Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730673/17/SR/WU

Linz, 08.01.2013

                                                                                                                                                        

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, geboren am X, vertreten durch X, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 19. September 2012, GZ: 1058112/FRB, betreffend die Erlassung eines auf 10 Jahre befristeten Aufenthaltsverbots, nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung am 7. Dezember 2012, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 9 Abs. 1a, 63 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012).

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 19. September 2012, GZ 1058112/FRB, dem Berufungswerber (im Folgenden: Bw) zugestellt durch Hinterlegung am 20. September 2012, wurde gegen den Bw auf der Grundlage des § 63 Abs. 1 und Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetz 2005 (im Folgenden: FPG), in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

 

 

Zum Sachverhalt führte die belangte Behörde Folgendes aus:

 

Aus dem Fremdenakt geht hervor, dass Sie am 07.06.1991 mit ihrer Mutter nach Österreich einreisten.

Zuletzt wurden Ihnen von der BH Linz-Land am 09.02.2012 ein bis 08.02.2013 gültiger Aufenthaltstitel erteilt.

Sie halten sich derzeit aufgrund dieses Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Während Ihres Aufenthaltes in Österreich wurden Sie wie folgt verurteilt:

 

1)       LG Steyr 10 EVr 229/2000 Hv 35/2000 vom 05.10.2000 (rk 10.10.2000), wegen des teils versuchten, teils vollendeten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z. 1 und 15 StGB, des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126
Abs. 1 Z. 5 und 7 StGB, der Vergehen nach § 27 Abs. 1 1. und 2. Fall SMG, der
Vergehen nach § 27 Abs. 1 1, 2. und 6. Fall SMG, des versuchten Vergehens nach § 15 StGB, § 27 Abs. 1 1. und 2. Fall SMG, Freiheitsstrafe 5 Monate, Probezeit 3 Jahre.

 

Der Verurteilung liegt zu Grunde, dass Sie

I.       in Asten fremde bewegliche Sachen, teils durch Einbruch, mit dem Vorsatz, sich       oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, teils         weggenommen, teil wegzunehmen versucht haben,

II.      in Asten fremde, teils der öffentlichen Sicherheit dienende Sachen, teils        beschädigt, teils verunstaltet oder unbrauchbar gemacht, wobei durch die Taten          ein S 25.000,- übersteigender Schaden herbeigeführt wurde,

III.     den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift teils erworben, teils zu erwerben    versucht, teils besessen und teils anderen überlassen oder verschafft haben.

 

Zu den einzelnen Fakten wird auf die Urteilsausfertigung verwiesen, die an dieser Stelle zum integrierenden Bestandteil des Bescheides erhoben wird.

 

2)       LG Steyr 10 Hv 1027/2001 d vom 15.11.2001 (rk 21.11.2001), wegen des teils versuchten, teils vollendeten Vergehens nach §§ 27 Abs. 1 6. Fall, Abs. 2 Z. 2 1. Fall
SMG und 15 StGB, der Vergehen nach § 27 Abs. 1 1., 2., 4., 5. und 6. Fall SMG, des
Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB, Freiheitsstrafe 6 Monate.

 

Der Verurteilung liegt zu Grunde, dass Sie

I.       den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift gewerbsmäßig anderen        überlassen oder verschafft haben,

II.      den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift erworben, besessen sowie aus-      und eingeführt haben,

III.     zwischen 21. und 23.05.2001 in Asten einen anderen dadurch geschädigt haben,      dass Sie eine fremde bewegliche Sache aus dessen Gewahrsam dauernd      entzogen, ohne sich die Sache zuzueignen, indem Sie das im Keller des Hauses         Holunderstraße 1 abgestellte Fahrrad der X an sich nahmen und nach dessen          Benützung in der Straße in den Straßengraben warfen.

 

Zu den einzelnen Fakten wird auf die Urteilsausfertigung verwiesen, die an dieser Stelle zum integrierenden Bestandteil des Bescheides erhoben wird.

 

3)       BG Enns 2 U 15/2003 p vom 28.03.2003 (rk 31.03.2003), wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB, Geldstrafe € 100,-.

 

Der Verurteilung liegt zu Grunde, dass Sie am 09.01.2003 in Linz im Geschäft Saturn in der X versucht hatten, Verantwortlichen dieses Geschäftes eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem Sie unter Beobachtung eines Detektiven (über Monitor) 5 bespielte CD-s mit dem Gesamtverkaufspreis von € 101,39 in Ihrer Kleidung versteckten und ohne Bezahlung an der Kasse vorbeibringen wollten, wobei Sie noch im Geschäftsbereich gestellt wurden.

 

4)       LG Linz 23 Hv 30/2005 t vom 29.04.2005 (rk 03.05.2005), wegen des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB, des Vergehens der
Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, Geldstrafe € 360,-.

 

Der Verurteilung liegt zu Grunde, dass Sie, nachdem Sie von X am 21.12.2004 in Linz durch Versetzen eines Faustschlages am Körper verletzt wurden, diesen durch Vorhalten eines Messer und anschließendem Zustechen, sohin durch gefährliche Drohung und Gewalt zu einer Handlung, nämlich der Begleichung seiner Schulden bei Ihnen, zu nötigen versucht haben und ihn durch diese Tathandlung in Form von Stichwunden am linken Oberarm vorsätzlich am Körper verletzt haben.

 

5)       BG Enns U 182/2005 z vom 13.01.2006 (rk 17.02.2006), wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 SMG, Zusatzstrafe € 40,- unter Bedachtnahme auf LG Linz 23 Hv 30/2005 t.

 

Der Verurteilung liegt zu Grunde, dass Sie den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift erworben und besessen haben, und zwar:

Im Sommer oder Herbst 2003 in Wien durch Ankauf von ca. 25 Gramm Marihuana zum Gesamtpreis von € 9,-;

im Zeitraum von Sommer 2004 bis Dezember 2004 in Asten durch Ankauf von ca. 30 Gramm Haschisch und Marihuana zum Grammpreis zwischen € 8,- und € 10,-; im Sommer 2004 in Enns durch Ankauf von ca. 2 Gramm Marihuana zum Grammpreis von  € 10,-;

im Sommer 2004 bis Dezember 2004 in Enns und Asten durch drei- bis fünfmaligen Konsum von Haschisch und Marihuana.

 

6)       BG Enns 2 U 14/2007 x vom 21.02.2007 (rk 15.03.2007), wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB, Geldstrafe € 600,-.

 

Der Verurteilung liegt zu Grunde, dass Sie am 23.12.2006 in Asten in der Schlecker-Filiale versucht hatten, eine Flasche Parfüm im Wert von € 28,99 Verantwortlichen dieses Geschäftes mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem Sie dieses Parfüm unter Beobachtung durch eine Kaufhausangestellte in Ihrer rechten äußeren Jackentasche verstauten und ohne Bezahlung an der Kasse vorbeibrachten, nach deren Passieren jedoch unmittelbar darauf gestellt wurden.

 

7)       BG Linz 32 U 95/2007 g vom 21.01.2008 (rk 25.01.2008), wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB und des Vergehens nach § 50 Abs.1 Z. 2 Waffengesetz, Geldstrafe € 1.000,-.

