Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550616/3/Wim/Rd/Bu VwSen-550614/5/Wim/Rd/Bu

Linz, 30.01.2013

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 6. Kammer (Vorsitzende: Dr. Ilse Klempt, Berichter: Dr. Leopold Wimmer, Beisitzer: Mag. Thomas Kühberger) über die Anträge des X, X, X, vertreten durch X Rechtsanwälte GmbH, X, X, vom 28. Dezember 2012 und vom 24. Jänner 2013 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren X betreffend das Vorhaben "X", zu Recht erkannt:

 

 

I.       Dem Antrag vom 24. Jänner 2012 wird stattgegeben und dem Auftraggeber X die Erteilung des Zuschlages bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis 24. März 2013, untersagt.

 

II.     Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung vom 28. Dezember 2012 betreffend den Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 21.12.2012 wird als unzulässig zurückgewiesen.  

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§ 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 – Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006 idF LGBl. Nr. 68/2010.

Zu II.: §§ 1, 2, 3 und 11 Abs.3 Oö. VergRSG 2006

 

 


Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit Eingabe vom 24. Jänner 2013 hat das X (im Folgenden: Antragstellerin) Anträge auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung sowie der an den präsumtiven Bestbieter gerichteten Aufforderung zur Legung eines (letztgültigen bzw. überarbeiteten) Angebots sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, dem Auftraggeber die Zuschlagserteilung zu untersagen, gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren beantragt.

 

Begründend wurde Nachstehendes vorgebracht:

 

Das gegenständliche Vergabeverfahren wird vom Auftraggeber als "X" bezeichnet. Das Vergabeverfahren wurde vom Auftraggeber als Dienstleistungsauftrag der Kategorie 24 (Unterrichtswesen und Berufsaus­bildung) im Oberschwellenbereich im Supplement zum Amtsblatt der Euro­päischen Union bekannt gemacht (02/10/2012, 2012/S189-311218). Das Ver­gabe­­verfahren wird als Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekannt­machung durchgeführt. Als Leistungsbeginn ist der 1.1.2013 vorgesehen, eine zeitliche Befristung ist nicht vorgesehen.  Ange­fochtene Entscheidung ist die neuerliche Entscheidung des Auftraggebers, den Auftrag der Bietergemeinschaft bestehend aus X GmbH sowie der X GmbH zu erteilen.

 

Als Zuschlagskriterien werden in der Angebotsunterlage (AU) der niedrigste Preis (bewertet mit 50% bzw einer Punktezahl von 50) sowie die Qualität (gewichtet mit 50% bzw einer Punktzahl von 50) angegeben.

 

Die Antragstellerin erfüllt alle im Punkt 4 des Teilnahmeantrages festgelegten Eignungskriterien und wurde anhand der in Punkt 5 festgelegten Auswahl­kriterien zur Angebotslegung aufgefordert. Daraufhin legte die Antragstellerin fristgerecht ein qualitativ hochwertiges und preislich äußerst kompetitives Angebot. Am 19.12.2012 fand ein mündliches Verhandlungsgespräch mit dem Auftraggeber statt und wurde in diesem Zuge insbesondere erörtert, ob im Angebot der Antragstellerin im Rahmen der Darlegung von Gebäudekosten eine "kalkulatorische AfA" herangezogen wurde oder eine "buchhalterische AfA". Seitens des Auftraggebers wurde betont, dass die buchhalterische AfA als Basis für die Angebotsbewertung herangezogen werden müsste, weshalb der Antrag­stellerin aufgetragen wurde, ehestmöglich eine diesen Umstand berücksichtigen­de Preiskalkulation nachzureichen. Die Antragstellerin wurde nicht aufgefordert, ein über den genannten Umstand hinausgehendes verbessertes letztgültiges Angebot zu legen. Ein Verhandlungsprotokoll wurde der Antragstellerin nicht übermittelt. Am 20.12.2012 ersuchte der Auftraggeber telefonisch um Bekannt­gabe, ob der von der Antragstellerin angegebene Gesamtpreis die gesetzliche Umsatzsteuer enthalte oder nicht, und um Nachreichung eines Gesamtpreises, welcher die gesetzliche Umsatzsteuer beinhalte. Im Zuge des Telefonates wurde sinngemäß mitgeteilt, dass man sich nun im Zuge der Nachbesserung von Preisen durch andere Bieter die Kalkulationen aller Bieter näher ansehen würde. Eine Gelegenheit zur Nachbesserung des eigenen Angebotspreises wurde der Antragstellerin jedoch nicht gegeben. Am 21.12.2012 wurde der Antragstellerin vom Auftraggeber per E-Mail bekannt gegeben, dass beabsichtigt sei, der Bietergemeinschaft bestehend aus der X GmbH sowie der X GmbH, den Zuschlag zu erteilen. Fristgerecht brachte die Antragstellerin gegen diese Zuschlagsentscheidung auch gegen die sonstige Festlegung des Auftraggebers, den präsumtiven Bestbieter zur Legung eines letztgültigen Angebots aufzufordern, wegen offenkundiger Rechtswidrigkeiten einen begründeten Nachprüfungsantrag beim UVS zu Zln. VwSen-550613 und  VwSen-550614 ein, wobei die Verfahren noch anhängig sind.

