Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730382/2/BP/Jo

Linz, 18.01.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, StA der Türkei, vertreten durch X, Rechtsanwalt in X; gegen den Bescheid des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 1. April 2003, Zl.: Fr-81.567, betreffend die Verhängung eines auf 10 Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes gegen den Berufungswerber nach dem Fremdenpolizeigesetz, nach Aufhebung eines Bescheides der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 25. Juli 2006, AZ.: St 95/03, durch den Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 22. März 2011, Zl. 2007/18/0025-10, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 


Entscheidungsgründe

 

1.1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 1. April 2003, Zl.: Fr-81.567, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 36 Abs. 1, 2 Z. 1, sowie 37 und 39 FrG 1997, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen.

 

Dabei führte die belangte Behörde zum Sachverhalt wie folgt aus:

 

"Sie reisten laut den vorliegenden Aktenunterlagen und Ihren Ausführungen im Mai 1992 nach Österreich ein und haben sich erstmals am 01.06.1992 in Österreich polizeilich angemeldet. Sie sind im Besitz einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung.

Während Ihres Aufenthaltes in Österreich wurden Sie von österreichischen Gerichten wie folgt rechtskräftig verurteilt:

1. vom LG Linz am 17.09.2001, Zl. Hv 1016/2001a wegen §§ 142 Abs. 1, 15, 227. Abs. 1, 127, 128 Abs. 1 Ziff. 4, 129 Ziff. 1 und 2, 130, 15, 135 Abs. 1, 229 Abs. 1, 136 Abs. 1 und 2, 15 und 107 Abs. 1 und 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monate bedingt unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren – rechtskräftig seit 26.02.2002, sowie

2. vom LG Linz am 18.03.2002, Zl. 25 Hv 7/2002 wegen §§ 127, 128 Abs. 1 Ziff. 4, 129 Abs. 1 und 2, 130, 15, 135 Abs. 1, 229 Abs. 1 und 136 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten – rechtskräftig seit 12.11.2002.

Der Verurteilung vom 17.09.2001 liegt zugrunde, dass Sie

1. im Zeitraum von Dezember 2000 bis 12.01.2001 in X in insgesamt drei Fällen anderen mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, nämlich der Drohung sie zusammenschlagen und dem Versetzen von Schlägen, Fußtritten und Stößen, fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen und abgenötigt haben, bzw. wegzunehmen und abzunötigen versucht haben, sich durch Zueignung dieser Sachen unrechtmäßig zu bereichern,

2. am 17.04.2001 gemeinsam mit anderen die Ausführung eines Raubes dadurch verabredet haben, dass sie vereinbarten den X in eine in der X gelegene Lagerhalle zu locken, ihn dort zusammenzuschlagen und ihm sein Geld wegzunehmen,

3. zwischen Sommer 2000 und April 2001 in mehr als 81 Fällen gewerbsmäßig und als Mitglied einer Bande unter Mitwirkung eines oder mehrerer anderer Bandenmitglieder fremde bewegliche Sachen anderen mit dem Vorsatz weggenommen haben, sich durch Zueignung dieser Sachen unrechtmäßig zu bereichern, wobei dies in 20 Fällen durch Einbruch geschah,

4. zwischen Jänner und April 2001 andere dadurch geschädigt haben, dass Sie Fremde bewegliche Sachen aus deren Gewahrsame dauernd entzogen, ohne die Sachen sich oder einem dritten zuzueignen, nämlich 6 Geldbörsen, 1 Handtasche und eine Stahlkassette,

5. im April 2001 insgesamt 10 Urkunden, über die Sie nicht verfügen durften, mit dem Vorsatz unterdrückt haben, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden,

6. am 12.04.2001 Fahrzeuge, die zum Betrieb mit Maschinenkraft eingerichtet sind, ohne Einwilligung des Berechtigten in Gebrauch genommen haben, und zwar einen Stapler, ein Moped und einen Citybus, an dem Sie zudem einen ATS 25.000,- übersteigenden Schaden verursachten und

