Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166501/11/Bi/Eg

Linz, 19.01.2012

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn J P, A, vom 16. November 2011 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Braunau/Inn vom 24. Oktober 2011, VerkR96-5616-2011, wegen Übertretung der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 19. Jänner 2012 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungs­entscheidung) zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskosten eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 Z1 und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 20 Abs.2 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 100 Euro (36 Stunden EFS) verhängt, weil er am 27. Juni 2011 um 17.04 Uhr mit dem Pkw x in der Gemeinde Pischelsdorf am Engelbach, Ortsgebiet Wagenham, Engelbach Landesstraße L1025 bei km 8.924, in Fahrtrichtung Pischelsdorf die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 27 km/h überschritten habe. Die in Betracht kommende Messtoleranz sei bereits zu seinen Gunsten abgezogen worden.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 10 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 19. Jänner 2012 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Bw durchgeführt. Der Vertreter der Erstinstanz ist ebenso entschuldigt nicht erschienen wie die Zeugin N F (F). Der Meldungsleger ist ohne Angaben von Gründen nicht erschienen. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet. 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er sei am 27. Juni 2011, 17.04 Uhr, mit Sicherheit nicht im Ortsgebiet von W gewesen, weil er um 17.00 Uhr einen Termin mit der Zeugin F im P R in M gehabt habe und dorthin auch nicht zu spät gekommen sei. Er sei etwa um 17.15 Uhr nach M gefahren und dann über U und P nach Hause nach A, dh er sei gegen 17.45 Uhr im Ortsgebiet W, aber in die anderen Richtung gefahren. Er sei schon vorher von Lenkern gewarnt worden und sei an der Messstelle mit ca 55 km/h laut Tacho gefahren. Er habe die beiden Beamten gesehen, von denen einer ein Lasergerät in der Hand gehalten habe; es habe Blickkontakt bestanden. Er habe die ihm angelastete Übertretung nicht begangen und hätte anderenfalls die Anonymverfügung einbezahlt. Er beantragt Verfahrenseinstellung.

Auf dem Berufungsschriftsatz hat die Zeugin F mit ihrer Unterschrift bestätigt,  dass der Bw am 27. Juni 2011 um 17.00 Uhr in M, O, gewesen sei. 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Bw einvernommen und die Ausführungen der Erstinstanz in der Begründung des angefochtenen Straf­erkennt­nisses berücksichtigt wurden. Die Zeugin F hat sich telefonisch mit Hinweis auf die Unmöglichkeit einer Fahrt nach Linz mit ihrem sechs Monate alten Baby entschuldigt.

 

Der Bw hat in der Verhandlung dargelegt, dass er damals im Auftrag eines Bekannten, der ein Inkassobüro betreibt, von der Zeugin F die ausstehende Leasingrate für den Pkw kassiert hat. Der Pkw sei in M gestanden und er habe am Freitag vorher, also am 24. Juni 2011, daran Radklammern angebracht. Die Zeugin F, die Lebensgefährtin des in der Verhandlung namentlich genannten Leasingnehmers, habe telefonisch mit ihm am Sonntag, dem 26. Juni 2011, einen Termin für den nächsten Tag, 17.00 Uhr, im Lokal in Mauerkirchen vereinbart. Dorthin sei er nach Dienstschluss gegen 16.30 Uhr des 27. Juni 2011 von A aus über M gefahren und auch nicht später gekommen. Nach Bezahlung der ausständigen Leasingrate – den Durchschlag des Beleges im Kassenbuch legte er in der Verhandlung zur Einsichtnahme vor – sei er nach M gefahren und habe dort die Radklammern vom Pkw entfernt. Dann sei er über die in der Anzeige genannte Messstelle im Ortsgebiet W – aber in die Gegenrichtung – nach A, gefahren, allerdings um 17.45 Uhr und mit erlaubter Geschwindigkeit. Die beiden Beamten habe er nicht gekannt, es habe Blickkontakt bestanden.

Der Bw gab an, er sei immer in S Polizeibeamter gewesen und da habe es 2003 einen Vorfall gegeben. Er habe einen Vorgesetzten wegen Lenken eines Pkw in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand angezeigt und danach Schwierigkeiten bekommen. Er habe deshalb überlegt, sich zur PI Mattighofen  versetzen zu lassen; der dortige Kommandant habe ihm allerdings klargemacht, dass das für ihn nicht günstig wäre. Daher sei er immer noch in S Polizeibeamter. Er könne aber, da sein Pkw ebenso wie das eher auffällige Kennzeichen bei der PI Mattighofen bekannt sei, nicht ausschließen, dass die Anzeige "aus dieser Ecke komme".   