 

Der Verurteilung liegt zu Grunde, dass Sie am 06.08.2007 in X, versucht hatten, Verantwortlichen der Fa. X fremde bewegliche Sachen, nämlich 1 Parfüm im Wert von € 36,90 mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern;

seit November 2003 bis zum 21.11.2007 hatten Sie in Linz (wenn auch nur fahrlässig) einen Schlagring, mithin eine verbotene Waffe (§17 Abs. 1 Z. 6 WaffG) unbefugt besessen.

 

8)       BG Linz 32 U 22/2008 y vom 14.04.2008 (rk 18.04.2008), wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15,127 StGB, Geldstrafe € 2.000,-.

 

Der Verurteilung liegt zu Grunde, dass Sie am 31.01.2008 in Linz versucht haben, Verantwortlichen der Fa. X und Y eine fremde bewegliche Sache, nämlich eine Strickhaube im Wert von € 34,90, mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern.

9)       BG Linz 17 U 108/2010 p vom 03.05.2010 (rk 07.05.2010), wegen Vergehens nach § 50 Abs. 1 Z. 3 WaffG, Geldstrafe € 400,-.

 

Der Verurteilung liegt zu Grunde, dass Sie seit einem nicht näher bekannten Zeitpunkt bis zum 27.02.2010 in Linz (wenn auch nur fahrlässig) eine Waffe, nämlich einen Pfefferspray, besessen haben, obwohl Ihnen dies gem. § 12 WaffG verboten ist.

 

10)     LG Steyr 11 Hv 35/2012 w vom 26.04.2012 (rk 01.05.2012), wegen des
Verbrechens des gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 148 1. Fall StGB, des teils
versuchten, teils vollendeten Vergehens des Diebstahls nach §§ 127, 15 Abs. 1
StGB, des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, der Vergehen der
Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB und des Vergehens nach § 50 Abs.
1 Z. 3 WaffG, Freiheitsstrafe 12 Monate, davon 8 Monate bedingt auf 3 Jahre.

 

Der Verurteilung liegt zu Grunde, dass Sie

I.       im Zeitraum März bis Dezember 2009 in Asten und an anderen Orten in insgesamt   16 Angriffen mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten          unrechtmäßig zu bereichern, jemand durch Täuschung über Tatsachen zu einer         Handlung verleitet haben, die einen anderen am Vermögen schädigte, wobei Sie in   der Absicht handelten, sich durch die Begehung von Betrugstaten eine          fortlaufende Einnahme zu verschaffen, indem Sie den Allgemeinmediziner Dr.        Peter Pichler durch wahrheitswidrige Vorgabe, das morphinhaltige Medikament Mundiol uno retard 200 mg für Ihre Mutter X zu benötigen, in 16          Angriffen zur Verschreibung von jeweils einer Packung a' 30 Stück Mundiol uno       retard 200 mg Kapseln an X verleiteten, und die auf den Namen der    X ausgestellten Rezepte in Apotheken einlösten und für sich selbst     verwendeten, wodurch die O.Ö. Gebietskrankenkasse als für X          zuständiger Sozialversicherungsträger in einem Betrag von insgesamt € 1,219,70 geschädigt wurde.

 

Zu den einzelnen Fakten wird auf die schriftliche Urteilsausfertigung verwiesen;

 

II.      am 20.04.2010 in Asten fremde bewegliche Sachen nachgenannten Personen mit     dem Vorsatz teils weggenommen, teils wegzunehmen versucht haben, sich durch          ihre Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar Verantwortlichen der Fa.    X vier Parfüms im Gesamtwert von 178,60, dem X eine Leselupe       im Wert von € 9,90, wobei die Tatvollendung infolge Ihrer Betretung unterblieb        und der X mehrere Feuerzeuge, Zubehör und Zigaretten im          Gesamtwert von € 89,90;

 

III.     am 22.09.2011 in Linz eine fremde Sache, nämlich einen         Straßenbeleuchtungsverteiler, durch Anbringen eines Graffito mit einem          Permanent-Marker verunstalt, wodurch dem Magistrat Linz ein Schaden von nicht    festzustellender Höhe entstand;

 

IV.      Urkunden, über die Sie nicht verfügen durften, mit dem Vorsatz unterdrückt haben, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehrt zum Beweis eines Rechtes,         eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, und zwar         zwischen 21.12.2010 und 21.09.2011 in Linz eine für X   ausgestellte Kundenkarte der FA. X, indem Sie diese von X    entgegennahmen und bis zur Sicherstellung besaßen; am 21.09.2011 in Linz ein         von X für seinen Patienten X ausgestelltes          und unterfertigtes Rezept über 10 Stück Rohypnol und 20 Stück Praxiten, indem     Sie dieses im Lokal „X" von einer Person namens „X" ankauften und bis    zur Sicherstellung besaßen.

 

V.       im Zeitraum von zumindest Anfang 2011 bis zu dessen Sicherstellung am      21.09.2011 in Linz, wenn auch nur fahrlässig, Waffen, nämlich einen Wurfstern,   ein Wurfmesser und ein Butterflymesser besessen haben, obwohl Ihnen dies    gemäß § 12 WaffG (aufrechtes Waffenverbot der BH Linz-Land vom 04.12.2001)          verboten ist.

 

Nach Darstellung der Rechtslage nahm die belangte Behörde folgende rechtliche Beurteilung vor:

 

Mit Schreiben vom 05.07.2012 Ihnen Gelegenheit eingeräumt, zur beabsichtigten Erlassung des Aufenthaltsverbotes binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen. Eine Stellungnahme ist ha. bislang nicht eingelangt.

 

Zur bereits 2008 beabsichtigen Erlassung eines Aufenthaltsverbotes hat Ihr damaliger Rechtsvertreter mit Schriftsatz vom 17.03.2008 folgende Stellungnahme abgegeben:

 

„Die von Ihnen ausgeführten strafgerichtlichen Verurteilungen in Ihrem Schreiben vom 19.02.2008 entsprechen den Tatsachen. Festzuhalten ist allerdings, dass mein Mandant am LG Linz zu 23 Hv 30/2005 t zu einer Strafe von 180 Tagessätzen zu je € 2,00 (somit gesamt € 360,-), durch das Bezirksgericht Enns zu 2 U 14/x vom 21.02.2007 zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je € 10,00 und durch das BG Linz am 21.01.2008 zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je € 10,00 verurteilt wurde. Die diesbezüglichen strafgerichtlichen Verurteilungen rechtfertigen - rückwirkend bis ins Jahr 2005 - keineswegs die Vorgehensweise, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot, ja überhaupt ein Aufenthaltsverbot, erlassen zu können. Die einzige maßgebliche Verurteilung meines Mandanten im Zusammenhang zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes resultiert aus dem Jahr 2001, handelt es sich um eine Jugendstraftat, die mit einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten sanktioniert wurde.

Sich allerdings nunmehr im Jahr 2008 auf eine strafrechtliche Verurteilung, die im Jahr 2001 rechtskräftig wurde, inhaltlich zu stützen, während die anderen - weiteren angeführten -Verurteilungen lediglich Geldstrafen wider meinen Mandanten zur Folge hatten, kann keineswegs die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zwingende bzw. rechtmäßige Folgen sein. Festzuhalten ist, dass nicht einmal die konkreten gesetzlichen Voraussetzungen nach den einschlägigen Bestimmungen des FPG zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes vorliegen.

