Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-310480/2/Kü/HK

Linz, 06.07.2012

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Thomas Kühberger über die Berufung des Herrn N A, M, W vom 14. Dezember 2011 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 23. November 2011, UR96-34-2011, wegen Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 zu Recht erkannt:

 

 

I.         Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene     Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren            eingestellt

 

II.        Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG),

zu II.: § 66 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 23. November 2011, UR96-34-2011, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) wegen einer Verwaltungsübertretung nach Artikel 36 Abs.1 der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Verbringung von Abfällen iVm § 79 Abs.1 Z15a und § 80 Abs.1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) eine Geldstrafe von 730 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 7 Stunden verhängt.

 

Diesem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde:

"Sie haben am 16.05.2011 um ca:16:00 Uhr die Verbringung folgender Altfahrzeuge, die als gefährliche Abfälle zu qualifizieren sind,

            Nissan Sunny, rot, 5-türig

            Honda Civic HB, 1,4 i, silber

            Mazda 323 HB, 3-türig, grün

            Mazda323 Sedan, rot

            Mazda 323, grau

            Honda Civic, 1,6 SR, blau-metallic

            Nissan Sunny, 1,6 LX, Sedan, grau

            Nissan Almera, 4-türig, SLX, rot

            VW Vento, Benzin, silber,

welche sich auf LKW-Zug mit dem behördlichen deutschen Kennzeichen X und dem behördlichen deutschen Kennzeichen des Anhängers Y, befanden, das am Parkplatz nach der Autobahnabfahrt Pichl bei Wels in Fahrtrichtung Deutschland (bei km 25) angehalten wurde, nach Nigeria zu veranlassen versucht, obwohl die Verbringung von Altfahrzeugen und Unfallautos mit umweltgefährdenden Flüssigkeiten und anderen gefährlichen Komponenten, die als gefährlicher Abfall einzustufen sind, in Nicht-OECD-Staaten bzw. Staaten, die den OECD-Ratsbeschluss C (2001)107 noch nicht umgesetzt haben, auf Grund des Exportbannes für gefährliche Abfälle verboten ist, wobei für Nigeria als Nicht-OECD-Staat dieser Exportbann jedenfalls gilt."

 

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung, in der die Aufhebung des Straferkenntnisses beantragt wird. Begründend wird vom Bw festgehalten, dass er ein Autotransportunternehmen und keine Werkstatt führe und er kein Sachverständiger sei. Selbst die geschulten Mitarbeiter des Zolls hätten nicht erkennen können, ob es sich bei den Altfahrzeugen um Abfall handle und hätten deshalb einen Sachverständigen beigezogen. Es habe sich um fahrbereite, nicht ausgeschlachtete Fahrzeuge gehandelt. Alle Fahrzeuge, die er am 16.05.2011 in M geladen habe, seien eigenständig fahrbereit, nicht unfallbeschädigt und durchwegs mit Pickerl versehen gewesen. Dies sei auch behördlicherseits bestätigt worden. Somit stelle sich die Frage nach Abfall gar nicht, da alle Fahrzeuge in Österreich ohne größeren Reparaturaufwand hätten zugelassen werden können. Unfallbeschädigte Fahrzeuge, ausgeschlachtete Fahrzeuge oder solche, die nicht eigenständig fahrbereit gewesen seien, würden von ihm nicht befördert, da diese die besagten Kriterien erfüllen würden und außerdem erhebliche Probleme bereiten würden. Er sei genauso an einer freundschaftlichen Zusammenarbeit zur Klärung des Falls interessiert.

 

Die angedrohte Strafe stelle ein sehr großes finanzielles Problem dar. Er habe durch den Vorfall 2 Tage Umsatzverlust und eine Leerfahrt von 800 km selbst tragen müssen, obwohl er nichts verkehrt gemacht habe. Sollte er jetzt unberechtigterweise noch eine Strafe zahlen müssen, würde ihn das sehr nahe an den Ruin bringen.

