Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231240/13/AB/Sta

Linz, 09.03.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Astrid Berger über die Berufung des G M, geb., vertreten durch Rechtsanwalt Mag. H K, F, V, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 14.3.2011, Z Sich96-764-2009, wegen einer Übertretung nach dem Sicherheitspolizeigesetz nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 7.3.2012 zu Recht erkannt:

 

 

I.  Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.

 

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§ 24, 45 Abs. 1 Z 1 und § 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) iVm § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG).

Zu II.: § 66 Abs. 1 VStG.

 

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1.        Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 14.3.2011, Z Sich96-764-2009, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) eine Geldstrafe in Höhe von 200,- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 144 Stunden) verhängt, weil gegen ihn am 02.12.2009 um 00:15 Uhr von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes ein Betretungsverbot angeordnet worden sei, wobei ihm die Rückkehr nach R, U untersagt worden sei. Dieses Betretungsverbot habe der Bw missachtet, indem er am 02.12.2009 um 01:30 Uhr in den oben angeführten Schutzbereich eingedrungen sei. Er habe das vom Betretungsverbot erfasste Grundstück und die zum Haus gehörende Garage betreten, um dort seine Ehefrau erneut zu bedrohen und sie zu nötigen, Sie wieder ins Haus zu lassen.

 

Als verletzte Rechtsgrundlage wird § 84 Abs. 1 Z 2 iVm. § 38a Abs. 2 Sicherheitspolizeigesetz, BGBl. Nr. 566/1991 i.d.g.F. genannt.

 

Diesem Straferkenntnis ging eine Strafverfügung der belangten Behörde vom 10.12.2009, zugestellt am 14.12.2009, die durch Eingabe des Bw vom 14.11.2009 (sic!), beeinsprucht wurde, voraus. Da der Poststempel des Einspruchs nicht lesbar ist, wurde der Einspruch seitens der belangten Behörde zu Recht als rechtzeitig befunden.

 

Begründend wird in dem bekämpften Straferkenntnis im Wesentlichen ausgeführt, dass die belangte Behörde als Sicherheitsbehörde am 02.12.2009 über die am 02.12.2009 um 00:15 Uhr ausgesprochene Wegweisung mit 14-tägigem Betretungsverbot gem. § 38a SPG informiert worden sei und diese polizeiliche Verfügung bestätigt habe. Als vom Betretungsverbot erfasster räumlicher Schutzbereich sei das gesamte Anwesen R, U, einschließlich umgebendes Grundstück festgelegt gewesen.

 

Mit Eingabe der Polizeiinspektion V vom 03.12.2009 sei der Bw angezeigt worden, am 02.12.2009 um 01:30 Uhr das Grundstück R, U, sowie die zum Haus gehörende Garage betreten zu haben, um dort seine Ehefrau erneut zu bedrohen und sie zu nötigen, Sie wieder ins Haus zu lassen. Aufgrund eines Einspruches gegen die diesbezüglich ergangene Strafverfügung sei schließlich das Ermittlungsverfahren eingeleitet und die Polizeiinspektion V am 04.02.2011 zur Stellungnahme aufgefordert worden.

 

Mit Schreiben vom 15.02.2010 habe die Polizeiinspektion V Stellung genommen und unter Verweis auf die Anzeige ausgeführt, dass nach Angaben der Ehefrau des Bw dieser das Grundstück betreten habe; es sei auch unmittelbar vor dem Haus zu einer Auseinandersetzung mit Handgreiflichkeiten gekommen und der Bw habe von seiner Frau energisch gefordert, ihn als Gegenleistung für das Öffnen der Garage wieder ins Haus zu lassen. Weiters sei dieser polizeilichen Stellungnahme die mit der Ehefrau des Bw aufgenommene Niederschrift über die Zeugenvernehmung (Opfer gem. § 65 Z. 1 lit. a StPO) mit folgendem Inhalt beigelegt worden:

"Aufgrund meiner Anzeige wurde gegen meinen Mann um 00:15 Uhr ein Betretungsverbot verhängt. Meinem Mann wurde gestattet, sich persönliche Dinge mitzunehmen. Nachdem dies erfolgt war, versperrte ich das Haus U. Die Beamten so wie mein Mann fuhren weg. Dies war ca. um 01:15 Uhr. Kurz darauf rief mich mein Mann schon auf dem Handy an. Ich hob zuerst nicht ab, er versuchte es aber immer wieder.