Mangels gesetzlicher Grundlage, die zu einem derartigen Vorgehen berechtigt, ist daher die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtswidrig, insbesondere die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes.

Unter Einem ist bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch auf die persönlichen Verhältnisse und den Integrationsgrad meines Mandanten einzugehen. Auf diese Umstände nimmt die BPD Linz in Ihrem Schreiben vom 19.02.2008 keinerlei Rücksicht. Mein Mandant ist im Zuge der Bürgerkriegswirren in seinem Heimatstaat Bosnien im Jahr 1990 gemeinsam mit seinen Eltern nach Österreich gelangt und seither legal in Österreich aufhältig. Der Zeitraum des Aufenthaltes meines Mandanten ist daher in etwa 18 Jahre im Bundesgebiet der Republik Österreich. Mein Mandant ist im Alter von 6 Jahren nach Österreich eingereist, hat hier seine sämtliche schulische und berufliche Ausbildungen abgelegt, hat deutsch als seine Muttersprache beurteilt zu werden und hat mein Mandant keinen wie auch immer gearteten Bezug zu seinem Heimatstaat. Der Lebensmittelpunkt meines Mandanten liegt somit eindeutig und nachweislich in Österreich.

 

Mein Mandant ist darüber hinaus in engem Kontakt mit seiner ebenfalls zum Aufenthalt in Österreich berechtigten Familie. Der gesamte Freundes- und Bekanntenkreis meines Mandanten ist ebenfalls in Österreich situiert. Mein Mandant ist derzeit berufstätig, ist bei der Firma X. Mein Mandant ist dort als Hilfsarbeiter beschäftigt, dies in einem sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigungsverhältnis. Mein Mandant erwägt darüber hinaus in absehbarer Zeit entsprechende Umschulungsmaßnahmen zur Verbesserung seins beruflichen Statusses in Österreich vorzunehmen.

Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auf die beiliegende Bestätigung der Meldung aus dem ZMR Lohn- und Gehaltsabrechnung für den Monat Jänner und Februar 2008 sowie den Dienstzettel, ausgestellt vom Arbeitgeber meines Mandanten X.

 

Bei Abwägung all dieser für meinen Mandanten sprechenden persönlichen Umstände, insbesondere der Dauer seins Aufenthaltes und seiner vollständigen beruflichen und familiären, aber auch sprachlichen Integration in Österreich, ist daher auch aus diesem Grund die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wider meinen Mandanten rechtlich nicht zulässig."

 

Entgegen der Behauptung in der Stellungnahme vom 17.03.2008, Sie seien 1990 im Alter von 6 Jahren nach Österreich gekommen, findet sich im Akt ein Schreiben Ihrer Mutter vom 08.05.2003 (im Zusammenhang mit dem Antrag auf Erteilung eines unbefristeten Aufenthaltstitels), wonach Sie am 07.06.1991, also im Alter von 8 Jahren, nach Österreich gekommen sind.

 

Wie sich aus der Stellungnahme weiters ergibt, waren Sie 2008 bei Fa. X beschäftigt.

Aus dem Versicherungsdatenauszug vom 19.09.2012, beginnend mit 01.01.2009, geht hervor, dass Sie nur fallweise einer Beschäftigung nachgegangen sind, überwiegend jedoch Krankengeld und Notstandshilfe bezogen haben.

 

Auch wenn nicht übersehen wird, dass Sie nun seit 21 Jahren in Österreich leben, sich Ihre Eltern und Verwandte auch hier befinden, ist dennoch festzuhalten, dass die für eine Integration wesentliche soziale Komponente bei Ihnen vergeblich zu suchen ist. Ihre kriminelle Laufbahn hat 2000 mit Eigentums- und Suchtgiftdelikten begonnen und zieht sich wie ein roter Faden bis in die Gegenwart, was in der letzten (mittlerweile 10.) Verurteilung vom 26.04.2012 gipfelt.

Zurückliegende Verurteilungen und selbst die Einleitung des Aufenthaltsverbotsverfahrens im Jahr 2008 haben Sie nicht davon abhalten können, weiterhin strafbare Handlungen zu begehen, deren Ursache offensichtlich in Ihrer Abhängigkeit zu Suchtmitteln zu finden ist.

 

Schon im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, insbesondere des Suchtgifthandels, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden dringend geboten, weil das maßgebliche öffentliche Interesse (an der Verhinderung von strafbaren Handlungen zum Schutz der Gesundheit) in diesen Fällen unverhältnismäßig schwerer wiegt, als das private Interesse des Fremden. Ein rigoroses Vorgehen gegen Suchtgiftdelikte, ganz gleich in welcher Form, ist schon deshalb dringend geboten, da der immer größer werdende Konsum von Suchtgiften zu verheerenden Schäden und Folgen in der Gesellschaft und hier wiederum vor allem bei Jugendlichen, führt.

Außerdem nimmt die mit dem Genuss von Suchtgiften einhergehende Suchtgiftkriminalität bereits Dimensionen an, die zu einer eklatanten Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit führen.

Nicht zuletzt bezeichnet auch der EuGH Suchtgifte als „Geißel der Menschheit".

 

Die Suchtgiftkriminalität ufert bereits mit besorgniserregenden Wachstumsraten immer mehr zu einem gesellschaftlichen Destabilisierungsfaktor aus, dessen wirksame Bekämpfung gerade aus der Sicht seiner grenzüberschreitenden Intensivierung auf immer größere Schwierigkeiten stößt.

 

Dass notorischen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Belastungen und Risken, die mit Suchtgiftmissbrauch regelmäßig verbunden sind, hinreichend Anlass zu konsequenter Wahrnehmung der verfügbaren Abwehrmöglichkeiten bieten, bedarf ebenso wenig einer weiterreichenden Erörterung, wie die Abhängigkeit der präventiven Wirksamkeit strafrechtlicher Sanktionen vom Gewicht ihrer Täterbelastung und ihrem Bekanntheitsgrad in potentiellen Täterkreisen.

Im Hinblick auf den Schutz der Gesellschaft, und hier vor allem wiederum der Jugendlichen, die diesen Gefahren auf Grund ihrer mangelnden Reife vermehrt ausgesetzt sind, ist eine derartige Maßnahme dringend erforderlich.

 

Auch scheint von Ihnen eine Gefahr für den Schutz fremden Eigentums und die körperliche Unversehrtheit anderer auszugehen.

 

Zusammenfassend gelangt die Behörde zur Ansicht, dass aufgrund der oben näher geschilderten Umstände die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht nur zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten, sondern auch im Licht des § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist.

 

2. Gegen den vorliegenden Bescheid hat der nunmehr rechtsfreundlich vertretene Bw innerhalb offener Frist rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung erhoben.

 

Einleitend stellte der Rechtsvertreter folgende Anträge:

 

Der UVS OÖ als Berufungsbehörde möge

 

a)            den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 19.09.2012, zugestellt am 20.09.2012, Zahl: 1058112/FRB, infolge Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß aufheben und das wider mich eingeleitete Aufenthaltsverbotsverfahren zur Einstellung bringen; und/oder

 

b)            den hier angefochtenen Bescheid infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben und an die Erstinstanz zur neuerlichen Entscheidung rückverweisen; oder

 

c)             das weder mich erstinstanzlich ausgesprochene Aufenthaltsverbot herabsetzen/mäßigen;

 

d)            jedenfalls eine mündliche Berufungsverhandlung anberaumen und durchführen.