7. am 12.04.2001 den X gemeinsam mit X mit dem Tod bedroht haben und zwar indem X die genaue Bekanntgabe der Uhrzeit einforderte und hierbei ein Messer in der Hand haltend, ein Durchschneiden der Kehle andeutete und Sie diese Drohung untermauerten, indem Sie zuerst mit einem Messer mögliche Beschädigungen des Pkws andeuteten und in der Folge ihn, nachdem er ausgestiegen war, niedergestoßen haben.

Der Verurteilung vom 18.03.2002 liegt zu Grunde, dass Sie

1. in den Monaten September und Oktober 2001 in insgesamt 29 Fällen gewerbsmäßig und als Mitglied einer Bande unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitgliedes fremde bewegliche Sachen in einem € 2.000,-- übersteigenden Wert anderen Personen überwiegend durch Einbruch mit dem Vorsatz weggenommen haben bzw. wegzunehmen versucht haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,

2. andere dadurch geschädigt haben, dass Sie fremde bewegliche Sachen, nämlich zwei Geldtaschen aus deren Gewahrsame dauernd entzogen haben, ohne die Sache sich oder einem Dritten zuzueignen,

3. Urkunden, über die Sie nicht  verfügen durften, nämlich die Bankomatkarte, die Sozialversicherungskarte und den ÖVV Freikartenausweis des X mit dem Vorsatz unterdrückt haben, zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, und

4.      am 05.10.2001 den Lkw mit dem Kennzeichen X ohne Einwilligung des Berechtigten in Betrieb genommen haben.

Mit Schreiben der Bundespolizeidirektion Linz, vom 09.12.2002 wurde Ihnen der Sachverhalt und die beabsichtigte Erlassung eines auf zehn Jahre befristeten

Aufenthaltsverbotes zur Kenntnis gebracht und Ihnen die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.

In Ihrer Stellungnahme vom 15.01.2003 gaben Sie – nunmehr rechtsfreundlich vertreten – an, dass Sie bei Ihren Eltern wohnen und zur Zeit in der Zentralstelle für Haftentlassene arbeiten. Sie sind im Alter von 4 Jahren, im Jahre 1990, nach Österreich gekommen, weshalb die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gem. § 38 FrG unzulässig ist. Überdies hätte Ihnen schon vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden können, weshalb auch aus diesem Grund ein Aufenthaltsverbot unzulässig ist.

Erst  nachdem Sie durch die Bundespolizeidirektion Linz auf die Abweichung Ihrer Angaben von der vorliegenden Aktenlage aufmerksam gemacht worden waren (Schreiben vom 05.02.2003), berichtigten Sie ihre Angaben mit Schreiben vom 03.03.2003 dahingehend, dass Sie nicht, wie ursprünglich ausgeführt im Jahre 1990, sondern richtigerweise im Mai 1992 in Österreich eingereist sind.

Im Übrigen hielten Sie die Argumentation Ihrer Stellungnahme vom 13.01.2003 vollinhaltlich aufrecht.

Die Bundespolizeidirektion Linz gelangte jedoch zu dem Ergebnis, dass ein Aufenthaltsverbot gem. §§ 36 und 37 FrG trotz Eingriff in Ihr Privat- und Familienleben zur Aufrechterhaltung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen dringend geboten ist. Die Unzulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes im Sinne des § 38 Abs. 1 Ziff. 4 FrG kommt nach Ansicht der Bundespolizeidirektion Linz nicht zum Tragen, da Sie erst im Alter von sechs Jahren, nicht wie Sie in Ihrer ersten Stellungnahme glaubhaft machen wollten, bereits mit 4 Jahren in Österreich einreisten.