Wieder kurze Zeit später hörte ich durch das offene Schlafzimmerfenster, dass jemand beim Garagentor herumhantierte. Ich sah durch das Fenster, dass mein Mann die Garage verschloss. Da mein Auto in der Garage stand und ich dieses heute unbedingt benötigte, nahm ich über das Handy Kontakt zu ihm auf. Zu diesem Zeitpunkt stand er mit seinem Auto bei der Fa. P. Er sagte mir, dass er mir die Garage aufmacht, wenn ich ihn wieder ins Haus lasse.

Da ich mein Auto dringend benötigte, stimmte ich zu. Er kam dann und machte mir die Garage auf. Ich stellte mein Auto heraus. Er wollte dann, dass ich ihn ins Haus lasse. Er schrie mich an, wenn ich dies nicht mache, bringe er mich um und er zerstöre mein Auto. Ich fuhr dann sofort mit dem Auto weg in Richtung G. Mein Mann folgte mir, ich fuhr Richtung A-Tankstelle kurz nach der Autobahnauffahrt R. Dort überholte mich mein Mann, schnitt mich zur Tankstelle und zerrte mich aus dem Auto. Als ich die Polizei anrufen wollte, packte er mich, stieß mich zu Boden und schlug auf mich ein. Er schrie wie wild ua., dass er mich erschlagen werde. Er nahm mir die Autoschlüssel weg und wollte auch mein Handy. Er meinte dann, dass ich mein Auto bei der Tankstelle stehen lassen soll und er bringt mich ins Krankenhaus, da ich starke Kopfschmerzen hatte und meine linke Hand weh tat. Wir stritten und diskutierten dann weiter, da ich meine Autoschlüssel wieder haben wollte. Nach etwa 15 bis 20 Minuten gab er mir schließlich meine Autoschlüssel wieder. Ich fuhr dann los in Richtung Krankenhaus, auf der Fahrt rief ich dann bei der Polizei an und meldete den Vorfall - dies war um 02:42 Uhr.

 

Auf der Fahrt zum Krankenhaus folgte mir mein Mann ständig mit seinem Auto. Beim Eingang zum Krankenhaus traf dann auch die Polizei ein. Ein Polizist brachte mich zur Notaufnahme, die anderen redeten mit meinem Mann, der dann aber wieder wegfuhr.

 

Nach der Untersuchung fuhr ich wieder nach Hause. Mein Mann rief mich ständig an und schickte mir auch dauernd SMS, wo er mir drohte. Ua. schrieb er 'Rumänien ruft', 'gfrei di auf morgen', 'du wirst di anscheissen'. Als ich zu Hause war rief er an, und schrie mich am Telefon an, dass ich sofort die hintere Haustür aufmachen soll in ihn reinlassen soll, in einer Minute wird er da sein. Wenn ich nicht aufmache, bricht er die Tür auf. Weiters schrie er noch wortwörtlich: "Und umbringen tu ich dich sowieso". Ich ließ ihn nicht ins Haus und rief sofort die Polizei an, dies war um 04:02 Uhr. Er rief mich ständig an und schrie am Telefon mit mir und dass er jetzt die Türe aufbrechen werde. Weiters sagte er mir mehrmals, dass er mich umbringen werde.

 

Ich habe enorme Angst, da er mir immer wieder drohte mich umzubringen. Wenn ich mich scheiden lasse, werde er mich sowieso umbringen hat er immer wieder gesagt. Er wird sich auch nicht an das Betretungsverbot halten und mit allen Mitteln versuchen ins Haus zu kommen, ich weiß nun nicht mehr, was ich machen soll.

