Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720333/8/BP/JO

Linz, 14.02.2013

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, geb. X, StA von Deutschland, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 27. Dezember 2012, GZ: Sich40-46623, betreffend die Erlassung eines 10-jährigen Aufenthaltsverbotes für das Bundesgebiet der Republik Österreich, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 14. Februar 2013, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs. 4, 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm. §§ 65, 67 Abs. 1 und 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl I 2005/100 idF BGBl I Nr. 87/2012.

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1.1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom
27. Dezember 2012, GZ: Sich40-46623, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) ein 10-jähriges Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen sowie angeordnet, der Bw habe nach seiner Haftentlassung aus dem X das Bundesgebiet der Republik Österreich freiwillig und unverzüglich zu verlassen.

Als Rechtsgrundlage werden die §§ 67, 61 und 70 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) angeführt.

1.1.2. Begründend führt die belangte Behörde wie folgt aus:

 

"Sie sind deutscher Staatsbürger und sind am X in X/Deutschland geboren. Sie sind ledig, verfügen über kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit und haben keine finanziellen Verpflichtungen. Laut zentralem Melderegister sind Sie seit 22.03.2002 in Österreich amtlich angemeldet. Seit 29.09.2009 haben Sie keinen ständigen ordentlichen Wohnsitz mehr in Österreich.

 

Sie wurden vom LG F.STRAFS.WIEN 121 HV 90/201OG, vom 28.10.2010 (RK 17.03.2011) rechtskräftig wegen §§ 105/1 106 ABS 1/1 (1. FALL) 15 PAR 15 269/1 (LETZTER FALL) StGB verurteilt und wurden in eine Anstalt für Geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs. 1 StGB eingewiesen.

 

Sie wurden hiefür des Verbrechens der schweren Nötigung sowie wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt für schuldig befunden.

 

Das Landesgericht für Strafsachen Wien, Urteil-Nr. 121 Hv 90/1Og hat zu Recht erkannt dass, Sie X unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§11 StGB), der auf einer geistigen und seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer paranoiden Schizophrenie, in X

I.     am 18.4.2010 Personen durch gefährliche Drohung mit dem Tod, zu einer Handlung, nämlich Anhalten ihres PKW`s

a. genötigt, und zwar einen unbekannt gebliebenen Lenker eines Mercedes, indem Sie einen Revolver der Marke Arminius Kaliber 22 Magnum, aus dem Hosenbund hervorholten und dem unbekannten Lenker vorzeigten;

b. zu nötigen versucht, und zwar X, indem Sie mit dem Revolver mehrer Schüsse in Richtung des PKW's des Opfers abgaben, wobei es beim Versuch blieb, weil dieser den Rückwärtsgang einlegte und davonfuhr;

 

II. am 19.04.2010 einen Beamten durch gefährliche Drohung mit dem Tod an einer Amtshandlung, nämlich an Ihrer neuerlichen Festnahme nach Ihrer Flucht aus dem X zu hindern versucht, in dem Sie auf den Polizeibeamten X mit einem Ast in der Hand zuliefen und äußerten, Sie werden ihm diesen durch das Hirn rammen, wobei es beim Versuch blieb, weil Sie kurz darauf festgenommen werden konnten,

 

sohin Taten begangen, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind und die Ihnen, wären Sie zur den Tatzeiten zurechnungsfähig gewesen, als Verbrechen der teils versuchten (Punkt l./a./), und als Verbrechen der teils vollendeten (Punkt I./b./) schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1,106 Abs 1 Z11. Fall, 15 StGB und als Verbrechen des versuchten Widerstand gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 letzter Fall StGB (Punkt II./) zuzurechnen wären, wobei nach Ihrer Person und Ihres Zustands sowie der Art der Taten zu befürchten ist, dass Sie sonst unter dem Einfluss Ihrer geistigen oder seelischen Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen wie die Ihnen zur Last gelegten, begehen werden.

Sie wurden daher gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

 

Aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung wurde am 15.06.2010 von der Bundespolizeidirektion Wien für Waffen- und Veranstalt. ang. ein Waffenverbot, rechtskräftig mit 30.06.2010, GZ: III-W-2342/AB10, erlassen.

 

Ihr Vorgehen lässt auf sehr hohe kriminelle Energie schließen und stellt somit eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar.