Überdies wurde Ihr Vorbringen, dass Ihnen bereits vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die österreichische Staatsbürgerschaft gem. § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz verliehen hätte werden können mit dem Argument verneint, dass jener Zeitpunkt herangezogen werden muss, der vor Eintritt des ersten, der in ihrer Gesamtheit für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände liegt. Seitens der Behörde erster Instanz wurde ein nicht unbedeutender Eingriff in Ihr Privat- und Familienleben bejaht. Die wiederholt begangenen gerichtlich strafbaren Handlungen, die damit verbundene Weigerung die österreichische Rechtsordnung zu respektieren und die negativ zu stellende Zukunftsprognose werden aber als schwerer eingestuft als die Auswirkung dieser Maßnahme in Ihre Lebenssituation."

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter rechtzeitig Berufung mit Schriftsatz vom 16. April 2003.

 

Darin habe der Bw im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Generalisierung der Judikatur des VwGH, welche festlege, dass die in § 38 Abs. 1 Ziff. 4 FrG verwendete Formulierung „…von klein auf im Inland aufgewachsen…“ auf Personen nicht anzuwenden sei, die erst im Alter von vier Jahren oder später nach Österreich gekommen seien, unsachgemäß und einer individuellen Beurteilung zu unterziehen sei, zumal er die gesamte Schulzeit in Österreich verbracht habe.

Überdies habe der Bw auf eine positive Zukunftsprognose hingewiesen, da er sich nunmehr von seinem früheren Freundeskreis abgewendet habe und eine Arbeit suche, um sich den Lebensunterhalt zu sichern.

 

1.3. Im fortgesetzten Verfahren vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich wurde der Bw mit Schreiben vom 21. Juni 2006 darauf hingewiesen, dass die Berufungsbehörde auch seine letzte Verurteilung durch das LG Linz (bestätigt durch das Oberlandesgericht Linz) vom 15. September 2003 beachten werde.

Mit diesem Urteil wurde der Bw wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach den §§ 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Zi. 1 9. und 10. Fall und Abs. 2 Zi. 1 StGB bzw. wegen dem Verbrechen des versuchten Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1 StGB und dem Vergehen des Diebstahles nach § 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 ½ Jahren rechtskräftig verurteilt.

Er hatte gewerbsmäßig X mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz und gesellschaftlichen Stellung zu Handlungen, nämlich der Übergabe von Bargeldbeträgen, mit dem Vorsatz, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, genötigt. Dies in drei Fällen, nämlich Anfang Februar 2003, am 12. Mai 2003 und am 14. Mai 2003.

Am 13. Mai 2003 hatte er mit Gewalt X fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem X den X würgte und der Bw die Schreibtischladen des X nach Bargeld durchsuchte.

Ferner wurde der Bw für schuldig befunden, am 14. Mai 2003 bzw. im Zeitraum Dezember 2002 bis Jänner 2003 in zwei bis drei Angriffen den X bestohlen zu haben.

In einer Stellungnahme vom 6. Juli 2006 führte der Bw aus, dass er unverzüglich nach seiner Haftentlassung über die Leasingfirma X eine Arbeitsstelle gefunden habe. Er würde dort ca. € 550,-- netto zuzüglich Überstunden verdienen. Er sei ledig, habe keine Kinder und würde bei seiner Familie leben in der er gut integriert sei. Er würde sehr viel Zeit zu Hause bei der Familie verbringen und habe sich von seinem bisherigen Freundeskreis völlig abgewandt. Er sei fest gewillt, sich in Zukunft wohl zu verhalten und bitte nochmals um eine Chance. Auch wies er darauf hin, dass sein jugendliches Alter als mildernd zu werten sei.

 

1.4. Mit Bescheid vom 25. Juni 2006, AZ.: St 95/03, gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich der Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

 

In ihrer rechtlichen Begründung führt sie aus:

 

"Der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Zi.1 ist schon insofern erfüllt, als Sie bisher bereits mehrmals rechtskräftig gerichtlich verurteilt wurden. Gegenteiliges wurde auch von Ihnen nicht behauptet.

