Linz, 26.02.2013
E r k e n n t n i s
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung von Herrn X, geb. X, X, X, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt, X, X gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach, vom 10. Jänner 2013, Zl. VerkR96-705-2012, zu Recht:
I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt;
II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1, 51 und 51e Abs.1 Z1 VStG.
Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis über den Berufungswerber eine Geldstrafe über 80 Euro und für den Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von 33 Stunden ausgesprochen, wobei wider ihn folgender Tatvorwurf erhoben wurden:
1.1. Die Behörde erster Instanz erachtete im Ergebnis den Tatvorwurf im Gutachten des vor Ort tätig gewordenen Amtssachverständigen als erwiesen. In diesem Zusammenhang verwies die Behörde erster Instanz auf die von diesem Amtssachverständigen am 8.1.2013, GZ: Verk210000/2975-2012/LJ erstattete Stellungnahme. Darin habe der Sachverständige im Ergebnis ausgeführt, am 11. 4. 2012 in X im Zuge einer Kontrolle gem. § 58 KFG, den PKW der Marke VW 1K mit dem deutschen Kennzeichen X kontrolliert und dabei den im Tatvorwurf, wie im letzten Satz des weitwendig und inhaltlich nicht wirklich nachvollziehbar formulierten Spruches offenbar zum Ausdruck zu bringen versucht, angeführten Mangel festgestellt zu haben.
Dabei sei lt. inhaltlicher Darstellung im Gutachten der Abstand von Reifen (rechts vorne) zu Aufbauteilen zu gering ausgeführt gewesen. Der Abstand in eingefedertem Zustand habe nur etwa 0,5 mm betragen, wobei dieser gemäß den einschlägigen Richtlinien 6 mm betragen müsse um die Verkehrssicherheit gewährleisten zu können. Der Sachverständige vermerkte wohl den Eintrag einer Veränderung in der deutschen Zulassungsbescheinigung, wobei vermeint wird, der Grund für eine zu geringe Freigängigkeit könne unter Umständen sein, dass die montierten Federn sich gesetzt, d.h. nachgegeben haben und sich so die ursprüngliche Freigängigkeit verringerte.
Auf die Frage des Lenkerverschuldens ging die Behörde erster Instanz auch nicht im Ansatz ein. Sie verwies ausschließlich auf die an sich unstrittigen Feststellungen und die gesetzlichen Vorschriften.
2. In der dagegen durch seinen bevollmächtigten Vertreter eingebrachten Berufung, die mangels eines vorliegenden Zustellnachweises als fristgerecht zu werten ist, wird dem mit nachfolgenden Ausführungen entgegen getreten:
3. Da keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung konnte angesichts des Umstandes, dass mangels eines aus der Aktenlage erweislichen Verschuldens des Lenkers der Schuldspruch aufzuheben ist, gemäß § 51e Abs.1 Z1 VStG unterbleiben.
4. Sachverhalt und Beweiswürdigung:
Am Fahrzeug des Berufungswerbers wurden anlässlich einer Verkehrskontrolle der hier angelasteten Mangel festgestellt. Der Berufungswerber verwies bereits im Zuge der Kontrolle auf die Überprüfung seines Fahrzeuges beim TÜV. Eine durch Handanlegung des Berufungswerbers selbst durchgeführte Herbeiführung dieses Zustandes lässt sich weder aus dem Amtssachverständigengutachten noch aus der Anzeige ableiten. Vielmehr ließ die Behörde erster Instanz offenbar völlig unbeachtet, dass selbst der Amtssachverständige in seinem Gutachten, als möglichen Grund für die zu geringe Freigängigkeit unter Umständen „ein Setzen der montierten Federn“ zu erblicken können vermeinte.
