Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730674/2/BP/WU

Linz, 15.10.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, StA der Türkei, X, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 17. September 2012, AZ: 1-1013062, mit dem ein Antrag des Berufungswerbers auf Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

 

 

      Der Berufung wird stattgegeben und das mit Bescheid der       Bundespolizeidirektion Steyr vom 17. Jänner 2008, AZ: 1013072, auf       unbefristete Dauer erlassene Aufenthaltsverbot aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 69 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 87/2012 iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Steyr vom 17. Jänner 2008, AZ.: 1-1013062/FP/08, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden Bw) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot rechtskräftig erlassen.

 

1.2. Mit Bescheid vom 16. Juli 2012, AZ: 1-1013062/FP/10, wies der Polizeidirektor von Steyr einen Antrag des Bw auf Aufhebung des oa. erlassenen Aufenthaltsverbotes vom 27. Juni 2012 zurück. Mit Erkenntnis des UVS vom 2. August 2012, Zl. VwSen-730649/2/BP/JO, wurde der Berufung vom 20. Juli 2012 gegen diesen Bescheid stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

1.3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 17. September 2012, AZ: 1-1013062, wies die Landespolizeidirektion Oberösterreich den Antrag auf Aufhebung des erlassenen Aufenthaltsverbotes vom 27. Juni 2012 ab.

 

Die belangte Behörde führte dazu begründend aus:

 

"Die Bundespolizeidirektion Steyr erließ gegen Sie mit Bescheid vom 17.01.2008 unter Zahl 1013062 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für den gesamten Schengenraum. Es scheinen gegen Sie im Strafregister folgende Verurteilungen auf:

 

1)  LG Steyr 10 HV 9/2005D vom 17.3.2005 rk 22.03.2005, Par 142/1 u. 2, 127,128 Abs.1 u. 4, 129/1, 130 (I.Fall), 146 StGB, Par 27 (1.2.6. Fall) SMG, Freiheitsstrafe 18 Monate, davon 12 Monate bedingt

 

2)  LG Steyr 10HV 54/2005X vom 7.09.2005 rk 30.11.2005, Par 75, 127, 128 Abs. 1/4, 130 (I.Fall), 229/1 STGB, Freiheitsstrafe 13 Jahre

 

Erschwerend bei Ihrer Verurteilung waren die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen verschiedener Art, die mit dem Verbrechen des Mordes verbundene besondere Brutalität, eine einschlägige Vorstrafe, die Begehung einer strafbaren Handlung während eines laufenden Verfahrens und der rasche Rückfall nach der Verurteilung.

 

Sie selbst gaben in Ihrem Antrag an, dass die Gründe, die zur Verhängung des unbefristeten Aufenthaltsverbotes geführt haben, weggefallen sind. Sie verbüßen seit Oktober 2005 eine 14 1/2 jährige Haftstrafe und haben ihre Verurteilung und die Inhaftierung sehr ernst genommen. Des Weiteren konnten Sie eine Lehre zum Tischler mit der externen Gesellenprüfung abschließen. Auch legten Sie Bestätigungen von Antigewalttherapien bei. Für ein Leben nach der Haft möchten Sie nach X ziehen. Sie hätten dort bereits eine Arbeitsstelle. Auch möchten Sie die Psychotherapie fortsetzen. Ihre Familie, die in Österreich lebt, sei eine große Unterstützung und werde in der ersten Zeit der Haftentlassung für Sie da sein.

 

Sie sind Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Zi. 1 FPG, weil Sie die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen.

 

 

 

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Bei einer Entscheidung über einen Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes kann die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden (VwGH 05.09.2006, 2006/18/0174). Demnach muss von dem im Instanzenzug ergangen Aufenthaltsverbot vom 2.10.2006 ausgegangen werden. In diesem Bescheid wurde im Rahmen der Interessensabwägung im Sinne des damaligen § 66 Abs. 1 und 2 FPG auch Ihre private und familiäre Situation berücksichtigt, weshalb die Gründe, die zum Aufenthaltsverbot geführt haben, in diesem Verfahren nicht neuerlich zu erörtern sind.