 

Begründend wurde wie folgt ausgeführt:

 

Ich bin bosnisch-herzegowinischer Staatsangehöriger, am X geboren und lebe an der Adresse X. Ich bin seit dem 07.06.1991 durchgehend in Österreich aufhältig.

 

Ich werde finanziell von meiner Mutter unterstützt, lebe in meiner eigenen Wohnung an der Adresse X.

 

Ich weise 10 Vorstrafen auf, weiche die BPD Linz zum Anlass genommen hat, um wider mich ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthalt zu erlassen.

 

Ich bin suchtgiftabhängig und gerade im Begriff durch eine entsprechende Therapie meine Suchtgiftabhängigkeit zu überwinden. Die diesbezüglichen Nachweise werde ich noch gesondert in Vorlage bringen.

 

Von mir gehen keinerlei Gefahren mehr für die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit aus. Ich habe das Gelöbnis erstattet mich fortan wohl zu verhalten und ein rechtschaffenes Leben zu führen. Sämtliche meiner gerichtlichen Verurteilungen resultieren aus Verhaltensweisen, die ihre Ursache in meiner Suchtgiftabhängigkeit haben. Ich bin gerade im Begriff dieses Problem zu überwinden, um wieder ein "normales" Leben führen zu können und ist meine gesamte Energie darauf gerichtet, meine Therapie erfolgreich zu absolvieren. Die entsprechenden Vortherapien habe ich bereits erfolgreich absolviert.

 

Von mir gehen keinerlei Gefahren mehr für die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit aus. Es zeigt sich auch, dass seit September 2011 ich mich konfliktfrei und rechtschaffen verhalten habe und keinerlei weitere Strafanzeigen mehr gegen mich erstattet wurden.

 

Auch mein soziales Umfeld (Freunde, Bekannte, etc..) habe ich aufgegeben, da ich durch dieses immer wieder in Probleme verstrickt wurde, für welche mich teilweise selbst gar kein Verschulden traf. Ich kann somit eine strukturelle Änderung meines Lebens nachweisen, die im Hinblick auf eine mich betreffende Zukunftsprognose zu berücksichtigen ist.

 

Meine Mutter, welche in X in der X, lebt, ist mir eine große Stütze in meinen (zwischenzeitig bereits erfolgreichen) Bemühungen, ein konfliktfreies Leben zu führen und zu organisieren, unterstützt mich auch finanziell, bis ich wieder Fuß am österreichischen Arbeitsmarkt gefasst habe.

 

Beweis:        vorzulegende Dokumente;

                   Vorzulegende Therapienachweise;

                   zeugenschaftliche Einvernahme: X

                   meine Einvernahme;

                   weitere Beweise vorbehalten.

 

Die Erstbehörde hat ohne entsprechendes Ermittlungsverfahren und ohne mir Gelegenheit zu geben, eine inhaltliche Stellungnahme zu erstatten den hier angefochtenen Bescheid erlassen.

 

Diese Vorgehensweise erweist sich als rechtswidrig infolge Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften, aber auch als inhaltlich rechtswidrig, als die mich betreffenden persönlichen Umstände keiner entsprechenden Würdigung unterzogen wurden.

 

Ich beantrage die Anberaumung und Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung, die Einvernahme meiner Mutter X als Zeugin, sowie meine Einvernahme vor der Berufungsbehörde.

 

Die Vorlage der therapienachweise, sowie sonstiger Integrationsnachweise behalte ich mir ausdrücklich vor, ebenso die Erstattung weiterer Vorbringen.

 

3. Die belangte Behörde hat die Berufung samt Verfahrensakt vorgelegt.

 

Mit Schreiben vom 28. November 2012 übermittelte die belangte Behörde den Schriftsatz des BG Linz vom 13. November 2012, Zl. 18 U 254/12v-9 (Verständigung der belangten Behörde von einer rechtskräftigen Verurteilung des Bw zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 4 Monaten).

 

Mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2012 brachte der Rechtsvertreter ein Urkundenkonvolut (Mietvertrag, Meldebestätigung, Antrag auf Kostenübernahme einer Suchttherapie, Kurzbrief der Psychiatrie der Nervenklinik Linz, Bestätigung des AMS Linz über Bezug von Notstandhilfe) bei der belangten Behörde ein und ersuchte um Übermittlung an den UVS .

Über Ersuchen übermittelte das BG Linz den Protokollsvermerk und eine gekürzte Urteilsausfertigung (Urteil vom 6. November 2012, Zl. 18 U 254/12v-9).

Der Bw wurde wie folgt für schuldig erkannt:

X hat jeweils in Linz vorschriftswidrig Suchtgift erworben, besessen und teilweise anderen überlassen, wobei er die Straftaten ausschließlich zum persönlichen Gebrauch begangen hat,

nämlich:

  1. im Zeitraum 1. Februar 2012 bis 2. Mai 2012

a)     7 Streifen Substitol-Kapseln aus seiner Substitutionsmedikation im Tausch gegen jeweils 1 Streifen Somnubene-Tabletten an X überlassen;

b)     3- bis 4-mal jeweils 1 Substitol-Kapsel im Tausch gegen 1 Streifen bzw. im Tausch gegen 12 oder 13 Stück Somnubene-Tabletten an X überlassen;

2.  am 27. Juni 2012 0,2 g Cannabiskraut besessen, wobei er dieses Suchtgift zuvor zu einem unbekannten Zeitpunkt erwarb;

3.  am 27. Juni 2012 0,2 g weißes morphinhältiges Granulat besessen, wobei er dieses Suchtgift zu einem unbekannten Zeitpunkt von einem Unbekannten erwarb.

 

Strafbare Handlung(en):

Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1., 2. und 8. Fall, Abs 2 SMG.

 

Anwendung weiterer gesetzlicher Bestimmungen:

§ 34 SMG zu ON 6 (Standblatt 874/12); § 42 Abs 1 SMG

 

Strafe:

Nach § 27 Abs 2 SMG u.A. § 28 Abs 1 StGB:

Freiheitsstrafe: 4 Monate

 

Kostenentscheidung:

Gemäß § 389 Abs 1 StPO wird der Angeklagte zum Ersatz der Kosten dieses Verfahrens verurteilt.

 

Strafbemessungsgründe:

Mildernd: Geständnis;

Erschwerend: 7 einschlägige Vorstrafen, sehr rascher Rückfall, Taten teilweise bei anhängigem Strafverfahren, Tatwiederholungen

 

Im Anschluss an das Urteil hat das BG Linz folgende Beschlüsse gefasst:

 

*          Beschluss gemäß § 494a StPO

 

Gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO wird vom Widerruf der teilbedingten Strafnachsicht zum Urteil des Landesgerichts Steyr, 11 Hv 35/12 w, abgesehen und unter einem die Probezeit auf 5 Jahre verlängert.

 

Der Angeklagte verzichtet auf Rechtsmittel und wird gemäß §§ 466 Abs 1, 57 Abs 2 StPO belehrt.