Wie ein Fahrzeuglenker einen solchen Mangel in zumutbarer Weise erkennen soll, wurde einerseits von der Behörde erster Instanz in keiner wie immer gearteten Form überprüft, noch wurde im Sinne des Tatvorwurfes festgestellt, in welcher Art diese nicht erfolgte Überprüfung auf ein schuldhaftes (zumindest fahrlässiges) Verhalten zurückzuführen wäre. Ganz abgesehen welches Handeln der Berufungswerber im Rahmen des ihm Zumutbaren unterlassen gehabt hätte. Versetzt man sich in die Lage eines Fahrzeuglenkers oder einer Fahrzeuglenkerin, ist diesen eine Fahrzeugüberprüfung vor Fahrtantritt in einem Umfang, dem gleichsam ein Studium der technischen Unterlagen in Verbindung mit einer einschlägigen Fachkenntnis vorauszugehen hätte, wohl kaum zuzumuten. Ein solcher Schuldvorwurf könnte allenfalls dann erwiesen als gelten, wenn ein Fahrzeughalter als KFZ-Mechaniker etwa selbst sein Fahrzeug bewilligungslos tiefer legt. Davon ist hier nicht auszugehen, wenn diese – allenfalls nicht fachgerecht durchgeführte – Änderung lt. Stellungnahme des Amtssachverständigen sogar der in Deutschland zuständigen Behörde angezeigt wurde.
Der Berufungswerber ist demnach im Recht, wenn er im Ergebnis insbesondere die zum Schuldspruch führende Beweiswürdigung zu rügen scheint.
Die Behörde erster Instanz übersieht offenbar die subjektive Tatseite, hier insbesondere den Beweis einer Sorgfaltswidrigkeit in Form einer Unterlassung, als Voraussetzung für die Strafbarkeit.
5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Abgesehen vom Umstand, dass hier der Spruch erst im letzten Punkt erkennen lässt worin ein Regelverstoß erblickt werden will, läge hier wohl auch keine die tatsächlichen Tabtestandselemente erfassende Verfolgungshandlung vor.
Da dieses Fahrzeug offenbar in diesem Zustand von Deutschland genehmigt wurde, würde es ferner jegliches Maß an Sorgfaltspficht überspannen, einem Lenker das Nichterkennen diese möglicher Weise im Nachhinein (durch Einsinken der Federn) entstandenen Mangels als schuldhaftes Verhalten zur Last zu legen. Der Berufungswerber verantwortete sich bereits im Rahmen der Anhaltung in diesem Sinne.
Gemäß § 5 VStG genügt wohl, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter/die Täterin nicht glaubhaft macht, dass ihn/sie an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation führt dies aber dennoch nicht zu einer völligen Beweislastumkehr. Der Verfassungsgerichtshof geht nämlich vielmehr davon aus, dass der § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG nicht etwa bewirkt, dass ein Verdächtiger seine Unschuld nachzuweisen hat (VfSlg. 11195/1986). Vielmehr hat die Behörde die Verwirklichung des (objektiven) Tatbestandes durch den Beschuldigten nachzuweisen und bei Vorliegen von Anhaltspunkten, die an seinem Verschulden zweifeln lassen, auch die Verschuldensfrage von Amts wegen zu klären.
Inwiefern es dem Berufungswerber zuzumuten gewesen wäre diesen nicht regelkonformen „Freigängigkeit“ in verkehrsüblicher Beurteilung der Verpflichtungen eines Lenkers vor Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges zu erkennen, ist nicht wirklich nachvollziehbar.
Da letztlich weder von der Behörde erster Instanz ein substanzierbares Verschulden nachgewiesen, noch ein solches im Spruch hinreichend konkret vorgeworfen wurde (der bloße Hinweis auf die Zumutbarkeit den Mangel zu erkennen eröffnet jedenfalls nicht die Grundlage sich auf einen solchen Vorwurf sachgerecht verteidigen zu können) und wohl auch gegenwärtig nicht mehr nachweisbar wäre, war das Straferkenntnis zu beheben und Strafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen gewesen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r