 

Mit nachweislichem Schreiben vom 27.08.2012 ist Ihnen mitgeteilt worden, dass die hs. Fremdenpolizeibehörde beabsichtigt, gegen Sie ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich zu erlassen. Mit besagtem Schreiben sind Sie aufgefordert worden, binnen zwei Wochen nach Erhalt des erwähnten Schreibens schriftlich zur beabsichtigten Erlassung eines zehnjährigen Aufenthaltsverbotes Stellung zu nehmen.

 

Ihre schriftliche Stellungnahme ist am 11.09.2012 bei der hs. Fremdenpolizeibehörde eingelangt:

 

'da mir die Möglichkeit zur Stellungnahme geboten wird, möchte ich mich wie folgt äußern. Die Behandlung, in der ich mich seit zweieinhalb Jahren befinde, verläuft äußerst positiv. Im X, wo ich zur Zeit untergebracht bin, wurden aufgrund des positiven Behandlungsverlaufs weitgehende Vollzugslockerungen unternommen. Die Mitarbeit an Projektarbeiten der X sowie regelmäßig stattfindende, unbegleitete Ausgänge waren meine ersten Vollzugslockerungen. Nun befinde ich mich auf Unterbrechung der Unterbringung in X. Dort habe ich bereits drei einwöchige sowie drei zweiwöchige Unterbrechungen der Unterbringung absolviert. Die Rückmeldungen der betreuenden Einrichtung sind durchwegs positiv, somit starte ich am 05.09.2012 meine erste dreiwöchige Unterbrechung der Unterbringung. Meine wirtschaftliche Situation ist aufgrund des Bezuges einer Pension zur Zeit gesichert. Ein Anspruch auf solch eine Leistung in Deutschland ist momentan nicht gegeben, da die meisten Versicherungszeiten in Österreich erworben wurden. Zur Zeit befinde ich mich im Selbststudium zum Erlangen der neuesten Microsoft Zertifizierung, um schnellstmöglich wieder in den Ersten Arbeitsmarkt zu gelangen. Außerdem habe ich mir in Österreich bereits ein soziales Netzwerk aufgebaut

Ich bitte bei Ihrer Entscheidung die oben angeführten Punkte zu berücksichtigen.'"

 

Nach Zitierung der §§ 67, 70 und 61 FPG führt die Erstbehörde weiter aus:

 

"Durch Ihr persönlich gesetztes Verhalten haben Sie eindeutig gezeigt, dass Sie nicht bereit sind, die österreichische Rechtsordnung anzuerkennen. Ihr persönlich gesetztes Verhalten stellt eine­ gegenwärtige, tatsächliche und erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar, das ein Grundinteresse der Gesellschaft betrifft. Sie haben andere Personen erheblich durch Ihre Drohungen in Angst versetzt und dadurch geschädigt.

 

Weiters haben Sie sich durch Ihr persönlich gesetztes Fehlverhalten - Widerstand gegen die Staatsgewalt, die österreichische Rechtsordnung grob verletzt. Gefährliche Drohungen gegen fremde Personen stellt mit Sicherheit eine Grundinteresse der Gesellschaft dar und muss daher auch entsprechend durch Gesetze geschützt werden. Die Verhinderung solcher Straftaten steht in Ihrem Fall im Vordergrund.

Betreffend Ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 05.09.2012, eingelangt bei der hs. Behörde am 11.09.2012, stellt die hs. Fremdenpolizeibehörde fest, dass aufgrund des festgestellten Sachverhaltes Sie sich nicht auf Art. 7 der Freizügigkeitsrichtlinie berufen können, da Sie über kein Vermögen bzw. Einkommen besitzen, Sie keiner Erwerbstätigkeit nachgehen und dadurch die Voraussetzungen für die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung gemäß § 53 NAG 2005 nicht erfüllen. In Ihrer Stellungnahme haben Sie angegeben, dass Sie sich zurzeit im Selbststudium zum Erlangen der neuesten Microsoft Zertifizierung befinden, um schnellst möglich wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu gelangen. Laut Aktenlage geht hervor, dass Sie seit Anfang 2009 Ihr Unternehmen, als selbstständiger EDV-Spezialist für den Bereich Kommunikationsschnittstellen in der Hoteleriebranche, stillgelegt haben. Sie gingen seit dem keiner Beschäftigung nach. Ein gesichertes soziales Umfeld ist daher zu verneinen.