 

BA: Rechtsmittelverzicht

 

Für den Fall der Rechtskraft dieses Urteiles beantragt der Angeklagte Strafaufschub gemäß § 39 Abs 1 SMG im vollen Ausmaß von 2 Jahren, weil er die bereits organisiert stationäre Drogenentzugstherapie durchführen möchte.

BA: kein Einwand

Dem Angeklagten wird gesagt, er möge zum noch zu bestimmenden medizinischen Sachverständigen sämtliche medizinische Unterlagen, insbesondere auch ein durch das Landesgericht Steyr bestelltes med. SV-Gutachten des Dr. L mitbringen.

 

Sohin ergeht folgender

 

*          Beschluss:

 

Zum med. SV wird X bestellt.

Dem Herrn Sachverständigen wird aufgetragen, binnen 3 Monaten ein schriftliches Gutachten zur Therapiebedürftigkeit bzw. Therapierbarkeit des Angeklagten im Sinne des § 39 SMG zu erstatten.

 

Der Herr Bewährungshelfer ersucht, eine Kopie des Protokollsvermerkes bzw. der gekürzten Urteilsausfertigung zu erhalten.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat für den 7. Dezember 2012 eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt und hiezu die Parteien und die Zeugin X geladen.

 

Im Zuge der Verhandlung hat der Bw die Befragung des anwesenden Bewährungshelfers beantragt und drei Bestätigungen über Beratungsgespräche bei der Beratungsstelle für Suchtfragen Point vorgelegt.

 

Der Bewährungshelfer legte folgenden Beschluss des LG Steyr, GZ 11 HV 35/12w, der ihm am 29. November 2012 zugestellt worden war, vor:

 

STRAFSACHE:

 

Gegen:

 

Beschuldigte/r

X

geb. in Kozarac

X

vertreten durch:

X

Tel: X

 

Wegen:                 §§ 146, 148 1. Fall StGB; § 127 StGB § 15 StGB; § 125                              StGB; § 229 (1) StGB;§50(1)Z3WaffG

 

In der Strafsache gegen X wegen §§ 146, 148 1. Fall ua. StGB wird dem Verurteilten X über seinen Antrag hinsichtlich des unbedingten Teils der mit Urteil des Landesgerichtes Steyr vom 26. April 2012, 11 Hv 35/12w-13, über ihn verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten Strafaufschub gemäß § 39 Abs 1 SMG zum Zwecke der Durchführung gesundheitsbezogener Maßnahmen (§ 11 Abs 2 SMG), und zwar

 

1.                 einer stationären Drogentherapie in der Dauer von 6 Monaten (§ 11 Abs 2 Z 2 SMG)

 

2.                 anschließenden psychosozialen Betreuung durch eine Drogenberatungsstelle (§ 11 Abs 2 Z 5 SMG)

 

3.                 anschließenden ambulanten Psychotherapie (§ 11 Abs 2 Z4 SMG)

 

bis zum 31. Mai 2014 bewilligt.

 

Gemäß § 39 Abs 3 SMG wird X aufgefordert, dem Landesgericht Steyr erstmals bis zum 1. Jänner 2013 und in weiterer Folge in dreimonatigen Abständen die Durchführung dieser gesundheitsbezogenen Maßnahmen durch die unaufgeforderte Vorlage geeigneter schriftlicher Bestätigungen nachzuweisen.

 

Im Sinne des § 41 SMG wird festgehalten, dass der Bund die Kosten der gesundheitsbezogenen Maßnahmen einer Einrichtung oder Vereinigung nach § 15 SMG im gesetzlichen Umfang des § 41 SMG (im Ausmaß von maximal 6 Monaten) übernimmt.

 

Begründung:

 

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Steyr vom 24, April 2012, 11 Hv 35/12w-13, wurde der suchtmittelabhängige X des Verbrechens des gewerbsmäßigen Betruges nach den §§ 146, 148 erster Fall StGB, des teils versuchten, teils vollendeten Vergehens des Diebstahls nach den §§ 127, 15 Abs 1 StGB, des Vergehens der Sachbeschädigung nach dem § 125 StGB, des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs 1 StGB und des Vergehens nach dem § 50 Abs 1 Z 3 WaffG schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Monaten verurteilt. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wurde im Ausmaß von 8 Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen, sodass der zu vollziehende Strafteil 4 Monate beträgt. Die Aufforderung zum Strafantritt wurde im Mai 2011 zugestellt.

 

Hinsichtlich des unbedingten Teils der Freiheitsstrafe beantragte der Verurteilte mit Eingabe vom 9. Mai 2012 Strafaufschub gemäß § 39 Abs 1 SMG.

 

Der öffentliche Ankläger tritt dem beantragten Strafaufschub nicht entgegen.

 

Gemäß § 39 Abs 1 SMG ist – soweit hier relevant – der Vollzug einer nach dem Suchtmittelgesetz verhängten oder mit der Beschaffung von Suchtmitteln in Zusammenhang stehenden, drei Jahre nicht übersteigenden Freiheitsstrafe für die Dauer von höchstens zwei Jahren aufzuschieben, wenn der Verurteilte an Suchtmittel gewöhnt ist und sich bereit erklärt, sich einer notwendigen und zweckmäßigen, ihm nach den Umständen möglichen und zumutbaren und nicht offenbar aussichtslosen gesundheitsbezogenen Maßnahme zu unterziehen.

 

Gemäß § 39 Abs 2 SMG kann das Gericht die gesundheitsbezogene Maßnahme der Art nach bestimmen. Gemäß § 39 Abs 3 SMG kann das Gericht den Verurteilten auffordern, Bestätigungen über den Beginn und den Verlauf der gesundheitsbezogenen Maßnahme vorzulegen.

 

Die Voraussetzungen des § 39 Abs 1 SMG liegen vor.

 

Der Verurteilte hat sich mit Schreiben vom 11. September 2012 (ON 31) ausdrücklich bereit erklärt, sich den gesundheitsbezogenen Maßnahmen im spruchgemäßen Sinne zu unterziehen, welche in dem inzwischen eingeholten Gutachten des neurologisch-psychiatrischen Sachverständigen Dr. Bernhard Lindenbauer vom 2. Juni 2012 (ON 23) als erfolgversprechend und aussichtsreich empfohlen werden.

 

Mit Urteil des BG Linz vom 6.11.2012 (18 U 254/12v) wurde X nach § 27 Abs 2 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt. Der Tatzeitraum ist vom 1.2 bis 2.5.2012 und liegt damit großteils vor dem Urteil des LG Steyr 11 Hv 35/12w.

 

Unabhängig davon steht nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes eine neuerliche Verurteilung vor Ergehen des Beschlusses auf Strafaufschub nach § 39 SMG diesem nicht entgegen. Vielmehr ist eine neuerliche Verurteilung innerhalb der Aufschubsfrist, dh nach Ergehen des Beschlusses auf Strafaufschub, ein Widerrufsgrund nach § 39 Abs 4 Z 2 SMG, was vorab den Strafaufschub bedingt, aber keine negative Tatbestandsvoraussetzung des Aufschubs. Zudem liegt der Tatzeitraum der neuerlichen Verurteilung nicht nur vor Ergehen des Strafaufschubsbeschlusses, sondern sogar großteils vor der diesem Beschluss zugrunde liegenden Verurteilung, sodass schon spezialpräventive Gründe nicht gegen den Strafaufschub sprechen würden.

