstoß sich die belangte Behörde überhaupt stützt. Die in § 4 Abs 6 Z 1 FSG und in § 4 Abs 6 Z 3 FSG angeführten Tatbestände liegen keinesfalls vor. Auch der Tatbestand des § 4 Abs 6 Z 2 FSG liegt aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht vor. Es wird dabei nochmals angemerkt, dass die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung auf keine Strafverfolgung verweisen darf und gegenständlich darüber hinaus sogar auf eine nicht existierende Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen verwiesen hat.

 

Der Bescheid der belangten Behörde wurde am 14.7.2011 erlassen. Da keine Strafverfugung der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 21.6.2011 existiert, hat der Berufungswerber auch keinen schweren Verstoß begangen. Würde sich die belangte Behörde in der Folge auf eine andere Strafverfugung stützen, wäre diesbezüglich auch nicht mehr das in § 4 Abs 3 FSG geforderte Unverzüglichkeitskriterium für die Anordnung einer Nachschulung erfüllt und dürfte deshalb die Erstbehörde sowieso keine Nachschulung mehr iSd § 4 Abs 3 FSG anordnen.

 

Es ist ständige Rechtsprechung des VwGH zu § 26 Abs 3 FSG - welche auch auf § 4 Abs 3 FSG zu übertragen ist -, dass die Kraftfahrbehörde auf einer unbedenklichen Beweiswürdigung beruhende Feststellungen zum Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung seihst treffen muss und nicht auf ein Straferkenntnis verweisen darf (vgl dazu VwGH 20.02.2001, 98/11/0306, veröffentlicht in ZVR 2002/96).

 

Gegenständlich will sich die belangte Behörde wegen ihres Verweises auf eine Strafverfugung der BH Grieskirchen offensichtlich auf § 4 Abs 6 Z 2 FSG stützen. Laut Erkenntnis des VwGH vom 20.02.2001 zu 98/11/0306 entfaltet jedoch eine rechtskräftige Bestrafung wegen Übertretung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit nach § 20 Abs 2 StVO hinsichtlich des Ausmaßes der Geschwindigkeitsüberschreitung keine Bindungswirkung gegenüber der Kraftfahrbehörde. Aufgrund dessen muss die belangte Behörde auf einer unbedenklichen Beweiswürdigung beruhende Feststellungen zum Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung selbst treffen.

Eine Beweiswürdigung enthält der angefochtene Bescheid aber überhaupt nicht, sondern begnügt sich die belangte Behörde nur mit dem Verweis auf eine (nicht existierende) Strafverfügung.

 

Nur bei Vorliegen eines schweren Verstoßes nach § 4 Abs 6 Z 1 FSG (taxativ aufgezählte Übertretungen nach der StVO) sowie nach § 4 Abs 6 Z 3 FSG (strafbare Handlungen nach dem StGB) würde eine Bindungswirkung der Kraftfahrbehörde an das Erkenntnis der Verwal-tungsstrafbehörde bzw. das Urteil des Strafgerichts vorliegen. Der Grund hiefür ist einsichtig, handelt es sich bei diesen strafbaren Handlungen doch um schwerwiegendere Vergehen, welche in einem ordentlichen Verfahren und nicht in einem abgekürzten Verfahren abgeurteilt werden können und somit auch einem Ermittlungsverfahren unterzogen werden.

 

Gegenständlich hat jedoch überhaupt kein Ermittlungsverfahren stattgefunden. Die BH Gmunden hat am 21. Juni 2011 eine Strafverfügung erlassen. Vom Berufungswerber wurde nach Zustellung der Strafverfügung noch am gleichen Tag die verhängte Geldstrafe bezahlt. Richtigerweise hätte der Berufungswerber bereits gegen die Strafverfügung einen Einspruch erheben sollen, damit in einem ordentlichen Verfahren seine gefahrene Geschwindigkeit ermittelt worden wäre. Dann wäre festgestellt worden, dass der Berufungswerber keine 40 km/h übersteigende Geschwindigkeit eingehalten hat und wäre deshalb von der belangten Behörde auch nicht der angefochtene Bescheid erlassen worden.

