Linz, 06.10.2011
E r k e n n t n i s
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, geb. X, X, vertreten durch RA Dr. X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 2. August 2011, Zl.: VerkR96-10481-2011/Fe, wegen Übertretung der StVO 1960, nach der am 5. Oktober 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:
I. Die Berufung wird im Schuldspruch als unbegründet abgewiesen; im Spruch hat jedoch der Hinweis des Abzuges der "in Betracht kommenden Messtoleranz zu seinen Gunsten" zu entfallen.
Die Geldstrafe wird auf 330 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 100 Stunden ermäßigt.
II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich auf 33 Euro; für das Berufungsverfahren entfallen Verfahrenskosten.
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 - AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl.Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 - VStG.
Zu II.: § 65 VStG.
Entscheidungsgründe:
Als nicht spruchspezifischer Bestandteil wurde auch festgestellt, dass "die in Betracht kommende Messtoleranz zu seinen Gunsten bereits abgezogen worden sei."
1.1. In der auszugsweise wiedergegebenen Begründung tätigte die Behörde erster Instanz folgende Erwägungen:
Geschwindigkeitsmessung um eine offensichtliche Fehlbedienung bzw. Fehlmessung mit dem
Lasergeschwindigkeitsmessgerät LTI 20.20 TS.
beizuschaffen:
1.2. Mit diesem Vorbringen ist die Behörde erster Instanz im Recht!
2. Dem tritt der Berufungswerber jedoch mit seiner durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht erhobenen Berufung entgegen:
"Der Berufungswerber erhebt gegen das Straferkenntnis vom 2.8.2011, dem BWV am 12.8.2011 zugestellt, binnen offener Frist nachstehende
BERUFUNG:
1. Um Wiederholungen zu vermeiden, verweist der Berufungswerber auf die
Ausführungen in
- Rechtfertigung vom 1.4.2011;
- Stellungnahme vom 28.4.2011;
- Stellungnahme vom 22.6.2011.
2. Eingangs ist festzuhalten, dass die Behörde in ihrer Begründung des angefochtenen Bescheides die Rechtssätze des VwGH (ZI. 99/11/0261, 91/03/0154, 91/18/0041) richtig zitiert, aber aus den nachfolgenden Gründen unrichtig angewendet hat:
a) Wie die Behörde richtig zitiert, könnte zwar die Behörde - gestützt auf die Aussagen des als Zeugen vernommenen Gendarmeriebeamten, der mit der Handhabung des Radargerätes befasst war - davon ausgehen, dass das Gerät ordnungsgemäß aufgestellt und justiert war und dass der Beamte mit der Handhabung vertraut war. Dies kann aber nur für den Fall gelten, dass keine Zweifel an diesen Umständen dargetan werden. Der Bw hat nachgewiesen und dies ist auch dem Akt zu entnehmen, dass
- der Gendarmeriebeamte nicht als Zeuge vernommen wurde und
- der Berufungswerber aufgrund seiner Ausführungen im Schriftsatz vom 22.6.2011 belegen konnte, dass der mit der Radarmessung betraute Beamte eben nicht mit der ordnungsgemäßen Verwendung des Geräte vertraut war, weil er offenkundig nicht einmal über die erforderlichen Kenntnisse hinsichtlich der maximalen Messentfernung des verwendeten Radargerätes verfügte.
Die belangte Behörde hat es daher zu Unrecht unterlassen,
- Schulungsnachweise des mit der Geschwindigkeitsmessung betrauten Beamten beizuschaffen und
- den mit der Geschwindigkeitsmessung betrauten Beamten als Zeugen zu vernehmen, sowie
- die Verwendungsbestimmungen der Herstellerfirma Laser Technology Inc. (USA) beizuschaffen.
Schon alleine aus diesen oben genannten Gründen haftet dem Verfahren ein Verfahrensmangel an, der zur Aufhebung des Straferkenntnisses führen wird.
b) Weiters hat es die belangte Behörde überhaupt unterlassen, sich mit der gutachterliche Stellungnahme der Physikaltechnischen Bundesanstalt auseinander zu setzen.
Die belangten Behörde hat es unterlassen - es wurde auch nicht einmal ein Versuch dahingehend unternommen - den durch Beilage JA substantiierten Bedenken des Beschwerdeführers auf gleicher fachlicher Ebene zu entgegnen (vgl auch dazu VwGH 13.8.2003, 2003/11/0118)
Stattdessen hat sie - ohne sich auf gleiche fachliche Ebene zu begeben -, ohne ausreichende Begründung weitere Beweisanträge nicht mehr berücksichtigt.
