Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401212/4/AB/HK

Linz, 11.09.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Astrid Lukas über die Beschwerde des A Y, StA von Afghanistan, geb. xxx, vertreten durch V, c/o A – D, K, W, wegen Anhaltung in Schubhaft seit 13. August 2012 durch den Polizeidirektor von Wels zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der Schubhaftbescheid, die Festnahme sowie die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit 13. August 2012 bis dato für rechtswidrig erklärt. Gleichzeitig wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft nicht vorliegen.

II. Der Bund (Verfahrenspartei: Landespolizeidirektor für Oberösterreich) hat dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in Höhe von 767,50 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.

 

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Polizeidirektors von Wels vom 13. August 2012, AZ.: 1-1037933/FP/12, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf Basis des § 76 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG iVm § 57 AVG zur Sicherung der Abschiebung (§ 46 FPG), die Schubhaft angeordnet und im PAZ Wels vollzogen.

 

Die Behörde führte im Schubhaftbescheid wie folgt aus:

 

" Sie sind Fremder gemäß § 2 Abs. 4 Zi. 1 FPG, da Sie die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen. [...]

 

Für die Anordnung der Schubhaft war folgender Sachverhalt maßgebend:

Sie wurden im Bundesgebiet am 11.08.2012 um 18:47 Uhr, in W, T ohne Unterstand und ohne gültiges Reisedokument angetroffen. Sie befanden sich mit drei weiteren Illegalen in einem LKW Anhänger [...].

In Ihrer Niederschrift vom 12.08.2012 gaben Sie im Beisein eines Dolmetschers an, afghanischer Staatsbürger zu sein und keine Dokumente bei sich zu haben. Sie sind verheiratet und haben drei Kinder. Ihr nationaler Ausweis befände sich bei Ihrer Frau, die mit den Kindern in Norwegen lebt. Reisepass hätten Sie keinen. Sie seien im Alter von acht Jahren mit der Familie in den Iran gegangen und haben dort gelebt und gearbeitet. 2002 wollten Sie Ihre Familie in Afghanistan besuchen und wurden auf der Reise dorthin von Taliban aufgegriffen. Diese dachten, Sie seien ein iranischer Spion und nahmen Sie in Gefangenschaft. Sieben Jahre seien Sie gefangen gewesen. Vor ca. drei Jahren konnten Sie flüchten und reisten nach Kabul zu Ihren Eltern und danach in den Iran zu Ihrer Frau und den Kindern. Ihre Frau war angeblich nicht mehr da und soll einen anderen geheiratet haben.

Sie reisten in die Türkei und arbeiteten dort illegal in einer Jackenfabrik. Als Freunde von Ihnen nach Griechenland reisten, beschlossen Sie, mitzugehen. Dort blieben Sie 2 Jahre, Anfang 2012 erfuhren Sie, dass Ihre Frau mit den Kindern in Norwegen lebt und Sie beschlossen, auf illegalem Weg nach Norwegen zu reisen. Sie bezahlten einem Schlepper in Griechenland 2.000 Euro, damit er Sie nach Österreich bringe. Sie fuhren in dem LKW, in dem Sie nun aufgegriffen wurden, mit. Als nach fünf Tagen das Wasser zu Ende war und Sie fürchterlichen Durst hatten, begannen Sie zu rufen und sich erkenntlich zu machen. Daraufhin wurden Sie aufgefunden und in das Paz Wels eingeliefert.

 

Sie halten sich demnach seit 11.08.2012 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf (Rückkehrentscheidungsstatbestand § 52 Abs. 1 FPG).

 

Die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung des bzw. der fremdenpolizeilichen Verfahren war notwendig, da zu befürchten war, dass Sie sich dem weiteren fremdenrechtlichen Verfahren bzw. Maßnahmen zu entziehen trachten werden.

Die Verhängung der Schubhaft ist im Hinblick auf das zu erreichende Ziel angemessen und verhältnismäßig.

 

[...]

 

 

Die Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG kam nicht in Betracht, da die Behörde keinen Grund zur Annahme hatte, dass der Zweck der Schubhaft auch durch dessen Anwendung erreicht werden kann, da Ihre Identität nicht feststeht, Sie über keinen Wohnsitz verfügen und erst in einer weiteren Einvernahme geklärt werden muss, was der Zweck Ihrer Einreise war."

