Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166567/6/Bi/Kr

Linz, 21.05.2012

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn F O, S, L, vom 8. Dezember 2011 gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors von Linz vom 29. November 2011, S53815/11 V1, wegen Übertretung der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am  21. Mai 2012 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungs­entscheidung) zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird insofern teilweise Folge gegeben, als nach Rückrechnung des Alkoholgehalts von 0,30 mg/l Atemalkoholgehalt (= 0,6 %o Blutalkoholgehalt) von 8.09 Uhr von einem Lenken eines Kraftfahrzeuges mit einem Blutalkohol­gehalt zur Unfallzeit von mehr als 0,75 %o, aber weniger als 0,8 %o ausgegangen wird und sohin eine Übertretung gemäß §§ 14 Abs.8 iVm 37a FSG vorliegt. Die Geldstrafe wird mit 700 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe mit
5 Tagen neu bemessen.

 

II. Der Beitrag zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz ermäßigt sich auf 70 Euro; ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfällt.

 

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 44a Z1, 2 und 3 und 19 VStG

zu II.: §§ 64f VStG

 


Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 5 Abs.1 iVm 99 Abs.1b StVO 1960 eine Geldstrafe von 800 Euro (7 Tagen EFS) verhängt, weil er am
1. November 2011, ca 6.00 Uhr, in 4030 Linz, Wiener Straße stadteinwärts, Höhe Nr.680 bzw Strkm 178.21 und 178.4, den Pkw X in einem durch Alkohol beeinträchtigten und fahruntüchtigen Zustand gelenkt habe, da bei einer Messung mittels Atemluftalkoholmessgerätes und anschließender Rückrechnung mittels eines medizinischen Sachverständigen-GA ein Alkoholgehalt der Atemluft von 0,441 mg/l festgestellt werden habe können.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 80 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 21. Mai 2012 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Bw durchgeführt. Die Vertreterin der Erstinstanz war entschuldigt. Die Berufungsent­scheidung wurde mündlich verkündet.   

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er bemängle den errechneten Alkoholgehalt von 0,442 mg/l.

In der Berufungsverhandlung führte er dazu näher aus, er erinnere sich an den Unfall im Sinne des Aufpralls an Bäume. Er sei offenbar aus dem Beifahrer-Seitenfenster geschleudert worden und in einer schmerzhaften Position seiner rechten Schulter hängen geblieben. Er habe daher versucht, sich möglichst schnell aus dieser Lage zu befreien und sei zur B1 gelangt, wo um diese Zeit nur sehr wenig Verkehr gewesen sei. Er habe den in der Anzeige genannten Lenker angehalten, wobei er nicht sagen könne, ob dieser die Rettung und die Polizei verständigt habe oder die Polizei automatisch verständigt werde. Es sei richtig, dass er die Unfallzeit nicht exakt angeben könne, aber er meine, dass es aufgrund seiner unfallbedingten Schmerzen nicht so lange gedauert habe, bis er zur B1 gelangt sei. Es könne sich daher auch um weniger als eine halbe Stunde gehandelt haben; dieser Umstand solle nicht zu seinem Nachteil gewertet werden.

 


4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Bw gehört und die Ausführungen der Erstinstanz in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses berücksichtigt wurden.

 

Auszugehen ist ohne Zweifel davon, dass der Bw nach einem Verkehrsunfall am 1. November 2011 an der B1 im Bereich von ca Strkm 178.3 einen vorbei­kommenden Lenker anhielt, der aufgrund der offensichtlichen Verletzungen des Bw die Rettung verständigte. Laut Anzeige erfolgte die erstmalige Verständigung der Meldungslegerin RI X, PI Ebelsberg, um 6.38 Uhr. Beim Eintreffen der Streife war der Bw bereits von der Rettung versorgt und nachdem geklärt war, dass er sich alleine im verunfallten Pkw befunden hatte, wurde er ins AKH Linz gebracht. Aufgrund des Alkoholgeruchs der Atemluft erfolgte im AKH ein Alkotest mit dem Atemluftalkoholmessgerät Dräger Alcotest 7110A, Nr.ARLH-0096, zuletzt vorher geeicht im September 2011. Der von beiden Blasversuchen günstigste Atem­alkohol­wert betrug um 8.09 Uhr 0,30 mg/l.

