Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-600127/3/Gf/Rt

Linz, 03.12.2012

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 10. Kammer (Vorsitzender: Mag. Stierschneider; Berichter: Dr. Gróf; Beisitzer: Dr. Brandstetter) über den Antrag der O GmbH, vertreten durch RA Dr. G, auf Übergang der Entscheidungspflicht wegen Säumigkeit der Oberösterreichischen Landesregierung in einer Angelegenheit nach dem Oö. Fleischuntersuchungsgebührengesetz zu Recht erkannt:

 

Der Oberösterreichischen Landesregierung wird aufgetragen, binnen drei Monaten – d.i. bis längstens 27. Februar 2013 – einen Gebührenbescheid gemäß § 3 Abs. 2 Oö. Fleischuntersuchungsgebührengesetz zu erlassen und dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich eine Abschrift dieses Bescheides vorzulegen bzw. gegebenenfalls schon vor diesem Zeitpunkt mitzuteilen, weshalb eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht mehr vorliegt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 311 Abs. 3 BAO

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit ihrer am 27. November 2012 dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich per Telefax übermittelten, als "Devolutionsantrag gem. § 73 Abs. 2 AVG" bezeichneten Eingabe begehrt die Rechtsmittelwerberin, der Oö. Verwaltungssenat "möge anstelle des Amtes der oberösterreichischen Landesregierung über den Antrag vom 09.05.2012 entscheiden und Einwendungen vorgegeben und die Exekution einzustellen".

Begründend wird dazu ausgeführt, dass das Amt der Oö. Landesregierung auf Grund eines Rückstandsausweises vom 15. November 2011 eine Fahrnisexekution beantragt und diese vom Bezirksgericht Kirchdorf am 18. April 2012 auch bewilligt worden sei.

Über die von der Beschwerdeführerin dagegen am 9. Mai 2012 erhobenen Einwendungen sei jedoch bis dato kein Bescheid erlassen worden.

 

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass am 11. März 2012 zwischen der Rechtsmittelwerberin und dem Amt der Oö. Landesregierung vereinbart worden sei, bis zur Klärung der tatsächlichen Gebührenhöhe auf eine Exekutionsführung zu verzichten.

 

 

2. Über diesen Antrag hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

2.1. Gemäß § 53 des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes, BGBl.Nr. I 13/2006 i.d.g.F. BGBl.Nr. II 125/2011 (im Folgenden: LMSVG), hat der Landeshauptmann jene Tierarten, deren Fleisch zum Genuss für Menschen verwendet werden soll, vor und nach der Schlachtung einer amtlichen Untersuchung zu unterziehen; die Modalitäten zur Durchführung solcher Untersuchungen sind in der auf Grund des § 53 Abs. 7 LMSVG erlassenen Fleischuntersuchungsverordnung, BGBl.Nr. II 109/2006 i.d.g.F. BGBl.Nr. II 156/2012, die Höhe der hierfür anfallenden Gebühren ist für solche Betriebe, die mehr als 1000 Großvieheinheiten an Säugetieren jährlich schlachten, in der auf Grund § 64 Abs. 4 LMSVG erlassenen Kontrollgebührenverordnung, BGBl.Nr. II 361/2007 i.d.g.F. BGBl.Nr. II 46/2010 (im Folgenden: KontrollGebV), geregelt (vgl. die §§ 2 ff KontrollGebV).

 

Nach § 35 der Exekutionsordnung, RGBl. 97/1896 i.d.g.F. BGBl.Nr. I 50/2012 (im Folgenden: EO), können im Zuge des Exekutionsverfahrens gegen den Anspruch, zu dessen Gunsten die Exekution bewilligt wurde, nur insofern Einwendungen erhoben werden, als diese auf Tatsachen beruhen, die erst nach Entstehung des Exekutionstitels eingetreten sind; solche Einwendungen sind im Wege einer Klage bei jenem Gericht geltend zu machen, bei dem die Exekutionsbewilligung beantragt wurde. Wenn der Verpflichtete die Fälligkeit des Anspruches bestreitet oder einwendet, dass der betreibende Gläubiger auf die Exekution (teilweise) verzichtet hat, so sind derartige Einwendungen gemäß § 36 EO ebenfalls im Wege einer Klage geltend zu machen.

 

Nach der lex specialis des § 3 Abs. 2 VVG sind Rückstandsausweise, die mit der Bestätigung versehen sind, dass sie einem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug nicht unterliegen, Exekutionstitel im Sinne des § 1 EO; Einwendungen gegen den Anspruch im Sinne des § 35 EO sind nicht beim Exekutionsgericht, sondern bei der Stelle anzubringen, von der der Exekutionstitel (in erster Instanz) ausgegangen ist (vgl. z.B. E. Hellbling, Kommentar zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen, Bd. II, Wien 1954, 491 f, sowie K. Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. II, Wien 1992, 566 u. 568 ff, jeweils m.w.N.).

 

2.2. Allerdings ordnet § 64 Abs. 2 LMSVG explizit an, dass die für die Schlachttieruntersuchung einzuhebenden Gebühren als  Landes(Gemeinde)abgaben zu qualifizieren sind.

 

Dem entsprechend legt § 1 Z. 1 des Oö. Fleischuntersuchungsgebührengesetzes, LGBl.Nr. 6/2008 i.d.g.F. LGBl.Nr. 102/2009 (im Folgenden: OöFlUGG), fest, dass das Land Oberösterreich für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung Gebühren erhebt, die nach § 3 Abs. 2 OöFlUGG mit Bescheid vorzuschreiben sind.