 

1.2. Gegen den Schubhaftbescheid, die Festnahme sowie gegen die darauf basierende Anhaltung in Schubhaft erhob der Bf per Telefax am 6. September 2012 Schubhaftbeschwerde an den UVS des Landes Oberösterreich.

 

In der Beschwerde wird ua. wie folgt ausgeführt:

 

"SACHVERHALT

 

Ich reiste am 11.08.2012 über Griechenland unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und wurde am selben Tage aufgegriffen und ins PAZ Wels überstellt.

 

Mit Bescheid der BPD Wels vom 13.08.2012, 09:00 h wurde gemäß § 76 Abs.1 FPG iVm § 57 Abs.1 AVG gegen mich zur Sicherung der Abschiebung gemäß §46 FPG angeordnet.

 

Am 14.08.2012 stellte ich aus dem Stande der Schubhaft heraus einen Antrag auf internationalen Schutz (AZ: 12 10.677 - EAST West).

Am 17.08.2012 fand die polizeiliche Erstbefragung, am 23.08.2012 die Einvernahme im Asylverfahren vor dem Bundesasylamt Erstaufnahmestelle West statt.

 

Am 23.08.2012 erhielt ich die Mitteilung, dass beabsichtigt ist, meinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen (§ 29 Abs.3 Z.4 AsylG) und Dublin Konsultationen mit Norwegen geführt werden.

 

Ich werde seit den 13.08.2012 in Schubhaft angehalten. Die gg. Beschwerdeerhebung erfolgt daher rechtzeitig.

 

 

[...]

BEGRÜNDUNG

1.

 

Die belangte Behörde stützt und begründet die Schubhaftverhängung einzig mit der Notwendigkeit der Sicherung der Abschiebung gemäß § 46 FPG.

 

Eine Schubhaftverhängung nach § 46 FPG verlangt - neben zusätzlichen Voraussetzungen - jedenfalls das Vorliegen einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung (§§ 61,66 § 10 AsylG 2005) oder eines Aufenthaltsverbots.

 

Keine dieser Formalvoraussetzungen lagen zum Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides vor und waren auch bis zum Zeitpunkt der Asylantragsstellung nicht gegeben.

 

Auch mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz am 14.08.2012 ergab sich vorerst kein geänderter Sicherungsgrund, da auch die, in den für Asylwerberinnen einschlägigen Bestimmungen (§ 76 Abs. 2 und 2a FPG 2005) enthaltenen Voraussetzungen nicht gegeben waren.

 

Da ich über Griechenland nach Österreich eingereist bin, wäre diesbezüglich - im Gefolge der polizeilichen Erstbefragung am 17.08. 2012 - zwar das Zutreffen von § 76 Abs.2 Z.4 FPG [...] denkbar.

Da derzeit aufgrund der Verfügung des EGMR keine (Dublin-) Rücküberstellungen nach Griechenland möglich sind, dieser Umstand notorisch und von der Behörde zu berücksichtigen (siehe dazu: VwGH 31.03.2008, 2005/21/0026) ist, scheidet auch das Zutreffen dieser Voraussetzung für eine Anhaltung in Schubhaft aus. Soweit die Behörde in den begründenden Ausführungen zur Nichtanwendbarkeit des gelinderen Mittels anführt, dass das gelinderer Mittel nicht angewendet werden könne (und sohin die Schubhaftverhängung notwendig sei), da 'erst in einer weiteren Einvernahme geklärt werden muss, was der Zweck Ihrer Einreise war', so findet dieser Schubhaftverhängungsgrund offensichtlich keine Deckung im Gesetz.

 

Bis zur Mitteilung des Bundesasylamtes gemäß § 29 Abs.3 Z.4 AsylG war die Schubhaft daher mangels eines Titels für eine allfällige Abschiebung zu diesem Zwecke rechtswidrig verhängt und die Anhaltung mangels anderweitigen Sicherungsgrundes rechtswidrig aufrechterhalten worden.

