Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166549/13/Bi/Kr

Linz, 10.04.2012

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn G P, U, T, vertreten durch Frau RAin Drin A R, S, G, vom 17. November 2011 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Grieskirchen vom 27. Oktober 2011, VerkR96-3440-2011, wegen Übertretungen der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 27. März 2012 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungsent­scheidung) zu Recht erkannt:

 

I.  Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

 

II. Der Rechtsmittelwerber hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz Beträge von 1) 50 Euro und 2) 40 Euro, ds 20 % der verhängten Strafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i und 19 VStG

zu II.: § 64 VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 4 Abs.1 lit.a iVm 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 und 2) §§ 4 Abs.5 iVm 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 Geldstrafen von 1) 250 Euro (115 Stunden EFS) und 2) 200 Euro (92 Stunden EFS) verhängt, weil er am 20. Dezember 2010, 16.35 Uhr in Linz, Aubergstraße 4, Fahrtrichtung stadteinwärts, als Lenker des Kraftfahrzeuges Mercedes Type 412D, x, mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei – er habe mit dem von ihm gelenkten Kraftfahrzeug die linke Fahrzeugseite vom Kotflügel links vorne bis zur Tür links hinten des Kfz Mazda 5, y, beschädigt – und

1) sein Fahrzeug nicht sofort angehalten habe und

2) nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt habe, obwohl gegenüber der Geschädigten ein Identitätsnachweis nicht erbracht worden sei und seine Identität ausgeforscht werden habe müssen.

Gleichzeitig wurden ihm Verfahrenskostenbeiträge von gesamt 45 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 27. März 2012 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Bw, seiner Rechtsvertreterin Frau RAin Drin A R, der Zeugin Frau M L (L) und des kfztechnischen Amtssachverständigen Dipl.-HTL-Ing. R H durchgeführt. Die Vertreterin der Erstinstanz war entschuldigt. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet.   

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, die Erstinstanz werfe ihm vor, er habe die Streifung optisch über den linken Außenspiegel erkennen müssen, und begründe dies mit dem eingeholten technischen Gutachten. Auf seine Stellung­nahme werde aber nicht eingegangen. Das ergänzende Gutachten treffe in seinem Punkt 2. eine rechtliche Aussage, die technisch schlichtweg falsch sei. Es werde nicht berücksichtigt, dass aufgrund der verschiedenen Eindrucktiefen und der Länge beide Fahrzeuge zum Zeitpunkt der Streifung in Bewegung sein mussten; das berücksichtige auch das Gutachten nicht. Im übrigen meine der SV, die Wahrnehmung der Streifung sei optisch über den rechten Außen­spiegel gegeben, spreche aber im ergänzenden Gutachten von "beiden Außenspiegeln" – wo solle er hinblicken? Ihm könne nicht zur Last gelegt werden, dass er durch ein "besonders rücksichtsloses Fahrverhalten gegen die StVO verstoßen" habe und "deswegen nicht damit rechnen musste, dass durch sein Verhalten ein Verkehrsunfall ausgelöst" werde. Wenn er in der gegebenen Situation der Engstelle seinen Klein-Lkw vorwärts bewege, habe er rechts durch die Seitenscheibe einen unmittelbaren Blick zu werfen, ob er nicht allenfalls dort streife, weiters in den rechten und linken Außenspiegel und natürlich habe er bei der Vorwärtsbewegung nach vorne zu blicken, um nicht "Fußgänger zu gefährden, die durch das langsame Fahren geradezu aufgefordert würden, die Fahrbahn zu überqueren." Ihm dürfe daher nicht vorgeworfen werden, im maximalen Zeitraum von 0,25 Sekunden der tatsächlichen Streifung nicht in den linken Außenspiegel geblickt zu haben. In subjektiver Hinsicht könne es ihm nicht vorgeworfen werden, wenn er optisch die Berührung nicht wahrgenommen habe. Es sei unzumutbar, von ihm in der konkreten Situation zu verlangen, gerade in demjenigen Zeitpunkt in den Rückspiegel zu blicken, in dem innerhalb einer viertel Sekunde die Streifung erfolgt sei. Das stelle eine Überforderung dar, wozu ja noch ein "starkes Verkehrsaufkommen" geherrscht habe, mehrere Fahrzeuge entgegengekommen seien und er daher nur ständig eine einzige Beobachtung in einer Richtung – eben nach links hinten im linken Rückspiegel – durchführen habe können, um die Engstelle zu passieren. Es habe sich außerdem nur um eine "minimale Streifung" gehandelt, die Eindringtiefe in den Pkw sei nur "einige Millimeter" gewesen und er habe auch nicht von vorne herein mit einer Berührung rechnen müssen, weshalb ihm verwaltungsstrafrechtlich kein Vorwurf zu machen sei. Beantragt wird Verfahrenseinstellung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung an der Unfallstelle, bei der der Bw und seine Rechtsvertretung gehört, die Ausführungen der Erstinstanz in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses berücksichtigt, die Zeugin L unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB einvernommen und ein technisches SV-Gutachten zur Wahrnehmbarkeit des Verkehrsunfalls mit Sachschaden eingeholt wurde. Außerdem hat der Bw das Protokoll der Gerichtsverhandlung vom
7. Dezember 2011, 15 C 64/11v-13, im durch den ggst Verkehrsunfall bedingten Zivilverfahren vor dem BG Linz vorgelegt, in dem sowohl die Zeugin L als auch die drei Beifahrer des Bw zeugenschaftlich einvernommen wurden und vom Kfz-SV DI A K ein Gutachten zum Unfallshergang und zum Sachschaden erstellt wurde – diese Unterlagen wurden in das ggst Verfahren mit einbezogen.  

