Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166877/10/Bi/Kr

Linz, 12.07.2012

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vertreten durch X, vom 13. April 2012 gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors von Linz vom 27. März 2012, S-47221/11-VP, wegen Übertretung der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 4. Juli 2012 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungs­entscheidung) zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 Z1 und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 17 Abs.1 iVm 15 Abs.4 und
99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 70 Euro (32 Stunden EFS) verhängt, weil er am 1. Oktober 2011 um 21.35 Uhr in Linz, Obere Donaulände, in Fahrt­richtung stadteinwärts, rechter Fahrstreifen, kurz vor der Einmündung Abfahrt Nibelungenbrücke bzw vor der Baustelle unter der Brücke, den Klein-Lkw          X gelenkt und beim Vorbeifahren an einer stehenden Person (Verkehrs­posten) diese gefährdet habe, da ein zu geringer Seitenabstand eingehalten und die Fußgängerin mit dem Außenspiegel seines Fahrzeuges gestreift worden sei.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 7 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 4. Juli 2012 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Bw, seiner Rechtsvertreterin Frau X, der Vertreterin der Erstinstanz Frau X und der Zeugin X (E) durchgeführt. Der ebenfalls geladene Zeuge X (H) war entschuldigt. Die Berufungs­entscheidung wurde mündlich verkündet.

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er habe bei Fortsetzung seiner Fahrt die Frau nicht berührt, er sei normal langsam gefahren. An seinem Fahrzeug seien keine Spuren einer Berührung festgestellt worden, obwohl sich dort Staub und Dreck befunden habe. Das sei auch vom Polizisten bei seiner Einvernahme mittels Foto festgehalten worden. Er habe niemanden gefährdet. Die Frau sei neben seinem Fahrzeug gestanden mit einigem Abstand zum Seitenspiegel. Er habe sie mit dem Spiegel nicht berührt. Dass sie durch die Streifung mit seinem Fahrzeug zur Seite gedreht worden sein solle, könne er nicht nachvollziehen. Sie sei etwas gewankt und vermutlich beim Weggehen von seinem Fahrzeug ins Stolpern gekommen. Als er die Fahrt fortgesetzt habe, sei sie in einigem Abstand zu seinen Fahrzeug gestanden, sodass eine gefahrlose Weiterfahrt möglich gewesen sei. So etwas sei ihm noch nie passiert, er sei normalerweise ein rück­sichtsvoller Autofahrer. Beantragt wird Verfahrenseinstellung, in eventu Straf­herab­setzung wegen seiner Unbescholtenheit und des geringen Einkommens.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der beide Parteien gehört und die Zeugin E unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB einvernommen wurde. Die Aussagen des Zeugen H im E-Mail vom 3. Oktober 2011 (Aktenseite 15) und vom 26. März 2012 vor der Erstinstanz wurden verlesen. Ebenso wurden die Fotos der Lichtbildbeilage zur Anzeige eingesehen und erörtert.

 

Folgernder Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Auf der Oberen Donaulände unter der Nibelungenbrücke war am 1. Oktober 2011 eine Baustelle eingerichtet. Dazu war der Verkehr auf den beiden in Richtung Untere Donaulände führenden Fahrstreifen auf einen einzigen, nämlich den rechten Fahrstreifen in Fahrtrichtung umzuleiten; diese Aufgabe wurde durch die Zeugin E, die als Verkehrsposten erkennbar gekleidet war, wahr­genommen.

 

In den Abendstunden führte diese Verkehrsregelung zu einem Stau auf der Oberen Donaulände zurück bis zum Römerbergtunnel, was sowohl die Zeugin E als auch der Bw in der Verhandlung bestätigten. Als der Bw gegen 21.35 Uhr diesen Straßenabschnitt befuhr, stand die Zeugin E nach eigenen Angaben bereits seit 18.30 Uhr als Verkehrsposten etwa auf Höhe der Bushaltestelle "Roter Krebs". Sie führte in der Verhandlung glaubhaft aus, eigentlich sei beabsichtigt gewesen, die auf zwei Fahrstreifen ankommenden Fahrzeuge nach dem Reißverschlusssystem auf den rechten Fahrstreifen einordnen zu lassen, was ihr aber nicht immer gelungen sei, weil oft mehrere Fahrzeuge auf einmal weitergefahren seien, sodass das Einordnen "pulkweise" erfolgt sei.

