Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166663/15/Fra/REI/CG

Linz, 14.08.2012

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des x, x, x vertreten durch Herrn Rechtsanwalt x, x, x, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 02.01.2012, AZ: S 25989/11-3, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Zurückweisung einer Berufung als verspätet, zu Recht erkannt:

 

 

      I.      Der Antrag vom 28.10.2011 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

Der – rechtzeitig eingebrachten – Berufung vom 28.10.2011 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 26.07.2011, AZ: S 25989/11-3, wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

  II.      Der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu entrichten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:    § 66 Abs.4 iVm § 71 AVG; §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 VStG;

zu II.:   §§ 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

I.1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit Straferkenntnis vom 26.07.2011, AZ: S-25989/11-3, über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 1 Abs.3 FSG gemäß § 37 Abs.1 iVm  § 37 Abs.4 Z1 leg.cit. eine Geldstrafe von 726 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Tage) verhängt, weil er am 06.06.2011 um 11.15 Uhr in Linz, x, das KFZ, x, gelenkt hat, ohne im Besitz einer von der Behörde erteilten, gültigen Lenkberechtigung für die Klasse "B" zu sein, da ihm die Lenkberechtigung bescheidmäßig entzogen wurde. Laut Zustellnachweis wurde dieses Straferkenntnis am 29.07.2011 durch Hinterlegung beim Postamt 4040 Linz zugestellt.

 

Mit Schriftsatz vom 28.10.2011 (bei der Bundespolizeidirektion Linz am 31. Oktober 2011 eingelangt) stellte der Bw durch seinen ausgewiesenen Vertreter gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen das oa. Straferkenntnis einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Weiters legte er gegen dieses Straferkenntnis Berufung ein. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 02.01.2012, AZ: S 25989/11-3, wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen und die Berufung als verspätet zurückgewiesen.

 

I.2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch den ausgewiesenen Vertreter eingebrachte Berufung.

 

I.3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat durch ergänzende Beweisaufnahme sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 21. Mai 2012 durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied (§ 51c erster Satz VStG) erwogen:

 

Sachlage:

In seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 28.10.2011 bringt der Bw vor, dass er durch die Zustellung des Bescheides der Bundespolizeidirektion Linz zu Zl. FE-704/2011 vom 12.10.2011 (per 18.10.2011) davon Kenntnis erlangt habe, dass gegen ihn ein Straferkenntnis erlassen worden wäre, aufgrund dessen ihm mit dem genannten Bescheid FE-704/2011 die Lenkberechtigung für die Klasse B für eine Dauer von 3 Monaten ab Rechtskraft dieses Bescheides entzogen worden ist. Daraufhin habe er seinen Rechtsvertreter ersucht, bei der BPD Linz nachzuforschen und habe dieser am 21.10.2011 eine Kopie des gegenständlichen Straferkenntnisses ausgehändigt erhalten. Es sei daher die 14-tägige Frist gemäß § 71 Abs.2 AVG zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages gewahrt. Inhaltlich führte der Bw unter anderem aus, dass ihm durch die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen das oa. Straferkenntnis ein bedeutender Nachteil erwachse, zumal einerseits zu Unrecht über ihn eine Geldstrafe von 726 Euro verhängt wurde, andererseits dieses Straferkenntnis einen zwingenden Führerscheinentzug zur Folge hätte. Im gegenständlichen Fall habe er trotz täglicher Kontrolle seines Postfaches keine Verständigung über die am 28.07.2011 vorgenommene Hinterlegung vorgefunden, weshalb er keine Möglichkeit hatte, von dem Zustellvorgang durch Hinterlegung Kenntnis zu erlangen. Er sei daher an der rechtzeitigen Ergreifung einer Berufung und sohin der Einhaltung der dafür vorgesehenen Frist gehindert worden. An dieser Fristversäumung treffe ihn kein Verschulden, zumal er – schon aufgrund der Vorgeschichte, die überhaupt zum gegenständlichen Straferkenntnis geführt habe, wobei es ebenfalls zu Problemen mit der Zustellung gekommen sei – laufend sein Postfach kontrolliert habe. Dennoch sei ihm trotz genauer Überprüfung (er hatte ja die Zustellung eines Schriftstückes der BPD Linz erwartet) keine Verständigung über einen Zustellversuch bzw. über eine Hinterlegung aufgefallen. Er könne sich dies nur dadurch erklären, dass möglicherweise jemand die Hinterlegungsanzeige aus dem Postfach entnommen habe, oder diese – was er sich jedoch aufgrund seiner sorgfältigen Kontrolle nicht vorstellen könne – versehentlich mit der Werbepost entsorgt worden wäre.

 

Da sohin insgesamt sämtliche Voraussetzungen für die Bewilligung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen das oa. Straferkenntnis gegeben sind, hole er hiemit die versäumte Prozesshandlung nach und erhebe gegen das oa. Straferkenntnis, zugestellt durch Hinterlegung am 28.07.2011, Berufung.