Auch ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Sinne des § 66 Abs. 1 FPG dringend erforderlich, da Sie aus einer gerichtlichen Verurteilung nicht gelernt haben.

Auch die Höhe der zuletzt verhängten Freiheitsstrafe macht deutlich, dass der Unwert Ihrer strafbaren Handlungen vom Gericht enorm hoch eingestuft wurde.

In der Gesamtschau wird deutlich, das Sie sich ständig im Bereich der Schwerkriminalität bewegen (schwere Raubüberfälle, schwere Erpressung udgl.)

Gerade das Verbrechen des Raubes gehört wohl zu den schwerwiegendsten Verbrechen, die das Strafrecht kennt. Gleiches wird wohl auch von schwerer Erpressung anzunehmen sein. Bei derartigen Delikten ist nicht nur ein immanent hohes Verletzungsrisiko gegeben, derartige Verbrechen sind überdies immer wieder Ursache für schwerste körperliche Folgeschäden bis hin zum Tod eines Geschädigten.

Dabei ist überdies zu beachten, dass der Verlauf eines Raubüberfalles vom Täter oftmals nicht mehr gesteuert werden kann. Dieser Verlauf ergibt sich situationsbedingt.

Gleiches ist auch hinsichtlich der Verletzungsgefahr von Opfern zu sagen (Abwehrreaktionen des Opfers können nicht gesteuert werden). So bleibt es eher dem Zufall und einer großen Portion Glück überlassen, wenn das Opfer eines Raubüberfalles keine Verletzungen davon trägt.

Aber auch aus dem Blickwinkel der Tatsache, dass gerade im Bereich der Gewaltkriminalität in letzter Zeit eine Zunahme zu verzeichnen ist, wird schon mit allen möglichen (gesetzlichen) Mittel entgegenzusteuern sein und es werden auch in fremdenrechtlicher Hinsicht alle Möglichkeiten auszuschöpfen sein, um derartige Verbrechen in Zukunft zu verhindern, bzw. eine Gefahr daraus so gering als möglich zu machen.

Zu beachten war ferner, dass nicht einmal ein bereits gegen Sie eingeleitetes aufenthaltsbeendendes Verfahren abschreckend gewirkt hat. 

Aus oben angeführten Gründen war auch von der Ermessensbestimmung des § 60 Abs. 1 FPG Gebrauch zu machen, da eine Abstandnahme diesbezüglich die öffentliche Ordnung zu schwer beeinträchtigt hätte.

Hinsichtlich Ihrer persönlichen und familiären Situation war zu beachten, dass Ihnen zweifelsohne eine der Dauer Ihres Aufenthaltes entsprechende Integration zuzubilligen ist. Insbesondere war zu beachten:

Sie sind seit 1992 im Bundesgebiet der Republik Österreich aufhältig und hier mit Ihrer Familie lebend. Zuletzt gehen Sie auch wieder einer Erwerbstätigkeit nach.

Anhaltspunkte dafür, dass Sie dem Assoziationsabkommen unterliegen, finden sich keine und wurden von Ihnen auch nicht behauptet.

Da - unter Abwägung aller oben angeführten Tatsachen - im Hinblick auf die für Ihren weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer zu wiegen scheinen, als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf Ihre Lebenssituation, ist das Aufenthaltsverbot auch zulässig im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG. Daran vermag auch Ihr Hinweis darauf, dass Sie sich vom ehemaligen Freundeskreis getrennt hätten und gewillt seien, ein gesetzestreues Leben zu leben, nichts zu ändern. Derartiges haben sie auch bereits im Berufungsverfahren des erstmals gegen Sie eingeleiteten Aufenthaltsverbotsverfahren vorgebracht bzw. haben Sie jedoch durch die Tatsache, dass Sie sich neuerlich gerichtlich strafbar gemacht haben, dokumentiert, dass Sie aus der Vergangenheit nicht gelernt haben.   