 

Aber auch nach Mitteilung des Bundesasylamtes gemäß § 29 Abs.3 Z.4 AsylG bestand aus folgendem Grund keine Sicherungsnotwendigkeit:

 

Ich habe das Bundesasylamt darüber informiert, dass ich das Interesse habe, zu meiner in Norwegen asylberechtigt aufhältigen Familie zu gelangen. Ich wurde vor meiner Asylantragsstellung, darüber informiert, dass ich über diese Antragsstellung legal nach Norwegen (indem Norwegen mein Asylverfahren 'übernimmt') gelangen könnte. Aus diesem Grunde habe ich auch den Asylantrag gestellt und aus diesem Grunde nahm das Bundesasylamt auch Konsultationen mit Norwegen auf. Ich habe daher kein Interesse, mich diesem Verfahren entziehen zu wollen.

 

Hätte die belangte Behörde die gebotene Ermittlungstätigkeit hinsichtlich der Eruierung einer Sicherungsnotwendigkeit in Falle des § 76 Abs. 2a Z.2 iVm Abs.2a letzter Satz vorgenommen, hätte sie aufgrund oben dargestellten Sachverhaltes eine Sicherungsnotwendigkeit für entbehrlich erachten müssen und die Anhaltung in Schubhaft nach dem 23.08.2012,14:30 h (Ende der Einvernahme) nicht mehr aufrechterhalten dürfen.

 

2.

Ergänzend sei ausgeführt, dass die verhängte Schubhaft und Anhaltung jedenfalls auch in Absehung obiger Ausführungen mangels hinreichender Begründung des Sicherungsbedarfes und der Sicherungsnotwendigkeit rechtswidrig erscheint.

Die Notwendigkeit der Verhängung der Schubhaft bleibt im angefochtenen Bescheid unbegründet und beschränkt sich auf den Satzbaustein, dass 'zu befürchten war, dass Sie sich dem weiteren fremdenrechtlichen Verfahren bzw. Maßnahmen zu entziehen trachten werden', wobei nicht weiter ausgeführt wird, auf welche Anhaltspunkte sich die Befürchtung stützt.

 

Des Weiteren unterlässt die Behörde die Vornahme der gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung. Es wird lediglich konstatiert, dass die Verhängung der Schubhaft 'im Hinblick auf das zu erreichende Ziel angemessen und verhältnismäßig' sei. Worauf diese Annahme beruht, ist nicht nachvollziehbar.

 

Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die Schubhaftverhängung auch deshalb als unverhältnismäßig erscheint, da dem behördlich beabsichtigten Zweck jedenfalls die Anwendung gelinderer Mittel Genüge getan hätte.

 

So begründet die Behörde die Nichtanwendung des gelinderen Mittels einerseits damit, dass meine Identität nicht geklärt sei und ich über keinen Wohnsitz verfügen würde. Nach ständiger höchstgerichtlicher Judikatur rechtfertigen genannte Umstände für sich alleine jedoch keine Verhängung der Schubhaft.

Zur Ausführung der Behörde, dass das gelindere Mittel nicht angewendet werden könne, da 'erst in einer weiteren Einvernahme geklärt werden muss, was der Zweck Ihrer Einreise war', sei auf oben verwiesen.

 

3.

Aus genannten Gründen möge der erkennende Senat meinen Anträgen stattgeben.

 

4.

Der Antrag auf Kostenersatz begründet sich auf § 79a Abs 1, 5 AVG i.V.m. § 1 UVS Aufwandersatzverordnung 2008."

 

2.1.1. Mit Telefax vom 7. September 2012 übermittelte die belangte Behörde den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

 

2.1.2. In einer kurzen Gegenschrift vom selben Tag führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus:

 

"Am 11.08.2012 um 18:47 Uhr wurde der Fremde in einem LKW-Anhänger am Terminal W mit drei weiteren Personen aufgefunden. Der Fremde hatte kein gültiges Reisedokument bei sich und wurde vom Landesjournalbeamten nach dem FPG um 20:35 Uhr festgenommen und nach Einvernahme in das PAZ Wels eingeliefert.

In der am 12.08.2012 in der PI Pernau erfolgten Einvernahme stellte der Fremde keinen Asylantrag, sondern gab an, zu seiner Familie nach Norwegen reisen zu wollen.