 

 

 

Ihr Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes kann nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit Erlassung dieses Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umständen zu Ihren Gunsten geändert haben, wobei auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahmen entsprechende Umstände Bedacht zu nehmen ist (VwGH 05.09.2006, 2006/18/0174). Umstände, die dem Aufenthaltsverbot bereits bei dessen Erlassung entgegengestanden sind, können jedoch nicht zur Aufhebung führen (VwGH 12.03.2002, 2001/18/0171). Bei dieser Beurteilung ist zu prüfen, ob nach wie vor eine Gefährlichkeitsprognose zu treffen ist, die die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes rechtfertigt, um eine von Ihnen ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden.

 

 

 

Zudem ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, dass die Frage, ob die sich in einem Fehlverhalten des Fremden manifestierende Gefährlichkeit für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit als in rechtserheblichen Ausmaß gemindert anzusehen ist, vorwiegend daran zu messen ist, ob sich der Fremde tatsächlich bereits über einen relevanten Zeitraum Wohlverhalten hat. Ein bloß behaupteter oder von einem Psychologen festgestellter

 

Gesinnungswandel, der aber nicht seine Entsprechung in einem einen relevanten Zeitraum umfassenden Wohlverhalten gefunden hat, reicht nicht aus (VwGH 11.05.2009, 2008/18/0533). Sie befinden sich nach wie vor in Haft. Die Haftzeit ist bei der Beurteilung des Wohlverhaltens des Fremden nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu berücksichtigen.

 

 

 

Auf einen allfällig durch Haft erfolgten Gesinnungswandel könne in derartigen Fällen erst nach einer entsprechend langen Zeit des Wohlverhaltens nach der Entlassung aus der Strafhaft geschlossen werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. Oktober 2010, ZI. 2010/21/0335, mwN.).

 

 

 

An seit der Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbots geänderten Umständen bringen Sie lediglich die mittlerweile seit den Tatbegehungen vergangene Zeit vor. Ein unter dem Blickwinkel des hier maßgeblichen Fremdenrechts ist ein allfälliger Gesinnungswandel in erster Linie daran zu messen, innerhalb welchen Zeitraumes sich der Fremde nach der Entlassung aus der Strafhaft in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. etwa das Erkenntnis vom 19. Mai 2011, ZI. 2008/21/0486, mwN). Da Sie sich noch in Strafhaft befinden kann sohin keine Rede davon sein, dass Sie auf maßgebliche Art bereits unter Beweis gestellt hätten, dass eine von ihnen ausgehende Gefährdung nicht mehr anzunehmen wäre.

 

 

 

An dieser Stelle sei erwähnt, dass die nunmehrige - in Hinsicht auf der ausschließlichen Geltung für Drittstaatsangehörige wohl verunglückte - Regelung des § 64 FPG idF BGBl Nr 38/2011, gemäß der die Gründe für ein Aufenthaltsverbot-Verbot ausgeweitet wurden, keinen Grund darstellen, ein bereits rechtskräftiges Aufenthaltsverbot aufzuheben. Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl etwa VwGH 03.07.2007, 2006/18/0420) ist in § 125 Abs 3 FPG (gemäß dem Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei Inkrafttreten des FPG noch nicht abgelaufen ist, als nach dem FPG erlassene Aufenthaltsverbote mit derselben Gültigkeitsdauer gelten) nicht vorgesehen, dass Aufenthaltsverbote auch dann aufzuheben wären, wenn sie bei Geltung des aktuellen FPG im Zeitpunkt ihrer Verhängung nicht erlassen werden hätten dürfen. Eine entsprechende Regelung für den vorliegenden Fall findet sich in § 125 Abs 16 FPG. Vergleichsweise dazu wurde in § 114 Abs 3 zweiter Satz FrG (der erste Satz lautete sinngemäß ähnlich wie § 125 Abs 3 FPG), im Zuge dessen Erlassung weitgehende Aufenthaltsverbot-Verbote verankert wurden, normiert, dass Aufenthaltsverbote auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben sind, wenn sie nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht erlassen hätten werden können. Eine derartige Bestimmung fehlt in den Regelungen des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011. Daher ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Ausweitung des Aufenthaltsverbot-Verbotes nur hinsichtlich der Erlassung künftiger Aufenthaltsverbote normieren wollte. Aus den Übergangsbestimmungen kann jedenfalls nicht abgeleitet werden, dass eine Aufhebung bereits rechtskräftiger Aufenthaltsverbote, die bei Geltung der neuen Regelung nicht verhängt hätten werden dürfen, vom Gesetzgeber beabsichtigt war.