Die Zeugin E hat ihre Position so beschrieben, dass sie mit dem Rücken zu den ankommenden Fahrzeugreihen gestanden sei und sich einmal nach links und einmal nach rechts umgedreht und den Lenkers jeweils angezeigt habe, sie sollten weiterfahren. Sie sei selbst in der Mitte zwischen den beiden Kolonnen gestanden; mit dem Rücken zu den Lenkern deshalb, weil sie sich gleichzeitig vergewissern habe müssen, dass der Verkehr auf dem weiterführenden einzigen Fahr­streifen nicht in Stocken geraten sei.

 

Sowohl der Bw als auch die Zeugin E haben die konkret in Rede stehende Situation so geschildert, dass die Zeugin E Fahrzeuge auf dem linken Fahrstreifen die Weiterfahrt angedeutet habe, während der Bw mit seinem Klein-Lkw auf dem rechten Fahrstreifen gewartet habe und mehrere Fahrzeuge von links einordnen ließ. Dann sei laut Bw ein "Loch" in der Kolonne gewesen und der 1. Pkw danach war der des Zeugen H – das ergibt sich zweifellos aus dessen Schilderungen im E-Mail und vor der Erstinstanz. Die Zeugin E gestattete dem Zeugen H die Weiterfahrt und gab gleichzeitig dem Bw, der das Seitenfenster offen hatte, verbal zu verstehen,  möge diesen Pkw noch einordnen lassen. Daraufhin maulte der Bw, er wolle nicht mehr warten und habe ohnehin schon so viele  Fahrzeuge einordnen lassen, und begann nach eigenen Angaben langsam mit dem Klein-Lkw anzufahren. Er beschrieb seine Position dabei so, dass sich der Pkw H etwas nach hinten versetzt seitlich links von ihm befunden habe; die Zeugin E sagte hingegen aus, der Zeuge H sei mit dem Pkw schon so weit nach links zum Umspuren eingeordnet gewesen, dass sie ihn aus diesem Grund noch weiter­fahren lassen wollte. Nach ihren Angaben stand sie zu diesem Zeitpunkt wieder mit dem Rücken zu den Lenkern und gestikulierte mit den Armen. Der Bw sei "mit 10 bis 15 km/h" angerollt und habe sie im Zuge ihres Gestikulierens ganz leicht mit dem linken Außenspiegel am Oberarm bzw im Ellbogenbereich berührt, sei danach aber weitergefahren. Der Bw hat die Position der Zeugin E zu diesem Zeitpunkt weiter weg von seinem Klein-Lkw beschrieben und eine Berührung vehement ausgeschlossen – auf den Fotos vom Außenspiegel ist tatsächlich weder eine Schmutzspur noch sonst etwas zu sehen, das auf eine Berührung schließen lassen könnte.

 

Bei den Unfallerhebungen hatte die Zeugin E ursprünglich ausgesagt, der Bw habe sie gestreift, sodass "es sie zur Seite gedreht habe"; sie habe drei Tage leichte Schmerzen gehabt, sei aber nicht im Krankenstand gewesen und habe auch an diesem Abend weitergearbeitet; eine Verletzungsanzeige wurde nicht vorgelegt. In der Verhandlung hat die Zeugin bestätigt, diese Berührung sei sehr leicht bzw "gar nichts" gewesen, sei wahrscheinlich durch ihre Bewegungen im Zuge des Regelns des Verkehrs erfolgt und sie selbst hätte nie die Polizei verständigt, wenn nicht der Zeuge H, der auch das Kennzeichen notiert habe, darauf bestanden hätte, sie müsse die Polizei anrufen, das Verhalten des Bw sei "gemein­gefährlich"; er werde als Zeuge fungieren. Tatsächlich schrieb der Zeuge H das E-Mail vom 3. Oktober 2011 an das SPK Linz, in dem er den Vorfall so beschrieb, dass der Bw entgegen den Anordnungen der Zeugin E unvermittelt Gas gegeben habe, 10 bis 15 m vor gefahren sei und dabei die Zeugin E mit dem linken Außenspiegel am Arm quasi weggerempelt habe, die sich dabei um ca eine halbe Körper­drehung verdreht habe, aber nicht zu Sturz gekommen sei.