Am 13.08.2012 um 09:00 Uhr wurde von der BPD Wels, Fremdenpolizei, die Schubhaft nach § 76/1 FPG verhängt. Der Grund hierfür war, dass bis dato kein Asylantrag gestellt worden war und für den Nachmittag eine Einvernahme bei der Fremdenpolizei geplant war.

Am 13.08.2012 um 13:42 Uhr wurde die Einvernahme mit einem Dolmetsch für die Sprache DARI durchgeführt, um den Fremde über die rechtlichen Möglichkeiten und weiteren Vorgehensweisen zu informieren.

Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme stellte der Fremde einen Asylantrag. Am 17.08.2012 wurde dieser Antrag im PAZ Wels behandelt und eine Erstbefragung durchgeführt.

 

Die Schubhaft wurde aufgrund des Umstandes, dass es sich um eine Dublin-Konsultation mit Norwegen handelt, nach § 76 Abs. 2 FPG verhängt.

Am 21.08.2012 langte ein Ersuchen um Vorführung des Fremden zur EASt West für den 24.08.2012 ein. Dieser Termin wurde auf den 23.08.2012 umgeändert.

 

Am 28.08.2012 langte eine Fremdenpolizeiliche Information der EASt West ein, dass gemäß § 27 Abs. 1 AsylG das Ausweisungsverfahren ex lege mit 24.08.2012 eingeleitet wurde. Am 05.09.2012 wurde eine Anfrage im AI getätigt und festgestellt, dass keine neuen Eintragungen stattgefunden haben.

 

Aufgrund der eingeleiteten Ausweisung wurde die Schubhaft aufrecht erhalten."

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht nur gemäß § 67d Abs. 2 Z 1 AVG sondern auch gemäß § 83 Abs. 2 FPG abgesehen werden konnte.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem – im Übrigen unwidersprochenen - unter den Punkten 1.1. und 2.1.2. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus.

 

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1.  Gemäß § 83 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 50/2012, ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs. 1 Z. 2 oder 3 der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Abs. 1 Z. 1 richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme.  

 

Gemäß § 82 Abs. 1 FPG hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.     wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.     wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

Gemäß § 6 Abs. 4a FPG richtet sich die örtliche Zuständigkeit zur Verhängung der Schubhaft oder zur Anordnung gelinderer Mittel nach dem Aufenthalt.

 

3.2. Es ist unbestritten, dass der Bf aufgrund des in Rede stehenden Bescheides der belangten Behörde seit 13. August 2012 bis zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung nach wie vor in Schubhaft angehalten wird, weshalb der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung berufen ist.

 

Nachdem sich der Bf zur Zeit der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates noch in Schubhaft befindet, ist gemäß § 83 Abs. 4 FPG eine umfassende Prüfung der Anhaltung vorzunehmen.

 

3.3. Gemäß § 76 Abs. 1 können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Die Schubhaft ist nach § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z. 1.

 

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung,

1.      in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2.      sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden      oder

3.      eine angemessene finanzielle Sicherheit bei der Behörde zu hinterlegen.

 

3.4. Im vorliegenden Fall ist zunächst die Verhängung der Schubhaft in dem Stadium von 13. August 2012 bis zur vorliegenden Entscheidung durch den Oö. Verwaltungssenat zu überprüfen.

 

Dabei ist festzuhalten, dass der völlig mittel- und wohnsitzlose Bf ohne jeglichen Aufenthaltstitel und ohne entsprechende Reisedokumente aufgegriffen wurde, also fraglos nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt war. Einen Asylantrag hatte er zum Zeitpunkt der Inschubhaftnahme nicht gestellt. In diesem Sinn war die belangte Behörde auch grundsätzlich angehalten, die ggst. Schubhaft auf § 76 Abs. 1 FPG zu stützen.

 

3.4.1. In der Beschwerde wird nun ausgeführt, dass die Rechtswidrigkeit der in Rede stehenden fremdenpolizeilichen Maßnahmen alleine schon daraus resultiere, dass im angefochtenen Schubhaftbescheid als alleiniger Zweck der Schubhaft die Sicherung der Abschiebung genannt wird. Die fremdenpolizeiliche Maßnahme der Abschiebung ist in § 46 FPG geregelt.