Zu Ihrem Privat- und Familienleben wird angeführt, dass Sie kein Familienleben hier im Bundesgebiet der Republik Österreich besitzen. Ihr Privatleben stellt sich wie folgt dar:

Sie sind deutscher Staatsbürger und haben sich erstmals am 22.03.2002 in Österreich, polizeilich angemeldet. Am 20.08.2008 haben Sie Ihren Hauptwohnsitz in Österreich amtlich abgemeldet und erst am 09.01.2009 wieder angemeldet. Am 29.09.2009 wurde der Hauptwohnsitz in Österreich wieder abgemeldet. Von 19.04.2010 bis 24.05.2011 waren Sie in der Justizanstalt X, untergebracht. Seit 16.02.2012 befinden Sie sich im X. Sie sind ledig. Ein Familienleben haben Sie laut Aktenlage nicht in Österreich. Sie sind seit 2009 bis dato in Österreich keiner geregelten Erwerbstätigkeit nachgegangen, Sie verfügen auch über kein Vermögen oder über ein anderes Einkommen. Sie sind also als mittellos anzusehen. Sie führen zwar in Ihrer Stellungnahme vom 05.09.2012 an, dass Ihre wirtschaftliche Lage aufgrund des Bezuges einer Pension zur Zeit gesichert ist, jedoch wurden dafür keine Nachweise vorgelegt. Laut Vollzugsinformation der Justizanstalt X vom 25.05.2011, HNR: 104742, sind Sie kein Pensionsbezieher laut Pensionsabfrage (angeführt unter Vermerke).

 

Sie haben auch in Ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 11.09.2012 nicht angeführt, woraus Ihr soziales Umfeld hier in Österreich besteht. Weiters haben Sie es auch unterlassen, entsprechende Personaldaten Ihrer Bezugspersonen hier in Österreich bekanntzugeben. Weiters machen Sie keinerlei Angaben zu Ihrer familiären Situation in Österreich. Faktum ist weiters, dass Sie selbst keine konkrete Personen erwähnt haben, zu denen Sie eine Beziehung führen. Somit ist von der hs. Fremdenpolizeibehörde festzustellen, dass Sie hier in Österreich keine familiären Beziehungen besitzen. Betreffend Ihres Privatlebens wird angeführt, dass Ihnen aufgrund Ihrer Aufenthaltsdauer gewisse soziale Kontakte nicht abzustreiten sind. Jedoch haben Sie es bis dato unterlassen, konkrete Personen der hs. Fremdenpolizeibehörde zu nennen, die sich für Ihren Verbleib hier in Österreich einsetzen würden. Aus diesem Grund kann auch nicht von einer hohen sozialen Integration ausgegangen werden.

 

Durch Ihr persönlich gesetztes Verhalten gefährden Sie die öffentliche Sicherheit enorm. Sie selbst sind nicht in der Lage, Ihre kriminelle Energie zu bändigen, daher wurde Sie in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingeliefert. Laut Gerichtsurteil 121 Hv 90/1 Og liegt bei Ihnen eine schwere Persönlichkeitsstörung vor, die dem Rechtsbegriff der geistig-seelischen Abartigkeit höheren Grades zuzuordnen ist. Ihre Krankheit wird zwar derzeit behandelt, allerdings kann ein Rückfall nicht ausgeschlossen werden. Ihr Gewaltpotential wird im Gerichtsurteil als sehr hoch eingestuft. Strafbare Handlungen, vor allem aggressive Durchbrüche und Gewalttaten bis zum tödlichen Ausgang wurden auch zukünftig naheliegend und als sehr wahrscheinlich eingestuft.

 

Bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wird nicht bestimmt, dass Sie in Ihrem Heimatstaat abgeschoben bzw. ausgewiesen werden. Vielmehr kommt es bei der Erlassung eines Aufenthalts­verbotes darauf an, ob durch das persönliche Verhalten des Fremden die öffentliche Ordnung und Sicherheit entsprechend gefährdet wird, um einen weiteren Aufenthalt hier in Österreich zu verbieten. Sie haben Ihrer Entlassung aus dem X das Bundesgebiet der Republik Österreich jedenfalls unverzüglich zu verlassen.