 

 

 

Das Wohlverhalten in Haft kann, wie bereits oben erwähnt, nicht dafür herangezogen um die von der Behörde bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes erstellte negative Zukunftsprognose entscheidend zu beeinflussen. Der in Haft absolvierten Berufsausbildung könne nur ein geringes Gewicht beigemessen werden, weil zu befürchten sei, dass Sie bei eventuellen Problemen in Freiheit "leicht wieder rückfällig werden" könnten. Der von Ihnen begangene Mord zeige, dass Sie jeglichen Respekt vor der österreichischen Rechtsordnung bzw. vor der körperlichen Integrität anderer Personen vermissen lassen.

 

Der Umstand, dass sich Ihre Eltern und Geschwister ebenfalls seit langem in Österreich aufhielten, sei bereits bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes bekannt gewesen und stelle keinen familiären Anknüpfungspunkt dar, der erst nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes entstanden wäre bzw. sich zu Ihren Gunsten geändert hätte.

 

Die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes würde ohne Zweifel in Ihr Privat- und Familienleben eingreifen. Der Verwaltungsgerichtshof hat erkannt, dass Ihr im Urteil des

 

Landesgerichtes Steyr vom 07.09.2005 festgestelltes Fehlverhalten die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens besonders schwer beeinträchtige.

 

Es ist richtig, dass der Deliktszeitraum sechs Jahre zurückliegt. Das gegen Sie ergangene Gerichtsurteil ist allerdings noch nicht getilgt. Es sind daher die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt haben nicht weggefallen. Durch Ihr oben beschriebenes Fehlverhalten wurde die öffentliche Ruhe und Ordnung, vor allem im Hinblick auf ein geregeltes Fremdenwesen, gravierend gestört. Die Behörde sieht daher die Gefahr, dass Sie wieder kriminell werden könnten als gegeben an.

 

Sowohl an der familiären Situation als auch an Ihrer Gefährlichkeit hat sich nichts geändert.

 

Nach Ansicht der Behörde ist zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit die Aufrechterhaltung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes nach wie vor geboten. Der Grund, der zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hat, ist nach Ansicht der Behörde nicht weggefallen.

 

Eine Gesamtbetrachtung führt sowohl im Hinblick auf die nach wie vor gegebene Gefährlichkeitsprognose als auch im Hinblick auf Ihre persönlichen Verhältnisse zum Ergebnis, dass sich die Umstände nicht derartig geändert haben, dass von einem Wegfall der Gründe, die zum Aufenthaltsverbot geführt haben, ausgegangen werden kann. Der Antrag, das betreffende Aufenthaltsverbot aufzuheben, war daher abzuweisen."

 

 

1.4. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw mit Schreiben vom 1. Oktober 2012 rechtzeitig Berufung und führt darin aus:

 

"Die Behörde hat in dem neurlichen erlassenen Bescheid eigentlich ohne Berücksichtigung der neuen Rechtslage die Überprüfung nach § 64 Abs. 1 Z. 2 des FPG unterlassen, dass ich in Österreich geboren bin und mein ganzes Leben in Österreich verbracht habe.

 

 

 

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In dem gegenständlichen Bescheid führten Sie weiters aus, dass mein Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbot nur zum Erfolg führen kann, wenn sich seit der Erlassung dieses Aufenthaltsverbotes die dafür maßgehenden Umständen zu meinen Gunsten geändert haben, wobei auch die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Amßnahmen entsprechende Umstände Bedacht zu nehmen ist.

 

 

 

Wie ich in meinem Antrag bezüglich der Aufhebung des gegen mich am 17.01.2008 erlassenen Aufenthaltsverbotes umfangreich ausführte und mit zahlreichen Belegen (Zeugnissen, Therapiebestätigungen, Lehrabschlüsse in zwei Berufen) sowie mit Berichten (meiner betreuenden Sozialarbeiterin, meines Therapeuten, meines Lehrherren) nachgewiesen habe, arbeitete ich in meiner bisherigen Haftzeit sehr intensiv an mir und alles mir mögliche unternahm, um mich für ein Leben in Freiheit vorzubereiten. Inzwischen bin ich auch auf Grund meiner guten Führung entlassen worden (siehe Beilage).