 

In seinem Rechtsmittel bringt der Bw vor, dass die Strafbarkeit des ihm zur Last gelegten Verhaltens Verschulden voraussetze und damit jedenfalls zumindest  Kenntnis der Tatsache, dass ihm die Lenkberechtigung für die Klasse B bescheidmäßig entzogen worden ist, die jedoch beim Lenken des genannten Kraftfahrzeuges zum vermeintlichen Tatzeitpunkt nicht vorhanden gewesen sei. Tatsächlich habe er erst durch die Aushändigung einer Vollstreckungsverfügung vom 20.05.2011, GZ: FE 400/2011, durch Herrn Insp. x Kenntnis von der Existenz des Entzugsbescheides seines Führerscheines (Mandatsbescheid vom 28.03.2011) erlangt. Die Aushändigung des Führerscheinentzugsbescheides habe jedoch erst am Nachmittag des 06.06.2011, sohin nach der vermeintlichen Übertretung stattgefunden, die zur Erlassung des gegenständlichen Straferkenntnisses geführt hat. Konkret war es so, dass ihn ein Mitarbeiter der Polizeiinspektion x am Vormittag angerufen und gebeten habe, bei der PI vorbeizukommen, zumal ihm ein Brief zugestellt werden solle. Er wurde auch darauf hingewiesen, einen Lichtbildausweis mitzunehmen. Als er dann bei der PI x vorgesprochen habe, habe ihn Herr Gr. Insp. x nach Vorweisen seines Reisepasses nach dem Führerschein gefragt, den er jedoch nicht bei sich hatte. Er habe dann mit dem Beamten vereinbart, dass er am Freitag nochmals mit seinem Führerschein kommen würde. Nachdem er die Tiefgarage der PI x verlassen wollte, sei er von einer Zivilstreife angehalten und ihm die Weiterfahrt untersagt worden, da er seinen Führerschein abgegeben hätte, was jedoch nicht der Fall gewesen sei. Erst nachdem sein Nachbar dann seinen PKW zu seiner nächst dem Polizeiposten gelegenen Wohnung gebracht hatte und er sich wieder zu Hause befunden habe, habe Herr Gr. Insp. x bei ihm geläutet und ihm den RSa-Brief mit der gegenständlichen Vollstreckungsverfügung ausgehändigt. Er habe ihn sogleich auf den Vorfall in Verbindung mit der Vereinbarung angesprochen, am Freitag mit seinem Führerschein zur PI zu kommen, wobei auch er den Sachverhalt fast nicht glauben habe können. Bis zur Zustellung der Vollstreckungsverfügung vom 20.05.2011 habe er sohin keinerlei Kenntnis von der Existenz eines Führerscheinentzugsbescheides vom 28.03.2011 gehabt, sodass ihm bei der Beanstandung durch die Zivilstreife um 11.15 Uhr nicht bewusst war, dass ein Führerscheinentzugsbescheid gegen ihn erlassen worden war. Nach Kenntnisnahme der Vollstreckungsverfügung vom 20.05.2011 und damit auch von der Existenz (des von ihm erst nachher im Wege einer Akteneinsicht erhaltenen) Führerscheinentzugsbescheides habe er nach Überbringung des von ihm ursprünglich in einer Arbeitshose vergessenen Führerscheines diesen sofort bei der BPD Linz abgeliefert. Angesichts dieser sehr unglücklichen Umstände sei ihm aufgrund der Intervention seines Rechtsvertreters bei der BPD Linz am 10.06.2011 der Führerschein wieder ausgefolgt und das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens unterbrochen worden. Aufgrund einer ähnlichen Zustellproblematik, wie jener, die überhaupt zu der gegenständlichen Misere, nämlich dem Tatvorwurf geführt hat, habe er auch von der Zustellung des gegenständlichen Straferkenntnisses wiederum keine Kenntnis erlangt. Es habe ihm sohin an jedem Bewusstsein gefehlt, dass er durch das Fahren zur PI x mit einem PKW eine Verwaltungsübertretung begehen würde. Sohin scheide ein Verschulden seinerseits und auch damit eine Bestrafung aus. Er stelle sohin den Antrag das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

Für den Fall, dass entgegen dem Anschein, wonach eine Zustellung des gegenständlichen Straferkenntnisses vom 26.07.2011 durch Hinterlegung per 28.07.2011 erfolgt wäre, aus nachfolgend angeführten Gründen keine rechtswirksame Hinterlegung erfolgt wäre, sei davon auszugehen, dass er erstmals durch die Kommission seines Rechtsvertreters am 21. Oktober 2011 bei der BPD Linz Kenntnis vom gegenständlichen Straferkenntnis erhalten habe und erst damit die zuvor nicht wirksame Zustellung geheilt wurde. In diesem Falle wäre auch die Rechtsmittelfrist für seine Berufung gegen das oa. Straferkenntnis noch offen und erstatte er diesfalls binnen offener Frist (erstmalige Kenntnis vom gegenständlichen Straferkenntnis durch die Akteneinsicht seines Rechtsvertreters am 21. Oktober 2011) nachstehende Berufung:

Darin bringt der Bw vor, dass er im Sinne der Ausführungen des oa. Wiedereinsetzungsantrages keine Kenntnis von der laut Zustellschein per 28.07.2011 in den Briefkasten eingelegten Hinterlegungsanzeige erlangt habe, dies darauf zurückzuführen sein könnte, dass der Postzusteller versehentlich die Hinterlegungsanzeige nicht in seinen Briefkasten, sondern in jenen seines Vaters, der direkt im Haus gegenüber wohnt, eingeworfen hat. Dieser Verdacht ergebe sich für ihn deshalb, weil er schon öfters Poststücke nicht erhalten habe, worauf er vom Versender aufmerksam gemacht wurde. Nachdem beide Postkästen, derjenige seines Vaters und der seiner Wohnung jeweils auf die Mieter(innen) "x" und "x" lauten und die Häuser genau gegenüber sind, komme es öfter zu Verwechslungen. Leider bestehe zwischen ihm und der Ehefrau seines Vaters ein sehr schlechtes Familienverhältnis und absolut keine Kommunikation, sodass er auch nicht damit rechnen habe können, dass dann, wenn irgendwelche Schriftstücke in den Postkasten seines Vaters "x" eingeworfen werden, der mit "x" (Ehefrau) beschriftet ist, hiervon Nachricht erhalte. Nachdem alleine in den letzten Monaten auch dreimal ein Wechsel des Postzustellers erfolgt sei bzw. offenbar verschiedene Zusteller in seinem Zustellbereich tätig sind, befürchte er, dass die Hinterlegungsanzeige der gegenständlichen Briefsendung in den falschen Briefkasten, nämlich in jenen seines Vaters, x, eingeworfen worden ist. Diesfalls wäre von einer nicht rechtswirksamen Zustellung auszugehen und ab tatsächlicher Kenntnis des Straferkenntnisses die 14-tägige Frist zur Erhebung einer Berufung gewahrt. Der Bw legte mit dem Rechtsmittel auch eine eidesstättige Erklärung vor. Diese weist folgenden Wortlaut auf:

"Eidesstättige Erklärung

 

 

 

Hiermit erkläre ich, x, geb. x, x, x, an Eides statt, dass ich von der Zustellung des Straferkenntnisses vom 26.07.2011 der BPD Linz erstmals durch die Zustellung des Führerscheinentzugsbescheides vom 12.10.2011 (per 18.10.2011 zu Handen meines ausgewiesenen Rechtsvertreters) Kenntnis erlangt habe.

 

Mein Rechtsvertreter hat dann in meinem Auftrag am 21.10.2011 bei der BPD Linz vorgesprochen und in den gegenständlichen Verwaltungsstrafakt Einsicht genommen, wobei ihm das Straferkenntnis vom 26.07.2011 mitsamt dem Zustellschein in Kopie ausgehändigt wurde.

 

Schon zu der Vorgeschichte, die überhaupt zu dem Führerscheinentzugsbescheid vom 28.03.2011 und damit letztendlich auch zum gegenständlichen Straferkenntnis geführt hat, ist es nur deshalb gekommen, weil es mit der Zustellung von eingeschriebenen Schriftstücken (RSa- bzw. RSb) Probleme gegeben hat, zumal ich weder das ursprüngliche Schreiben des Führerscheinamtes der BPD Linz erhalten habe, mit dem ich aufgefordert wurde, die Bestätigung über ein Verkehrscoaching beizubringen, noch den Entzugsbescheid vom 28.03.2011 selbst.

 

Auch nunmehr hat sich wiederum dieselbe Problematik ereignet, indem ich - obwohl ich jeweils beim Nachhausekommen aufmerksam den Postkasten inspiziert habe - keinerlei Verständigung über die Zustellung des gegenständlichen Straferkenntnisses, noch des vorangegangenen Ladungsbescheides vom 04.07.2011 erhalten habe.

 

Ich kann mir dies nur so erklären, dass entweder mehrfach jemand Hinterlegungsanzeigen aus meinem Postfach entnommen hat, oder aber die Hinterlegungsanzeigen hinsichtlich mir zuzustellender behördlicher Schriftstücke versehentlich in das Postfach meines Vaters, der im Haus gegenüber wohnt und den gleichen Namen trägt, eingeworfen worden sind.

 

Die Anschrift meines Vaters lautet:

 

x

x

x

 

Nachdem leider ein sehr schlechtes Verhältnis zu meinem Vater besteht, kann ich auch nicht damit rechnen, dass mich dieser im Falle einer versehentlichen Einlegung von Hinterlegungsanzeigen in seinem Postfach verständigt.

 

Tatsache ist jedenfalls, dass ich keine Kenntnis von dem Zustellversuch des gegenständlichen Straferkenntnisses, noch von dessen Hinterlegung erlangt habe, noch eine solche mangels Vorhandenseins irgendeiner Verständigung erlangen hätte können.

 

Im Übrigen erhebe ich das gesamte Vorbringen meines Wiedereinsetzungsantrages vom 28.10.2011, mit dem diese eidesstättige Erklärung vorgelegt wird, inklusive des darin enthaltenen Berufungsvorbringens auch zum Inhalt der eidesstättigen Erklärung.

 

Ich bin gerne bereit, diese Angaben als Partei (unter Eid) vor der Behörde zu bekräftigen und kann auf kurze telefonische Anforderung auch gerne persönlich bei der Behörde erscheinen, um den Sachverhalt darzulegen und zu bescheinigen.