 

Ihre kriminelle Energie ist als sehr hoch einzustufen. Um weitere Strafrechtsdelikte hier in Österreich zu verhindern, ist die Erlassung eines 10jäjhrigen Aufenthaltsverbotes unbedingt erforderlich, um die öffentliche Sicherheit wieder herzustellen. Daher stellt diese Maßnahme auch keinen ungerechtfertigen Eingriff in Ihr Privat- und Familienleben dar. Aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung kann nicht gewährleistet werden, dass Sie zukünftig, entsprechende Rechtsnormen zu akzeptieren und sich an diese Normen halten.

 

Daher ist spruchgemäß entschieden worden."

 

1.2. Gegen den angefochtenen Bescheid, nachweislich zugestellt am 2. Jänner 2013, erhob der Bw rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung, bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land eingelangt am 16. Jänner 2013.

 

In seiner Berufung führt der Bw Folgendes aus:

 

"Gegen den von Ihnen erlassenen Bescheid, betreffend des Aufenthaltsverbots, erhebe ich hiermit fristgerecht Einspruch.

In der Begründung führen Sie an, dass ich kein Einkommen habe. Das entspricht nicht den Tatsachen.,ich beziehe eine Pension, der Nachweis liegt in Form einer Kopie des Bescheides bei. Der aktuellste Bescheid wird, sobald er vorliegt, nachgereicht. Weiters führen Sie an, dass sich niemand für meinen Verbleib in Österreich ausspricht. Auch das entspricht nicht den Tatsachen. Zwei Institutionen haben sich für meinen Verbleib ausgesprochen. Beide Stellungnahmen sind im Zuge der Beweisaufnahme an Sie übermittelt worden. Darin wurde unter anderem auch zur Gefährlichkeit Stellung bezogen. Beide Schreiben wurden in Ihrer Begründung nicht angeführt. Weitere Personen könnten, Ihr Einverständnis vorausgesetzt, noch benannt werden."

 

 

2.1. Mit Schreiben vom 4. Februar 2013 wurde der gegenständliche Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt.

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt. Zusätzlich wurde am 14. Februar 2013 eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem UVS des Landes Oberösterreich durchgeführt.

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung zunächst von dem unter den Punkten 1.1.2. und 1.2. dieses Erkenntnisses dargestellten Sachverhalt aus.

 

Es ist insbesondere festzuhalten, dass der Bw seit den Delikten drogenabstinent und medikamentös gut eingestellt ist, weshalb ihm auch Vollzugserleichterungen wie unbeaufsichtigte Ausgänge gewährt werden. Während des Aufenthalts im X konnten keinerlei Spannungssituationen festgestellt werden. Der Bw entspricht den Medikationsvorgaben.

 

Ein konkreter Entlassungstermin aus dem Strafvollzug für geistig abnorme Rechtsbrecher ist noch nicht bekannt.

 

2.4. Im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 14. Februar 2013 vermittelte der Bw ein durchaus positives Bild betreffend eines verantwortungsbewussten Umgangs mit der gegebenen geistigen Erkrankung und den damit verbundenen besonderen Sorgfaltspflichten seinerseits.

 

Er vermittelte glaubhaft, dass er sich der Gefahren eines allfälligen weiteren Drogenkonsums wie auch vor allem der Nichtentsprechung der Medikationsvorgaben bewusst ist, bezeichnete sich selbst als noch nicht vollständig remittiert, was wiederum auf das entsprechende Verantwortungsbewusstsein hinweist.

 

2.5. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 67 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 87/2012, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

 

Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

 

3.1.2. Beim Bw handelt es sich um einen deutschen Staatsangehörigen, der von seiner unionsrechtlich eingeräumten Freizügigkeit Gebrauch machte, indem er nach Österreich einreiste, also grundsätzlich um eine Person des in den § 65 in Verbindung mit § 67 Abs. 1 FPG erster Satz angesprochenen Adressatenkreises. Nachdem sich der Bw schon seit über zehn Jahren im Bundesgebiet aufhält, kommt § 67 Abs. 1 vorletzter Satz FPG zur Anwendung.