Ausgehend davon und von den Angaben des Bw, der sich laut Anzeige im AKH sinngemäß geäußert hatte, dass der Zeitraum, den er nach dem Unfall benötigt habe, um zur Straße zu gelangen, etwa eine halbe Stunde betragen habe, wurde von der Erstinstanz eine Lenkzeit von ca 6.00 Uhr angenommen und eine Rückrechnung durch den Polizeiarzt Herrn Dr. G veranlasst. Ausgehend von 0,30 mg/l AAG um 8.09 Uhr errechnete dieser für die Unfallzeit 6.00 Uhr, dh
2 Stunden und 9 Minuten vor dem Alkotest von 8.09 Uhr, einen AAG von 0,441 mg/l.   

Weiters befindet sich im Verfahrensakt eine weitere Berechnung, bei der unter Zugrundelegung einer Unfallzeit von 6.38 Uhr, dh eine Rückrechnung für eine Stunde und 31 Minuten, ausgehend von 0,30 mg/l AAG um 8.09 Uhr, ein AAG von 0,400 mg/l errechnet wurde.   

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist die Unfallzeit nicht mehr konkret festzustellen, weil es dafür keine objektiven Beweise gibt. Auch aus der Anzeige geht hervor, dass sich bei den Erhebungen keine exakte Zeit ergeben habe. Allein aufgrund der Äußerung des Bw, er meine, er habe vom Unfall bis zur B1 etwa eine halbe Stunde gebraucht, erfolgte die Zugrundelegung einer Unfallzeit von "ca 6.00 Uhr" im Schuldspruch.

Fest steht nur die erstmalige Verständigung der Meldungslegerin um 6.38 Uhr; dabei handelt es sich offenbar um die Zeit der Unfallmeldung durch den auf der B1 vom Bw angehaltenen Lenker – möglicherweise über eine Leitstelle, was aber keine wesentliche Verzögerung bedeutet hat. Unsicherheiten ergeben sich daraus, dass keine Aussage dazu getroffen werden kann, wie lange der Bw wegen des geringen Verkehrsaufkommens an der B1 warten musste und wie lange er tatsächlich vom Unfallort, einem Wald unterhalb der Böschung an der B1 stadteinwärts, bis zur B1 gebraucht hat. 6.38 Uhr war mit Sicherheit nicht die Unfallzeit, sodass diese Berechnungen so nicht zu verwerten sind.

 

Rechnet man von 8.09 Uhr 0,30 mg/l AAG, der einem BAG von 0,6 %o entspricht, auf 6.38 Uhr zurück, ergibt das bei einem – günstigsten – stündlichen Abbauwert von 0,1 %o für 1,5 Stunden 0,15 %o, sohin 0,6 + 0,15 = 0,75 %o BAG.

Rechnet man weiter auf die von Bw zunächst angegebene halbe Stunde, ergäbe das eine Unfallzeit 6.09 Uhr, dh Rückrechnung für insgesamt 2 Stunden 0,2 %o +0,6 %o = 0,8 %o.

 

Die Berechnungen des Polizeiarztes gehen von einem stündlichen Abbauwert zwischen günstigstenfalls 0,066 mg/l AAG (= 0,132 %o BAG) und 0,115 mg/l AAG (= 0,23 %o BAG) aus.

Dabei darf aber keinesfalls übersehen werden, dass es sich dabei nicht um eine beim Bw gemessene reale stündliche Abbaurate, sondern nur um einen rein fiktiven Wert handelt, der den Berechnungen zugrundegelegt wird. Gegenüber der (früher auch bei der Erstinstanz üblichen) Rückrechnung unter Zugrunde­legung eines stünd­lichen Abbauwertes von 0,1 bis 0,2 %o ergibt die nunmehr herangezogene Umrechnungsformel in mg/l eine im Grunde letztlich nicht zu recht­fertigende Benachteiligung für den Beschuldigten im Verwaltungsstraf­verfahren.