 

Dem angeführten Erkenntnis des VwGH vom 20.02.2001 zu 98/11/0306 liegt ein Verwaltungsverfahren über die Anordnung einer Nachschulung zugrunde, in welchem die Erstbehörde auf ein Straferkenntnis verwiesen hat, welches in einem ordentlichen Verfahren und nicht in einem abgekürzten Verfahren ergangen ist. Gegenständlich hat die belangte Behörde auf eine Strafverfügung verwiesen, die darüber hinaus nicht mal existiert. Umso mehr durfte die belangte Behörde sich nicht auf die in der Strafverfügung angeführte Geschwindigkeitsüberschreitung beziehen, sondern hätte vielmehr selbst Erhebungen durchfuhren müssen und nach entsprechender Beweiswürdigung die für eine Subsumtion unter § 4 Abs 3 Z 2 FSG erforderlichen Feststellungen - wie bereits mehrfach angeführt - selbst treffen müssen.

 

Zusammenfassend ist die belangte Behörde somit der ihr obliegenden Verpflichtung zur hinreichenden Feststellung des Ausmaßes der Geschwindigkeitsüberschreitung und der Messung einer Geschwindigkeitsüberschreitung mittels eines technischen Hilfsmittels für eine Anordnung einer Nachschulung iSd § 4 Abs 3 Z 2 FSG nicht nachgekommen, weshalb der Bescheid rechtswidrig ist.

 

Der Ordnung halber wird überdies noch angerührt, dass die belangte Behörde in ihrem Spruch den Berufungswerber aufgefordert hat, seinen Führerschein zwecks Eintragung der Probezeitverlängerung der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen innerhalb von 4 Wochen vorzulegen bzw. eine Neuausstellung eines Scheckkartenführerscheins zu veranlassen.

 

Es ist zwar richtig, dass das eingebrachte Rechtsmittel der Berufung gegen die Anordnung der Nachschulung keine aufschiebende Wirkung hat. Dies bezieht sich jedoch nicht auf die Eintragung der Probezeitverlängerung bzw. Neuausstellung eines Scheckkartenführerscheins, zumal dies sinnvollerweise erst dann zu erfolgen hat, wenn rechtskräftig über den angefochtenen Bescheid entschieden wurde. Es würde wenig Sinn machen, wenn bis zur Entscheidung des UVS bzw. bei einer Berufungsvorentscheidung durch die belangte Behörde selbst bereits Änderungen im Führerschein vorgenommen würden, welche in der Folge nach Rechtskraft des Bescheides wieder rückgängig gemacht werden müssten.

 

Aufgrund der obigen Ausführungen stellt der Berufungswerber den

 

Antrag,

 

der Unabhängige Verwaltungssenat Linz als zuständige Berufungsbehörde möge den angefochtenen Bescheid der BH Grieskirchen vom 14.07.2011 zur GZ VerkR22-3-83-2010 ersatzlos aufheben, in eventu möge die Erstbehörde in einer Berufungsvorentscheidung selbst den von ihr erlassenen Erstbescheid ersatzlos aufheben.

 

Eventualiter wird beantragt, die Berufungsbehörde möge den angefochtenen Bescheid der BH Grieskirchen vom 14.07.2011 zur GZ VerkR22-3-83-2010 aufheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Erstbehörde zurückverweisen.

 

 

Ried im Innkreis, am 28.07.2011                                                                 X."

 

 

2.1. Mit diesen Ausführungen vermag der Berufungswerber eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides jedoch nicht aufzuzeigen!

 

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat unter Bedachtnahme auf dieses Vorbringen und die Aktenlage durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied  zu entscheiden (§ 67a Abs.1 AVG). Eine Berufungsverhandlung konnte mangels Antrag und unstrittiger Faktenlage unterbleiben (§ 67d Z3 AVG).

 

 

3.1. Beweis erhoben wurde durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verfahrensakt, sowie durch ergänzende Beischaffung eines Auszugs aus dem Führerscheinregister.

Über eine Anfrage bei der Bezirkshauptmannschaft Gmunden wurde in Erfahrung gebracht, dass die mit der Strafverfügung ausgesprochene Geldstrafe am 29.6.2011 vom Berufungswerber einbezahlt und der Schuld- u. Strafausspruch in Rechtskraft erwachsen ist.