 

Unter dem Eindruck dieses Nachprüfungsantrages hat der Auftraggeber die Zuschlagsentscheidung vom 21. Dezember 2012 zurückgezogen, wodurch freilich nicht sämtliche der im Nachprüfungsantrag monierten Rechtswidrigkeiten saniert wurden.

 

Am 14. Jänner 2013 übermittelte der Auftraggeber eine neuerliche Zuschlags­entscheidung (unter abermaliger Missachtung der gesetzlichen Mindestan­forderungen an derartige Mitteilungen), in der wiederum bekannt gegeben wird, dass der Bietergemeinschaft bestehend aus der X GmbH sowie der X GmbH der Zuschlag erteilt werden soll.

 

Zur Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung wurde vorgebracht, dass sich der Auftraggeber zwar sichtlich bemüht hat, durch die Erlassung einer neuer­lichen Zuschlagsentscheidung die offenkundigsten und gravierendsten Mängel der Zuschlagsentscheidung vom 21. Dezember 2012 zu beheben. Dennoch ist ihm mit der neuerlichen Zuschlagsentscheidung vom 14. Jänner 2013 nicht gelungen, eine den gesetzlichen Mindestanforderungen entsprechende Zu­schlags­ent­scheidung zu verfassen. Nach Zitierung des § 131 Abs.1 BVergG 2006 und der dazu ergangenen Judikatur des EuGH bzw des BVA wurde vorgebracht, dass eine nicht gesetzmäßig begründete Zuschlagsentscheidung ergebnisrelevant rechtswidrig ist, weil eine gesetzmäßige Begründung beim Versenden der Zuschlagsentscheidung die gesetzwidrige Manipulation des Vergabeverfahrens bereits abstrakt ermöglicht bzw erleichtert würde.

 

Weiters wurde die Heranziehung eines falschen Bewertungspreises bemängelt. Der verbesserten Zuschlagsentscheidung lassen sich zwar die für die Angebotsbewertung herangezogenen Preise entnehmen. Dabei zeigt sich aber, dass hinsichtlich des Angebots der Antragstellerin ein anderer (und zwar: höherer!) Bewertungspreis (1.137.384,40 Euro) herangezogen wurde als von dieser tatsächlich angeboten wurde. Der angebotene und dem Auftraggeber nachweislich übermittelte Gesamtpreis der Antragstellerin, liegt unter Berücksichtigung des Eigenerlöses bei 985.146 Euro netto. Für die Umsätze aus der ausschreibungsgegenständlichen Leistung durch die Antragstellerin ist entgegen der offenbaren Rechtsansicht des Auftraggebers keine USt zu entrichten, weshalb allein der Nettobetrag für die Bewertung heranzuziehen ist.  Auch bei einem fiktiven Umsatzsteuersatz von 10% ergäbe sich ein Brutto­gesamtbetrag von 1.083.660,60 Euro. Von den zur Bewertung angezogenen 1.137.384,40 ist man damit immer noch weit entfernt. Selbst wenn man nun zusätzlich entgegen der bisherigen Praxis des Auftraggebers und entgegen dessen ausdrücklicher Zusicherung die Eigenerträge, die die Antragstellerin unverkennbar in ihrem Angebot preismindernd dargestellt hat, diese nicht berücksichtigen wollte, ergäbe sich ein Gesamtpreis von 1.023.646 Euro netto bzw 1.126.010,60 inkl. 10% USt. Immer noch wäre dieser Preis deutlich niedriger als jener, den der Auftraggeber zur Bewertung heranzog. Es sei daher nicht nachvollziehbar, wie das Bewertungsergebnis der vorliegenden Zuschlags­entscheidung zustande gekommen ist, da nicht ersichtlich ist, welche Preise der Auftraggeber für die Bewertung miteinander verglichen hat. Es ist fraglich, ob der Auftraggeber im Zuge der Angebotsbewertung bei allen Bietern Bruttopreise verglichen hat.