Die Dauer des von der Erstbehörde verhängten Aufenthaltsverbotes ist nicht als rechtswidrig zu erkennen, zumal nach Ablauf dieser Zeit erwartet werden kann, dass Sie sich wiederum an die im Bundesgebiet geltenden Normen halten. Aufgrund der Schwere Ihrer Verbrechen ist doch ein längerer „Beobachtungszeitraum“ notwendig.

Die Dauer von 10 Jahren wird hierfür ausreichend sein."

 

1.5. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. März 2011, Zl. 2007/18/0025-10, wurde einer Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

 

Dem Bw sei der Nachzug zu seinen in Österreich lebenden türkischen Eltern genehmigt worden. Darüber hinaus erliege in den Verwaltungsakten eine Anfrage des AMS Linz vom 16. Juli 1997, aus der hervorgehe, dass die Eltern des Bw unter der Voraussetzung eines ordnungsgemäßen Aufenthaltes – letzteres sei von der BPD Linz bestätigt – ihrerseits über eine Berechtigung nach dem ARB 1/80 verfügten.

 

Nicht zuletzt wäre es aber auch schon in Hinblick auf das aufhebende Erkenntnis des VwGH vom 20. April 2006 angezeigt gewesen, eine Überprüfung dahingehend vorzunehmen, ob tatsächlich eine Zuständigkeit der SID im Sinne des § 9 Abs. 1 Z. 2 FPG bestehe, mithin auch dahingehend, ob der Bw über eine Berechtigung nach dem ARB 1/80 verfügt habe. Da die belangte Behörde sohin in Verkennung der Rechtslage davon ausgegangen sei, all dies sei für die ggst. Entscheidung nicht wesentlich, habe sie es unterlassen, die in diesem Zusammenhang erforderlichen Feststellungen zu treffen, um eine abschließende Beurteilung vornehmen zu könne, ob sie gemäß § 9 Abs. 1 Z. 2 FPG ihre Zuständigkeit zutreffend in Anspruch genommen habe, oder ob vielmehr in Folge einer dem Bw zukommenden Berechtigung nach dem ARB 1/80 eine Zuständigkeit des örtlich zuständigen UVS gemäß § 9 Abs. 1 Z. 1 FPG anzunehmen wäre.   

 

 

2.1. Von der Sicherheitsdirektion wurde der in Rede stehende Verwaltungsakt numehr dem UVS des Landes Oberösterreich zuständigkeitshalber übermittelt.

 

2.2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

2.2.2. Eine aktuelle SA-Anfrage ergab zudem, dass der Bw seit dem Jahr 2003 lediglich einmal, nämlich mit Urteil des BG Linz vom 15. Juli 2009, zu AZ.: 17 U 143/2009H, wegen eines Diebstahls am 16. Februar 2009 gemäß § 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt wurde. 

 

2.2.3. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1. bis 1.5. und 2.2.2. dieses Erkenntnisses dargestellten völlig unbestrittenen entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Entsprechend dem oben zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs ist auf den vorliegenden Fall folgend der Rechtsprechung der Höchstgerichte nicht nur von der Zuständigkeit des UVS auszugehen, sondern kommt der Bw – als Berechtigter nach dem ARB 1/80 in den Genuss der für EWR-Bürger vorgesehenen § 67 des Fremdenpolizeigesetzes in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2011, betreffend die Verhängung von Aufenthaltsverboten.

 

3.2.1. Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

 

3.2.2. Es ist – im Hinblick auf die oa Bestimmung - nun zu prüfen, ob das Verhalten des Bw auch aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nachhaltig und erheblich zu gefährden.