 

In rechtlicher Hinsicht geht der Unabhängige Verwaltungssenat daher unter Zugrundelegung eines nach ständiger Rechtsprechung des VwGH für den Bw günstigen stündlichen Alkoholabbauwertes von 0,1 %o (vgl E 16.12.2011, 2011/02/0344; 25.6.2010, 2009/02/0308; 14.12.2007, 2007/02/0023; 16.2.2007, 2006/02/0090; 18.7.1997, 97/02/0263; uva) nach dem Zugunsten-Prinzip im ggst Fall davon aus, dass trotz der unbekannten exakten Unfallzeit – die realistischerweise im Zeitraum zwischen 6.09 Uhr und 6.30 Uhr anzunehmen ist – angesichts des Umstandes, dass es für den Bw unter solchen Bedingungen schwierig ist, eine Zeitspanne richtig einzuschätzen, die Wahrschein­lichkeit eher dafür spricht, dass der Bw einen BAG von über 0,75 %o oder etwas darüber, jedenfalls aber unter 0,8 %o hatte.  

 

Damit ist aber keine Verwaltungsübertretung nach §§ 5 Abs.1 iVm 99 Abs.1b StVO 1960 mehr gegeben, sondern erfüllt ein Lenken eines Kraftfahrzeuges mit einem derartigen Alkoholgehalt den Tatbestand einer Übertretung gemäß §§ 14 Abs.8 iVm 37a FSG.

 

Gemäß § 14 Abs.8 FSG darf ein Kraftfahrzeug nur in Betrieb genommen oder gelenkt werden, wenn beim Lenker der Alkoholgehalt des Blutes weniger als
0,5 %o oder der Alkoholgehalt der Atemluft weniger als 0,25 mg/l beträgt. In der Zusammenschau mit § 99 Abs.1b StVO 1960 ist der Tatbestand einer Übertretung nach dem FSG dann erfüllt, wenn ein Alkoholgehalt von 0,5%o und darüber aber weniger als 0,8 %o im Blut oder von 0,25 mg/l und darüber aber weniger als 0,4 mg/l in der Atemluft vorliegt.  

 

Gemäß § 37a FSG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist, sofern nicht auch ein Verstoß gegen § 99 Abs.1 bis 1b StVO 1960 vorliegt, zu bestrafen, wer entgegen der Bestimmung des § 14 Abs.8 ein Kraftfahrzeug in Betrieb nimmt oder lenkt.

 

Unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen war im Spruch nicht nur die Tatanlastung in der Formulierung anzupassen sondern waren gemäß § 44a Z2 und 3 VStG auch die übertretene Norm sowie die Strafnorm abzuändern. 

 

Auch die Strafbemessung hatte neu zu erfolgen, da der Strafrahmen des § 37a FSG von 300 Euro bis 3.700 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit bis zu sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht. Dabei sind gemäß dem letzten Satz des § 37a FSG auch der Grad der Alkoholisierung und die Häufigkeit der Verstöße zu berücksichtigen. 

 

Ausgehend von einem Atemalkoholgehalt von zweifellos zumindest 0,75 %o war die Geldstrafe im Bereich knapp unter der Mindeststrafe des § 99 Abs.1b StVO 1960 zu orientieren, während aber zu berücksichtigen war, dass der Bw zwar bislang unbescholten ist, aber in seinem Zustand einen Verkehrsunfall verschuldet hat, der sich jedoch weitgehend zu seinem Nachteil ausgewirkt hat. Die Voraus­setzungen einer Anwendung der §§ 20 oder 21 VStG waren nicht gegeben. Der Bw bezieht ein Einkommen von 1.200 Euro netto monatlich, hat keine Sorgepflichten und kein Vermögen.

Die nunmehr verhängte Strafe liegt unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 19 VStG im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens, hält generalpräventiven Überlegungen stand und soll den Bw schon im eigenen Interesse in Zukunft von der Begehung jeglicher Alkoholübertretungen abhalten.

Es steht ihm frei, bei der Erstinstanz als Vollstreckungsbehörde um die Möglichkeit der Bezahlung der Geldstrafe in Teilbeträgen anzusuchen. Die Ersatzfreiheitsstrafe ist im Verhältnis zur Geldstrafe angemessen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

 

Unfallzeit nicht exakt eruierbar, Rückrechnung mit 0,1 ‰ / Stunde spricht für 0,75 ‰ oder darüber, sicher aber unter 0,8 ‰, daher Spruchänderung v.
§ 99 Abs.1b in §§ 14 Abs.8 iVm 37a FSG

 

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