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Die Zeugin L lenkte am 20. Dezember 2010 gegen 16.35 Uhr bei Dunkelheit und eingeschalteter Straßenbeleuchtung den Pkw y in Linz-Urfahr von der Jägerstraße kommend nach rechts in die Aubergstraße, wobei sie, als sie um die Linkskurve kam, oben in einiger Entfernung den vom Bw gelenkten Klein-Lkw – dabei handelt es sich um einen speziell für den Transport von Glas- und Fensterflächen gebauten 2,46 m breiten und 7,2 m langen Lkw mit Riffaufbau – wahrnahm, der augenscheinlich bergab fuhr. Im Bereich dieser (bergauf gesehen) Linkskurve und danach verblieb, da rechts Pkw geparkt waren, eine (beim Ortsaugenschein ausgemessene) restliche Fahrbahnbreite von ca 5 m für den fließenden Verkehr in beiden Richtungen. Nach den Aussagen der Zeugin in der Verhandlung sei der Lkw oben kurz gestanden und daher sei sie weitergefahren, zumal sie gesehen habe, dass rechts drei Pkw geparkt waren, sich aber nach dem 3. Pkw am Beginn des Hauses Nr.4 eine freigehaltene Einfahrt befand, in die sie ausweichen konnte. Als sie weiterfuhr, kam auch der Lkw langsam herunter. Sie war nach eigenen Angaben so weit rechts gefahren, dass sie, als sie zum 3. geparkten Pkw kam, sah, dass sich, würde sie in ihrer Fahrlinie weiterfahren, die Außenspiegel der beiden Fahrzeuge streifen würden. Daher blieb sie vor dem linken Außenspiegel des geparkten Pkw stehen. In der Verhandlung vertrat die Zeugin die Ansicht, es sei nicht mehr weiter gegangen; entweder hätte sie zurückfahren müssen oder der Lkw, für beide sei die verbleibende Fahrbahn zu schmal gewesen. Der Lkw sei trotzdem an ihr vorbei­gefahren und, als er mit der Fahrerkabine bereits an ihr vorbei gewesen sei, habe sie ebenso wie ihr mitfahrender 13jähriger Sohn ein Kratzgeräusch an ihrem Pkw wahrgenommen. Sie sei bei eingeschalteter Alarmblinkanlage sofort ausgestiegen – die Tür habe sich normal öffnen und schließen lassen – und habe einen langen Kratzer an der linken Seite ihres Pkw – dieser habe sich dann als ca 1,3 m lang herausgestellt – wahrgenommen und bemerkt, dass der Lkw die Fahrt fortgesetzt habe. Sie habe kurz nach Zeugen für die Streifung Ausschau gehalten, aber gesehen, dass hinter ihr kein Fahrzeug war, und sei dann dem Lkw zu Fuß nachgelaufen, um ihn noch einzuholen. Dieser sei aber in Richtung Mühlkreis­bahn weitergefahren und bei der Stopptafel vor den Straßenbahn­schienen habe sie ihn dann verloren, aber das Kennzeichen x ablesen können und dieses notiert. Dann sei sie zur Polizei gefahren, habe Anzeige erstattet und beim VUK sei der Pkw fotografiert worden.