Aufgrund dieses Vorgehens ist das angefochtene Straferkenntnis mit einem weiteren Verfahrensmangel behaftet, der zur Aufhebung führt.
Aus all den oben genannten Gründen ergeht der
ANTRAG,
der Berufung Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos zu beheben.
Wien, am 26.8.2011 X"
3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates begründet. Dieser hat, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung schien insbesondere mit Blick auf das Berufungsvorbringen in Wahrung der gem. Art. 6 EMRK intendierten Rechte geboten (§ 51e Abs.1 VStG).
4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme und Verlesung des Verwaltungsstrafaktes der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, Zl.: VerkR96-10481-2011/Fe sowie durch die zeugenschaftlichen Vernehmungen der Beamten der Autobahngendarmerie RevInsp. X anlässlich der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung.
Verlesen wurde ferner der vom Zeugen bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte Eichschein des verfahrensgegenständlichen Lasermessgerätes sowie des von der gegenständlichen Messung erstellten Messprotokolls. Abschließend wurden noch im Wege der Bundespolizeidirektion Wien die den Berufungswerber betreffenden Verwaltungsvormerkungen eingeholt.
Der Berufungswerber entschuldigte sich bereits telefonisch am 27.9.2011 betreffend eines allfälligen Nichterscheinens, ebenso wie die Behörde erster Instanz in einer schriftlichen Mitteilung vom 26.9.2011.
5. Folgender Sachverhalt gilt aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens als erwiesen:
Die A1 verläuft, wie aus anderen h. Verfahren und auch empirisch bekannt, in Fahrtrichtung Wien im Bereich des sogenannten "Puckinger-Berges" in einem sehr flachen Kurvenbogen und in einem leichten Gefälle von 1,4%. Nächst dem Messpunkt findet sich die Ausfahrtsschleife auf die A25. Unstrittig gilt an dieser Stelle eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h kundgemacht. Diese beginnt auf der Richtungsfahrbahn Wien bei Strkm 177,480 und endet bei Strkm 167,850 (Bescheid des BMVIT v.18.12.2000, Zl:138.001/133-II/B/8/00).
Der Meldungsleger beschreibt anlässlich der Berufungsverhandlung das Verkehrsgeschehen als eher gering, weil an einem Sonntag weder ein Berufs- sowie kaum Schwerverkehr herrscht. Die Messung aus der Entfernung von 430 m beschreibt der Berufungswerber als problemlos, wobei er einen Irrtum oder eine Verwechslung mit einem anderen Fahrzeug ausschloss. Vor Messbeginn beschreibt der Meldungsleger die durchzuführenden Kontrollroutinen. Nach der Ablesung von über 180 km/h vom Display erfolgte eine Nachfahrt unter Verwendung des Blaulichtes und nachfolgend die Anhaltung bei der Autobahnraststätte Ansfelden.
Der Berufungswerber begründete die Fahrgeschwindigkeit mit einem gesprächsbedingten Übersehen der Geschwindigkeitsbeschränkung. Nach Vorweisung der Displayanzeige wurde auch das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung nicht in Abrede gestellt.
Der Berufungswerber ist wohl nicht einschlägig vorgemerkt, weist jedoch jeweils zwei Verstöße nach dem Führerschein- und dem Kraftfahrgesetz auf.
5.1. Im Rahmen der Berufungsverhandlung konnte demnach auch von der Berufungsbehörde die Überzeugung gewonnen werden, dass es sich beim Meldungsleger um einen diensterfahrenen Autobahnpolizisten handelt, der mit dieser Art von Geschwindigkeitsmessungen bestens vertraut ist. Das es sich um eine fehlerfreie Messung handelte vermochte der Meldungsleger überzeugend darzutun. So weist er zu Gunsten des Berufungswerbers etwa auch darauf hin, dass mit dieser an sich krassen Geschwindigkeitsüberschreitung keinerlei Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit verbunden gewesen ist. Andererseits belegt dies, dass wohl an der Zuordnung des Messergebnisses zum Fahrzeug des Berufungswerbers nicht zu zweifeln ist. Wenn der Meldungsleger schließlich mit dem rechtmäßig geeichten Gerät vor Messbeginn die erforderlichen Kontrollroutinen durchführte und keine Mängel an diesem Gerät feststellte, ist aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates auch am Messergebnis nicht zu zweifeln. Dies tat offenbar selbst der Berufungswerber nicht im Rahmen der unmittelbar danach erfolgten Anhaltung.