 

 

Linz, am 28.10.2011

 

x, geb. x"

 

Die belangte Behörde weist im angefochtenen Bescheid darauf hin, dass am 23.11.2011 die für den betreffenden Rayon eingeteilte Postzustellerin des Postamtes 4046 Linz – x – als Zeugin befragt wurde. Die Zeugin habe angegeben, zum Zeitpunkt der Zustellung als Urlaubsvertreterin des gewöhnlichen Zustellers tätig gewesen zu sein. Sie habe den handgeschriebenen Hinterlegungsvermerk auf dem RSa-Brief sofort wieder als ihre Handschrift erkannt. Da das Postfach des Bw über Metallzacken verfüge, sei eine Entnahme der Hinterlegungsanzeige nach der Zustellung durch jemand Dritten nicht oder nur erschwert möglich. Der Zustellerin sei weiters bekannt gewesen, dass der Vater des Bw im Haus x, also neben dem von ihm bewohnten Haus wohne. Die Zustellerin halte es für ausgeschlossen, die für den Bw bestimmte Hinterlegungsanzeige über den RSa-Brief in den Briefkasten seines Vaters geworfen zu haben, da sie bei derartigen Zustellvorgängen und Anzeigen stets sehr vorsichtig sei.

Mit Eingabe vom 13.12.2011 habe der Bw dahingehend Stellung genommen, dass die Entnahme von Poststücken aus seinem Postfach etwa unter Zuhilfenahme eines Kartons keinesfalls unmöglich sei. Er halte die Vermutung, dass, wie schon öfters in der Vergangenheit vorgekommen, die gegenständliche Hinterlegungsanzeige in ein falsches Postfach, etwa in das der Familie "x" eingeworfen worden sei, aufrecht. Der Einvernahme der Aushilfszustellerin sei zudem nicht zu entnehmen, in welches Postfach sie die gegenständliche Hinterlegungsanzeige eingelegt hätte, da ein Postfach mit dem Namen "x" gar nicht vorhanden sei. Die Zustellproblematik sei auch dadurch erschwert, dass sein Cousin x ebenfalls im Hause wohnhaft war und es auch mit diesem oft zu Verwechslungen bei Postzustellungen gekommen sei.

 

Begründend führt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid weiters aus, dass der Bw die Behörde vom Vorliegen eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses, nämlich von dem Umstand, dass die Hinterlegungsanzeige nicht in seinen Postkasten im Haus x gelangt ist, nicht überzeugen konnte. Es hätten sich keinerlei konkrete Anhaltspunkte für die Entfernung der Hinterlegungsanzeige durch Dritte ergeben. Als wichtigstes Beweismittel für die Annahme eines korrekten Zustellvorganges sei die zeugenschaftliche Aussage der Zustellerin x zu werten. Die vom Bw angeführte Möglichkeit, es könnte bei der Abgabe der Hinterlegungsanzeige zu einer Verwechslung mit seinem Cousin x gekommen sein, führe ins Leere, da dieser laut ZMR-Auszug bereits seit 10.07.2007 nicht mehr im Haus x wohne. Dass die Zustellerin x die Hinterlegungsanzeige im Postkasten des Vaters des Bw x im danebengelegenen Haus x hinterließ, sei für die erkennende Behörde aus zweierlei Gründen auszuschließen:

Erstens liege weder eine Gleichheit des Vornamens, noch eine der Adressen der Abgabestelle vor. Zweitens sei eine Abgabe der Hinterlegungsanzeige in den Briefkasten des Vaters des Bw nur schwer vorstellbar, wenn man sich die Vorgangsweise der Zustellung von persönlich zuzustellenden Schriftstücken vor Auge führe, nämlich: Die Zustellerin wird am 28.07.2011 versucht haben, den Bw in seiner Wohnung in der x persönlich zwecks Aushändigung des RSa-Briefes zu erreichen und hätte nach der Feststellung seiner momentanen Abwesenheit von der Abgabestelle zunächst die Hinterlegungsanzeige in das benachbarte Haus x tragen müssen, um sie dort anschließend fälschlicherweise in den Briefkasten seines Vaters zu deponieren. Auch das am Postfach von x angebrachte Post-It mit der Aufschrift "Hr. Briefträger! Falscher Name" vermöge die behauptete Häufigkeit von Falschzustellungen durch die Zustellerin x nicht beweisen, zumal die Nachricht offenkundig an einen männlichen Zusteller adressiert ist.

 

In seiner durch den ausgewiesenen Vertreter rechtzeitig gegen den oa. Bescheid erhobenen Berufung verweist der Bw vorerst darauf, dass er in seiner letzten Stellungnahme beantragt habe, die im gegenständlichen Fall einschreitende Aushilfszustellerin ergänzend zeugenschaftlich einzuvernehmen. Diesem Beweisantrag sei die belangte Behörde nicht gefolgt und habe stattdessen Mutmaßungen darüber angestellt, wie sich der Zustellvorgang zugetragen haben könnte. Aufbauend auf der Vermutung, dass die Zustellerin am 28.07.2011 versucht haben werde, ihn in seiner Wohnung in der x persönlich zwecks Aushändigung des RSa-Briefes zu erreichen, liege kein Beweisergebnis vor.