 

Der Lkw x ist auf die S W GmbH in L zugelassen. Als Lenker wurde vom Meldungsleger nach den Weihnachtsfeier­tagen und den bis Ende Jänner 2011 dauernden Betriebsferien der Bw ausge­forscht. Dieser ist Monteur und lenkte den zum Vorfallszeitpunkt unbeladenen Lkw, wobei sich die Zeugen K C, D R und H H als Beifahrer im Lkw befanden, die aber nach ihren Zeugenaussagen vor Gericht – wie der Zeuge R bereits vor der Erstinstanz bestätigt hatte – alle nichts von einer Streifung bemerkt hatten.

Auch der Bw hat nach eigenen Angaben nichts von einer Streifung des entgegenkommenden Pkw bemerkt. Er führte in der Verhandlung aus, die Straße sei damals frei gewesen, am Straßenrand rechts hätten sich gefrorene Eis- bzw Schneereste befunden. Es sei üblich, dass einer der Monteure mit dem Lkw fahre, er lenke diese speziellen Lkw seit 25 Jahren und sei auf der Rückfahrt zur Firma vom Pöstlingberg gekommen. Er habe ein Gefühl dafür entwickelt, wie breit der Lkw in seinem Aufbaubereich sei. Er habe nichts mitgehabt, was gescheppert hätte, das Werkzeug sei in einer Kiste hinten am Lkw verstaut. Er könne sich erinnern, dass er dort einmal rechts, einmal links in seiner Spur gefahren bzw entgegenkommenden Fahrzeugen ausgewichen sei.

 

Nach den Ausführungen des GerichtsSV im Protokoll vom 7. Dezember 2011 ist der Lkw bei einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von 2.750 kg insgesamt 2,46 m breit, wobei die fensterbrettartig an beiden Seiten in einer Höhe von vorne zwischen 30,5 und 37 cm, hinten zwischen 37,5 und 42 cm über Fahrbahnniveau angebrachten Flächen ("Riffe") jeweils 23,5 cm breit sind. Der Kratzer am Pkw L befindet sich nach seinen Feststellungen am auf der linken Seite vom hinteren Bereich des Radhausbogens vom linken Kotflügel über die Fahrertür bis zur linken hinteren Tür, wobei die untere Kratzspur wenige Zentimeter vor dem Türblattende der Fahrertür endet. Nach seinen Ausführungen erfolgte die Streifung zweifelsfrei am Pkw der Bw von vorne nach hinten und ist mit den Schilderungen der Zeugin L in Einklang zu bringen. Die Spur beschreibt unmittelbar nach dem Kotflügel im vorderen Türblattbereich eine plötzliche Bewegung nach unten und verläuft in weiterer Folge, wie auch im Anfangs­bereich, wellig, was vom Überfahren einer Unebenheit herrühren kann; die sehr kantige Bewegung bringe der Mazda in Eigenbewegung nicht zustande, sondern könne diese dadurch entstehen, dass der Lkw mit einem Rad über eine Unebenheit gefahren sei, wobei sich die linke untere Ecke nach unten bewegt habe.      