 

Bei Interpretation des unbestimmten Gesetzesbegriffs "nachhaltig" ist festzuhalten, dass darunter sowohl eine nach Intensität als auch Konstanz vorliegende Wirksamkeit angesprochen wird. Als Synonym bzw. Deskription von nachhaltig könnte demnach auch "wirksam andauern" verstanden werden.

 

Zum Vorliegen des Tatbestandselements der Gegenwärtigkeit bedarf es eines Sachverhalts dessen Wirkungen nicht schon als in der Vergangenheit erschöpft, sondern auch zumindest in die Gegenwart reichend anzusehen sind. Dies impliziert jedoch auch die Beurteilung einer aus Sicht des gegenwärtigen Augenblicks erstellten Zukunftsprognose.

 

"Erheblich" wiederum bedeutet in etymologischer Herleitung: "Schwer genug, um die Waagschale zu heben". Ursprünglich aus dem Rechtsbegriff Relevanz abgeleitet, übersteigt "erheblich" in der Gemeinsprache den Ursprungsbegriff der Intensität nach.

 

Die eben dargestellten Tatbestandselemente müssen zur Rechtfertigung eines Aufenthaltsverbotes kumulativ gegeben sein.

 

Weiters verweist § 67 Abs. 1 FPG für den Fall, dass sich ein Fremder – wie im vorliegenden Fall – schon seit 10 Jahren im Bundesgebiet aufhält, darauf, dass die Sicherheit der Republik Österreich nachhaltig und maßgeblich gefährdet sein muss, um die Rechtsfolge eines Aufenthaltsverbotes nach sich zu ziehen.

 

3.2.3. Im vorliegenden Fall sind dem Bw verschiedene Arten von Straftaten vorgeworfen, von denen vor allem die massiven Gewaltdelikte durchaus geeignet scheinen, die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich maßgeblich zu gefährden. Aber auch Eigentumsdelikten kann dieser Gefährdungscharakter zugemessen werden.

 

Nun ergibt sich aber aus dem Sachverhalt, dass der Zeitraum der Begehung der im angefochtenen Bescheid vorgeworfenen Delikte schon rund neun Jahre zurückliegt. Nach dem Jahr 2003 wurde der Bw zwar noch einmal straffällig, nämlich in Form eines im Jahr 2009 begangenen Diebstahls, für den er vom BG Linz zu drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurde, jedoch muss festgestellt werden, dass aus derzeitiger Sicht nicht per se davon ausgegangen werden kann, dass das ursprünglich massiv gegebene Gefährdungspotential weiterhin aufrecht besteht, zumal auch die letzte Straftat schon wieder drei Jahre zurück liegt und allein schon nach der Zuständigkeit eines Bezirksgerichtes und nach dem Strafausmaß nicht überbewertet werden darf.

 

Diesbezüglich mangelt es also in Hinblick auf § 67 Abs. 1 FPG – unter Heranziehung der oben getroffenen Begriffsbestimmungen – sowohl an der Gegenwärtigkeit als auch am wirksamen Andauern der dadurch entstandenen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit bzw. der nachhaltigen Gefährdung der Sicherheit der Republik Österreich.

 

3.2.4. Somit ist festzuhalten, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 67 Abs. 1 FPG zur Erlassung des in Rede stehenden Aufenthaltsverbotes dem Grunde nach nicht mehr vorliegen, weshalb sich nicht nur eine weitere Erörterung im Sinne des § 61 FPG bzw. des Art. 8 EMRK, sondern auch ein Eingehen auf die jeweiligen Berufungsvorbringen erübrigt.

 

3.3.1. Es war daher – ohne auf das weitere Berufungsvorbringen näher einzugehen - der in Rede stehende Bescheid aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.

 

3.3.2. Nachdem der Bw offenkundig der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist, konnte gemäß § 67 Abs. 5 iVm. § 59 Abs. 1 FPG auf die Übersetzung des Spruchs und der Rechtsmittelbelehrung verzichtet werden. 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Bernhard Pree

 

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