 

Demnach war mit einem Aufschub des Strafvollzuges vorzugehen, wobei ausgehend von der voraussichtlich notwendigen Dauer der Behandlung und der nicht vom Verurteilten verschuldeten anfänglichen Organisationsproblemen Strafaufschub bis 31. Mai 2014 zu bewilligen war.

 

Gemäß § 39 Abs 3 SMG war der Verurteilte aufzufordern, die im Spruch genannten Nachweise unaufgefordert vorzulegen.

 

Im Sinne des § 39 Abs 4 SMG wird darauf hingewiesen, dass der Aufschub sofort zu widerrufen und die Strafe zu vollziehen ist, wenn sich der Verurteilte einer gesundheitsbezogenen Maßnahme, zu der er sich bereit erklärt hat, nicht unterzieht oder es unterlässt, sich ihr weiterhin zu unterziehen, oder wenn der Verurteilte wegen einer Straftat nach dem Suchtmittelgesetz oder wegen einer im Zusammenhang mit seiner Gewöhnung an ein Suchmittel begangenen Straftat neuerlich verurteilt wird und der Vollzug der Freiheitsstrafe geboten erscheint, um ihn von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten.

 

Nach dem Bericht von Neustart (ON 35) bezieht X Notstandshilfe. Die Kosten der Therapie werden weder vom Land noch von einem gesetzlichen Sozialversicherungsträger übernommen, sodass die Kosten, da sie das Fortkommen des X erschweren würden, vom Bund nach den Bestimmungen des § 41 SMG zu tragen sind.

 

3.2. Auf Grund der mündlichen Verhandlung steht folgender relevanter Sachverhalt fest:

 

Der Bw wurde am X geboren, ist Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, hält sich seit dem 7. Juni 1991 fast durchgehend in Österreich auf und verfügt durchgängig über Aufenthaltstitel. Zuletzt wurde ihm von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land ein Aufenthaltstitel, gültig bis 8. Februar 2013, erteilt.

 

In Bosnien und Herzegowina leben außer der Großmutter keine Verwandten mehr. Die Mutter lebt seit der gemeinsamen Einreise im Jahr 1991 in Österreich und wohnt in der Nähe des Bw. Derzeit lebt der Bw allein in einer eigenen Wohnung. Finanziert wird diese durch die öffentliche Hand (Notstand bzw. Arbeitslosenunterstützung). Dem Bw verbleiben geringe Barmittel für den Lebensunterhalt. Der Bw wird umfassend von seiner Mutter unterstützt. Diese kocht für ihn, hält seine Wäsche und die Wohnung sauber, unterstützt ihn bei seiner Entzugstherapie, der Arbeitssuche, dem Einkauf und versucht positiv auf seinen Umgang einzuwirken. Damit der Bw seinen "Pflichtterminen" nachkommt, ruft sie ihn rechtzeitig an oder schläft in Fällen besonderer Wichtigkeit sogar in seiner Wohnung. Abgesehen von den üblichen Kontakten zu österreichischen Staatsangehörigen verfügt der Bw über keine engeren Beziehungen.

 

Der Bw hat die Schule überwiegend in Österreich besucht und spricht sehr gut Deutsch. Die Sprache seiner Heimatregion versteht er.

Strafrechtlich ist der Bw erstmals im Jahr 2000 in Erscheinung getreten. Wegen Eigentumsdelikten und Verstößen gegen das SMG wurde der Bw vom Landesgericht Steyr am 5. Oktober 2000 zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt.

 

Wie von der belangten Behörde ausführlich unter Punkt 1 dargestellt, wurde der Bw in der Folge vom Landesgericht Steyr am 15. November 2001 (6 Monate Freiheitsstrafe), vom Bezirksgericht Enns am 28. März 2003 (100,-- Euro Geldstrafe), vom Landesgericht Linz am 29. April 2005 (360,-- Euro Geldstrafe), vom Bezirksgericht Enns am 13. Jänner 2006 (40,-- Euro Zusatzstrafe) und am 21. Februar 2007 (600,-- Euro Geldstrafe), vom Bezirksgericht Linz am 21. Jänner 2008 (1.000,-- Euro Geldstrafe), am 14. April 2008 (2.000,-- Euro Geldstrafe) und am 3. Mai 2010 (400,-- Euro Geldstrafe) und vom Landesgericht Steyr am 26. April 2012 (12 Monate Freiheitsstrafe, davon 8 Monate bedingt) verurteilt.

 

Zuletzt verurteilte das BG Linz den Bw mit Urteil vom 6. November 2012, Zl. 18U 264/12 v-8, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 4 Monaten wegen Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach dem SMG (§ 27 Abs. 1 Z. 1, 1., 2. und 8 Fall und Abs. 2). Das Urteil ist seit 10. November 2012 rechtskräftig.

 

Seit dem Jahr 2000 ist der Bw drogenabhängig und hat sich jedenfalls bis Sommer 2012 Suchtmittel fast ausschließlich zum eigen Bedarf beschafft und nur äußerst geringe Mengen davon weitergegeben. Ein Großteil seiner strafrechtlichen Verfehlungen ist auf seine Drogenabhängigkeit zurückzuführen (Beschaffungskriminalität).

 

Obwohl sich der Bw einsichtig zeigt, seine Drogenabhängigkeit in den Griff bekommen möchte, eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft und den Arbeitsprozess (Beschäftigung im sozialen Bereich) anstrebt, erscheint ihm dies in der gegenwärtigen Situation (schlechter physischer und psychischer Gesamtzustand) nicht möglich zu sein.

 

Die Therapiebedürftigkeit haben sowohl das BG Linz als auch das LG Steyr erkannt. Mit dem oa. Beschluss des BG Linz vom 6. November 2012 wurde dem medizinischen Sachverständigen X aufgetragen, ein Gutachten zur Therapiebedürftigkeit bzw. Therapierbarkeit des Bw zu erstatten.

 

Ausgehend von der Therapiebedürftigkeit bzw. Therapierbarkeit des Bw hat das LG Steyr dem Bw gemäß § 39 Abs. 1 SMG einen Strafaufschub zum Zwecke der Durchführung gesundheitsbezogener Maßnahmen (1. stationäre Drogentherapie in der Dauer von 6 Monaten, 2. psychosoziale Betreuung durch eine Drogenberatungsstelle und 3. anschließende ambulante Psychotherapie) bis zum 31. Mai 2014 bewilligt. Der Bw hatte sich im Vorfeld ausdrücklich bereit erklärt, sich den angesprochenen gesundheitsbezogenen Maßnahmen zu unterziehen und der neurologisch-psychiatrische Sachverständige Dr. Bernhard Lindenbauer hat diese als erfolgversprechend und aussichtsreich empfohlen.

 

3.3. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist nach Durchführung der mündlichen Verhandlung unstrittig.

 

Die Therapiebedürftigkeit ist auch in der mündlichen Verhandlung augenscheinlich hervorgetreten. Dass eine solche erfolgversprechend und aussichtsreich zu sein scheint, hat der im Gerichtsverfahren beigezogene Gutachter bereits dargelegt.

