Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252826/15/Py/Hu

Linz, 24.11.2011

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Andrea Panny über die Berufung des Herrn x, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 24. März 2011, GZ: SV-10/11, wegen Übertretung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 11. November 2011 zu Recht erkannt:

 

 

I.         Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.        Der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.:  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.:  § 66 Abs.1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 24. März 2011, GZ: SV-10/11, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw)  wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 33 Abs.2 iVm § 111 Abs.1 und 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz - ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 idgF eine Geldstrafe in Höhe von 750 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 96 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 75 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

"Sie haben es als Gewerbeinhaber der Firma x in x, verwaltungsstrafrechtlich zu vertreten, dass durch oa. Firma Hr. x, geb. am x, zumindest am 10.2.2011, in der Betriebsstätte oa. Firma in x (Pizzeria x) mit dem Durchführen von Einkäufen als Dienstnehmer beschäftigt wurde, ohne dass dieser Dienstnehmer vor Arbeitsantritt von oa. Firma als verantwortlicher Dienstgeberin beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet wurde. Die Hrn. x hiefür zustehende Entlohnung läge unter der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 (2) ASVG. Hr. x arbeitete gemäß den Anweisungen und auf Rechnung oa. Firma. Er war somit Dienstnehmer. Da die Dienstgeber jeden von ihnen Beschäftigten vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden haben, stellt dies eine Übertretung der Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) dar." 

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlagen aus, dass vom Finanzamt Steyr der gegenständliche Tatbestand erhoben und dem Magistrat der Stadt Steyr angezeigt wurde. Der Beschuldigte hat sich dazu nicht gerechtfertigt. Herr x ist als Inhaber der Gewerbeberechtigung für das gegenständliche Lokal für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften verantwortlich.

 

Zur verhängten Strafhöhe wird ausgeführt, dass Herr x bereits wegen Übertretung der Bestimmungen des ASVG bestraft wurde, weitere erschwerende oder mildernde Umstände waren nicht bekannt.

 

2. Dagegen erhob der Bw über seine bevollmächtigte Vertreterin Berufung und brachte vor, dass er ein paar Tage auf Urlaub war und sein Freund, Herr x, freiwillig und unentgeltlich den Einkauf für die Pizzeria x übernommen hat. Inzwischen betreiben im Übrigen beide gemeinsam die Pizzeria x.

 

3. Mit Schreiben vom 28. April 2011 legte die belangte Behörde die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vor. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist dieser zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme und Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 11. November 2011. An dieser nahm der Bw teil, das Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr entschuldigte sich für die mündliche Berufungsverhandlung. Als Zeuge wurde der gegenständliche ausländische Staatangehörige, Herr x, sowie ein an der gegenständlichen Kontrolle beteiligter Beamter des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr einvernommen. Zur Einvernahme des Herrn x wurde ein Dolmetscher der Verhandlung beigezogen.

 

4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Der Bw betreibt in x die Pizzeria x. Sie weist 25 Sitzplätze auf und ist in der Zeit von 10.00 Uhr bis 23.00 Uhr geöffnet. Die Kunden geben ihre Bestellungen direkt beim Zubereitungstresen ab, der sich rechts vom Eingang befindet, und warten dann dort oder an einem der Tische im Lokal auf die Fertigstellung ihrer Bestellungen. Verabreicht werden Gerichte wie Pizza und Kebab, bei denen die Zutaten weitgehend vorbereitet sind. Während der Mittagszeit besuchen durchschnittlich 30 Personen über einen Zeitraum von rd. 2 Stunden das Lokal.

 

Im Februar 2011 musste der Bw aufgrund der Erkrankung seiner Mutter für vier Tage in die Türkei fahren. Er beauftragte seinen im Lokal tätigen Mitarbeiter, Herrn x, während seiner Abwesenheit die Pizzeria nur über Mittag aufzusperren. Den erforderlichen Einkauf führte der Bw weitgehend noch selbst vor seiner Abreise durch.

 

Am 10. Februar 2011 stellte Herr x fest, dass nicht ausreichend Salat für die Speisenzubereitung vorhanden ist. Er wandte sich daher an einen Partner des Bw, Herrn x, der auch in einem derartigen Lokal tätig ist. Da es Herrn x nicht möglich war, zur Mittagszeit dieses Lokal zu verlassen, wandte er sich an Herrn x, mit dem auch der Bw befreundet ist und der früher ebenfalls eine Lokal betrieben hat. Herr x sagte seine Unterstützung zu, besorgte die ausstehenden Lebensmittel und brachte sie am 10. Februar 2011 um ca. 13.30 Uhr in die Pizzeria x. Dabei wurde er von Beamten der Finanzpolizei dabei beobachtet, wie er die Schachtel mit den Einkäufen in den hinteren Bereich des Lokals trug und dort abstellte.

