Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166444/3/Br/Th

Linz, 09.11.2011

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch seine I. Kammer (Vorsitzende: Mag.a Bissenberger, Berichter: Dr. Bleier, Beisitzer: Dr. Keinberger) über die ausschließlich gegen die Freiheitsstrafe gerichtete Berufung des Herrn X geb. X, X, vertreten durch Mag. Dr. X Rechtsanwalts-KG, X, gegen das  Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 12. Oktober 2011, Zl.: VerkR96-7470-2011, zu Recht erkannt:

 

 

I.     Der Berufung wird Folge gegeben und die ausgesprochene Freiheitsstrafe ersatzlos behoben.

 

II.   Die zu diesem Punkt ausgesprochenen erstinstanzlichen Verfahrenskosten entfallen ebenso wie Kosten für das Berufungsverfahren.

 

 

Rechtsgrundlagen:

I.  § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 24, d 51e Abs.3 Z2 VStG.

II. §§ 66 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen Verwaltungsüber­tretungen nach 1) § 1 Abs.3 iVm § 37 Abs.3 Z1 FSG, 2) § 36 lit. a KFG, 3) § 98 Abs.1 KFG, 4) § 20 Abs.2 StVO und 5) § 102 Abs.1 KFG neben Geldstrafen in Höhe von 1.) 500 Euro, 2.) 200 Euro, 3.) 150 Euro, 4.) 70 Euro und 5.) 200 Euro sowie Ersatzfreiheitsstrafen von 1) 144, 2) 48, 3) 36, 4) 12 und 5) 36 Stunden ohne nähere Zuordnung zu einem Übertretungspunkt, jedoch wohl gemeint betreffend Punkt 1) auch noch eine (primäre) Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Tagen in Verbindung mit den darauf zu berechnenden Verfahrenskosten in der Höhe von 7,50 Euro ausgesprochen.

Laut Tatvorwurf habe er am 22.07.2011 um 17.02 Uhr das Motorfahrrad mit dem Kennzeichen X auf der L 1233 Krenglbacherstraße bei Strkm 2,382 im Ortsgebiet von Krenglbach mit einer Geschwindigkeit von "78 km/h" gelenkt, obwohl er nicht im Besitz der hiefür erforderlichen Lenkberechtigung gewesen sei und das Motorfahrrad nicht als Motorrad zum Verkehr auf Öffentlichen Straßen zugelassen gewesen sei.

Weiters haben er die im Ortsgebiet erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h und die erlaubte Bauartgeschwindigkeit von 45 km/h überschritten. Außerdem seien verbotene Umbauten (Auspuff der Marke Yasuni, Zwischenstück im Bereich der Hinterradaufhängung) vorgenommen worden.

 

 

1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz zur Strafzumessung im Ergebnis aus, dass im Sinne des § 19 VStG auf die Einkommens-, Familien- und Vermögensverhältnisse Bedacht zu nehmen sei. Bei der Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe wären die Einkommens-, Familien- und Vermögensverhältnisse nicht zu berücksichtigen gewesen.

Straferschwerend sei das Vorliegen 2 einschlägiger Verwaltungsvorstrafen nach § 1 Abs. 3 FSG sowie 36 lit. a) KFG 1967 gewesen; strafmildernd demgegenüber kein Umstand.

Zur Strafhöhe wegen § 1 Abs. 3 FSG verwies die Behörde erster Instanz auf die Mindesstrafe von  363,-- Euro bei Übertretungen nach § 37 Abs. 3 FSG.

§ 37 Abs. 2 FSG lautet: Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits einmal bestraft, so kann an Stelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen verhängt werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits zweimal bestraft, so können Geld- und Freiheitsstrafen auch nebeneinander verhängt werden. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe ist in diesen Fällen aber nur zulässig, wenn es ihrer bedarf, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen dergleichen Art abzuhalten.

Da ihn die zuletzt verfügten Geldstrafen nicht davon abgehalten hätten, neuerlich ohne im Besitz einer Lenkberechtigung und ohne dass das Kraftfahrzeug zum Verkehr zugelassen war, zu lenken, sei es notwendig, eine Freiheitsstrafe von 5 Tagen auszusprechen, um den Berufungswerber hinkünftig von der neuerlichen Begehung solcher Verwaltungsübertretungen abzuhalten.