 

Unter dem Aspekt er inhaltlichen Rechtswidrigkeit hebt der Bw hervor, dass von ihm sogar bescheinigt werden habe könne, dass auch bei anderen Parteien des Hauses, in dem er seinerzeit wohnhaft war, laufend Zustellprobleme aufgetreten seien und seine Nachbarn, die Familie von x sich sogar veranlasst gesehen habe, dem Postzusteller durch ein Post-It darauf hinzuweisen, dass es laufend zu falschen Zustellungen komme. Er habe tatsächlich keine Hinterlegungsanzeige in seinem Postfach vorgefunden und es könne auch nicht von einer ordnungsgemäßen Zustellung die Rede sein. Aus dem erstinstanzlichen Verfahren lasse sich nicht ableiten, dass die Postzustellerin x die Hinterlegungsanzeige tatsächlich in das für die von ihm bewohnte Wohnung vorgesehene Brieffach eingeworfen habe. Er habe diesbezüglich dezidiert eine ergänzende Befragung beantragt, zumal sich aus der im Akt befindlichen Aussage nicht ergebe, in welches Postfach der angebliche Einwurf erfolgt wäre. Ein Postfach mit dem Namen "x" sei zum relevanten Zeitpunkt nicht vorhanden gewesen. Die ganze Problematik sei vor allem vor dem Hintergrund zu sehen, dass er aufgrund der Vorgeschichte (Erlassung eines rechtswidrigen Führerscheinentzugsbescheides) und der Gespräche seines Rechtsvertreters mit der Führerscheinabteilung darauf gewartet habe, ein Schriftstück im Verwaltungsstrafverfahren zu erhalten, weshalb er auch regelmäßig sein Postfach durchgesehen habe. Dennoch habe er keine entsprechende Hinterlegungsanzeige vorgefunden und zwar weder hinsichtlich des Ladungsbescheides vom 04.07.2011, mit dem das Verfahren gegen ihn eingeleitet wurde (Verfolgungshandlung), noch hinsichtlich des gegenständlichen Straferkenntnisses. Nachdem er mit der Zustellung eines Schriftstückes des Strafamtes des Bundespolizeidirektion Linz gerechnet habe, ja sogar darauf gewartet habe und in dem bevorstehenden Verfahren seine Unschuld beweisen wollte, wäre es völlig widersinning, erst auf ein Straferkenntnis hin tätig zu werden. Vielmehr wollte er bereits im erstinstanzlichen Verfahren darlegen, dass er die ihm angelastete Tat nicht begangen habe. Umso mehr gelte dies auch für eine Nichtbeachtung des nunmehr angefochtenen Straferkenntnisses. Aus diesem Grund habe er jeweils beim Durchsehen des Postfaches besondere Sorgfalt walten lassen, um nicht versehentlich die Hinterlegungsanzeige (beispielsweise mit der Werbepost) zu entsorgen. Dem gegenüber stehe lediglich die Aussage einer Aushilfs-Postzustellerin, die sich sicher nicht mehr an den konkreten Zustellvorgang erinnern könne und die andererseits dadurch relativiert werde, dass es sowohl bei ihm als auch bei anderen Bewohnern der gegenständlichen Wohnanlage in der Vergangenheit unzählige Male zur Zustellung falscher Schriftstücke gekommen sei.

 

Abschließend stellt der Bw die Anträge, der UVS des Landes Oberösterreich möge

a)                    eine mündliche Berufungsverhandlung unter Aufnahme der von ihm beantragen Beweise anberaumen und

b)                    den angefochtenen Bescheid der BPD Linz vom 02.01.2012 dahingehend abändern, dass seiner Berufung gegen das Straferkenntnis vom 26.07.2011 mangels einer ordnungsgemäßen Zustellung (Hinterlegung) als rechtzeitig gewertet werde; in eventu

c)                    den angefochtenen Bescheid der BPD Linz vom 02.01.2012 dahingehend abändern, dass seinem Wiedereinsetzungsantrag Folge gegeben und damit die Berufung gegen das Straferkenntnis vom 26.07.2011 als rechtzeitig gewertet werde.

 

Bei der Berufungsverhandlung am 21. Mai 2012 wurde die Aushilfszustellerin x ergänzend zeugenschaftlich einvernommen. Sie führte unter anderem aus, sie wisse wie im Hause x die Postkästen angebracht seien. Sie sei in diesem Rayon ca. 2 Wochen tätig gewesen. Sie wisse nicht mehr, ob zum relevanten Zeitpunkt ein Postkasten mit der Aufschrift "x" angebracht war. Sie habe die Hinterlegungsanzeige in ein Postfach eingelegt. Sie wisse nicht, in welchem Stockwerk Herr x gewohnt habe. Sie wisse nicht, mit welchem Namen die Glocke beschriftet war. Sie schließe aus, dass sie die Hinterlegungsanzeige bei der Adresse "x, x" eingelegt habe, weil sie teile sich die Briefe immer nach Häusern und Hausnummern auf. Sie könne nichts mehr dazu sagen, wie die Postkästen beschriftet waren. Zu der Frage, wenn ein Schriftstück an x adressiert ist, wo sie das einlegen habe müssen, gab die Zeugin an, dass sie diesbezüglich von ihrem Vorgänger bzw. vom ständigen Briefträger dahingehend eingeschult wurde. Sie habe jedenfalls – vom ständigen Briefträger – gewusst, dass Herr x zum Postkasten "x" gehört und nicht zum Postkasten "x", der ja im Nebenhaus angebracht ist. Der ständige Briefträger habe ihr auch gesagt, sie müsse extra aufpassen, weil diese Personen "verstehen sich nicht". Sie könne nicht hundertprozentig ausschließen, dass sie die Anzeige beim Postkasten "x" eingelegt habe. Die Postkästen weisen Eisenkrallen auf, doch wenn man will, kann man schon Poststücke wieder herausnehmen, weil man ja die Eisenkrallen hochklappen könne.