Zu der von mir am 01.12.2009 um 23:00 Uhr erstatteten Anzeige gegen meinen Mann [...] bzw. ergänzend zu meiner bereits erfolgten Vernehmung gebe ich weiters folgendes an:

Durch die Attacke bei der A-Tankstelle erlitt ich eine blutende Wunde im Bereich des Kinns bzw. linken Halsbereich sowie eine Prellung des linken Ring- und Mittelfingers."

 

In weiterer Folge sei die Ehefrau des Bw als Zeugin zur belangten Behörde vorgeladen worden, habe jedoch am 02.03.2010 von ihrem Entschlagungsrecht Gebrauch gemacht und die Aussage verweigert.

 

Mit Eingabe vom 04.03.2010 habe der Bw mitgeteilt, bei Ihrer Aussage zu bleiben, wonach er das Haus während des 'Hausverbots' nicht betreten habe und die Garage von der Straße aus mittels Funkverbindung wieder geöffnet habe. Da seine Frau die einzige Zeugin sei und keine Aussage mache, sei das Verfahren einzustellen, ansonsten würde der Bw Berufung erheben. Weiters habe der Bw mitgeteilt, kein Vermögen zu besitzen, über ein monatliches Einkommen von 458,3 Euro zu verfügen und keine Sorgepflichten zu haben.

 

In einer weiteren Stellungnahme vom 04.02.2011 habe die Polizeiinspektion V ausgeführt, dass der Bw laut Angaben seiner Ehefrau das Grundstück betreten habe. Es sei auch unmittelbar vor dem Haus zu einer Auseinandersetzung mit Handgreiflichkeiten gekommen. Der Bw habe von seiner Frau energisch gefordert, ihn als Gegenleistung für das Öffnen der Garage wieder ins Haus zu lassen. Aus Angst vor weiteren Übergriffen bzw. angedrohten Repressalien sei sie mit ihrem Auto Richtung G geflüchtet.

 

Die belangte Behörde hält in ihrer Begründung fest, dass der Bw der Behörde durch zahlreiche bisherige Verfahren, in denen er sich oftmals äußerst unbeherrscht verhalten habe, bekannt sei und aufgrund seiner Verhaltensweisen immer wieder des Amtes verwiesen werden habe müssen. Er neige nach Auffassung der belangten Behörde dazu, auch wegen niederer Beweggründe leicht aggressiv zu werden und enorm in Rage zu geraten.

 

Der Bw habe insgesamt bereits vier Mal weggewiesen werden müssen. Betretungsverbote seien am 28.10.2001, 01.10.2009, 02.12.2009 und 22.02.2011 ausgesprochen worden.

 

Für die Behörde würden die niederschriftlichen Angaben der Ehefrau des Bw anlässlich der polizeilichen Einvernahme vom 02.12.2009 (also kurz nach der Tat) glaubwürdig und schlüssig erscheinen.

Auch wenn die Ehefrau bei der formellen Einvernahme bei der Behörde von ihrem Entschlagungsrecht Gebrauch gemacht habe, seien die in der Einvernahme vom 02.12.2009 getätigten Aussagen sowie die Stellungnahmen der Polizeiinspektion V ein ausreichender Schuldbeweis.

Vielmehr stellte die Zeugenverweigerung der Ehefrau ein deutliches Indiz dafür dar, dass sie vom Bw eingeschüchtert worden sei und Angst vor Repressalien hätte, wie sie dies bereits in der Einvernahme vom 02.12.2009 geäußert habe.

