Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166761/2/Fra/Th

Linz, 19.03.2012

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des x, x, x, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Steyr vom 13. Februar 2012, GZ: S-7701/ST/11, betreffend Übertretung des § 14 Abs.3 StVO 1960, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu entrichten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 VStG; § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bundespolizeidirektion Steyr hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 14 Abs.3 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit eine Geldstrafe von 70 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) verhängt, weil er sich am 05.09.2011 um 16.45 Uhr in 4400 Steyr, x, als Lenker des Pkw mit dem polizeilichen Kennzeichen x beim Rückwärtsfahren nicht von einer geeigneten Person einweisen lassen hat, obwohl es die Verkehrssicherheit erfordert hätte.

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung. Die Bundespolizeidirektion Steyr – als nunmehr belangte Behörde – legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 2.000  Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied (§ 51c erster Satz VStG) zu entscheiden hat.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Laut Abschlussbericht des Stadtpolizeikommandos Steyr, Verkehrsinspektion Tomitzstraße, vom 21. November 2011, GZ: C1/8575/2011, hielt der Bw mit dem Pkw x auf der x Straße an, da er einen Parkplatz vor seinem Wohnhaus bemerkt hatte. Beim Zurückschieben stieß er gegen den inzwischen hinten nachkommenden und angehaltenen Pkw x, welcher von  x gelenkt wurde. Der Bw wurde im Nackenbereich leicht verletzt. An den beteiligten Pkws entstand leichter Sachschaden. Der Unfallbeteiligte x gab bei seiner Beschuldigteneinvernahme am
11. September 2011 vor dem Stadtpolizeikommando Steyr unter anderem an, dass er etwa genau auf Höhe zum Geschäftseingang der Firma x verkehrsbedingt anhalten musste, da der beteiligte Pkw dort auf der Fahrbahn stand und links blinkte. Er habe ca. 3 m hinter diesem Fahrzeug angehalten. Plötzlich sei der Lenker vor ihm zurückgefahren und er habe den Anstoß vorne an seinem Fahrzeug nicht verhindern können. Der Bw gab bei seiner zeugenschaftlichen Einvernahme am 11. September 2011 beim Stadtpolizeikommando Steyr unter anderem an, dass er vor seinem Wohnhaus auf der linken Fahrbahnseite eine Parklücke gesehen und deshalb sein Fahrzeug angehalten habe. Er habe den Blinker gesetzt und im Rückspiegel den beteiligten Pkw hinter ihm nachkommen sehen. Zu diesem Zeitpunkt sei kein Gang mehr eingelegt gewesen und er sei auf der Fußbremse gestanden. Während er wartete, dass ihm der Beteiligte das rückwärtige Einparken ermöglichte, habe er im Rückspiegel gesehen, dass er hinten auf ihn zukomme, worauf es dann zum Anstoß hinten an seinem Fahrzeug gekommen sei. Die Zeugin x gab bei ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme am 29. September 2011 beim Stadtpolizeikommando Steyr unter anderem an, gesehen zu haben, dass der x Pkw (KZ: x) gestanden sei, als dann der x x, KZ: x, zurückgeschoben habe und an den dahinter stehenden Pkw anfuhr.

 

3.2. Rechtlich beurteilend ist zu diesem Sachverhalt vorerst festzuhalten, dass es nicht Aufgabe der Verwaltungsstrafbehörde ist, die Verschuldensfrage am gegenständlichen Verkehrsunfall zu klären. Da die Bundespolizeidirektion Steyr dem Beschuldigten eine Übertretung des § 14 Abs.3 StVO 1960 zur Last gelegt hat, ist die Frage zur untersuchen, ob dem Bw eine schuldhafte Übertretung dieser Bestimmung zur Last gelegt werden kann.

 

Gemäß § 14 Abs.3 StVO 1960 muss sich der Lenker beim Rückwärtsfahren, wenn es die Verkehrssicherheit erfordert, von einer geeigneten Person einweisen lassen.

 

Die Inanspruchnahme eines Einweisers wird beim Rückwärtsfahren insbesondere dann notwendig sein, wenn die Verkehrslage oder die Bauart des Fahrzeuges dem Fahrer keine volle Sicht auf die Fahrbahn gewährt (OGH 8.9.1966, 11OS125/66, ZVR 1967/119).

 

Beim Rückwärtsfahren ist die Beiziehung eines Einweisers dann erforderlich, wenn trotz aufmerksamer Beobachtung ein großer toter Sichtwinkel verbleibt (OGH 16.03.1967, 11OS3/67, ZVR 1968/17).

 

Ob die Verkehrssicherheit einen Einweiser erfordert hätte, hängt nicht allein davon ab, ob es dabei zu einem Verkehrsunfall gekommen ist (VwGH 04.11.1971, 2113/70).

 

Betrachtet man nun die an der Vorfallsörtlichkeit aufgenommenen Lichtbilder der Bundespolizeidirektion Steyr, kann entgegen der Rechtsansicht der Behörde nicht davon ausgegangen werden, dass das Rückwärtsfahren einen Einweiser erfordert hätte. Die Ursache der Kollision des vom Bw gelenkten Pkws mit dem zweitbeteiligten Pkw kann durchaus in der mangelnden, jedoch gebotenen Aufmerksamkeit des Bw beim Rückwärtsfahren gewesen sein. Aufgrund der vorliegenden Sachverhaltskonstellation kann davon ausgegangen werden, dass durch einen ausreichenden Blick in den Rückspiegel grundsätzlich die Verkehrssicherheit, insbesondere die Vermeidung einer Kollision mit einem anderen Fahrzeug, gewährleistet ist. Die Interpretation der belangten Behörde auf den gegenständlichen Fall bezogen ist zu extensiv. Wäre sie zutreffend, müsste man regelmäßig, insbesondere bei regnerischem Wetter, von einem Pkw-Lenker verlangen, sich beim Rückwärtsfahren einweisen zu lassen.

 

Es kann sohin zusammenfassend nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Bw tatbildlich gehandelt hat, woraus die spruchgemäße Entscheidung resultiert.

 

4. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Dr. Johann Fragner

 

 

 

 

 

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