Die verhängten Geldstrafen sowie die Freiheitsstrafe wären unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände der Behörde erster Instanz schuld- und unrechtsangemessen erschienen. Die Höhe der Geldstrafen und Freiheitsstraße wäre laut Behörde erster Instanz ausreichend, um den Berufungswerber  in Hinkunft von der Übertretung dieser Normen abzuhalten und besitze darüber hinaus auch generalpräventive Wirkung.

Es sei daher notwendig gewesen eine Primärarreststrafe zu verhängen, um den Berufungswerber hinkünftig von der Begehung solcher Verwaltungs-übertretungen abzuhalten.

 

 

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter ausdrücklich nur gegen die offenkundig im Punkt 1.) - neben der Geldstrafe von 500 Euro - zusätzlich ausgesprochene primäre Freiheitsstrafe gerichteten Berufung folgenden Inhaltes:

"I.

In der umseits näher bezeichneten Rechtssache gibt der Beschuldigte bekannt, dass er die Mag. Dr. X Rechtsanwalts-KG, X, mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt hat.

 

Es wird ersucht, das hiermit angezeigte Vertretungsverhältnis zur Kenntnis zu nehmen und möge die Kanzlei des ausgewiesenen Vertreters von allen Vorfällen des Verfahrens unterrichtet werden.

 

 

II.

Darüber hinaus erhebt der Beschuldigte durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter gegen das Straferkenntnis der BH Wels-Land VerkR96-7470-2011 vom 12.10.11 binnen offener Frist

 

BERUFUNG

und führt aus wie folgt:

 

Die Berufung richtet sich ausschließlich die im Straferkenntnis verhängte Freiheitsstrafe von 5 Tagen.

 

Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbunden Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, in wie weit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie die Strafdrohung bestimmen, gegen einander ab zu wägen und auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen.

 

Bei dem im Straferkenntnis straferschwerend herangezogenen Verwaltungsvorstrafen handelt es sich darum, dass der Beschuldigte mit seinem Moped die erlaubte Bauartgeschwindigkeit überschritten hat, ebenso wie im Vorfall vom 22.07.11.

 

Der Unrechtsgehalt dieser Handlungen ist zwar nicht leicht, steht jedoch in absolut keiner Relation zu der in I. Instanz verhängten Freiheitsstrafe von fünf Tagen.

 

Beim Beschuldigten handelt es sich um einen Minderjährigen im Alter von 16 Jahren, bei denen nur in außergewöhnlichen Fällen, insbesondere aus schwerwiegenden spezial- und generalpräventiven Maßnahmen Freiheitsstrafen verhängt werden dürfen.

 

Der Beschuldigte hat ein gutes familiäres Umfeld, ist sozial angergiert. So arbeitet er beispielsweise bei der freiwilligen Feuerwehr X und ist bis dato strafrechtlich nie in Erscheinung getreten,

 

Der Beschuldigte ist derzeit arbeitslos.

 

Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände hat die I.instanzliche Behörde den Ermessungspielraum im Sinne des § 37 Abs 2 FSG überschritten und wären die im Straferkenntnis vom 12.10.11 verhängten Geldstrafen ausreichend gewesen.

 

Es wird daher gestellt der

Antrag:

 

Die Berufungsbehörde möge das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land VerkR96-7470-2011 vom 12.10.11 dahingehend abändern, dass die darin verhängte Freiheitsstrafe von fünf Tagen aufgehoben wird.

 

 

Wels, am 02.11.2011                                                                                    X"

 

 

2.1.  Diesen Ausführungen schließt sich die Berufungsbehörde an.

 

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich die Strafberufung mit Schreiben vom 25. Oktober 2011 zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

 

 

3.1. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates ist gemäß § 51 Abs.1 VStG gegeben. Dieser hat, da eine primäre Freiheitsstrafe verhängt wurde, durch die laut Geschäftsverteilung zuständige 1. Kammer zu entscheiden.

