Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-167239/2/Kei/AK

Linz, 18.02.2013

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Michael Keinberger über die Berufung der X, geb. X, X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 27. August 2012, Zl. VerkR96-7666-2012, zu Recht:

 

 

I.                 Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

 

II.             Die Berufungswerberin hat keinen Beitrag zu den Verfahrenskosten zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 45 Abs.1 Z2 und § 51 Abs.1 VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Der Spruch des in der Präambel angeführten Straferkenntnisses lautet (auszugsweise Wiedergabe):

"Sie haben im angeführten Bereich, welcher außerhalb eines Ortsgebietes liegt, die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 59 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits zu Ihren Gunsten abgezogen.

Tatort: Gemeindegebiet X, Bezirk X, Innkreisautobahn A 8, Höhe Strkm 24.790, Fahrtrichtung X

Tatzeit: 12. Juni 2012, um 10 Uhr 31

Fahrzeug: PKW, Marke Skoda, Type Fabia, behördliches Kennzeichen X

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 52 lit. a Zf.10 a StVO 1960, BGBI.Nr.159 i.d.g.F.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von      falls diese uneinbringlich                   gemäß

                            ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

280 Euro              117 Stunden                           § 99 Abs.2e StVO 1960,                                                                                     BGBl.Nr. 159 i.d.g.F.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

28 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15,00 Euro angerechnet);

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 308 Euro."

 

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerecht erhobene Berufung.

Die Berufungswerberin (Bw) brachte in der Berufung vor (auszugsweise Wiedergabe):

"Begründung: Wie ich bereits beim Einspruch erläutert habe, ist die Geschwindigkeitsbeschränkung im angeführten Abschnitt (Höhe Strkm 24.790 - Fahrtrichtung X) undeutlich bzw nicht erkennbar für die linke Fahrspur bzw für PKW's angebracht. In der Zwischenzeit bin ich des Öfteren mit Bekannten an diesem Knoten vorbeigefahren und auch diese teilten meine Ansicht, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung nur für die abgeleiteten LKW's gilt. Es wurde auch an der Beschilderung bis dato nichts geändert."

 

Der Oö. Verwaltungssenat hat in den Verwaltungsakt der Bezirkshaupt-mannschaft Grieskirchen vom 26. September 2012, Zl. VerkR96-7666-2012, Einsicht genommen.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte wegen der Tatsache, dass bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, unterbleiben (§ 51e Abs. 2 Z.1 VStG).

 

Es ergibt sich folgender rechtlich relevanter Sachverhalt:

Die Bw lenkte am 12. Juni 2012 um 10.31 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen X in X, auf der Autobahn X (X), auf Höhe des Strkm 24,790 in Fahrtrichtung X. In diesem Straßenabschnitt der A8 war die zulässig Höchstgeschwindigkeit mit 60 km/h begrenzt. Die Geschwindigkeitsbeschränkung begann bei Strkm 25,173 und endete bei km 24,550.

Eine Geschwindigkeitsmessung im Bereich dieser 60 km/h-Beschränkung, bei Strkm 24,790, mittels Stand-Radarmessgerät, Type MUVR 6FM 697, Messgerät Nr. 03 ergab - abzüglich der in Betracht kommenden Messtoleranz -  eine tatsächliche Fahrgeschwindigkeit des von der Bw gelenkten PKWs von 119 km/h. Dies entspricht einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 59 km/h.

 

Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 52 lit.a Z.10a StVO zeigt das Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung (Erlaubte Höchstgeschwindigkeit)" an, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist.

 

Es wird ausdrücklich auf die Ausführungen in den Erkenntnissen des Oö. Verwaltungssenates, Zl. VwSen-167248/2/Ki/Bb vom 16. Oktober 2012 und VwSen-167109/2/Kei/Eg vom 13. November 2012, hingewiesen.

 

Die Bw lenkte zum gegenständlichen Vorfallszeitpunkt den PKW mit dem Kennzeichen X auf der X in Fahrtrichtung X, wobei sie auf Höhe des Strkm 24,790 eine Geschwindigkeit von 119 km/h einhielt und damit die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 59 km/h überschritt. Diese Geschwindigkeitsüberschreitung wurde mit einem Radarmessgerät festgestellt und von der Bw nicht bestritten. Sie hat die ihr vorgeworfene Verwaltungsübertretung nach § 52 lit. a Z. 10a StVO damit – zumindest – in objektiver Hinsicht zu verantworten.