 

Strafmilderungsgründe könnten dem Bw keine zugebilligt werden. Straferschwerend sei, dass der Bw bereits einmal rechtskräftig wegen Übertretung nach § 84 Abs. 1 Z 2 SPG bestraft werden habe müssen (GZSich96-653-2009, 50 Euro Geldstrafe bzw. 48 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe). Das geringe Einkommen des Bw sowie seine Uneinsichtigkeit seien bei der Strafbemessung ebenfalls entsprechend zu berücksichtigen.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Bw durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter mit Schreiben vom 28.3.2011 fristgerecht Berufung, in der er im Wesentlichen darauf hinweist, dass ihm mit dem am 2.12.2009 gegen ihn angeordneten Betretungsverbot die "Rückkehr auf das gesamte Anwesen R, U, einschließlich des umgebenden Grundstückes" untersagt worden sei. Der Bw habe aber – anders als von der belangten Behörde im Straferkenntnis ausgeführt – weder das Anwesen U, R, noch die zum Haus gehörende Garage oder das umgebende Grundstück betreten. Er habe lediglich von der angrenzenden Gemeindestraße aus mittels Fernbedienung das Garagentor zunächst verschlossen und anschließend wieder geöffnet, ohne jemals in den Schutzbereich eingedrungen zu sein, weshalb auch keine Missachtung des angeordneten Betretungsverbotes vorliege.

 

Abschließend beantragt der Bw die ersatzlose Aufhebung des Straferkenntnisses sowie die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.

 

1.3. Mit Schreiben vom 29.3.2012 übermittelte die belangte Behörde die gegenständliche Berufung unter gleichzeitiger Vorlage des bezughabenden Verwaltungsaktes.

 

1.4. Mit Eingabe vom 13.4.2011 wiederholte der Bw seinen zuvor telefonisch gegenüber dem Oö. Verwaltungssenat gestellten Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Als Zeugin wird darin die Gattin des Bw benannt.

 

1.5. Der Oö. Verwaltungssenat erhob Beweis durch Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 7.3.2012.

 

Dabei ist zu bemerken, dass von einer Ladung des berichtlegenden Polizeibeamten Abstand genommen werden musste, da dieser aufgrund einer längeren, krankheitsbedingten dienstlichen Abwesenheit für eine mündliche Verhandlung nicht zur Verfügung stand. Ein Ende der Abwesenheit des Polizisten war dabei nicht absehbar. Da der berichtlegende Polizeibeamte während der dem Bw vorgeworfenen Tat (Verstoß gegen das Betretungsverbot) selbst nicht an Ort und Stelle (in U, R,) anwesend war, war seine Einvernahme im Übrigen auch verzichtbar und konnte mit der Einvernahme des ebenfalls beteiligten Polizeibeamten das Auslangen gefunden werden.

 

Da weder aus dem vorliegenden Verwaltungsakt noch aus den Aussagen in der mündlichen Verhandlung am 7.3.2012 hervorging, dass der Bw das Grundstück in U, R, oder die dort befindliche Garage zum ihm vorgeworfenen Tatzeitpunkt tatsächlich betreten hat, und auch der einvernommene Polizeibeamte diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung keine konkreten Aussagen treffen konnte, im Übrigen auch die Ehefrau des Bw aufgrund ihrer Aussageverweigerung keine weiterführenden Angaben machte, kann dies nicht als erwiesen gewertet werden.

 

Wie der Bw selbst einräumte, ergab sich im Beweisverfahren unstreitig, dass der Bw im Tatzeitpunkt das Garagentor an der genannten Wohnanschrift aus ca. fünf Meter Entfernung von der Gemeindestraße aus – wie er selbst in der mündlichen Verhandlung ausführte, aus bloßer Boshaftigkeit heraus – mit dem Handsender zuerst verschloss und schließlich mehrmals öffnete und schloss.