 

 

4. Zur Straffestsetzung wird seitens der Berufungsbehörde festgestellt, dass gemäß § 19 Abs.1 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen ist, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden.

 

 

4.1. Zunächst wird auf die  Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach das Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne Berechtigung grundsätzlichen zu den gröbsten Verstößen gegen das KFG (nunmehr: FSG) zählt und daher auch der Unrechtsgehalt der vorgeworfenen Übertretungen durchwegs als hoch einzustufen ist.  Hier hat der Berufungswerber jedoch nur ein Fahrzeug gelenkt, für welches grundsätzlich keine Führerscheinpflicht besteht, das jedoch wegen der mit diesem Fahrzeug erreichten Bauartgeschwindigkeit als "führerscheinpflichtig" zu qualifizieren war.  Ein Tatvorsatz zur Deliktsbegehung kann hier daher ausgeschlossen werden. Vielmehr beruht der Tatvorwurf auf bloßer Fahrlässigkeit, wobei auf Grund der Vorverfahren beim Berufungswerber subjektiv tatseitig ein latentes Unrechtsbewusstsein vermutet werden muss.

Verwaltungsübertretungen in diesem Bereich müssen wohl aus generalpräventiven Überlegungen und im Interesse der Verkehrssicherheit mit entsprechender Strenge geahndet werden.

 

Gemäß § 11 VStG darf eine primäre Freiheitsstrafe nur verhängt werden, wenn dies notwendig ist, um den Täter vor weiteren Verwaltungsübertretungen gleicher Art abzuhalten.

Die Behörde hat in Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Straferkenntnisses die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist (VwGH 4.4.2001, 99/09/0140 mit Hinweis auf Erk. VwGH [verst. Senat] 25. März 1980, Zl. 3273/78, VwSlg 10077 A/1980).

Für die Verhängung einer Freiheitsstrafe müssen ferner begründbare Aspekte der Prävention sprechen (vgl VwGH 30.11.2007, 2007/02/0267 mit Hinweis auf VwGH 31.7.2007, 2007/02/0016).

Diese Voraussetzungen sind jedoch bei einem Jugendlichen selbst nach dem dritten einschlägigen Verstoß im Auffrisieren eines Mopeds noch nicht zu sehen. Immerhin wurde bislang der Strafrahmen erst im Umfang der Mindeststrafe ausgeschöpft, sodass in Verbindung mit den übrigen auf tateinheitlichem Verhalten  basierenden Gesamtstrafe von immerhin 1.120 Euro (für das gegenständliche Delikt immerhin auch 500 Euro) durchaus dem Präventionszweck ausreichend Rechnung getragen gelten kann.

Bei der Bestrafung von Jugendlichen ist die Bestimmung des § 20 VStG zwingend zu beachten. Die Behörde hat bei Vorliegen der im § 20 VStG genannten Voraussetzungen zwingend einen Strafrahmen zugrunde zu legen, dessen Untergrenze die Hälfte der (gesetzlich) vorgesehenen Mindeststrafe beträgt und ausgehend davon die Strafe innerhalb des solcherart (nach unten) geänderten Strafrahmens festzusetzen (VwGH 22.3.1995, 94/03/0274 mit Hinweis auf VwGH 2.9.1992, Zl. 92/02/0150). Mit Blick darauf scheint der Sprung von der zuletzt noch ausgesprochenen Mindeststrafe (363 Euro) zur kumulativen Geld- u. Freiheitsstrafe jedenfalls nicht sachgerecht.

Nicht zuletzt bleibt der Tatunwert und die Schädigung und Gefährdung Dritter bei einem bloßen (führerscheinlosen) Mopedlenker doch deutlich gegenüber einem Lenker eines führerscheinpflichtigen Kraftfahrzeuges (PKW oder LKW) zurück. 

Der Ausspruch einer fünftägigen Freiheitsstrafe zu einer Geldstrafe von insgesamt schon über 1.100 Euro gegen einen jugendlichen Lenker eines auffrisierten Mopeds lässt doch weitgehend ein sachbezogene Augenmaß über Sinn und Zweck der Strafe vermissen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Mag.a Bissenberger

 

 

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