Fraglich ist jedoch, ob die Beschilderung der 60 km/h-Beschränkung für die Bw bei Annäherung mit dem durch sie gelenkten PKW leicht und rechtzeitig erkannt werden konnte, oder für herannahende PKW-Lenker tatsächlich irreführend ist.

 

Gemäß § 48 Abs.1 erster Satz StVO sind die Straßenverkehrszeichen (§§ 50, 52 und 53) als Schilder aus festem Material unter Bedachtnahme auf die Art der Straße und unter Berücksichtigung der auf ihr üblichen Verkehrsverhältnisse, namentlich der darauf üblichen Geschwindigkeit von Fahrzeugen, in einer solchen Art und Größe anzubringen, dass sie von den Lenkern herannahender Fahrzeuge leicht und rechtzeitig erkannt werden können.

Sowohl nach der Bestimmung des § 48 Abs.1 StVO als auch nach der entsprechenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. VwGH 13. September 1985, Zl. 85/18/0278 ua.) muss ein Verkehrszeichen in seiner Gesamtheit (einschließlich Zusatztafeln) von einem herannahenden Fahrzeuglenker leicht und rechtzeitig erkannt werden können. Dies bedeutet, dass solche Lenker auf eine ihnen zumutbare Weise ohne Mühe und damit auch ohne Beeinträchtigung des Verkehrs imstande sein müssen, den Inhalt der betreffenden Anordnung vollständig zu erfassen und sich danach zu richten (VwGH vom 26. Februar 2004, Zl. 2003/07/0174 uvm.).

Auch der Verfassungsgerichtshof verlangt von Normen ein unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten erforderliches Mindestmaß an Verständlichkeit. Demnach muss der Gesetzgeber der breiten Öffentlichkeit den Inhalt seines Gesetzesbeschlusses in klarer und erschöpfender Weise zur Kenntnis bringen, da anderenfalls der Normunterworfene nicht die Möglichkeit hat, sich der Norm gemäß zu verhalten. Diesem Erfordernis entspricht jedoch weder eine Vorschrift, zu deren Sinnermittlung "subtile" Sachkenntnisse, qualifizierte juristische Befähigung und Erfahrung sowie geradezu archivarischer Fleiß vonnöten sind, noch eine solche, zu deren Verständnis außerordentliche methodische Fähigkeiten und eine gewisse Lust zum Lösen von Denksport-Aufgaben erforderlich sind (VfSlg. 12420/1990).

Es ist zunächst völlig unstrittig, dass die gegenständliche Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h für LKW ab 2,5t und für Busse gilt und von den Lenkern herannahender Fahrzeuge dieser Art bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit leicht und rechtzeitig im Sinne des § 48 Abs.1 StVO erkannt werden kann. Dies ist auf Grund der Beschilderung eindeutig festgestellt.

Für herannahende PKW-Lenker hingegen ist – bei erlaubter Annäherungsgeschwindigkeit von 80 km/h – jedoch nicht sogleich mit hinreichender Bestimmtheit erkennbar, dass die 60 km/h-Beschränkung auch für sie gilt. Erst bei genauerer Betrachtung wird klar, dass von der Beschränkung auch PKWs umfasst sind.

Was damit die Frage des Verschuldens anlangt, so kann der Bw ein Verschulden an der gegenständlichen Geschwindigkeitsüberschreitung nicht zur Last gelegt werden, da für den Lenker eines herannahenden PKW der beabsichtigte Inhalt der Beschilderung zunächst nicht so eindeutig und klar wahrnehmbar ist, um sich allenfalls rechtzeitig der Anordnung entsprechend zu verhalten.

Es ist daher aus den angeführten Gründen der Berufung stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z.2 VStG einzustellen.

 

Bei diesem Verfahrensergebnis hat die Bw gemäß § 66 Abs.1 VStG keinen Beitrag zu den Verfahrenskosten zu leisten.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Michael Keinberger

 

 

 

 

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