Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281376/25/Wim/Bu

Linz, 28.06.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 6. Kammer (Vorsitzende: Dr. Ilse Klempt, Berichter: Dr. Leopold Wimmer, Beisitzer: Mag. Thomas Kühberger) über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 24.11.2011, Ge96-103-2010 wegen Übertretung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 19.6.2012 zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben und das erstinstanzliche Straf­er­kenntnis aufgehoben.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 AVG iVm § 45 Abs. 1 Z1 VStG und 131 Abs. 1 Z19 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz-ASchG

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber wegen Übertretung des § 130 Abs. 5 iVm § 130 Abs. 1 Z19 und § 60 Abs. 1 ASchG iVm § 6 Abs. 8 Z1 und 3 Bauarbeiterschutzverordung – BauV eine Geldstrafe in der Höhe von 3500 Euro, bei Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 280 Stunden sowie ein 10%-iger Verfahrenskosten­beitrag verhängt.

 


Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen:

 

"Sie haben es als Arbeitgeber strafrechtlich zu verantworten, dass bei einer Unfallerhebung durch das Arbeitsinspektorat Vöcklabruck am 19.04.2010 und am 27.05.2010 im Betrieb und am Unfallort, folgendes festgestellt wurde:

 

Die am 09.04.2010 durch den damaligen Arbeitnehmer X durchgeführten Felsräumungsarbeiten im Bereich der Standseilbahn zum X (X) wurden nicht so durchgeführt, dass ein wirksamer Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer gemäß § 60 Abs. 1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz erreicht wurde, da dieser bei den am 09.04.2010 durchgeführten Zugangs- und Positionierungsverfahren nur durch ein Statikseil gesichert war. Ein Sicherungsseil war nicht vorhanden. Ein wirksamer Mindestschutz liegt gemäß § 6 Abs. 8 Z. 1 und 3 Bauarbeiterschutzverordnung vor. Dieses Seil (Arbeitsseil) hatte eine Länge von 35 Meter und 11 mm Durchmesser. Als selbstsicherndes System wurde das Abseilgerät "Grigri" der Fa. X verwendet, jedoch wies das Seilende des Arbeitsseils kein sicheres Mittel für das Abseilen auf. Das Seilende war ungesichert, obwohl bei Zugangs- und Positionierungsverfahren unter Zuhilfenahme von Seilen folgenden Bedingungen erfüllt sein müssen:

1. Das System muss mindestens zwei getrennt voneinander befestigte Seile umfassen, wobei eines als Zugangs-, Absenk- und Haltemittel (Arbeitsseil) und das andere als Sicherungsmittel (Sicherungsseil) dient. Wenn die Ermittlung und Beurteilung der Gefahren ergibt, dass die Verwendung eines zweiten Seils wegen außergewöhnlicher Umstände eine größere Gefährdung bei den Arbeiten bewirken würde, ist abweichend davon die Verwendung eines einzigen Seils zulässig, sofern geeignete Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit der Arbeitnehmer getroffen worden sind.

2. Das Arbeitsseil muss mit sicheren Mitteln für das Aufseilen und Abseilen ausgerüstet sein; es muss ein selbstsicherndes System umfassen, das in den Fällen, in denen der Anwender die Kontrolle über seine Bewegungen verliert, einen Absturz verhindert. Das Sicherungsseil ist mit einer bewegungssynchron mitlaufenden beweglichen Absturzsicherung auszurüsten. Wenn die Ermittlung und Beurteilung der Gefahren dies rechtfertigt, ist es zulässig, die mit dem Sicherungsseil verbundene bewegliche Absturzsicherung nicht bewegungs­synchron auszuführen."

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber rechtzeitig eine begründete Berufung erhoben und darin zusammengefasst im Wesentlichen die Mangelhaftigkeit des Verfahrens durch Übergehung von Beweisanboten sowie eine unrichtige rechtliche Beurteilung, dass es sich bei der Übertretung um Bauarbeiten gehandelt habe und Bauarbeiterschutzverordnung anwendbar sei, vorgebracht. In eventu wurde auch die Strafhöhe bekämpft.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung in der neben dem Berufungswerber auch der anzeigende Arbeitsinspektor sowie zwei an den Arbeiten beteiligte Arbeitnehmer einvernommen wurden.

 

In der öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde seitens des Arbeitsinspektorates klargelegt, dass die Anzeige und die dort erfolgte Anführung der Bauarbeiterschutzverordnung lediglich den technischen Standard zur Durchführung von Arbeitsvorgängen im Sinne des § 60 ASchG bezeichnet habe und daher eine Übertretung gemäß § 131 Abs. 1 Z19 ASchG angezeigt wurde und auch bestraft werden sollte und nicht die Durchführung von Bauarbeiten und eine Übertretung der Bauarbeiterschutzverordnung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

Nach dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wurde eindeutig die nicht ordnungsgemäße Durchführung von Felsräumungsarbeiten gemäß § 60 Abs. 1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz vorgeworfen. Zu Recht geht die Erstbehörde nicht davon aus, dass die Bauarbeiterschutzverordnung direkt anwendbar sei und scheidet somit auch eine Bestrafung nach § 130 Abs. 5 ASchG wegen Übertretung dieser Verordnung aus.

 

Die angeführte Strafnorm des § 131 Abs. 1 Z19 ASchG lautet, dass eine Verwaltungsübertretung begeht, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen die Verpflichtungen betreffend die Gestaltung von Arbeitsvorgängen oder die Gestaltung oder Einrichtung von Arbeitsplätzen verletzt.

 

Im Straferkenntnis wurde aber die mangelhafte Durchführung eines Arbeitsvorganges, nämlich der Felsräumarbeiten bestraft. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis 2007/02/0273 vom 14.12.2007 ausgesprochen, dass unter Gestaltung nicht etwa auch die Durchführung von Arbeitsvorgängen gemeint sein kann und somit diesbezüglich keine Strafbarkeit vorliegt. Für die Strafbestimmungen ist auf dem Boden des Art. 7 EMRK im Zusammenhalt mit § 1 Abs. 1 VStG der Grundsatz zu beachten, dass eine Tat nur bestraft werden darf, wenn sie gesetzlich vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war und strafgesetzliche Vorschriften das strafbare Verhalten unmiss­verständlich und klar erkennen lassen.

Die dem Berufungswerber vorgeworfene Tat betreffend die nicht ordnungsgemäße Durchführung eines Arbeitsvorganges bildet daher nach der von der belangten Behörde herangezogenen Vorschrift des § 130 Abs. 1 Z19 ASchG keine Verwaltungsübertretung. Zur näheren Begründung kann auf den Volltext des angeführten VwGH-Erkenntnisses und auf die darin bezogenen Entscheidungen verwiesen werden.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils durch einen Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

 

 

 

 

 

 

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