Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-301104/2/Gf/Mu

Linz, 10.10.2011

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Berufung des x gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 30. August 2011, Zl. Pol96-159-2009, wegen einer Übertretung des Oö. Polizeistrafgesetzes zu Recht:

I. Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als von der Verhängung einer Strafe abgesehen und stattdessen bloß eine Ermahnung erteilt wird; im Übrigen wird diese hingegen abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.      

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 21 Abs. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 30. August 2011, Zl. Pol96-159-2009, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von 60 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 28 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag: 6 Euro) verhängt, weil er am 4. Februar 2009 um 00:35 Uhr in Linz den öffent­lichen Anstand dadurch verletzt habe, dass er gegenüber des Bahnhofsgebäudes in eine Wiese uriniert habe. Dadurch habe er eine Übertretung des § 1 Abs. 1 des Oö. Polizeistrafgesetzes, LGBl.Nr. 36/1979, in der hier maßgeblichen Fassung LGBl.Nr. 77/2007 (im Folgenden: OöPolStG), begangen, weshalb er nach § 10 Abs. 1 lit. a OöPolStG zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass das dem Rechtsmittelwerber angelastete Verhalten auf Grund entsprechender zeugenschaftlicher Wahrnehmungen des einschreitenden Sicherheitsorganes als erwiesen anzusehen sei, während sein bloßes Bestreiten lediglich als eine Schutzbehauptung zu werten sei.

Im Zuge der Strafbemessung seien weder Milderungs- noch Erschwerungsgründe zu berücksichtigen und die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers mangels entsprechender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen.

1.2. Gegen dieses ihm am 15. September 2011 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 24. September 2011 – und damit rechtzeitig – per e‑mail eingebrachte Berufung.

Darin bringt der Rechtsmittelwerber – auf das Wesentliche zusammengefasst – vor, dass er nicht in die Wiese uriniert, sondern als Taxifahrer in einer Arbeitspause lediglich kurz nachgesehen habe, ob bei einem nahe gelegenen Imbissstand etwas vor sich gehe. Außerdem habe er sich zwischen einem großen Baum und einer Hecke befunden, die von der Polizeiinspektion aus generell und im
Besonderen während der Nachtzeit weder öffentlich noch seitens des Polizei­beamten einsehbar gewesen sei. Da der Polizist selbst angegeben habe, den Vorfall lediglich aus einer Entfernung von 10 Metern beobachtet zu haben, könne er sohin gar nicht mit Gewissheit wahrgenommen haben, ob der Beschwerdeführer tatsächlich uriniert hat. Schließlich habe es die Behörde auch unterlassen, einen Lokalaugenschein durchzuführen und ihm das Ergebnis der zeugenschaftlichen Einvernahme des einschreitenden Beamten mitzuteilen, ganz abgesehen davon, dass ihm das angefochtene Straferkenntnis nicht wirksam zugestellt worden sei.

Aus allen diesen Gründen wird daher die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Linz-Land zu Zl. Pol96-159-2009; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und die Verfahrensparteien einen dementsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen gemäß § 51e VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2.2. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine den Betrag von 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Gemäß § 10 Abs. 1 lit. a i.V.m. § 1 Abs. 1 OöPolStG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 360 Euro zu bestrafen, der den öffentlichen Anstand verletzt.

 

Nach § 1 Abs. 2 OöPolStG ist als Anstandsverletzung jedes Verhalten in der
Öffentlichkeit anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.

 

3.2. Im gegenständlichen Fall hat sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner unmittelbaren Betretung bei der Begehung der ihm angelasteten Übertretung sinngemäß noch damit gerechtfertigt, dass er nicht willens sei, für das Verrichten der kleinen Notdurft jedes Mal die kostenpflichtige WC-Anlage im Bahnhofsgebäude zu benützen (vgl. die Anzeige der PI Linz-Hauptbahnhof vom 4. Februar 2009, Zl. A2/6142/2009-1100); in der Folge hat er seine Verantwortung jedoch dahin geändert, dass er lediglich zu einem nahe gelegenen Imbissstand habe gehen wollen, um nachzusehen, ob bei diesem noch "viel Betrieb ist" (vgl. seine Stellungnahme vom 21. April 2009).

 

Dem gegenüber hat das einschreitende Sicherheitsorgan von Anfang an (und in der Folge auch zeugenschaftlich; vgl. die Niederschrift der BPD Linz vom 18. April 2009, Zl. S-18065/09-R-RA) widerspruchsfrei darauf hingewiesen, dass er den Rechtsmittelwerber unmittelbar unter freier Sicht aus einer Entfernung von ca. 10 Metern bei der ihm angelasteten deliktischen Handlung betreten hat.