 

Der Oö. Verwaltungssenat ist aufgrund dieser Beweisaufnahme zum Ergebnis gelangt, dass das angefochtene Straferkenntnis durch den hier relevanten Zustellvorgang nicht rechtswirksam zugestellt wurde und begründet dies wie folgt:

Die Zustellerin konnte bei der Berufungsverhandlung nicht ausschließen, dass sie die gegenständliche Sendung tatsächlich in den für den Bw bestimmten Briefkasten eingeworfen hat. Sie hat keine Erinnerung mehr dazu gehabt, ob es einen Briefkasten oder ein Glocke mit der Aufschrift "x" gab. Erst auf Vorhalt, dass ein entsprechender Briefeinwurf mit der Aufschrift "x" nicht vorhanden ist, sondern lediglich ein solcher mit "x", brachte die Zustellerin vor, dass sie diesbezüglich vom Hauptzusteller  informiert wurde. Zutreffend hat der Vertreter des Bw bei der Berufungsverhandlung vorgebracht, dass ja die Zustellerin beim Sortieren der Post, nämlich am Morgen am Postamt, noch nicht wissen habe können, welche Namen sie auf den Brieffächern bzw. auf den Glocken wiederfinden würde. Demgemäß sei es naheliegend gewesen, dass die Zustellerin, welche die Tätigkeit im relevanten Zeitraum aushilfsweise ausgeübt habe und nach ihren Angaben mehrere Rayons mit über 1000 Namen zu betreuen hatte, vor dem Briefkasten bzw. vor der Glocke stehend nicht wissen habe können, in welches Postfach nun die für den Bw bestimmte Sendung einzuwerfen war. Konkret habe es zwar 2 Postkästen und zwar mit der Aufschrift "x" und "x" und 2 getrennte Glocken mit der Aufschrift "x" gegeben, wobei jedenfalls der Vorname "x" nicht aufgeschienen ist. Es sei daher gut möglich bzw. nicht auszuschließen, dass die Aushilfszustellerin bei der falschen Glocke geläutet habe bzw. vor allem die Hinterlegungsanzeige in ein falsches Brieffach eingeworfen habe. Der Bw beteuerte bei der Berufungsverhandlung nochmals, dass er trotz genauer Kontrolle der einlangenden Postsendungen keine Kenntnis von der Hinterlegung erlangt hatte. Diese sei im relevanten Zeitpunkt sogar besonders sorgfältig gewesen, weil er einerseits mit der Zustellung eines Behördenschriftstückes gerechnet hatte, andererseits auf Wohnungssuche war und keine Gelegenheit zur Zuweisung einer neuen Genossenschaftswohnung verpassen habe wollen.

 

In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 20.06.2012 an den Oö. Verwaltungssenat brachte der Bw ergänzend vor, dass das Beweisverfahren in mehrerlei Hinsicht ergeben habe, dass nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden könne, dass tatsächlich eine wirksame Zustellung des angefochtenen Straferkenntnisses erfolgt wäre. Die bei der Berufungsverhandlung einvernommene Postzustellerin habe bekräftigt, sie könne nicht ausschließen, dass möglicherweise die für ihn bestimmte Post in ein falsches Postfach eingeworfen worden ist. Es habe kein Postfach mit dem Namen "x" und auch keine derartige Klingel existiert. Da sohin nach Durchführung des Beweisverfahrens nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststeht, dass die Hinterlegungsanzeige hinsichtlich des gegenständlichen Straferkenntnisses auch tatsächlich in den der von ihm benützten Wohnung zugewiesenen Briefkasten (Postfach) eingeworfen worden ist, sodass er Kenntnis von der Hinterlegungsanzeige erlangen hätte können, sei von einer nicht rechtswirksamen Zustellung des Straferkenntnisses auszugehen. Die ursprünglich nicht rechtswirksame Zustellung werde jedoch durch die Akteneinsicht seines Rechtsvertreters am 21. Oktober 2011, wo diesem eine Kopie des gegenständlichen Straferkenntnisses ausgehändigt worden ist, geheilt, sodass ab diesem Zeitpunkt die Rechtsmittelfrist (Berufungsfrist) zu laufen begonnen hat. Der Bw legte dieser Stellungnahme auch eine eidesstättige Erklärung seiner Mutter x vor. Diese hat folgenden Wortlaut:

 

"Eidesstättige Erklärung

 

 

Hiermit erkläre ich, x, geb. ...x............., ...x, x..................., an Eides statt wie folgt:

 

Ich war Mieterin einer Wohnung im Haus x, x, die von meinem Sohn x, geb. x, bis vor kurzem benützt wurde.

 

In diesem Haus, jedoch in einer anderen Wohnung, hat auch Herr x gewohnt. Beide Wohnungen haben über ein separates Postfach verfügt, wobei jenes meiner Wohnung mit „x" und jenes des Herrn x mit „x" beschriftet waren.

 

Mir ist auch bekannt, dass es bereits im Vorfeld der Erlassung des Straferkenntnisses vom 26.07.2011 bzw. dessen Zustellung häufig zu Schwierigkeiten mit Postzustellungen gekommen ist, in dem insbesondere Postsendungen für x bei meinem Sohn x eingeworfen worden sind, andererseits auch umgekehrt.