 

Gemäß § 46 Abs. 1 FPG sind Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung (§§ 61, 66 § 10 AsylG 2005) oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag der Behörde zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1.      die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der   öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2.      sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3.      aufgrund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer          Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4.      sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das       Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

 

3.4.2. Grundlage und Voraussetzung für die Abschiebung ist nach dem Wortlaut dieser Bestimmung also ein die Aufenthaltsbeendigung anordnender Rechtstitel, wie Rückkehrentscheidung, Ausweisung oder Aufenthaltsverbot. In Ermangelung eines solchen Titels kann die Abschiebung nicht durchgeführt werden.

 

Wenn ein Schubhaftbescheid als Grund der Maßnahme die intendierte Abschiebung anführt, obwohl kein aufenthaltsbeendender Titel vorliegt, ist er a priori mit Rechtswidrigkeit behaftet, die sich in der Folge auch auf die Festnahme und Anhaltung erstreckt, deren Grundlage der Bescheid bildet.

 

In diesem Sinn gelten die Voraussetzungen des § 76 Abs. 1 FPG im vorliegenden Fall als nicht erfüllt (vgl. ähnlich Oö. UVS 4.9.2012, VwSen-401209/4/BP).

 

3.4.3. Noch am 13. August 2012 stellte der Bf einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Gemäß § 76 Abs. 6 FPG kann die Anhaltung in Schubhaft aufrecht erhalten werden, wenn ein Fremder während der Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz stellt. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 oder 2a vor, gilt die Schubhaft als nach Abs. 2 oder 2a verhängt. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Schubhaft gemäß Abs. 2 oder 2a ist mit Aktenvermerk festzuhalten.

 

Diesbezüglich ist unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (so jüngst VwGH 26.1.2012, 2008/21/0626) festzuhalten, dass die fortgesetzte Haft mit einem "simplen Aktenvermerk" wie dem der Erstbehörde vom 17.8.2012, dem gemäß die Schubhaft nunmehr als gem. § 76 Abs. 2 Z 4 FPG verhängt gelte, nicht rechtmäßig werden konnte:

 

"Ein einmal rechtswidriger Schubhaftbescheid kann nämlich nicht – quasi partiell für einen 'Teilzeitraum' – konvalidieren, zumal dies im Ergebnis einer im Gesetz insoweit nicht vorgesehenen Schubhaftverhängung 'auf Vorrat' gleichkommen würde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 2009, Zl. 2009/21/0162). § 76 Abs. 6 FPG steht dem nicht entgegen, weil die dort angeordnete Zulässigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft, wenn während der Anhaltung ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird, einen rechtmäßigen Schubhaftbescheid nach § 76 Abs. 1 FPG vor Augen hat.

[Zu einer] 'Heilung' könnte es nur durch einen neuen Schubhafttitel kommen. Ein solcher wäre im Fortsetzungsausspruch [des Oö. Verwaltungssenates] nach § 83 Abs. 4 FPG zu erblicken".

 

Im Lichte dieser höchstgerichtlichen Rechtsprechung konnte die – einmal rechtswidrig erlassene – Schubhaft vom 13.8.2012 somit nicht durch den bloßen Aktenvermerk vom 17.8.2012 rechtmäßig werden, käme dies doch einer Schubhaftverhängung "auf Vorrat" gleich. Auch die (weitere) Anhaltung in Schubhaft aufgrund des Aktenvermerkes vom 17.8.2012 war somit rechtswidrig.

 

3.5. Schließlich stellt sich in weiterer Folge noch die Frage, ob zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und durch diesen "neuen Schubhafttitel" eine "Heilung" der ursprünglich rechtswidrigen Schubhaft im Sinne der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung eintritt.

 

Es ist daher zu überprüfen, ob die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 oder 2a FPG nunmehr gegeben sind.

 

3.5.1. Gemäß § 76 Abs. 2 kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist oder

4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

3.5.2. Wie sich aus dem vorliegenden Akt ergibt, wurde dem Bf mit Schreiben vom 28.8.2012 die fremdenpolizeiliche Information erteilt, dass gem. § 27 Abs. 1 AsylG das Ausweisungsverfahren mit 24.8.2012 ex lege als eingeleitet gelte.