 

 

4. Dem Berufungswerber wurde am 15.3.2011 die Lenkberechtigung für die Klasse B erteilt. Zum Zeitpunkt der dieses Verfahren bedingenden  Deliktsbegehung iSd StVO daher Inhaber des  sogenannten Probeführerscheins iSd § 4 FSG.

Wie mit der zit. Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Gmunden rechtskräftig festgestellt,  setzte demnach der Berufungswerber am 21. Mai 2011 um 19.12 Uhr als Lenker des Pkw mit dem Kennzeichen X auf der A1 im Gemeindegebiet von Ohlsdorf bei Strkm 217.638 ein Geschwindigkeitsübertretung, indem er die dort erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um sogar 50 km/h überschritten hatte.

An den in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch ist die Berufungsbehörde gebunden. Das dem Schuldspruch eine technische Messung zu Grunde liegt ergibt sich alleine schon aus dem Spruchinhalt, dass die Messtoleranz berücksichtigt wurde.

 

 

4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. hat erwogen:

 

Nach § 4 Abs.1 FSG gelten Lenkberechtigungen für die Klassen A, B, C und D oder die Unterklasse C1, die Personen erteilt werden, die vorher keine in- oder ausländische Lenkberechtigung für eine dieser Klassen besessen haben, auf zwei Jahre befristet (Probezeit). Diese Befristung ist in den Führerschein nicht einzutragen.

     ...

§ 4 Abs.3 FSG lautet:

Begeht der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der Probezeit einen schweren Verstoß (Abs.6) oder verstößt er gegen die Bestimmung des Abs.7, so ist von der Behörde unverzüglich eine Nachschulung anzuordnen, wobei die Rechtskraft der Bestrafung wegen eines schweren Verstoßes abzuwarten ist. Berufungen gegen die Anordnung der Nachschulung haben keine aufschiebende Wirkung.

Mit der Anordnung einer Nachschulung verlängert sich die Frist nach Abs.1 jeweils um ein weiteres Jahr oder es beginnt eine neuerliche Probezeit von einem Jahr, wenn die Probezeit in der Zeit zwischen der Deliktsetzung und der Anordnung der Nachschulung abgelaufen ist;

Die Probezeit beträgt gemäß § 4 Abs.1 FSG zwei Jahre, gerechnet ab Ausstellung des Führerscheines.

Im Sinne des Abs.4 leg. cit. gilt als schwerer Verstoß gemäß Abs.3 u.a.

mit technischen Hilfsmitteln festgestellte Überschreitungen einer ziffernmäßig festgesetzten erlaubten Höchstgeschwindigkeit im Ausmaß von mehr als 40 km/h auf Freilandstraßen (§ 4 Abs.6 Z2 lit.b);

 

 

4.2. Dem Unabhängigen Verwaltungssenat ist es in einem Verfahren betreffend Anordnung einer Nachschulung verwehrt, die diesbezüglich bereits rechtskräftig entschiedene, eine die Vorfrage bildende Sache neu aufzurollen (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, z.B. Erkenntnis vom 20.2.2001, 98/11/0306 und vom 22.2.1996, 96/11/0003 jeweils mit Vorjudikatur).

Diese damit verbundenen Härten werden vom Gesetzgeber in Kauf genommen und müssen im Rahmen der Vollziehung unberücksichtigt bleiben.

Auch der Hinweis auf die im hier angefochtenen Bescheid (durch die ursprünglich verfehlte und folglich berichtigte Behördenbezeichnung) angeblich nicht existierende Strafverfügung geht ins Leere und entzieht sich einer sachlich nachvollziehbaren Grundlage.

Auf das  auf die StVO-Übertretung Bezug nehmende Berufungsvorbringen und den die Strafbehörde ursprünglich falsch zitierenden Berichtigungsbescheid ist hier nicht weiter einzugehen.

Die Berufung war demnach als unbegründet abzuweisen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweise:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichts­hof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220  Euro zu entrichten.

 

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

 

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

 

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