 

Angesichts der Erfahrungstatsache, dass die Verantwortung eines Beschuldigten umso glaubwürdiger ist, je unmittelbar diese zum Tatzeitpunkt liegt, während die Glaubwürdigkeit in der Folge – insbesondere auf Grund zwischenzeitlich mög­licher Rechtsberatung – umso mehr abnimmt, je weiter die Stellungnahme vom Tathergang zeitlich entfernt ist, kann daher der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie anlässlich konträrer Faktenwiedergaben durch die beiden damals offensichtlich allein am Tatort anwesenden Personen letztlich der Zeugenaussage des Polizeibeamten eine vergleichsweise höhere Glaubwürdigkeit beigelegt hat.

 

Davon ausgehend, dass der Rechtsmittelwerber sohin tatsächlich in die Wiese uriniert hat, hat er aber auch tatbestandsmäßig gehandelt: Wie nämlich der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, stellt ein derartiges Verhalten deshalb eine Anstandsverletzung dar, weil es über den Kreis der Tatbeteiligten (zu denen der einschreitende Polizist als Zeuge nicht gehört) hinausgegangen und damit öffentlich geworden ist (vgl. VwGH v. 22. März 1991, Zl. 89/10/2007, zu einem nahezu identisch gelagerten Fall; s. im Übrigen auch VwGH v. 30. April 1992, Zl. 90/10/0039). Weil einem einsichtigen und besonnenen Menschen ohne Weiteres zusinnbar ist, ein derartiges Verhalten in der Öffentlichkeit zu unter­lassen, liegt darin ein auch zumindest fahrlässiges Verhalten, weshalb der Beschwerdeführer sohin auch schuldhaft gehandelt hat.

 

Seine Strafbarkeit ist daher gegeben.

3.3. Daran vermag auch sein Vorbringen, dass er sich, als er beim Imbissstand nachsehen wollte, zwischen einem großen Baum und einer Hecke befunden habe, die von der Polizeiinspektion aus generell und im Besonderen während der Nachtzeit weder öffentlich noch seitens des Polizeibeamten einsehbar gewesen sei, nichts zu ändern, weil dieser Einwand (wie auch die mit der Berufung vorgelegten Fotos dartun) davon ausgeht, dass ihn das einschreitende Sicherheitsorgan bereits unmittelbar beim Verlassen der Polizeiinspektion – also nach dem Heraustreten aus dem Bahnhofsgebäude – wahrgenommen habe. Derartiges hat der Zeuge jedoch nie behauptet; vielmehr hat dieser stets angegeben, ihn "dabei", nämlich beim Urinieren in eine gegenüber dem Bahnhof gelegene, durch eine breite Straße getrennte Wiese aus einer Entfernung von "ca. 10m" – und damit erst deutlich nach dem Verlassen des Bahnhofsgebäudes – beanstandet zu haben. In diesem Zusammenhang bedarf es auch entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers keiner näheren Begründung dafür, dass aus einer derartigen Entfernung bei freier Sicht der Umstand, ob eine männliche Person uriniert (hat), selbst dann unschwer festgestellt werden kann, wenn dessen nähere Umstände durch den Beobachter nicht in allen Details wahrgenommen werden konnten.

Hinsichtlich des vom Rechtsmittelwerber vermissten Lokalaugenscheines hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im zuvor angeführten Erkenntnis vom 22. März 1991 ausgeführt, dass sich ein solcher schon von vornherein erübrigt, wenn eine Rekonstruktion des Geschehens nachträglich nicht mehr möglich ist.

Schließlich bilden auch die Übermittlung des Ergebnisses der Beweisaufnahme an seine frühere Wohnadresse und die Zustellung des Straferkenntnisses im Wege eines RSb-Briefes schon deshalb keine essentiellen Verfahrensfehler, weil es einerseits am Beschwerdeführer gelegen wäre, einen während des Verfahrens vorgenommenen Wohnsitzwechsel der Behörde bekannt zu geben (was er jedoch unterlassen hat), und andererseits Zustellmängel gemäß § 7 ZustG jedenfalls mit dem tatsächlichen Zukommen des Schriftstückes als geheilt gelten.

 

3.4. Im Zuge der Strafbemessung war zunächst die überlange Verfahrensdauer als mildernd zu berücksichtigen.

 

Außerdem wurde die Tat offensichtlich bloß aus Unbesonnenheit begangen und – vom einschreitenden Sicherheitsorgan abgesehen – von niemandem wahrgenommen, sodass die Folgen dieser Übertretung unbedeutend waren.

 

Davon ausgehend sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich insoweit um ein erstmaliges Vergehen des Rechtsmittelwerbers handelt, konnte gemäß § 21 Abs. 1 VStG von der Verhängung einer Geldstrafe abgesehen werden, weil die Erteilung einer bloßen Ermahnung als in gleicher Weise geeignet erscheint, den Beschwerdeführer künftige von der Begehung gleichartiger Übertretungen wirksam abzuhalten.

 

3.5. Insoweit war der gegenständlichen Berufung daher gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben; im Übrigen war diese hingegen als unbegründet abzuweisen und das angefochtene Straferkenntnis zu bestätigen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber nach § 66 Abs. 1 VStG weder ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr.  G r o f

 

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