 

 

 

Aus meiner Sicht sind somit ausreichende Beweismitte! für die objektive Beweisführung vorgelegt worden, die meine Persönlichkeitsentwicklung und meine Bemühungen zu einer Resozialisierung und Integration in die österreichische Gesellschaft beweisen.

 

 

 

Des Weiteren wird meinerseits dokumentiert, dass die Gründe für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht mehr gegeben sind (§ 69 Abs. 2 FPG), da ich genügend bewiesen habe, mich an die österreichische Gesetzgebung, österreichische Werte und Normen zu halten und diese zu respektieren. Die Annahme zur Begehung weiterer strafbarer Handlungen, sowie die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, wurden zusätzlich auf den bereits absolvierten, zahlreichen Freiheitsmaßnahmen, sowie durch meine vorbereiteten Nachbetreuungsmöglichkeiten entkräftet.

 

 

 

Ich konnte die Lehre zum Tischler mit der externen Gesellenprüfung abschließen, habe anschließend als Vorarbeiter in der Tischlerei der Justizanstalt gearbeitet und habe nachher die Lehre zum Frisör absolviert. Zusätzlich habe ich einen Kurs für Gartengestaltung innerhalb der JA besucht und abgeschlossen.

 

Auch an meiner Persönlichkeitsentwicklung habe ich von Beginn an gearbeitet und auch dabei alle Angebote genützt. So absolviere ich seit einigen Jahren eine Psychotherapie (AntiGewalttherapie im Gruppensetting sowie zusätzlich Einzelpsychotherapie), welche ich auch nach der Haft weiterführen könnte und möchte. Ich habe an psychosozialen Betreuungs- und Behandlungsangeboten, wie einer Gruppe für Beziehungspädagogik, einer Gesundheitspsychologischen Gruppe, einer Gruppe für soziales Kompetenztraining, Gesprächsgruppen und Einzelintensivbetreuung beim Sozialen Dienst teilgenommen.

 

 

 

Meine Resozialisierung wurde ebenfalls sehr intensiv vorbereitet. Ich habe über einen Zeitraum von drei Jahren an mehreren bewachte und begleitete Einzelausgänge in die Familie, sowie an zahlreiche Gruppenausgänge zu den unterschiedlichsten Zielen (Fachmessen im Arbeitsbetrieb, pädagogisch sinnvolle Freizeitaktivitäten, etc.) teilgenommen. Seit Jahresbeginn 2012 absolviere ich die ersten unbegleiteten Ausgänge in die Familie um auch dabei schon aktiv meine Entlassung vorbereiten und das Leben nach der Haft gestalten zu können.

 

 

 

Für mein Leben nach der Haft habe ich schon konkrete Pläne und Ziele. Ich möchte nach X ziehen, da dort meine Familie zuhause ist. Dort hätte ich bereits eine Arbeitsstelle als Frisör (Bestätigung liegt bei), außerdem möchte ich die Psychotherapie fortsetzen und Bewährungshilfe in Anspruch nehmen. Meine Familie ist eine große Unterstützung für mich und wird auch in der ersten Zeit nach meiner Haftentlassung für mich da sein.

 

 

 

Ich habe aus meiner Haftstrafe gelernt und mich von Beginn an bemüht, das Beste daraus zu machen und aktiv an meiner Persönlichkeitsentwicklung und Deliktaufarbeitung, sowie an meiner Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu arbeiten. In dieser Zeit und auch noch bis zu meiner Entlassung habe ich mir sehr viel in Österreich aufgebaut und gezeigt, dass ich mein Leben in Österreich leben und gestalten möchte. In der Türkei leben zu müssen, würde für mich bedeuten, nicht nur eine mir fremde Kultur und Gesellschaft, Werte, Regeln und Normen, neu kennenlernen und mich dort eingliedern, sondern auch nochmal von Vorne beginnen zu müssen. Ich habe den größten Teil meiner Jugendzeit in Haft verbracht und werde nun, als junger Erwachsener entlassen. Diese Zeit kann ich nicht mehr zurück bekommen, jedoch habe ich mich bemüht, für mein Leben in Freiheit alles mir mögliche zu erreichen und vorzubereiten.