 

Angeführt wurde überdies, dass Angaben zum Abschneiden der präsumtiven Zuschlagsempfängerin hinsichtlich des Zuschlagskriteriums "Qualität" fehlen, zumal die der Zuschlagsentscheidung angefügte Beilage keinerlei Informationen zur Bewertung enthalte. Das Angebot der Antragstellerin wurde mit 50 Punkten, jenes der präsumtiven Zuschlagsempfängerin mit 45 Punkten bewertet. Ob deren Angebot zu Recht mit 45 Punkten bewertet wurde oder nicht, lässt sich daher nicht einmal erahnen. Eine Beurteilung durch die Antragstellerin als Bieter des gegenständlichen Vergabeverfahrens, ob die Zuschlagsentscheidung rechtmäßig an die präsumtive Zuschlagsempfängerin ergehen soll, ist damit nicht bloß erschwert, sondern schlichtweg ausgeschlossen. Gegenständlich wurde beim Zuschlagskriterium Qualität lediglich ausgeführt, wie viele Punkte die präsumtive Zuschlagsempfängerin insgesamt erhalten hat. Weiters wurde der Antragstellerin betreffend dieses Kriteriums in der Zuschlagsentscheidung nur ihr eigenes Angebot betreffende Bewertungsergebnisse in zusammengefasster Form mitge­teilt. Damit ist nach der Entscheidungspraxis der Vergabekontrollbehörden den gesetzlichen Anforderungen aber auch nicht genüge getan.

Als Begründung iSd gesetzlichen Vorgaben sind gerade die Überlegungen des Auftraggebers, weshalb er wie viele Punkte bei welchen (Sub)-Kriterien vergeben hat, anzusehen. Erst durch diese Informationen werden die für die Beurteilung der Angebote wesentlichen Faktoren transparent und die Entscheidung des Auftraggebers überprüfbar. Dass diese Verpflichtung auch nicht (teilweise) entfällt, wenn der insgesamt unterlegene Bieter hinsichtlich eines Kriteriums von mehreren eine höhere Punktezahl erreicht hat als der in Aussicht genommene Bestbieter, kann nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden. Andernfalls wäre in solchen Fällen die geforderte Transparenz der Gesamtbewertung nicht gegeben.

Die aufgezeigten Mängel der nunmehr ergänzten, aber immer noch unvoll­ständigen Begründung der Zuschlagsentscheidung wiegen gegenständlich umso schwerer, als sich auch den AU nur äußerst vage Anhaltspunkte für den Bewer­tungs­vorgang des Kriteriums Qualität entnehmen lassen.

 

Die in der Zuschlagsentscheidung genannten Subkriterien Projektumsetzungs­kon­zept (25%), Qualitätssicherungssystem (12,5%) und Vermittlungsstrukturen (12,5%) finden sich überhaupt erstmals dort; sie wurden den Bietern (als gewichtete Subkriterien) zuvor im Laufe des Vergabeverfahrens zu keiner Zeit mitgeteilt, sondern erstmals mit der Zuschlagsentscheidung bekannt gegeben.

 

Entgegen der Festlegung in Punkt V der AU fand eine Bewertung der Präsentation im Rahmen der Verhandlungen offenbar nicht statt. Durch die erfolgte nachträgliche Einführung von Zuschlagssubkriterien bzw deren Gewichtung bei gleichzeitigem Verzicht auf in den AU vorgesehenen Bewertungskriterien wird gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Der Bewertungsvorgang ist damit intransparent geworden.