 

Herr x führte diese kurzfristige Einkaufstätigkeit aufgrund des Freundschaftsverhältnisses zum Bw unentgeltlich und freiwillig durch.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und dem Ergebnis der mündlichen Berufungsverhandlung vom 11. November 2011. Darin schilderte der Bw, wie es dazu kam, dass Herr x am Kontrolltag Salat für die Pizzeria x besorgte. Herr x wiederum gab als Zeuge unter Wahrheitspflicht glaubwürdig und nachvollziehbar an, dass es sich um eine freiwillige Hilfeleistung aufgrund seiner Freundschaft zum Bw handelte, die er auch hätte ablehnen können. Er sagte aus, das selbstverständlich vorgesehen war, dass er für diesen Hilfsdienst kein Entgelt erhält. Aus den Aussagen des an der Kontrolle beteiligten Beamten der Finanzpolizei ging – in Übereinstimmung mit den Aussagen des Zeugen x – hervor, dass dieser lediglich dabei beobachtet wurde, wie er die Schachtel mit den Salaten in die Pizzeria trug und dort abstellte. Weitere Tätigkeiten wurden nicht beobachtet.

 

5. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erhoben:

 

5.1. Gemäß § 4 Abs. 1 Z1 ASVG sind in der Kranken-. Unfall- und Pensionsversicherung die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.

 

Gemäß § 4 Abs.2 erster Satz ASVG ist Dienstnehmer im Sinn dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbstständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

 

Gemäß § 33 Abs.1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 idgF, haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

 

Gemäß § 33 Abs.2 ASVG gilt Abs.1 für die nur in der Unfall- und Pensionsversicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z3 lit.a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, dass die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind.

 

Gemäß § 111 Abs.1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs.3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

  1. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder
  2. Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder
  3. Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder
  4. gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

§ 111 Abs.2 ASVG besagt: Die Ordnungswidrigkeit nach Abs.1 ist von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar

-         mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

-         bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

5.2. Gemäß § 4 Abs.1 Z1 ASVG sind u.a. die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer vollversichert, wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 ASVG von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 ASVG nur eine Teilversicherung begründet. Dienstnehmer ist gemäß § 4 Abs.2 ASVG, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird.

 

Im Beweisverfahren konnte zweifelsfrei festgestellt werden, dass Herr x am 10. Februar 2011 im Rahmen eines unentgeltlichen Freundschaftsdienstes für den Bw tätig wurde. Grundvoraussetzung für die Annahme persönlicher Abhängigkeit ist die persönliche Arbeitspflicht. Fehlt sie, dann liegt ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis schon deshalb nicht vor (vgl. VwGH vom 2.4.2008, Zl. 2007/08/0038). Wie der Zeuge x in der Berufungsverhandlung glaubwürdig darlegte, wäre es ihm ohne weiteres möglich gewesen, das Ersuchen, den Einkauf durchzuführen, abzulehnen. Es bestand somit die Befugnis, die übernommene Arbeitspflicht bzw. die Aufträge sanktionslos ablehnen zu können, weshalb eine persönliche Arbeitspflicht des Herrn x gegenüber der Pizzeria x am 10. Februar 2011 nicht festgestellt werden kann (vgl. VwGH vom 21.12.2005, Zl. 2004/08/0066, mwN). Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall zwischen dem Bw und Herrn x Unentgeltlichkeit – zumindest schlüssig – vereinbart war, weshalb auch das Kriterium einer wirtschaftlichen Abhängigkeit des Herrn x zu verneinen ist.

 

Die Voraussetzungen des § 4 Abs.2 erster Satz ASVG sind somit mangels Vorliegens einer persönlichen oder wirtschaftlichen Abhängigkeit des Herrn x vom Bw als Inhaber der Pizzeria x nicht erfüllt.

 

6. Gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

7. Bei diesem Verfahrensergebnis entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Kostenbeiträgen zum Verwaltungsstrafverfahren.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Andrea Panny

 

 

 

 

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