 

Eine besondere Problematik hat sich auch daraus ergeben, dass in dem daneben bzw. gegenüber befindlichen Haus auch mein Ex-Mann und sohin der Vater meines Sohnes x wohnhaft ist und es auch mit diesem öfters zu Verwechslungen kam, solange x meine Wohnung in der x benützt hat.

 

Ich bin gerne bereit, diese Angaben vor dem erkennenden Verwaltungssenat (unter Eid) zu bekräftigen und stehe auch für allfällige weitere Rückfragen gerne zur Verfügung.

 

Linz, am ...20.06.2012.......

 

x"

 

 

Unter Zugrundelegung der aufgenommenen Beweise ist beweiswürdigend festzuhalten, dass keinesfalls mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit feststeht, dass die Aushilfszustellerin zum relevanten Zeitpunkt die Hinterlegungsanzeige hinsichtlich des gegenständlichen angefochtenen Straferkenntnisses tatsächlich in den der vom Bw benutzten Wohnung zugewiesenen Briefkasten (Postfach) eingeworfen hat.

 

Rechtliche Beurteilung:

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begrifflich nur zulässig, wenn tatsächlich eine Frist versäumt wurde. Ist – mangels wirksamer Erlassung eines Straferkenntnisses (keine ordnungsgemäße Zustellung) – eine Frist nicht versäumt worden, fehlt es gemäß § 71 Abs.1 AVG an einer wesentlichen Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Wenn das den Fristablauf auslösende Schriftstück nicht zugestellt wurde, ist ein Wiedereinsetzungsantrag unzulässig, weil dann eine Fristversäumung gar nicht eintreten konnte.

 

Aus den genannten Gründen war der Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig zurückzuweisen.

 

Durch Aushändigung einer Kopie des gegenständlichen Straferkenntnisses an den Rechtsvertreter des Bw am 21. Oktober 2011 ist die ursprünglich nicht rechtswirksame Zustellung als geheilt anzusehen. Ab diesem Zeitpunkt begann die Berufungsfrist zu laufen. Die mit 28. Oktober 2011 datierte und am 31. Oktober 2011 bei der BPD Linz eingelangte Berufung ist somit als rechtzeitig anzusehen. Der Bw hat glaubhaft vorgebracht, dass er erst durch Aushändigung der Vollstreckungsverfügung vom 20.05.2011, GZ FE 400/2011, durch Herrn Insp. x Kenntnis von der Existenz des Bescheides betreffend Entziehung der Lenkberechtigung vom 28.03.2011 erlangt habe. Die Aushändigung dieses Bescheides sei erst am Nachmittag des 06.06.2011 erfolgt, sohin nach der vermeintlichen Verwaltungsübertretung. Aufgrund eines Anrufes der PI x, er solle bei der PI vorbeikommen, zumal ihm ein Brief zugestellt werden solle und er darauf hingewiesen wurde, auch einen Lichtbildausweis mitzunehmen, habe ihn Herr GI. x nach Vorweisen seines Reisepasses nach dem Führerschein gefragt, den er jedoch nicht bei sich hatte. Er habe sohin mit dem Beamten vereinbart, dass er am Freitag nochmals mit seinem Führerschein vorbeikommen würde. Nachdem er die Tiefgarage der PI x verlassen wollte, sei er von einer Zivilstreife angehalten und sei ihm die Weiterfahrt untersagt worden, da er seinen Führerschein abgegeben hätte, was jedoch nicht der Fall gewesen sei. Erst nachdem sein Nachbar dann seinen PKW zu seiner nächst dem Polizeiposten gelegenen Wohnung gebracht hatte und er sich wieder zu Hause befand, habe Herr GI. x bei ihm geläutet und ihm den RSa-Brief mit der gegenständlichen Vollstreckungsverfügung ausgehändigt. Bei der Zustellung der Vollstreckungsverfügung vom 20.05.2011 habe er sohin keinerlei Kenntnis von der Existenz des Führerscheinentzugsbescheides vom 28.03.2011 gehabt. Bei der Beanstandung durch die Zivilstreife um 11.15 Uhr sei ihm nicht bewusst gewesen, dass ein Führerscheinentzugsbescheid gegen ihn erlassen worden war. Es treffe ihn sohin kein Verschulden daran, dass er zum vermeintlichen Tatzeitpunkt in Linz, x zum dort befindlichen Polizeiposten gefahren sei, obwohl ihm offenbar mit Führerscheinentzugsbescheid vom 28.03.2011 die Lenkberechtigung entzogen worden war. Nach Kenntnisnahme der Vollstreckungsverfügung vom 20.05.2011 und damit auch von der Existenz (des von ihm erst nachher im Wege einer Akteneinsicht erhaltenen) Führerscheinentzugsbescheides habe er nach Überbringung des von ihm ursprünglich in einer Arbeitshose vergessenen Führerscheines diesen sofort bei der Bundespolizeidirektion Linz abgeliefert. Angesichts dieser sehr unglücklichen Umstände sei ihm aufgrund der Intervention seines Rechtsvertreters bei der Bundespolizeidirektion Linz am 10.06.2011 der Führerschein wieder ausgefolgt und das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens unterbrochen worden.