 

Der AmtsSV hat in der Berufungsverhandlung ausgeführt, dass die Berührung zwischen dem Lkw und dem wartenden Mazda im (aus der Sicht des Bw gesehen) Kurveneingangsbereich stattfand, wobei der Pkw L dort am Beginn des Aufbaus des Krümmungsradius fast schon in der ursprünglich geplanten Fahrtrichtung stand. Durch den hartgefrorenen Schnee am Fahrbahnrand können Geräusche entstehen, die ein mögliches Streifgeräusch überlagern und es ist durchaus möglich, dass eine akustische Wahrnehmung für den Bw wegen möglicher Umgebungsgeräusche nicht wahrnehmbar waren; dabei ist zu bedenken, dass der Bw etwa 5-6 m vor dem Anstoßpunkt saß. Ebenso hat der SV einen Anfahrruck und ein Abbremsen des Lkw im Sinne einer über der Wahr­nehmbarkeitsgrenze liegenden Fahrzeugverzögerung wegen der Massenunter­schiede der beiden Fahrzeuge ausgeschlossen. Er hat allerdings festgestellt, dass bei Berücksichtigung der Sichtfelder des linken Außenspiegels des Lkw der linke hintere Bereich des Riffs im Sichtfeld des linken Außenspiegels liegt. Er hat daher die Erkennbarkeit der Berührung des seitlichen Fahrzeugaufbaus mit dem wartenden Fahrzeug im linken Außenspiegel für möglich erachtet, wenn der Lenker im Zeitpunkt der Berührung in den linken Außenspiegel geschaut hat. Bei der Anstreiflänge von ca 1,3 bis 1,5 m und bei der langsamen Fahrt des Lkw hat er eine Kontaktzeit von etwa einer Sekunde errechnet. Wenn der Lenker also in dieser Kontaktzeit von ca einer Sekunde in den linken Außenspiegel geschaut hat, war für ihn eine Erkennbarkeit der Berührung gegeben. Schaute er vor oder nach dem direkten Kontakt in den linken Außenspiegel, musste ihm der ungewöhnlich geringe Abstand zum Pkw auffallen, wobei aber allein dieser geringe Abstand nicht unbedingt zwingend zu einer möglichen Berührung und damit einer Verpflichtung, Nachschau zu halten, führen musste.

Der SV hat nachvollzogen, dass, wenn sich der Mazda in der Warteposition unmittelbar vor dem oberen Ende des Hauses Aubergstraße 2 befand und der Lkw 7,2 m lang war, der Bw damals im Führerhaus praktisch auf Höhe der unteren Hauskante des Hauses Aubergstraße 2 befand und, um dem Kurven­verlauf folgen zu können, den Lkw schon etwas stärker einschlagen musste. Er brachte die Beschädigungen am Pkw, insbesondere den Verlauf der Kratzspur am Pkw mit diesem Einschlagen des Lkw in Einklang.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates sind die Aussagen sowohl des Bw als auch der Zeugin L glaubhaft. Die Zeugin L hat das Zustandekommen der Streifung an Ort und Stelle durchaus nachvollziehbar und schlüssig dargelegt. Am Wahrheitsgehalt ihrer mit der allgemeinen Lebenserfahrung im Einklang stehenden Schilderungen bestehen keinerlei Zweifel. Ebenso hat der Bw durchaus glaubwürdig – auch im Einklang mit seinen Beifahrern – ausgeführt, er habe von einer Streifung nichts bemerkt. Eine "böse Absicht" oder eine "rück­sichtslose Fahrweise" ist ihm mit Sicherheit nicht zu unterstellen.