 

Der Bw führte aus, die Zeugin E sei nicht stillgestanden sondern immer "hin und her getänzelt", einmal zu seinem Klein-Lkw, einmal von ihm weg. Die Zeugin E habe sich auch nicht gedreht, sondern sei beim Weggehen gestolpert.

Die Zeugin E hat in der Verhandlung eindrucksvoll dargelegt, es habe sich um eine absolute Stresssituation gehandelt, ihr sei der lange Stau vollkommen bewusst gewesen und sie habe auch verstanden, dass die Lenker ungehalten gewesen seien. Es sei "einfach furchtbar" gewesen. Im Prinzip sei gar nichts passiert, sie hätte von sich aus nicht die Polizei verständigt und habe nicht einmal das Kennzeichen gewusst; sie habe nur wegen des Drängens des Zeugen H ange­rufen.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates nachvollziehbar, dass der Bw, der mit dem Firmenfahrzeug unterwegs war und nach überein­stimmenden Aussagen schon mehrere Fahrzeuge einordnen hat lassen, ebenso ungehalten über den Stau war wie auch andere Lenker. Seine Aussage in der Verhandlung, es habe sich beim Verkehrsposten nicht um einen Polizisten gehandelt, sondern um eine "herumtänzelnde" (aber erkennbar als Verkehrs­posten gekleidete) Frau, die er nicht ganz ernst genommen habe, ist jedoch insofern bedenklich, als die Anordnungen jedes Verkehrspostens – im ggst Fall handelte es sich um eine Verkehrsregelung wegen einer vorübergehende Baustelle – auf der Grund­lage des § 36 StVO 1960 zu befolgen sind, wobei diesbezüglich kein Unterschied zwischen Organen der Straßenaufsicht (zB Polizei­beamten) und Verkehrsposten (zB Baustellenregelung, Feuerwehr uä) besteht. Auch ist die beschriebene Situation insofern nachvollziehbar, als sich der Bw ja schon auf dem rechten Fahr­streifen befunden, dh seine Fahrlinie nicht geändert hat. Dass es sich bei der von der Zeugin E genannten Geschwindigkeit von 10 bis 15 km/h um eine  Schätzung handelt, liegt ebenso auf der Hand.  

Im Ergebnis ist aber auf der Grundlage der Aussagen der Zeugin E nicht gänzlich auszuschließen, dass der Bw beim – wenn auch wegen der Anordnung der Zeugin E als Verkehrsposten unerlaubten – Anfahren aufgrund des zu diesem Zeitpunkt bestehenden Abstandes der Zeugin E nicht damit rechnen musste, dass diese durch ausholendes Gestikulieren mit dem Armen von sich aus den Seitenabstand zum linken Außenspiegel des vom Bw gelenkten Fahrzeuges so verkleinern würde, dass es schließlich zu einer – ausschließlich durch das Verhalten der Zeugin verursachten – Berührung kam, die aber nicht keinen wie immer gearteten Personenschaden im Sinne der Bestimmungen des § 4 StVO 1960 zur Folge hatte. In rechtlicher Hinsicht war aus diesen Überlegungen im Zweifel zugunsten des Bw spruchgemäß zu entscheiden, wobei Verfahrens­kosten­beiträge nicht anfallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

Beschlagwortung:

 

Verkehrsposten trotz Anordnung zum Einordnen lassen beim Anfahren am Arm gestreift (kein VU) -> Seitenabstand ev. durch ausholendes Gestikulieren des Verkehrspostens -> Einstellung im Zweifel

 

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