 

Der Bw führte bereits in seiner Berufungsschrift aus, dass ihm aufgrund des angeordneten Betretungsverbotes "die Rückkehr auf das gesamte Anwesen R, U, einschließlich des umgebenden Grundstückes" untersagt worden sei. Auch die belangte Behörde hält in dem bekämpften Straferkenntnis fest, dass als der vom Betretungsverbot erfasste räumliche Schutzbereich das "gesamte Anwesen  R, U, einschließlich umgebendes Grundstück" festgelegt worden sei. Der Verwaltungsakt selbst – insbesondere die polizeiliche Anzeige vom 3.12.2009 – enthält diesbezüglich keine weiterführenden Angaben. Wenn der Polizeibeamte in der mündlichen Verhandlung ausführt, dass es bei Verhängung eines Betretungsverbotes üblich sei, 100 Meter Schutzzone um die Wohnung festzulegen, er auch annehme, dass dies im vorliegenden Fall gegenüber dem Bw so geschehen sei, wobei er sich freilich diesbezüglich nicht sicher sei, so gründen sich diese Ausführungen auf bloße Vermutungen und reichen daher nicht aus, um den räumlichen Schutzbereich derart weit reichend anzunehmen. Das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates geht daher davon aus, dass der räumliche Schutzbereich im Rahmen des Betretungsverbotes dem Bw gegenüber tatsächlich nur auf das Grundstück mit dem Wohnhaus des Bw in U, R, beschränkt zur Kenntnis gebracht wurde.

 

2.1.        Der Oö. Verwaltungssenat geht von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:

 

In der Nacht vom 2.12.2009 wurde um ca. 00:15 Uhr gegen den Bw ein Betretungsverbot angeordnet, wobei dem Bw gegenüber die Rückkehr auf das gesamte Anwesen R, U, einschließlich des umgebenden Grundstückes – nicht aber auch der an das Grundstück angrenzenden öffentlichen Gemeindestraße – verboten wurde.

 

Der Bw fuhr gegen 1:30 Uhr derselben Nacht zu seinem Wohnhaus in U, R, um in etwa fünf Meter Entfernung zur Garage des Wohnhauses auf der Gemeindestraße zu halten. Von diesem Standort aus betätigte der Bw – wie er selbst ausführte aus reiner Boshaftigkeit und "Revanche" seiner Ehefrau gegenüber – mehrmals das elektrische Garagentor mit dem Handsender.

 

Mangels entsprechender Beweise konnte im vorliegenden Fall nicht erwiesen werden, dass der Bw im vorgeworfenen Tatzeitpunkt das Grundstück bzw. die Garage im vom Betretungsverbot erfassten räumlichen Schutzbereich tatsächlich betreten hat.

 

2.2.        Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000,- Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

3.         Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Nach § 51c VStG hat der Unabhängige Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall - weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden. Dabei ist gemäß § 1 Abs. 2 VStG grundsätzlich das zur Zeit der Tat geltende Recht – im vorliegenden Fall daher das Sicherheitspolizeigesetz (SPG), BGBl. 566/1991, in der Fassung BGBl I 72/2009 – anzuwenden.

 

3.1.        Die anzuwendende Rechtslage lautet wie folgt:

 

§ 38a Abs. 1 und Abs. 2 SPG:

 

"Wegweisung und Betretungsverbot bei Gewalt in Wohnungen

 

(1) Ist auf Grund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffs, anzunehmen, es stehe ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit bevor, so sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einen Menschen, von dem die Gefahr ausgeht, aus einer Wohnung, in der ein Gefährdeter wohnt, und deren unmittelbarer Umgebung wegzuweisen. Sie haben ihm zur Kenntnis zu bringen, auf welchen räumlichen Bereich sich die Wegweisung bezieht; dieser Bereich ist nach Maßgabe der Erfordernisse eines wirkungsvollen vorbeugenden Schutzes zu bestimmen.