 

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hat die Berufung samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt mit Schreiben vom 19. Dezember 2011 vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 51e Abs.2 VStG abgesehen werden, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist.

 

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. § 79 Abs.1 Z 15a AWG 2002 lautet: Wer eine Verbringung von Abfällen, die nicht im Einklang mit § 69 Abs. 7 oder mit den Art. 34, 36, 39, 40, 41 oder 43 der EG-VerbringungsV steht, vornimmt, begeht – sofern die Tat nicht in den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist – eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 730 Euro bis 36.340 Euro zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 3.630 Euro bedroht.

 

§ 80 Abs.1 AWG besagt: In den Fällen des § 79 Abs.1 Z1 in Verbindung mit § 15 Abs.3 letzter Satz, § 79 Abs.1 Z7, § 79 Abs.1 Z15a, § 79 Abs.2 Z3 in Verbindung mit § 15 Abs.3 letzter Satz und § 79 Abs.2 Z18, 19, 20 oder 22 ist der Versuch strafbar.

 

5.2. Dem Bw wird vorgeworfen, die Ausfuhr von gefährlichem Abfall (nach Type aufgelistete Kfz) von Österreich nach Nigeria versucht zu haben.

 

Gem. § 8 Abs.1 VStG unterliegt, sofern eine Verwaltungsvorschrift den Versuch einer Verwaltungsübertretung ausdrücklich für strafbar erklärt, der Strafe, wer vorsätzlich eine zur wirklichen Ausübung führende Handlung unternimmt.

 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, das heißt, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Es muss daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Neben der Anführung des objektiven Tatbestandes bedarf es der Nennung subjektiver Tatbestandselemente (der Schuldform) im Spruch in der Regel nur dort, wo der betreffende Tatbestand ein spezifisches Verschulden erfordert (VwGH vom 30.4.1992, 90/10/0039).

 

Unter Hinweis auf § 8 Abs 1 VStG kann wegen des Versuchs einer Verwaltungsübertretung nur bestraft werden, wer vorsätzlich eine zur wirklichen Ausübung führende Handlung unternimmt. Somit ist das vorsätzliche Verhalten der betreffenden Person ein wesentliches Tatbestandsmerkmal, welches in den Tatvorwurf aufgenommen werden muss, ansonsten der Tatvorwurf nicht dem § 44a Z 1 VStG entspricht.

 

Diesen Anforderungen entspricht der Tatvorwurf des Straferkenntnisses nicht, zumal dem Bw vorgeworfen wird die Verbringung "zu veranlassen versucht" zu haben. Die Schuldform des Tatbestandes des § 79 Abs.1 Z 15a iVm § 80 Abs.1 AWG 2002 ist dem Beschuldigten innerhalb der gesetzlichen Verfolgungsverjährungsfrist von einem Jahr (§ 81 Abs.1 AWG 2002) nicht angelastet worden. Überdies wäre die vorsätzliche Begehungsweise im durchzuführenden Verwaltungsstrafverfahren auch entsprechend nachzuweisen und in beschreibender Weise in den Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmen, wobei der alleinige Tatvorwurf "vorsätzlich versucht zu haben" dem Erfordernis der Konkretisierung dieses Tatbestandselements nicht genügen würde. Der Begründung des gegenständlichen Straferkenntnisses ist allerdings zu entnehmen, dass die Behörde zumindest von leicht fahrlässigen Verhalten des Bw ausgeht. Zudem ergibt sich aus dem Vorbringen des Bw, welches auch durch die im Akt einliegenden Kopien der von den Fahrzeugen aufgenommenen Lichtbilder unterstützt wird, dass beim Bw ein Bewusstsein über die Abfalleigenschaft der Fahrzeuge offensichtlich nicht vorhanden war. Im Hinblick auf die angelastete Tatzeit 16.5.2011 ist zwischenzeitig Verfolgungs­verjährung eingetreten. Aus diesem Grunde war das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungs­strafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte und das Strafverfahren eingestellt wurde, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 VStG.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Thomas Kühberger

 

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