 

Im Telefonat mit dem Auftraggeber wurde darauf hingewiesen, dass der Gesamt­preis inkl. USt anzugeben sei. Der Antragstellerin ist aber aus früheren Verfahren bzw Verfahren betreffend die Vergabe ähnlicher Dienstleistungen bekannt, dass Leistungen wie die gegenständlichen üblicherweise umsatzsteuerfrei erbracht werden. Die AU ist diesbezüglich unklar, zumal dort die Rede ist, dass ge­gebenen­falls die USt für den Bewertungspreis maßgeblich sei. Es erscheint fraglich, ob bei allen Bietern gleichermaßen entweder Brutto- oder Nettopreise verglichen wurden. Das Verfahren ist auch aufgrund dieses Umstandes intrans­parent.

 

Weiters wurde – unter Zitierung der Judikatur von Vergabekontrollbehörden – die Festlegung objektiv nicht nachvollziehbarer Bewertungskriterien bemängelt und festgestellt, dass den darin angeführten Anforderungen das gegenständliche Zuschlagskriterium Qualität, bei welchem die Hälfte aller insgesamt zu erreichenden Punkte erzielt werden können, in keiner Weise gerecht wird. Ferner ist auch nicht klar, wie die gelegten Angebote hinsichtlich der Qualität im Verhältnis zueinander bewertet wurden. Die AU enthält hiezu nur den nichts sagenden Hinweis, dass die weiteren Konzepte abgestuft nach ihrer Qualität eine verringerte Punktezahl erhalten würden. Ob damit eine lineare oder aber eine sonstige Abstufung gemeint ist, erfahren die Bieter nicht.  Die gebotene sachliche Begründung der Ermittlung des Bestbieters setzt im Ergebnis jedoch voraus, dass die Bestbieterermittlung schon aufgrund der AU objektiv nachvollziehbar ist. Anderenfalls hätte es der Auftraggeber in der Hand, die Zuschlagskriterien erst nach Angebotslegung näher zu spezifizieren und somit unzulässiger Weise das Ergebnis des Vergabeverfahrens beeinflussen zu können.

 

Die seitens des Auftraggebers festgelegten Zuschlagskriterien sind ungeeignet, die Transparenz der Zuschlagsentscheidung zu gewährleisten. Der Auftraggeber kann geradezu willkürlich entscheiden, nach welchen Zielsetzungen er die Angaben im Angebot eines Bieters beurteilt, ohne dass er sie in der Aus­schreibung zuvor angekündigt hätte. Eine sachlich nicht begründbare Bevor­zugung eines Bieters ist dabei zumindest nicht denkunmöglich. Angesichts des Fehlens konkretisierender Erläuterungen zu dem Zuschlagskriterium Qualität war eine objektive Bewertung der Angebote sowie eine daran anschließende objektiv nachvollziehbare Bestbieterermittlung anhand der vorgegebenen Zuschlags­kriterien ausgeschlossen und erweist sich die Zuschlagsentscheidung auch des­halb als rechtswidrig.

 

Der Umstand, dass die Antragstellerin nicht bereits die AU angefochten hat, vermag die Rechtswidrigkeit der Bestbieterermittlung auf der Grundlage von nicht nachvollziehbaren Kriterien nicht zu beseitigen. Zwar ist die AU samt den Zuschlagskriterien bestandfest geworden; allerdings ist auf Grundlage der bestandfesten Zuschlagskriterien eine Bestbieterermittlung unter Ausschluss jeglichen Willkürelementes des Auftraggebers nicht möglich und die Zuschlags­entscheidung daher jedenfalls rechtswidrig.

 

Der Antragstellerin wurde – offenbar im Unterschied zu anderen Bietern – nicht die Möglichkeit eingeräumt, aufgrund der Verhandlungsergebnisse ein verbes­sertes (letztgültiges) Angebot zu legen. Offenbar – dies ergibt sich zumindest implizit aus dem Telefonat zwischen dem Auftraggeber und der Antragstellerin – wurde im Unterschied zur Antragstellerin allerdings anderen Bietern im Verfahren die Möglichkeit geboten, ihr Angebot zu überarbeiten bzw binnen Fristsetzung ein überarbeitetes Angebot zu legen. Hierin liegt ein besonders krasser Verstoß gegen das Gleichheitsgebot, welcher die angefochtene Entscheidung, mit der manche Bieter im Vergabeverfahren zur Legung eines verbesserten letztgültigen Angebots aufgefordert wurden (was der anwaltlichen Vorsicht halber eigens als gesondert anfechtbare Entscheidung bekämpft wurde und Gegenstand des Verfahrens VwSen-550613 und VwSen-550614 ist) mit Rechtswidrigkeit belastet.