 

Das Auftreten des Bw in der mündlichen Verhandlung (zerstreut, fahrig, teilweise schwierige Kontaktaufnahme, ständiges Abschweifen, wiederholte Bezugnahme auf Verfahren bei Gericht, die nicht verfahrengegenständlich waren, eingeschränkte Aufnahmefähigkeit, unbedachte Zustimmung zu Fragen, die keine Feststellungen beinhaltet haben, mehrmalige Widersprüche in einer Aussage, teilweise wirre und aus dem Zusammenhang gerissene Antworten) deckt sich mit den Aussagen der Zeugen, die das Verhalten des Bw in anderen Situationen (privates Umfeld, Lebensabläufe, Verhalten vor Gericht, Verständnisprobleme, mangelnde Selbstorganisationsfähigkeit) umfassend beschrieben haben. Dass dem Bw die Tragweite seiner Handlungen und Unterlassungen nicht bewusst ist, er die Auswirkungen seiner neuerlichen Verurteilung auf das laufende Verfahren nicht einzuschätzen verstanden hat, zeigt sich auch daran, dass er seinen Rechtsvertreter weder von der bevorstehenden Gerichtsverhandlung in Kenntnis gesetzt noch ihm von der Verurteilung am 6. November 2012 berichtet hat.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 63 Abs. 1 FPG kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1.      die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.      anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen    zuwiderläuft.

 

Gemäß § 63 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 gelten.

 

Gemäß § 63 Abs. 3 FPG ist ein Aufenthaltsverbot gemäß Abs. 1 in den Fällen des
§ 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

 

4.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst unbestritten, dass der Bw über einen Aufenthaltstitel verfügt und sich derzeit rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Daher sind grundsätzlich die oben genannten Bestimmungen zur Prüfung des Aufenthaltsverbotes heranzuziehen.

 

Allerdings ist davor noch auf die besonderen Ausschließungsgründe des § 64 FPG einzugehen. Der Bw vermeint im Sinne des § 64 Abs. 1 Z 1 und 2 FPG aufenthaltsverfestigt zu sein – ein Aufenthaltsverbot wäre diesfalls generell nicht zulässig. Dieser Ansicht kann jedoch nicht beigetreten werden:

 

4.2.1. § 64 Abs. 1 Z 1 FPG stellt darauf ab, ob dem Drittstaatsangehörigen vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 die Staatsbürgerschaft hätte verliehen werden können. Die zitierte Bestimmung sieht verschiedene Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft vor. In § 10 Abs. 1 Z 1 StbG wird etwa auf einen zehnjährigen, ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet abgestellt.

 

Unter dem Zeitpunkt "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" ist der Zeitpunkt vor Eintritt des ersten der in ihrer Gesamtheit für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände zu verstehen.

 

Nach unbestrittener Aktenlage erfolgte die Einreise des Bw ins Bundesgebiet am 7. Juni 1991. Das erste (aktenkundige) strafrechtlich relevante Verhalten, das in der Folge zur ersten rechtskräftigen Verurteilung geführt hat, setzte der Bw im Jahr 2000. Somit stellt sich die Frage, ob dem Bw im Jahr 2000 die Staatsbürgerschaft hätte verliehen werden können.

 

Da der Bw zu diesem Zeitpunkt – wenn auch nur knapp – nicht über einen ununterbrochenen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet von zehn Jahren verfügt hat, hätte ihm die Staatsbürgerschaft gestützt auf diese Bestimmung nicht verliehen werden können.

 

Aus dem unstrittigen Sachverhalt geht hervor, dass der Bw zu keiner Zeit die in § 10 Abs. 1 Z 1 StbG geforderte ununterbrochene (deliktsfreie) Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet von zehn Jahren aufweist, weshalb eine Aufenthaltsverfestigung, ohne auf die weiteren Elemente des § 10 Abs. 1 StbG eingehen zu müssen, nicht vorliegen kann.

 

4.2.2. Auch ist der Bw nicht im Sinne des § 64 Abs. 1 Z 2 FPG "von klein auf im Inland aufgewachsen". Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Grenze für diese Art der Aufenthaltsverfestigung in etwa im Alter von vier Jahren zu ziehen. Diese Grenze kann freilich keine absolute sein. Der Bw ist jedoch erst im Alter von acht Jahren nach Österreich gekommen.

 

4.2.3. Der durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige Bw verfügt seit 1991 über Aufenthaltstitel.

 

Die in Rede stehende aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen den Bw stützt sich jedoch auf keinen der genannten Tatbestände, weshalb eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides im Hinblick auf die im Sinne des § 64 Abs. 2 FPG vorliegende Aufenthaltsverfestigung nicht gegeben ist.

 

4.2.4. Auch eine Aufenthaltsverfestigung nach § 64 Abs. 3 FPG (acht Jahre ununterbrochener und rechtmäßiger Aufenthalt im Inland, keine gerichtliche Verurteilung und keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch den Aufenthalt) liegt schon ihm Hinblick auf die Verurteilungen nicht vor.

 

Es gelangt daher § 63 Abs. 1 FPG vollinhaltlich zur Anwendung.

 

4.3.1. Nach dem im gegenständlichen Fall relevanten Sachverhalt sind zweifelsfrei mehrere strafgerichtliche rechtskräftige Verurteilungen des Bw gegeben, wobei der Bw am 6. November 2012 vom BG Linz zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt worden ist. Es ist daher § 63 Abs. 2 in Verbindung mit § 53 Abs. 3 Z 1 FPG einschlägig und im Sinne der zitierten Norm davon auszugehen, dass der Bw die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende bestimmte Tatsachen verwirklicht hat.

 

Maßgeblich ist aber nicht primär, dass eine strafgerichtliche Verurteilung ausgesprochen wurde, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte ihrer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen ist. Es ist also im konkreten Einzelfall zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bw hinkünftig rechtskonform verhalten wird. Daher ist – aus Gründen der Verhältnismäßigkeit – vor Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu prüfen, ob das Verhalten des Bw aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, in Hinkunft die öffentliche Ordnung oder Sicherheit zu gefährden.

 

4.3.2. Zwar führt der Bw in seinem Rechtsmittel aus, sein Fehlverhalten eingesehen zu haben woraus abzuleiten ist, dass er sich in Hinkunft rechtskonform verhalten wolle und daher keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle.

Dieser Zukunftsprognose kann vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich jedoch aufgrund folgender Überlegungen nicht beigetreten werden:

 

Der Bw weist – wie dem angefochtenen Bescheid und dem Verwaltungsakt zu entnehmen – eine mehrjährige Kriminalgeschichte auf. In der Berufungsschrift und in der mündlichen Verhandlung werden die zahlreichen Verurteilungen (beginnend 2000 und derzeit endend 2012) schlussendlich nicht bestritten. Im Hinblick auf die Steigerung der kriminellen Energie, die ihren Höhepunkt in den Tathandlungen im Zeitraum März bis Dezember 2009 fanden, liegt der letzten Verurteilung ein deutlich geringeres Fehlverhalten zugrunde.

 

Im Laufe seines Aufenthaltes hat der Bw gegen kernstrafrechtliche Vorschriften verstoßen. Er hat ua. das besonders schützenswerte Rechtsgut des Eigentums mehrfach beeinträchtigt.