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung konstatiert, ist die Frage, ob die Einleitung des Ausweisungsverfahrens nach § 27 Abs. 1 AsylG zu Recht erfolgte, zur Beurteilung des Vorliegens des Tatbestandes gem. § 76 Abs. 2 Z 2 FPG nicht von Belang (vgl. VwGH 24.11.2009, 2007/21/0122; vgl. zur vom VwGH vertretenen Auffassung, dass die Tatbestände der § 27 Abs. 1 Z 1 und Z 2 AsylG jeweils für sich allein ausreichen und nicht kumulativ nebeneinander vorliegen müssen, VwGH 30.8.2007, 2006/21/0101).

 

Der Tatbestand des § 76 Abs. 2 Z 2 FPG ist im Entscheidungszeitpunkt somit grundsätzlich erfüllt.

 

Die Aussagen des Bf bereits in der fremdenpolizeilichen Niederschrift vom 13.8.2012, in der der Bf auch seinen Antrag auf internationalen Schutz stellte, sowie schließlich der asylrechtlichen Einvernahme vom 17.8.2012 und 23.8.2012 (Ehefrau und Kinder in Norwegen; Fluchtweg nach Norwegen beabsichtigt) führten in für das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates durchaus nachvollziehbarer Weise zu diesbezüglichen Konsultationen mit Norwegen, die dem Bf mit Verfahrensanordnung gem. § 28 Abs. 3 bzw. § 15a AsylG iVm § 63 Abs. 2 AVG vom 23.8.2012 mitgeteilt wurden.  

 

Auch, wenn die Annahme, dass der Bf als Ziel seiner Flucht Norwegen habe, grundsätzlich nicht unwahrscheinlich scheint, ist dennoch festzuhalten, dass betreffend den Sicherungsbedarf bereits seit Asylantragstellung und jedenfalls auch zum aktuellen Zeitpunkt im konkreten Fall keinerlei besonderes Bedürfnis (mehr) besteht, da nicht anzunehmen ist (und im Übrigen auch von der belangten Behörde nicht substanziiert angenommen wird), dass sich der Bf diesem Verfahren entziehen würde.

 

Allein die Tatsache, dass der Bf in Österreich über keinen Wohnsitz verfügt und als Zielland seiner Flucht Norwegen haben dürfte, vermag einen Sicherungsbedarf im Rahmen einer Gesamtbetrachtung jedenfalls nicht zu begründen. Insbesondere aufgrund der eingeleiteten Konsultationen mit Norwegen ist vielmehr im Rahmen der hier zu treffenden Prognoseentscheidung davon auszugehen, dass der Bf das diesbezügliche Ergebnis und den Ausgang seines Asylverfahrens in Österreich abwarten wird.

 

Im Übrigen wäre selbst unter der Annahme eines gewissen Sicherungsbedarfs diesem wohl mit der Verhängung gelinderer Mittel entsprechend beizukommen.

 

3.5.3. Daraus folgt aber, dass auch aktuell zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung durch den Oö. Verwaltungssenat die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen gem. § 83 Abs. 4 FPG schon deswegen nicht vorliegen, weil ein entsprechender Sicherungsbedarf hinsichtlich des Bf nicht besteht.

 

3.6. Es war daher, ohne auf die weiteren Vorbringen näher einzugehen, spruchgemäß zu entscheiden, der in Rede stehenden Beschwerde aus den genannten Gründen stattzugeben und sowohl der Schubhaftbescheid, die Festnahme als auch die folgende Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären sowie festzustellen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des Bf in Schubhaft schon allein aus dem Grunde des mangelnden Sicherungsbedarfes nicht vorliegen.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 AVG iVm § 1 der UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl. II Nr. 456/2008) zu einem Aufwandersatz in Höhe von 737,60 Euro zuzüglich der Eingabegebühren in Höhe von 29,90 Euro zu verpflichten.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 29,90 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Dr. L u k a s

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ü b e r n a h m e b e s t ä t i g u n g

 

 

Ort/Datum: PAZ WELS, am ...........................

 

 

Unterschriften:

 

 

 

 

 

Zusteller (ausfolgendes Organ):

 

 

 

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