 

 

GI. x wurde seitens des Oö. Verwaltungssenates mit den Angaben des Bw konfrontiert. Er teilte mit Bericht vom 7. Juli 2012, GZ: E1/39106/2012, dem Oö. Verwaltungssenat mit, dass die Angaben des Bw grundsätzlich stimmen. Allerdings habe er dem Bw, als dieser am 06.06.2011 vormittags bei der PI. x war, auch mitgeteilt, dass sein Führerschein "bescheidmäßig eingezogen werde". Mehr könne er dazu nicht angeben.

 

In rechtlicher Hinsicht stellt sich sohin die Frage, ob, wenn man den Angaben des Meldungslegers insoferne folgt, dass dieser dem Bw die "Existenz eines Entzugsbescheides" zu einer Lenkberechtigung mitgeteilt hätte, diese Mitteilung rechtswirksam zur Folge gehabt hätte, dass der Bw nicht mehr berechtigt gewesen wäre, den gegenständlichen PKW zu lenken. Der Oö. Verwaltungssenat vertritt hiezu die Rechtsansicht, dass die bloße Mitteilung von der Existenz eines Führerscheinentzugsbescheides ohne nähere Daten durch den Meldungsleger, welcher nicht in behördlicher Organfunktion gehandelt hat, eine ordnungsgemäße Bescheidzustellung nicht ersetzen kann. Daraus folgend stellt sich die Frage, ob der Bw schuldhaft gehandelt hat. Dies ist aus folgenden Gründen zu verneinen:

 

Beim gegenständlichen Tatvorwurf handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt. Bei diesen Delikten ist das Verschulden des Täters nicht von der Behörde zu beweisen, sondern "ohne weiteres" anzunehmen. Dem Beschuldigten steht es jedoch frei, diese Vermutung durch Glaubhaftmachung seiner Schuldlosigkeit zu widerlegen. Der "Entlastungsbeweis" ist aber nicht notwendig, wenn die Behörde schon bei der Ermittlung des äußeren Tatbestandes schuldausschließende Umstände feststellt (§5 Abs.1 VStG). Ein Schuldausschließungsgrund bildet unter anderem auch der Tatbildirrtum. Beim Tatbildirrtum irrt der Täter über jene Umstände, die zum Tatbild gehören, als über die äußere Tatseite. Wenn der Beschuldigte über die (das Tatbild) erfüllende Sachlage irrt, bedeutet dies noch nicht, dass ihm sein Verhalten nicht vorwerfbar ist. Vorsatz ist ihm zwar nicht vorzuwerfen, aber sehr wohl Fahrlässigkeit, wenn sein Irrtum auf Fahrlässigkeit beruht. Fahrlässiges Verhalten setzt das Außerachtlassen zumutbarer Vorsicht voraus (VwGH 26. April 2001, 2000/07/0039).

 

Auch der Irrtum beseitigt, falls dieser unverschuldet ist, die culpa. Dies ergibt sich bereits aus der Fassung des § 5 Abs.2 VStG, wonach die Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift dann entschuldigt, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte des Verhaltens nicht einsehen konnte. Wenn demnach unter gewissen Umständen die Unkenntnis der Gesetzesvorschrift, all sein Rechtswidrigkeitsirrtum, als beachtlich anerkannt wird, so ergibt sich daraus, dass um so mehr ein entschuldbarer Tatbestandsirrtum vor allem dann, wenn er einen error facti darstellt, die culpa ausschließen muss. Ein Schuldausschließungsgrund kann nur von jenen Personen ins Treffen geführt werden, bei der er eingetreten ist (VWSLG. 3534A/1954).

 

Im vorliegenden Fall hatte der Bw keine Kenntnis eines konkreten Inhaltes des Bescheides betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung. Wie oben ausgeführt, kann eine bloße Mitteilung eines behördlich nicht zuständigen Organwalters von der Existenz eines Führerscheinentzugsbescheides die ordnungsgemäße Zustellung eines Bescheides nicht ersetzen. War daher der Bw irrig der Auffassung, er dürfe das in Rede stehende KFZ zum Tatzeitpunkt lenken, kann dem Bw nicht vorgeworfen werden, dass dieser Irrtum auf Fahrlässigkeit beruht, wobei in diesem Zusammenhang zu bemerken ist, dass die Bundespolizeidirektion Linz mit Bescheid vom 10.06.2011, AZ: FE-704/2011, das Verfahren betreffend Entziehung der Lenkberechtigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verwaltungsstrafverfahren mit der Begründung ausgesetzt hat, dass anlässlich der Vorsprache des Vertreters des Bw am 10.06.2011 gegenüber der Kraftfahrbehörde angegeben wurde, dass der Bw von der Entziehung der Lenkberechtigung keine Kenntnis erlangt hat und daher im Glauben, im Besitz einer Lenkberechtigung zu sein, am 06.06.2011 in Linz, Freistädterstraße 290 ein Kraftfahrzeug gelenkt hat. Dem Bw wurde am 10.06.2011 der Führerschein auch wieder ausgefolgt.

 

Da sohin dem Bw ein Verschulden der von ihm objektiv begangenen Verwaltungsübertretung nicht mit Sicherheit nachweisbar ist, war spruchgemäß zu entscheiden.

 

II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr. Johann Fragner

 

 

 

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