 

Dies bedeutet zunächst, dass für die zwangsweise Einbringung solcher Gebühren nicht das VVG, sondern vielmehr die Bestimmungen der Abgabenexekutionsordnung, BGBl.Nr. 104/1949 i.d.g.F. BGBl.Nr. I 111/2010 (im Folgenden: AbgEO), maßgeblich sind (vgl. § 2 Abs. 1 AbgEO).

 

Davon ausgehend stellen Gebührenbescheide gemäß § 3 Abs. 2 OöFlUGG Exekutionstitel i.S.d. AbgEO dar (§ 2 Abs. 2 lit. d i.V.m. § 4 AbgEO), wobei Einwendungen dagegen gemäß § 12 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 2 lit. c AbgEO bei jener (erstinstanzlichen) Behörde eingebracht werden müssen, von der der Exekutionstitel ausgegangen ist; dies ist nach § 4 Abs. 1 OöFlUGG die Oö. Landesregierung.

 

2.3. Im gegenständlichen Fall hätte daher die Oö. Landesregierung zunächst die Höhe der Gebühr mit Bescheid festzusetzen (§ 3 Abs. 2 OöFlUGG) und in der Folge auch über im Exekutionsverfahren vorgebrachte Einwendungen bescheidmäßig (§ 12 Abs. 4 AbgEO) abzusprechen gehabt.

 

Da eine solche Erledigung jedoch innerhalb der in § 311 Abs. 2 der Bundesabgabenordnung, BGBl.Nr. 194/1961 i.d.g.F. BGBl.Nr. I 22/2012 (im Folgenden: BAO) vorgesehenen, nach § 1 AbgEO auch im Vollstreckungsverfahren maßgeblichen, konkret: seit dem 9. Mai 2012 begonnen habenden Entscheidungsfrist von sechs Monaten hier bis dato jedoch offenkundig nicht erfolgt ist, erweist sich der vorliegende Devolutionsantrag sohin – ungeachtet seiner Bezugnahme auf eine unzutreffende Rechtsgrundlage – als zulässig.

 

2.4. Darüber hinaus ist er auch schon deshalb begründet, weil der dem gegenständlichen Exekutionsverfahren zu Grunde liegende Titel nicht den formalen Voraussetzungen des Gesetzes entspricht:

 

Denn in § 3 Abs. 2 OöFlUGG ist explizit angeordnet, dass die Oö. Landesregierung die Schlachttieruntersuchungsgebühren – aus Gründen eines effizienteren Rechtsschutzes – (nicht bloß mittels Rückstandsausweis festzusetzen, sondern) im Wege eines Bescheides vorzuschreiben hat, wobei die Höhe der zu entrichtenden Gebühr nach den einzelnen Gebührentatbeständen aufzuschlüsseln ist.

 

Dem wird jedoch die (ohnehin bloß) als "Rückstandsausweis" bezeichnete (und offensichtlich auch nur als eine solche intendierte) Erledigung des Amtes der Oö. Landesregierung vom 15. November 2011, Zl. ESV-720011/3-2011-W/Li, schon deshalb nicht gerecht, weil sie keine bescheiderlassende Behörde (sondern nur eine Abteilung eines behördlichen Hilfsorganes) erkennen lässt. Davon abgesehen fehlt auch eine entsprechende Aufschlüsselung nach Gebührentatbeständen – vielmehr findet sich bloß eine Aneinanderreihung von Pauschalsummen aus einzelnen Monaten in den Jahren 2003 bis 2005, 2007, 2010 und 2011.

 

3. Gemäß § 311 Abs. 3 BAO war daher der Oö. Landesregierung aufzutragen, binnen drei Monaten – d.i. bis längstens 27. Februar 2013 – einen Gebührenbescheid nach § 3 Abs. 2 OöFluGG zu erlassen und dem Oö. Verwaltungssenat eine Abschrift dieses Bescheides vorzulegen bzw. gegebenenfalls schon vor diesem Zeitpunkt mitzuteilen, weshalb eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht mehr vorliegt.

 

4. Diese Entscheidung war gemäß § 67a dritter Satz AVG nicht von einem Einzelmitglied, sondern von einer aus drei Mitgliedern bestehenden Kammer zu treffen, wobei gemäß § 67d Abs. 2 Z. 1 AVG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 14,30 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

M a g.  S t i e r s c h n e i d e r

 

Für die Richtigkeit

der Ausfertigung:

 

 

VwSen-600127/3/Gf/Rt vom 3. Dezember 2012

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

AbgEO §1;

AbgEO §2;

AbgEO §4;

AbgEO §5;

AbgEO §12;

BAO §311;

EO §35 EO;

EO §36;

LMSVG §53;

LMSVG §64;

LMSVG-KoGeV §2;

Oö. FlUGG 2008 §1;

Oö. FlUGG 2008 §3;

Oö. FlUGG 2008 §4;

VVG §3

 

 

* Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates zur Entscheidung über einen Devolutionsantrag in einer Angelegenheit der Abgabenexekution, der sich gegen die Nichterlassung eines Bescheides, mit dem über eine Einwendung des Verpflichteten gegen den Anspruch und gegen die Bewilligung der Exekution abzusprechen gewesen wäre, richtet;

* Nicht VVG, sondern AbgEO und BAO sowie Oö. FlUGG 2008 als maßgebliche Verfahrensvorschriften bzw. Zuständigkeitsnormen;

* Fehlende Bescheidqualität mangels Erkennbarkeit einer bescheiderlassenden Behörde; Unzulässigkeit eines bloßen Rückstandsausweises als Vollstreckungstitel, weil in § 3 Abs. 2 Oö. FlUGG 2008 diesbezüglich explizit Bescheidform vorgesehen ist;

* § 311 Abs. 3 BAO: Weder Aufhebung noch Sachentscheidung, sondern Auftrag an die Oö. Landesregierung zur Bescheiderlassung binnen bestimmter Frist.

 

 

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