Das Beweisverfahren hat ergeben, dass dort tatsächlich nicht von "starkem Verkehrs­aufkommen" die Rede sein kann, weil selbst wenn, als der Bw die Stelle passierte, im Gegenverkehr von der Jägerstraße kommend ein Pkw in die Aubergstraße eingebogen ist, dieser schon aufgrund der Platzverhältnisse und dem die gesamte Fahrbahn im Kurvenbereich benötigenden Lkw jedenfalls stehenbleiben und warten musste; für einen weiteren Pkw bestand keine Einbiegemöglichkeit mehr. Die in der Berufung angesprochene "Überforderung" des Bw durch ein Fahrzeug im Gegenverkehr hat das Beweisverfahren nicht ergeben. Klar ist auch, dass ein Lenker nicht zugleich nach vorne und im Rückspiegel zurückschauen kann; sollte solches von der Situation her erforderlich sein, muss er eben anhalten.

      

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfalls­ort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.

Gemäß § 4 Abs.5 StVO haben, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, alle Personen, deren Verhalten am Unfalls­ort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, die nächste Polizeidienst­stelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn diese Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

Voraussetzung für die Anhalte- und für die Meldepflicht des Abs.1 lit.a und des Abs.5 ist als objektives Tatbestandsmerk­mal der Eintritt eines Sachschadens und in objektiver Hinsicht das Wissen vom Eintritt eines derartigen Schadens, wobei der Tatbestand schon dann gegeben ist, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit Sachschaden zu erkennen vermocht hätte (vgl VwGH 23.5.2002, 2001/03/0417, uva).

Der Lenker eines Fahrzeuges hat den Geschehnissen um sein Fahrzeug seine volle Aufmerksamkeit zuzuwenden; ein Blick in den Rückspiegel ist in bestimmten Verkehrssituationen geboten. Muss dem Lenker schon aufgrund seines gefahrengeeigneten Fahrverhaltens bewusst sein, dass er dadurch eine Verkehrslage geschaffen hat, die zu einer Beschädigung des neben ihm stehenden Pkw führen kann, ist er verpflichtet, sich vor der Weiterfahrt zu vergewissern, ob er einen Schaden zugefügt hat oder nicht (vgl VwGH 26.9.1990, 90/02/0039).

Der Lenker eines Fahrzeuges hat bei und nach riskanten Fahrmanövern, bei welchen die dringende Gefahr besteht, dass es zu einer Kollision mit einem anderen Straßenverkehrsteilnehmer kommen kann, den Geschehnissen um sein Fahrzeug die volle Aufmerksamkeit zuzuwenden und sich – bei den gegebenen Verhältnissen erforderlichenfalls auch durch Nachschau nach einem Anhalten seines Fahrzeuges – zu vergewissern, ob sein Fahrverhalten für einen Verkehrs­unfall ursächlich gewesen ist; unterlässt er dies, so ist sein Nichtwissen von einem von ihm derart verursachten Unfall verschuldet (vgl E 23.5.2002, 2001/03/0417).

 