 

Der Bw hat somit durch sein über mehrere Jahre hinweg kontinuierlich gesetztes rechtswidriges Verhalten in den unterschiedlichsten Bereichen eindrucksvoll bewiesen, die Rechtsordnung im Bundesgebiet nicht zu achten und sich nicht als an die Werteordnung der hiesigen Gesellschaft gebunden anzusehen. Auch wenn der Bw die Taten auf seine Suchtmittelabhängigkeit und die sich daraus ergebende Lebensunfähigkeit zurückführen möchte, vermag der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung seiner Aussage, sich in Hinkunft rechtskonform verhalten zu wollen, bei einer derartigen Vorgeschichte, der derzeitigen psychischen und physischen Situation keinen Glauben zu schenken.  

 

Es ist daher mit der belangten Behörde davon auszugehen, dass der weitere Aufenthalt des Bw im Inland eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellt.

 

In diesem Sinn ist die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Bw fraglos gerechtfertigt. Allerdings ist bei der Beurteilung des Falls auch auf § 61 FPG bzw. Art. 8 EMRK Bedacht zu nehmen.

 

4.4.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

4.4.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.      die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der        bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.      das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.      die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.      der Grad der Integration;

5.      die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.      die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.      Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des      Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.      die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem   Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren   Aufenthaltstatus bewusst waren;

9.      die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

4.5.1. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Es ist eingangs festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um Straftaten durch Fremde dauerhaft im Bundesgebiet zu unterbinden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung und Sicherheit eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und ein Aufenthaltsverbot grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen und zu erhalten. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind. Eine diesbezügliche Verhältnismäßigkeitsprüfung anhand der Kriterien des § 61 FPG führt dennoch nicht zum Ergebnis, dass der Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben des Bw unrechtmäßig wäre.

 

4.5.2.1. Der Bw hält sich seit 1991 durchgehend rechtmäßig in Österreich auf und verfügt derzeit über einen bis 8. Februar 2013 gültigen Aufenthaltstitel.

 

4.5.2.2. Es steht völlig außer Zweifel, dass der Bw durch seinen Aufenthalt in Österreich seit dem Jahr 1991, seine familiären Bande und der Kenntnisse der deutschen Sprache ein erhebliches Maß an Integration erworben hat und ein Aufenthaltsverbot in das Recht des Bw auf Privat- und Familienleben eingreift.

 

4.5.2.3. Einen wesentlichen Punkt bei der vorzunehmenden Rechtsgüterabwägung stellt die Schutzwürdigkeit des Privatlebens dar. Wie sich unter anderem aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Dezember 2009, 2009/21/0348, ergibt, kann unter gewissen Umständen das Privatleben eines Fremden alleine eine positive Gesamtbeurteilung nach sich ziehen.

 

Im diesem Sinne geht der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ab einer Aufenthaltsdauer von etwa zehn Jahren, fast durchgehender erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit sowie weiterer Integrationsschritte das persönliche Interesse eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet ein derart großes Gewicht erlangt, dass eine aufenthaltsbeendende Maßnahme – auch bei einem Eingriff nur in das Privatleben – unverhältnismäßig erscheint (vgl. etwa VwGH 20.1.2011, 2010/22/0158).

 

Der Bw hält sich seit mehr als 21 Jahren rechtmäßig in Österreich auf. Bedingt durch seine erste aktenkundige Tat im Jahr 2000 (knapp vor Ablauf der Zehnjahresfrist) war ihm eine Aufenthaltsverfestigung verwehrt.

4.5.2.4. Um Wiederholungen zu vermeiden wird auf Punkt 4.5.2.2. verwiesen. Zudem ist festzuhalten, dass der Bw während seines Aufenthaltes im Inland nur zeitweise einer Beschäftigung nachgegangen ist. In den letzten Jahren wurden dem Bw Arbeitslose, Notstand oder Krankengeld gewährt. Bedingt durch seinen labilen Gesundheitszustand, der sich auf die Drogenabhängigkeit gründet, war es dem Bw nicht möglich, Beschäftigungsverhältnisse einzugehen bzw. diese länger aufrecht zu erhalten.

 

Die erworbene Integration wird freilich durch die vom Bw begangenen Vergehen und Verbrechen, durch die dieser zu erkennen gegeben hat, die im Gastland geltende Rechtsordnung nicht zu akzeptieren, relativiert bzw. erschüttert.

 

4.5.2.5. Hinsichtlich der Zumutbarkeit der Maßnahme in Verbindung mit einer Rückkehr in sein Heimatland ist festzuhalten, dass der im Dezember X geborene und Mitte 1991 nach Österreich gelangte Bw lediglich einen Teil seines Volksschulalters im Heimatland verbracht hat. Den überwiegenden Teil seiner Schulausbildung hat der Bw in Österreich absolviert. Der Bw ist in seinem Herkunftsstaat nicht sozialisiert und kaum mit der dortigen Kultur, den Gebräuchen usw. vertraut. Bedingt durch den Bürgerkrieg leben, abgesehen von einer Großmutter, keine näheren Verwandten des Bw mehr in Bosnien.

 

4.5.2.6. Um Wiederholungen zu vermeiden wird hinsichtlich der Verurteilungen nach oben verwiesen.

 

4.5.3. Aufgrund der getroffenen Feststellungen gilt es nunmehr in einer Verhältnismäßigkeitsprüfung das Interesse des Bw am Verbleib im Inland mit dem öffentlichen Interesse am Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit abzuwägen.

 

Beim Bw handelt es sich um eine Person, die kontinuierlich strafrechtliche Delikte verschiedenster Art und Weise begangen hat. Auf Grund dieser Tatsache steht es für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich außer Zweifel, dass der Verbleib des Bw im Inland auch in Hinkunft die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet.

 

Abstellend auf die Integration und die besonderen Lebensumstände des Bw in Österreich ist eine Rückkehr des Bw in sein Heimatland bei einer Gesamtbetrachtung nicht zumutbar. Das Auftreten des Bw in der mündlichen Verhandlung hat gezeigt, dass er ohne umfassende Unterstützung durch seine Mutter nicht in der Lage ist, sein Leben auch nur ansatzweise zu meistern und er unabdingbar der im o. Beschluss angeführten Therapien bedarf, um eine Verbesserung seiner Lebenssituation zu ermöglichen und ihm hinkünftig ein selbständiges Leben zu ermöglichen.

 

Der Bw, der auf Grund seiner psychischen Probleme trotz staatlicher und privater Unterstützung in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig ist, ständig der Obsorge durch die Mutter bedarf, kann daher abseits von Österreich – auf sich allein gestellt - sein Fortkommen keinesfalls sichern.

 

Bei einer Gesamtabwägung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK ist im konkreten Einzelfall den privaten Interessen des Bw der Vorzug zu geben.

 

Der Bw kann sich somit durchschlagend auf den Schutz seines Privat- und Familienlebens berufen.

 

4.6. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

5. Von einer Übersetzung gemäß § 59 Abs. 1 FPG konnte aufgrund der sehr guten Deutschkenntnisse des Bw abgesehen werden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils durch einen Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

 

 

 

Mag. Christian Stierschneider

 

 

 

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