 

Letztendlich wurde auch die Unterlassung des zwingenden Widerrufs des Ver­gabe­verfahrens als Rechtswidrigkeit genannt.

 

Zum drohenden Schaden und Interesse am Vertragsabschluss wurde vorge­bracht, dass der Auftraggeber den Erfordernissen des Gleichbehandlungsgrund­satzes und der Verpflichtung zur Transparenz nicht entsprochen hat, weshalb sich der Bewertungsvorgang als intransparent und damit in einem Ausmaß als mangelhaft erweist, der zur Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung führen muss. Bei rechtskonformer Vorgehensweise hätte die Bekanntgabe der Zu­schlags­entscheidung nicht zu Gunsten des Angebots der präsumtiven Zuschlags­empfängerin erfolgen dürfen.

Bei Aufrechterhaltung der rechtswidrigen Zuschlagsentscheidung droht der An­trag­stellerin ein Schaden in Höhe der branchenüblichen Gewinnspanne, i.e. jenes Gewinnes, den die Antragstellerin im Falle eines Vertragsabschlusses mit dem Auftraggeber hätte erlangen können.

Darüber hinaus hat die Antragstellerin für die Teilnahme am Vergabeverfahren bisher Aufwendungen in Höhe von zumindest 12.000 Euro, insbesondere für die Erarbeitung von Angeboten, die Erstellung von Unterlagen, die Teilnahme an Verhandlungsrunden vor Ort, sowie für externe Rechtsberatung getätigt, die in Folge der unterbliebenen Zuschlagserteilung auf ihr Angebot frustriert zu werden drohen. Zudem drohe der Verlust eines Referenzprojekts.

 

Die Antragstellerin erachte sich in ihrem Recht auf

-         Durchführung eines fairen, transparenten und dem Grundsatz des lauteren Wettbewerb entsprechenden und somit vergaberechtskonformen Vergabe­verfahrens,

-         Wahrung des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller Bieter,

-         eine objektiv nachvollziehbare Begründung der Zuschlagsentscheidung,

-         rechtskonforme Bewertung der Angebote und

-         Widerruf des Vergabeverfahrens,

 verletzt.

 

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verweist die Antrag­stellerin zunächst auf die Ausführungen im Hauptantrag. Des weiteren wurde vorgebracht, dass die Untersagung der Zuschlagserteilung das gelindeste Mittel darstelle, da mit der Zuschlagserteilung unumkehrbare Tatsachen geschaffen würden, die von der Antragstellerin mithilfe von Nachprüfungsanträgen nicht mehr beseitigt werden könnten. Öffentliche Interessen würden der Erlassung der einstweiligen Verfügung nicht entgegenstehen, ebenso stehen einer einstweiligen Untersagung der Zuschlagserteilung keine allfälligen besonderen Interessen des Auftraggebers oder der präsumtiven Zuschlagsempfängerin entgegen. Zusam­men­fassend ist somit festzuhalten, dass nicht vom Überwiegen der nachteiligen Folgen der einstweiligen Verfügung auszugehen ist und die Interessensabwägung daher zu Gunsten der Antragstellerin auszufallen hat.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat das X als Auftraggeber am Nachprüfungs­verfahren beteiligt. Eine Stellungnahme hinsichtlich der Erlassung der einstweiligen Verfügung langte bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht ein. 

 

3.  Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs.1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 (Oö. VergRSG 2006) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesen (Vergabeverfahren), die gemäß Art.14b Abs.2 Z2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Gemäß Art.14b Abs.2 Z2 lit.a B-VG ist die Vollziehung Landessache hinsichtlich der Vergabe von Aufträgen durch das Land. Das gegenständliche Nachprüfungs­ver­fahren unterliegt daher den Bestimmungen des Oö. VergRSG 2006.