6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Der § 20 Abs.2 StVO 1960 lautet: "Sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erlässt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren.
An der genannten Örtlichkeit war durch ein iSd § 52 Abs.2 Z10 StVO 1960 eine kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h verordnet.
Nach § 99 Abs.2e StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe 150 bis 2180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 48 Stunden bis zu sechs Wochen, zu bestrafen, wer die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 50 km/h überschreitet.
.......
Da jedoch die Frage des Verkehrsfehlers kein Tatbestandselement sondern lediglich den Gegenstand einer Beweisbeurteilung bildet, war der Spruch iSd. § 44a VStG zu korrigieren.
6.1. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.
6.2. Es trifft wohl zu und damit kann grundsätzlich den erstbehördlichen Ausführungen gefolgt werden, dass mit dem Schnellfahren in aller Regel eine erhöhte Gefahrenpotenzierung einhergeht. Daher muss derartigen Übertretungen durchaus mit spürbaren Strafen begegnet werden. Insbesondere gründen die nachteiligen Folgen einer derart eklatanten Geschwindigkeitsüberschreitung empirisch darin, dass abstrakt betrachtet bei Einhaltung der hier erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h der Anhalteweg mit ~ 82 m anzunehmen ist, während er bei der hier zur Last gelegten Fahrgeschwindigkeit bei über 175 m liegt. Dieser Schlussfolgerung wird eine in diesem leichten Gefällebereich im Maximalbereich liegenden Bremsverzögerung von 7,5 m/sek2 und einer Reaktionszeit von einer Sekunde und einer Bremsschwellzeit von 0,2 Sekunden zu Grunde gelegt. Die Stelle an der das Fahrzeug aus 100 km/h zum Stillstand gelangt wird bei der vom Berufungswerber eingehaltenen Geschwindigkeit noch mit mehr als 167 km/h durchfahren, wobei sich eine Fehlbremsstrecke von über 144 m ergibt (Berechnung mittels Analyzer Pro 4.5). Da jedermann darauf vertrauen darf, dass andere Verkehrsteilnehmer die Vorschriften des Straßenverkehrs einhalten (Vertrauensgrundsatz) wird damit die im Konfliktfall zu Buche schlagende Gefahrenpotenzierung evident.
Andererseits darf aber auch nicht übersehen werden, dass konkret nur geringes Verkehrsaufkommen herrschte und daher der Unwertgehalt wohl deutlich hinter dem Ausmaß zurückgeblieben ist als dies etwa bei üblichem Verkehrsaufkommen der Fall gewesen wäre.
Der erstbehördlichen Straffestlegung könnte mit Blick auf die oben genannten Grundsätze angesichts der ihr vorliegenden Beweislage für den Regelfall nicht entgegengetreten werden. So wurde eine Geldstrafe in der Höhe von (damals) 4.000 S, [entspricht 290,70 Euro] wegen einer Fahrgeschwindigkeit auf der Autobahn von 180 bis 190 km/h, wurde bereits im Jahre 1990 als angemessen erachtet (VwGH 13.2.1991, 91/03/0014).
Da der Berufungswerber jedoch bislang nicht als Schnellfahrer in Erscheinung getreten ist und die Behörde erster Instanz ihrem Strafausspruch nur ein Einkommen von 1.200 Euro zu Grunde legte, scheint angesichts der Begehung bei geringem Verkehrsaufkommen, mit einem Fahrzeug der Oberklasse mit hohem Sicherheitsstandard, scheint die mit 430 Euro ausgesprochene Geldstrafe doch etwas überzogen nicht der Tatschuld angemessen. Immerhin kommt auf den Berufungswerber in diesem Zusammenhang auch noch ein kurzzeitiger Entzug der Lenkberechtigung zu. Wohl kommt dem Führerscheinentzug kein Strafcharakter, sehr wohl aber eine erzieherische Maßnahme (vgl. VfGH 14.3.2003, G 203/02 ua) und damit jedoch sehr wohl auch ein weiteres als Strafe zu empfindendes Präventionsinstrument zu.
Der Oö. Verwaltungssenat vermeint daher, auch mit dem nunmehr festgesetzten Strafausmaß dem Strafzweck ausreichend gerecht werden zu können.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r