Vom Bw ist beim Lenken des mit 7,2 m langen und mit 2,46 m breiten Lkw ein erhöhtes Maß an Sorgfalt zu erwarten, insbesondere beim Befahren derart enger Straßen­abschnitte wie der in Rede stehende Kurvenbereich. Dem Bw hätte bewusst sein müssen, dass er bei einer derartigen Position des Pkw der Zeugin L und dem gegebenen Straßenverlauf, nämlich der bergab verlaufenden Rechtskurve vor der Einmündung der Aubergstraße in die Jägerstraße, nicht einfach annehmen durfte, es werde bei der Einleitung des Einbiegevorgangs, bevor er den Pkw der Zeugin zur Gänze passiert hatte, schon nichts passiert sein, wenn er sich trotz der engen Platzverhältnisse davon nicht selbst überzeugt hatte. Er hätte, um das Entstehen einer derartigen Situation überhaupt zu vermeiden, der Zeugin zumindest die Möglichkeit geben können, in die Einfahrt des Hauses Nr.4 auszuweichen, und dazu, wenn nötig, auch so anhalten müssen, dass sie diese Hauseinfahrt zu erreichen imstande gewesen wäre, anstatt weiterzufahren, bis tatsächlich "nichts mehr ging". Er hat damit selbst eine Gefahrensituation geschaffen, in der die Zeugin keinerlei Möglichkeit hatte, diese durch ihr Zutun zu entschärfen, um eine durch das Weiterfahren des Bw im für ihn folgenden Kurvenverlauf drohende Streifung abzuwenden. Der Bw hat die Fahrt fortgesetzt, ohne sich zu vergewissern, dass er durch sein Weiterfahren und Beginn des Einbiegens keinen Schaden verursacht hat. Bei einem derart langen Fahrzeug konnte er ein wenn auch geringfügiges Ausscheren des Lkw links hinten im Bereich seines Riffs nicht ausschließen, nachdem er vorher am stehenden Pkw der Zeugin L vorbeigefahren war, dh er konnte dessen Position knapp am abgestellten Pkw sehen und einschätzen. 

 

Damit ist nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens zwar glaubhaft, dass der Bw tatsächlich keine Kenntnis vom Verkehrsunfall mit Sachschaden hatte, ihm hätten bei Aufwendung der in einer solchen Situation als Lenker eines Lkw der beschriebenen Bauart erforderlichen Aufmerksamkeit und Sorgfalt objektive Umstände – nämlich aufgrund des (wenn auch leichten) Einschlagens des Lenkrades beim gegebenen und für ihn erkennbaren knappen Seitenabstand zum stehenden Pkw das üblicherweise bei einer Lkw-Länge von 7,2 m zu erwartende (wenn auch geringfügige) Ausscheren links hinten – zum Bewusstsein kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit einer Streifung links hinten erkennen hätte können. Er hätte sich entsprechend vergewissern müssen, um einen Verkehrsunfall mit Sachschaden ausschließen zu können. Er hat die Fahrt jedoch ohne anzuhalten fortgesetzt und auch keine Unfallmeldung erstattet. Er hat damit zweifellos beide ihm zur last gelegten Tatbestände erfüllt und sein Verhalten jeweils als Verwaltungs­übertretung zu verantworten, zumal ihm die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG nicht gelungen ist.

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.2 StVO 1960 von 36 Euro bis 2180 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit von 24 Stunden bis sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe, der Strafrahmen des
§ 99 Abs.3 StVO 1960 bis 726 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit bis zwei Wochen reicht.

 

Die Erstinstanz hat laut Begründung des angefochtene Straferkenntnisses die bisherige Unbescholtenheit des Bw zutreffend als mildernd und nichts als erschwerend gewertet. Sie hat die finanziellen Verhältnisse des Bw mangels Angaben – auch im Berufungsverfahren unwidersprochen – mit 1.500 Euro netto monatlich bei fehlenden Sorgepflichten und Vermögen geschätzt.

Der Unabhängige Verwaltungssenat kann nicht finden, dass die Erstinstanz damit den ihr bei der Strafbemessung zukommenden Ermessensspielraum in irgend­einer Weise überschritten hätte. Die verhängten Strafen liegen im untersten Bereich des jeweiligen Strafrahmens, halten generalpräventiven Überlegungen stand und sollen den Bw in Zukunft von der Begehung derartiger Übertretung abhalten. Die Ersatzfreiheitsstrafen sind im Verhältnis zu den Geldstrafen angemessen. Die §§ 20 und 21 VStG waren nicht anzuwenden, weil zum einen die Übertretungen nicht unbedeutende Folgen hatten, zumal der Bw erst ausge­forscht werden musste, und zum anderen kein beträchtliches Überwiegen von Milderungsgründen gegeben war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

Wahrnehmbarkeit der Streifung optisch gegeben -> bestätigt

 

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