 

Gemäß § 2 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 obliegt dem Unabhängigen Verwaltungs­senat die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs.1 leg.cit.

 

3.2.  Gemäß § 2 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 ist der Unabhängige Verwaltungssenat bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig. Aufgrund der Höhe des Auftragswertes des ausgeschriebenen Dienstleistungsauftrages sind die Bestim­mungen für den Oberschwellenbereich anzuwenden.

 

3.3. Gemäß § 8 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 hat der Unabhängige Verwaltungs­senat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs.1 leg.cit. hat der Unabhängige Verwaltungssenat vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabe­verfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs.3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4.  Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundes­vergabe­gesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 (entspricht nunmehr Art.2 Abs.5) der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessens­abwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dring­lichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durch­geführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminier­ten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabe­verfahrens letztlich dienen soll.

 

3.5. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlos­sen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft den Auftraggeber im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorialverfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Der Auftraggeber hat im Verfahren konkrete, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9).

 

Die Antragstellerin hat denkmöglich ausgeführt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch den Auftraggeber vorgebracht worden noch dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessensab­wägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass der Auftraggeber ein Interesse an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabe­kontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben können, liegt in der Natur der Sache. Da - wie bereits erwähnt - kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zu­mindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrigkeiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 iVm § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006.

Gemäß § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. eine Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für den  Unabhängigen Verwaltungssenat somit die Möglichkeit besteht, die Aussetzung der Zuschlags­erteilung für zwei Monate, auszusprechen.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.4 Oö. VergRSG 2006 sofort vollstreckbar.

 

Zu II.:

Gemäß § 5 Abs.2 Oö. VergRSG 2006 ist ein Nachprüfungsantrag jedenfalls unzulässig, wenn

1.                  er sich nicht gegen eine gesondert anfechtbare Entscheidung richtet,

2.                  er nicht innerhalb der Fristen des § 4 gestellt wird oder

3.                  er trotz Aufforderung zur Verbesserung nicht ordnungsgemäß vergebührt wurde.

 

Gemäß § 2 Z16 lit.a sublit.dd BVergG 2006 stellt die Zuschlagsentscheidung im Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung eine gesondert anfecht­bare Entscheidung dar.

Die Zuschlagsentscheidung ist unter Zugrundelegung der Definition in § 2 Z48 BVergG 2006 als vorläufige Wissenserklärung iSe Nachricht über die Tatsache zu werten, an welchen Bieter die Erteilung des Zuschlags vorgesehen ist und enthält dies keine auf den Eintritt von Rechtsfolgen gerichtete Willenserklärung. Eine solche entfaltet somit keine Bindungswirkung und sind aus dieser auch keine zivilrechtlichen Ansprüche ableitbar. Eine Änderung oder Richtigstellung dieser Wissenserklärung durch den Auftraggeber ist daher bis zum Vertragsabschluss und damit bis zur Zuschlagserteilung zulässig (vgl. Möslinger-Gehmayr in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel Bundesvergabegesetz 2002 – Kommentar, RZ 79 zu § 166).

 

Der Antrag vom 28. Dezember 2012 richtet sich gegen die Zuschlags­ent­schei­dung vom 21. Dezember 2012. Diese Entscheidung wurde vom Auftraggeber mit Schreiben vom 3. Jänner 2012 – zulässiger Weise – zurückgenommen. Die Zurücknahme bewirkt, dass in diesem Nachprüfungs­verfahren die Entscheidung weggefallen ist und daher im Sinne des § 5 Abs.2 Oö. VergRSG 2006 keinen Anfechtungsgegenstand mehr bildet. Der Nachprüfungsantrag hinsichtlich der Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung ist daher durch die Zurücknahme der Entscheidung vom 21. Dezember 2012 unzulässig geworden, weshalb dieser in diesem Punkt zurückzuweisen war. Gleiches gilt für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

 

Der Abspruch über die Nichtigerklärung einer gesonderten Festlegung sowie über die Gebühren erfolgt in einer gesonderten Entscheidung.

 

4. In  den gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 28,60 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

 

Für die Richtigkeit

der Ausfertigung:

   

 

 

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