 

Auf Grund der absoluten Aufenthaltsverfestigung- also in Österreich geboren und hier aufgewachsen kein Aufenthaltsverbot mehr möglich ist.

 

 

 

Da ich seit mehr als 6 Jahren keine strafbaren Handlungen mehr gesetzt habe, bitte ich Sie wiederholt, nicht weiter die Rechtsauffassung zu vertreten, dass mein Aufenthalt eine nachhaltige Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle.

 

 

 

Ich hoffe auch, dass ein weiteres Aufscheinen der Verurteilungen im Strafregister kein Indiz dafür sein wird, dass weiterhin die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Die Tilgung aus dem Strafregister folgt nach standardisierten Vorschriften, die mit einer Feststellung der Gefährlichkeit im Einzelfall nichts zu tun haben.

 

 

 

In der Hoffnung, dass Sie bei Ihrer Abwägung meine oben genannten Gründe in Ihre Entscheidung einfließen lassen sowie meinen obigen Argumentationen entsprechen,

 

stelle ich den Antrag,

 

 

 

das oben genannte Aufenthaltsverbot gegen mich gem. § 69 Abs. 2 FPG 2005 aufzuheben."

 

 

 

 

2.1. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat mit Schreiben vom 2. Oktober 2012 zur Entscheidungsfindung vor.

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, zumal der entscheidungswesentliche Sachverhalt völlig unbestritten ist, lediglich die Klärung von Rechtsfragen vorzunehmen war und auch die Akten erkennen lassen, dass eine allfällige weiterführende Erörterung für den Sachverhalt ergebnisneutral wäre. Im Übrigen wurde auch kein darauf gerichteter Parteienantrag gestellt.

 

2.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1. bis 1.4. dieses Erkenntnisses dargestellten relevanten Sachverhalt aus.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 69 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG idgF. BGBl. I Nr. 87/2012 sind eine Ausweisung und ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

 

3.2. Im vorliegenden Fall wies die belangte Behörde einen Antrag des Bw auf Aufhebung des im Jahr 2008 gegen ihn erlassenen unbefristeten Aufenthaltsverbotes ab.

 

Unbestritten ist, dass der Bw vor der Erlassung der Maßnahme über einen Aufenthaltstitel für das österreichische Bundesgebiet verfügte, in dem er - wie sich aus dem Verwaltungsakt ergibt – seit seiner Geburt rechtmäßig aufhältig war.

 

Nach aktueller Rechtslage müsste somit derzeit ein Aufenthaltsverbot auf § 63 FPG gestützt werden, zumal er nicht unter den Adressatenkreis der §§ 65, 65a oder 65b zu zählen ist.

 

Aus der Überschrift des 5. Abschnittes vor § 68 FPG "Gemeinsame Verfahrensbestimmungen für Ausweisungen Aufenthaltsverbote" wird deutlich, dass Aufenthaltsverbote, sei es auf § 63, sei es auf § 67 FPG gestützt, nach § 69 Abs. 2 FPG hinsichtlich der Aufhebung einer Überprüfung zuzuführen sind. Somit hat die belangte Behörde zurecht diese Gesetzesgrundlage herangezogen.

 

3.3.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dem inhaltlich mit dem aktuellen § 69 Abs. 2 FPG vergleichbaren § 65 Abs. 1 FPG in der vorhergehenden Fassung kann ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgeblichen Umstände zugunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung der Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist.

 

Bei dieser Beurteilung ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose weiterhin zu treffen ist, sodass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung dieser Maßnahme im Grunde des nunmehrigen § 61 FPG (Schutz des Privat- und Familienlebens) zulässig ist.

 

Da bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden kann, ist für den Zeitpunkt der Erlassung des verfahrensgegenständlichen Bescheides nur zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes wegen einer Änderung der Umstände zu Gunsten des Fremden weggefallen sind (vergl. VwGH vom 24.2.2009, 2008/22/0587 und vom 10.11.2009, 2008/22/0848).