 

(2) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einem Menschen das Betreten eines nach Abs. 1 festzulegenden Bereiches zu untersagen; die Ausübung von Zwangsgewalt zur Durchsetzung dieses Betretungsverbotes ist jedoch unzulässig. Bei einem Verbot, in die eigene Wohnung zurückzukehren, ist besonders darauf Bedacht zu nehmen, daß dieser Eingriff in das Privatleben des Betroffenen die Verhältnismäßigkeit (§ 29) wahrt. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, dem Betroffenen alle in seiner Gewahrsame befindlichen Schlüssel zur Wohnung abzunehmen; sie sind verpflichtet, ihm Gelegenheit zu geben, dringend benötigte Gegenstände des persönlichen Bedarfs mitzunehmen und sich darüber zu informieren, welche Möglichkeiten er hat, unterzukommen. Sofern sich die Notwendigkeit ergibt, daß der Betroffene die Wohnung, deren Betreten ihm untersagt ist, aufsucht, darf er dies nur in Gegenwart eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes tun."

 

§ 84 Abs. 1 Z 2 SPG:

 

"Sonstige Verwaltungsübertretungen

 

(1) Wer

...

2. ein Betretungsverbot gemäß § 38a Abs. 2 missachtet oder

...

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 360 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen."

 

 

3.2. Nach § 38a Abs. 2 SPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einem Menschen das Betreten eines nach Abs. 1 festzulegenden Bereiches zu untersagen; aufgrund des Verweises auf Abs. 1 leg.cit. ist dem Betroffenen zur Kenntnis zu bringen, auf welchen räumlichen Bereich sich dieses Betretungsverbot bezieht.

 

3.2.1. Dem Bw wurde als vom Betretungsverbot erfasster räumlicher Schutzbereich – wie weiter oben unter 1.5. und 2.1. dargelegt – das gesamte Anwesen R, U, einschließlich des umgebenden Grundstückes genannt. Wie bereits erörtert, ist daher die an das Grundstück angrenzende Gemeindestraße von diesem Schutzbereich nicht erfasst. Dass der Bw mit dem Auto auf der an dieses Grundstück angrenzenden, öffentlichen Gemeindestraße zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt hielt, war hinsichtlich des verhängten Betretungsverbotes somit rechtlich betrachtet nicht von Bedeutung.

Wenngleich das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates keinerlei Verständnis für die vom Bw selbst als solche bezeichneten "Boshaftigkeiten" aufbringt, so ist das Öffnen und Schließen des in Rede stehenden Garagentores durch den Handsender dennoch nicht als "Betreten" iSd § 38a Abs. 2 SPG zu qualifizieren. Ein Betreten iSd § 38a Abs. 2 SPG setzt vielmehr eine räumliche Veränderung der Position der Bezugsperson auf eine konkret vom Betretungsverbot erfasste Fläche hin bzw. in einen von diesem erfassten Raum voraus. Belästigungen und Boshaftigkeiten bzw. eine Kontaktaufnahme mit der geschützten Person von der Ferne (außerhalb des räumlichen Schutzbereiches) aus sind jedenfalls nicht unter diese Begrifflichkeit zu subsumieren.

 

3.2.2. Dass der Bw aber zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt das vom Betretungsverbot erfasste Grundstück bzw. die dort befindliche Garage betreten hat, konnte im Beweisverfahren – wie bereits unter 1.5. ausführlich dargelegt – nicht entsprechend erwiesen werden.

 

Da trotz umfassender Ermittlungsversuche – nicht zuletzt auch in einer mündlichen Verhandlung – und Auseinandersetzung mit den Ermittlungsergebnissen in eingehender Beweiswürdigung für das erkennende Mitglied in diesem Bereich Zweifel verblieben, hat nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" die Einstellung des Verfahrens zu erfolgen. Die vorliegenden Beweise waren daher für einen Schuldspruch nicht ausreichend (z.B. VwGH 3.7.1996, 95/13/0175; 17.12.1999, 97/02/0120; 22.2.2006, 2005/17/0195).

 

3.3. Der Berufung war daher stattzugeben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben. Da die dem Bw zur Last gelegte Tat (Betreten des in Rede stehenden Grundstückes und der zum Haus gehörenden Garage) nicht entsprechend erwiesen werden konnte, war auch die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG zu verfügen.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220,- Euro zu entrichten.

Astrid Berger

 

 

 

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