 

3.2.1. Es ist – im Hinblick auf die oa Bestimmung – nun zu prüfen, ob das Verhalten des Bw aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, die Sicherheit der Republik Österreich nachhaltig und maßgeblich zu gefährden.

 

Maßgeblich ist dabei aber nicht primär, dass eine strafgerichtliche Verurteilung ausgesprochen wurde, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte einer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen ist. Es ist also im konkreten Einzelfall zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bw hinkünftig rechtskonform verhalten wird.

 

3.2.2. Der Bw wurde vom LG für Strafsachen Wien zu GZ.: 121 HV 90/201OG, vom 28.10.2010 (RK 17.03.2011) rechtskräftig wegen §§ 105/1 106 Abs. 1 Z. 1 (1. FALL) iVm. §15, §269 Abs. 1 (LETZTER FALL) StGB wegen schwerer Nötigung sowie wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt verurteilt und wurde in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs. 1 StGB eingewiesen.

 

Der Bw hatte unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§11 StGB), der auf einer geistigen und seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruhte, nämlich einer paranoiden Schizophrenie, in X

I.     am 18.4.2010 Personen durch gefährliche Drohung mit dem Tod, zu einer Handlung, nämlich Anhalten ihres PKW`s

a. genötigt, und zwar einen unbekannt gebliebenen Lenker eines Mercedes, indem er einen Revolver der Marke Arminius Kaliber 22 Magnum, aus dem Hosenbund hervorholte und dem unbekannten Lenker vorzeigte;

b. zu nötigen versucht, und zwar X, indem er mit dem Revolver mehrere Schüsse in Richtung des PKW's des Opfers abgab, wobei es beim Versuch blieb, weil dieser den Rückwärtsgang einlegte und davonfuhr;

II. am 19.04.2010 einen Beamten durch gefährliche Drohung mit dem Tod an einer Amtshandlung, nämlich an der neuerlichen Festnahme des Bw nach seiner Flucht aus dem X zu hindern versucht, in dem er auf den Polizeibeamten X mit einem Ast in der Hand zulief und äußerte, er werde ihm diesen durch das Hirn rammen, wobei es beim Versuch blieb, weil der Bw kurz darauf festgenommen werden konnte.

 

2.2.3. Es ist wohl unbestreitbar, dass ein Verhalten, wie es der Bw an den Tag legte, absolut geeignet ist die Sicherheit der Republik Österreich nachhaltig und maßgeblich zu gefährden. Diese Feststellung gründet vor allem darauf, dass unberechenbare, das Leben und die Gesundheit von Personen, gleich ob sie im staatlichen Interesse auftreten oder im Grunde unbeteiligt hineingezogen werden, massiv gefährdende Aktionen, teils unter Verwendung einer Schusswaffe, dermaßen gravierend den Sicherheitsinteressen der Republik widerstreiten. Auch ist festzuhalten, dass dieses raptive Gefährdungspotential ein besonders hohes Maß an krimineller Energie bedingt, wenn diese auch von hochgradig paranoider Schizophrenie begleitet wird.

 

Wenn der Bw auf die unbestrittene positive Entwicklung im Rahmen des forensischen Vollzugs hinweist, ist allerdings anzumerken, dass er noch nicht vollständig remittiert ist. Im Gegenzug dazu kann der Bw aber darauf verweisen, dass es seit den in Rede stehenden Delikten zu keinen Schüben der Schizophrenie wie auch zu keinem - diese ursprünglich auslösenden – Drogenkonsum mehr kam. Auch entspricht er bislang den Medikationsvorgaben, was eine entscheidende Einschränkung des Gefährdungspotentials bedeutet.

 

Nachdem der Bw im Rahmen des forensischen Vollzugs aktuell keine Gefährdung für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt und erst bei vollständiger Remission entlassen werden wird, kann im vorliegenden Fall nicht davon gesprochen werden, dass der Bw durch sein Verhalten eine nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der Sicherheit der Republik Österreich bewirken könnte.

 

3.2.4. Somit werden vom Bw die in § 67 Abs. 1 vorletzter Satz FPG normierten Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht erfüllt.

 

3.3. Ohne auf die weiteren Aspekte des Privat- und Familienlebens einzugehen, war daher im Ergebnis der Berufung stattzugeben, der angefochtene Bescheid aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.

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Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

Bernhard Pree

 

 

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