 

Die Ladung an den Anzeiger, der laut seiner Aussage gleichzeitig Messbeamter war, erfolgte am 30. November 2011, 11.41 Uhr, per Fax an die in der Anzeige angegebene Dienststelle, die PI Mattighofen, und ist als "erfolgreich" bestätigt. Ohne jede Information ist der Anzeiger aber in der Verhandlung nicht erschienen, sodass seitens der Verhandlungsleiterin telefonisch nachgefragt wurde bei der PI Mattighofen. Dort hat ein Beamter erklärt, der Anzeiger sei dort seit 1. November oder 1. Dezember 2011 – das wisse er nicht, weil er gerade 2 Monate im Kranken­stand gewesen sei – nicht mehr beschäftigt, sondern bei der PI Vöcklabruck. Auf die Frage, was mit der Ladung geschehen sei, da keine Mitteilung über einen Dienststellenwechsel des Anzeigers an den UVS erfolgt sei, gab der Beamte an, die Ladung werde in einem solchen Fall an die neue Dienststelle weitergeleitet. Einzelheiten über den konkreten Fall waren ihm nicht bekannt.

Daraufhin erkundigte sich die Verhandlungsleiterin bei der PI Vöcklabruck, wo eine Beamtin bestätigte, dass der Anzeiger dort beschäftigt sei, aber heute erst um 19.00 Uhr zum Dienst erscheine. Von einer Ladung des Anzeigers zu einer Berufungs­verhandlung in Linz wusste sie nichts.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 51i VStG ist, wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist. Auf Aktenstücke ist nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie bei der Verhandlung verlesen wurden, es sei denn, der Beschuldigte hätte darauf verzichtet, oder als es sich um Beweiserhebungen handelt, deren Erörterung infolge des Verzichts auf eine fortgesetzte Verhandlung gemäß § 51e Abs. 5 entfallen ist.

 

Aus der Sicht des unabhängigen Verwaltungssenates sind die Angaben des Bw in der Berufungsverhandlung vom Termin um 17.00 Uhr in Mauerkirchen glaubhaft, zum einen weil auch die Zeugin F die Ausführungen in der Berufung bestätigt hat, zum anderen, weil der Bw auch für die Bezahlung der Rate am 27. Juni 2011 entsprechende Unterlagen zur Einsichtnahme vorgelegt hat.

 

Eine Befragung des Anzeigers zu den genauen Umständen der Wahrnehmung des Pkw samt Kennzeichen sowie zur Durchführung der Lasermessung selbst war schon deshalb unumgänglich, weil auch laut Anzeige eine Anhaltung nicht erfolgte und derartige Angaben in seiner Zeugenaussage vom 12. Juli 2011 bei der Erstinstanz fehlen.

Die Ladung wurde per Fax ordnungsgemäß über die Dienststelle des Anzeigers zugestellt, wobei aber nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Anzeiger selbst keine Kenntnis davon hat, wenn er tatsächlich am 30. November 2011 dort nicht mehr beschäftigt war. Auch das konnte nicht eruiert werden.

Von einem Wechsel der Dienststelle des Anzeigers wurde dem UVS seitens der PI Mattighofen keine Mitteilung gemacht, weshalb auch diesbezüglich nichts zu veranlassen war. Die Ladung erfolgte eineinhalb Monate vor dem Verhandlungs­termin, um rechtzeitig auf Dienstverpflichtungen des Anzeigers Rücksicht nehmen zu können. Es ist nicht Sache des UVS, ohne Anlass von sich aus zu prüfen, ob Ladungen bei den Anzeigern auch tatsächlich angekommen sind; die Zustellung der konkreten Ladung wäre im ggst Fall ausschließlich Angelegenheit der dem UVS als Dienststelle des Anzeigers bekannten und daher als Adressat der Ladung genannten PI Mattighofen gewesen – auch eine Benachrichtigung des UVS im Fall der Unzustellbarkeit wäre zu erwarten gewesen, um rechtzeitig Vorkehrungen treffen zu können.

   

Im Ergebnis war aus all diesen Überlegungen und aufgrund der absolut glaubhaften Verantwortung des Bw spruchgemäß zu entscheiden. Verfahrens­kosten­beiträge fallen naturgemäß nicht an.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

Anzeiger nicht erschienen -> § 51i VStG.

 

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