 

 

 

3.3.2. Bei der Lösung des Falls ist aber auch auf die jüngere Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Bedacht zu nehmen, der etwa in seinem Erkenntnis vom 24. Jänner 2012 Zl2011/18/0267 ausführt:

 

"Anders verhält es sich bei Prüfung der Zulässigkeit der Aufrechterhaltung eines Aufenthaltsverbots nach Änderung der Rechtslage. Eine solche kann nämlich den Wegfall eines Grundes für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots darstellen (vgl. das zu § 26 FrG 1992 ergangene hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 1996, Zl. 95/21/0144)."

 

"Nach der durch das FrÄG 2011 geänderten Rechtslage dürfte aber gemäß § 67 Abs. 2 FPG – worauf der Beschwerdeführer hinweist – nur ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden, weil die Voraussetzungen nach Abs. 3 leg. cit. nicht erfüllt sind. Weder liegt eine Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren vor, noch handelt es sich um ein dort genanntes Delikt, Fehlverhalten oder eine dort beschriebene Gefahr. Da eine Verkürzung der Dauer des Aufenthaltsverbots – wie unter Punkt 4.2. näher ausgeführt – nicht in Betracht kommt, ist dem Umstand, dass nach derzeitiger Rechtslage kein unbefristetes Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer erlassen werden dürfte, in der Form nachzukommen, dass nach Ablauf von zehn Jahren die Behörde das Aufenthaltsverbot jedenfalls von Amts wegen (aber auch auf Antrag des Beschwerdeführers) aufzuheben hat (in diesem Sinn auch Schmied, Die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen im Fremdenpolizeigesetz nach dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011 – eine Bankrotterklärung der Fremdenrechtslegistik, ZUV 2011, 149 (152))."

 

3.3.3. Auch, wenn im eben zitierten Erkenntnis auf § 69 Abs. 2 iVm. § 67 FPG eingegangen wird, lässt sich daraus klar die Auffassung des Höchstgerichtes ablesen, dass im Rahmen einer Prüfung nach § 69 Abs. 2 FPG zusätzlich zu den oben beschriebenen Kriterien auch eine geänderte Rechtsgrundlage zu berücksichtigen ist; somit, ob nach der aktuellen Rechtsgrundlage ein Aufenthaltsverbot (in welcher Dauer auch immer) gegen einen Fremden verhängt werden könnte.

 

3.4.1. Gemäß § 64 Abs. 1 FPG darf gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, eine Ausweisung gemäß § 62 und ein Aufenthaltsverbot gemäß § 63 nicht erlassen werden, wenn

1.      ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die   Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes         1985 (StBG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

2.      er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

 

3.4.2. Aus dem in Rede stehenden Sachverhalt ergibt sich zunächst zweifelsfrei, dass der Bw bereits in Österreich geboren wurde und seither hier aufhältig war, weshalb er im Bundesgebiet als von klein auf niedergelassen anzusehen ist; er kann sich also auf § 64 Abs. 1 Z. 2 FPG stützen.

 

Ein Aufenthaltsverbot dürfte nach geltender Rechtslage somit gegen ihn nicht erlassen werden.

 

3.4.3. Im Hinblick auf die oa. Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet dies aber für den vorliegenden Fall, dass – durch Berücksichtigung der geänderten Rechtslage - § 69 Abs. 2 FPG dahingehend auszulegen ist, dass sich die Umstände, die zur Verhängung des Aufenthaltsverbotes geführt hatten, als weggefallen anzusehen sind.

3.5.1. Es war daher der Berufung stattzugeben und der erstinstanzliche Bescheid dahingehend abzuändern, als das im Jahr 2008 für unbefristete Dauer erlassene Aufenthaltsverbot aufzuheben war. 

 

3.5.2. Nachdem der Bw der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist, konnte gemäß § 67 Abs. 5 iVm. § 59 Abs. 1 FPG die Übersetzung des Spruchs und der Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides unterbleiben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

Bernhard Pree

Beachte:

 

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

 

VwGH vom 24.01.2013, Zl.: 2012/21/0254-3

 

 

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