Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166723/2/Zo/Rei

Linz, 28.03.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn H G, geb. x, vertreten durch Rechtsanwälte B – B – M, L, vom 20.02.2012 gegen den Bescheid der Bezirkshauptfrau von Rohrbach vom 08.02.2012, Zl. VerkR96-2444-2011, wegen Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 und 71 Abs.1 AVG iVm § 24 VStG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 25.01.2012 wegen Versäumung der Berufungsfrist gegen das Straferkenntnis vom 09.11.2011 abgewiesen. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass den Vertreter des Berufungswerbers am Nichteinbringen einer Berufung gegen das angeführte Straferkenntnis ein Verschulden treffe, welches über den minderen Grad des Versehens hinaus gehe.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte der Vertreter des Berufungswerbers zusammengefasst aus, dass er gegen das Straferkenntnis vom 09.11.2011 deshalb keine Berufung eingebracht habe, weil ihm der zuständige Sachbearbeiter telefonisch versichert hätte, dass dieses Straferkenntnis gegenstandslos sei. Er habe dies auch noch mit einem Mail schriftlich bestätigt. Unter diesen Umständen habe der Vertreter des Berufungswerbers keinerlei Anlass gehabt, gegen das Straferkenntnis vom 09.11.2011 eine Berufung einzubringen. Offenbar sei auch die Erstinstanz davon ausgegangen, dass das Straferkenntnis vom 09.11.2011 gegenstandslos sei, weil sie in weiterer Folge am 24.11.2011 ein inhaltsgleiches Straferkenntnis erlassen habe. Die Behörde lege daher an den Rechtsvertreter einen Sorgfaltsmaßstab an, dem sie nicht einmal selbst entsprochen habe. Wenn nicht einmal die Behörde die Frage der Beachtlichkeit oder Unbeachtlichkeit ihrer Erklärung richtig einschätzen könne, so dürfe dies auch nicht vom Adressaten der Erklärung verlangt werden.

 

Weiters machte der Berufungswerber geltend, dass das Straferkenntnis vom 24.11.2011 nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das früher ergangene Straferkenntnis vom 09.11.2011 nach dem Prinzip der "Lex-posterior-Regel" derogiere.

 

3. Die Bezirkshauptfrau von Rohrbach hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Bereits daraus ergibt sich, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, weshalb gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG die Verhandlung entfällt.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Gegen den Berufungswerber wurde eine Anzeige wegen des Verdachtes einer verkehrsrechtlichen Übertretung erstattet. Die Erstinstanz hat am 09.11.2011 in dieser Sache ein (erstes) Straferkenntnis, in welchem jedoch eine fristgerecht abgegebene Stellungnahme des Berufungswerbers nicht berücksichtigt wurde, erlassen. Der Vertreter des Berufungswerbers nahm daraufhin telefonisch mit dem Bearbeiter der Erstinstanz Kontakt auf, wobei im Gespräch im Ergebnis festgehalten wurde, dass das Straferkenntnis vom 09.11.2011 gegenstandslos sei und die Behörde nach Vornahme weiterer Erhebungen ein neuerliches Straferkenntnis erlassen werde. Dies wurde auch noch durch ein E-Mail des Sachbearbeiters bestätigt.

 

Nach Durchführung von Erhebungen erließ die Erstinstanz am 24.11.2011 in der selben Sache ein inhaltlich gleichlautendes (zweites) Straferkenntnis, gegen welches rechtzeitig Berufung eingebracht wurde. Dieser Berufung hat der UVS stattgegeben und das (zweite) Straferkenntnis vom 24.11.2011 aufgehoben. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass bereits das (erste) Straferkenntnis vom 9.11.2011 in Rechtskraft erwachsen war, weil der Berufungswerber gegen dieses kein Rechtsmittel eingebracht hatte und es von der Erstinstanz auch nicht mit einem Telefonat oder mit einem E-Mail (welches die wesentlichen Bescheidmerkmale nicht aufwies) aufgehoben werden konnte.

 

Diese Entscheidung wurde dem Vertreter des Berufungswerbers am 17.01.2012 zugestellt, woraufhin er am 25.01.2012 der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach einerseits mitteilte, dass er die Rechtsansicht des UVS nicht für richtig halte und einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend Versäumung der Berufungsfrist gegen das Straferkenntnis vom 09.11.2011 erhob. Gleichzeitig führte er die Berufung gegen dieses Straferkenntnis aus.

 

Die Erstinstanz hat diesen Wiedereinsetzungsantrag mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid abgewiesen.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 71 Abs.1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn

1.      die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2.      die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

 

 

5.2. Wie die Erstinstanz zutreffend festgehalten hat, kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch ein Rechtsirrtum grundsätzlich ein unvorhergesehenes Ereignis darstellen, welches die Wiedereinsetzung rechtfertigen kann. Bei jedem Irrtum ist jedoch die Verschuldensfrage genau zu prüfen. Die Erstinstanz hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass bei einem Rechtsanwalt ein durchaus hoher Maßstab anzusetzen ist und ein Rechtsirrtum eines Anwaltes wohl nur in Ausnahmefällen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen kann.

 

Eine auffallende Sorglosigkeit liegt nach der Rechtsprechung des VwGH beispielsweise dann vor, wenn der Rechtsirrtum bei Beachtung der normativen Aussage einer gesetzlichen Regelung und der dazu ergangenen Judikatur hätte vermieden werden können (z.B. VwGH vom 26.06.2002, 98/21/0273). Auch in den Fällen, in welchen der Rechtsirrtum durch die Einholung von Informationen bei der Behörde hätte vermieden werden können, liegt nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH auffallende Sorglosigkeit vor.

 

Im gegenständlichen Fall ist jedoch gerade das Gegenteil passiert: Durch die Information der Behörde (nämlich das Telefonat und das daran anschließende Mail, wonach das Straferkenntnis gegenstandslos sei) wurde erst der Irrtum des Rechtsvertreters ausgelöst bzw. zumindest bekräftigt. Dieser hätte die Unbeachtlichkeit der behördlichen Mitteilung zwar erkennen können, wenn er sie anhand der Rechtsprechung zu § 68 AVG überprüft hätte. Allerdings ist der Rechtsvertreter des Berufungswerbers mit seinem Vorbringen insofern im Recht, als ihn keine strengere Überprüfungspflicht trifft als den Vertreter der Behörde. Der Rechtsvertreter des Berufungswerbers hat auf die telefonische und in weiterer Folge per E-Mail bestätigte Mitteilung der Behörde vertraut, was in der gegenständlichen Situation keine auffallende Sorglosigkeit begründet. Der Wiedereinsetzungsgrund des § 71 Abs.1 Z1 AVG liegt daher vor.

 

Da auch die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind, war der Berufung stattzugeben. Bei diesem Ergebnis ist ein gesonderter Abspruch über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht erforderlich.

 

Der Vollständigkeit halber ist noch auf das Vorbringen betreffend die Derogation des ersten Straferkenntnisses durch das neuere Straferkenntnis einzugehen. Die dazu vom Vertreter des Berufungswerbers zitierte Rechtsprechung ist nur auf jene Fälle anzuwenden, in welchen der zweite in derselben Sache erlassene Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Wie sich aus Hengstschläger/Leeb, AVG § 68, RZ 49, 50 und 52 klar ergibt, ist der zweite Bescheid grundsätzlich rechtswidrig und daher – sofern er bekämpft wurde – im Berufungsverfahren aufzuheben.  Die Frage, welcher von zwei in derselben Sache ergangenen Bescheiden gilt, stellt sich nur dann, wenn beide Bescheide rechtskräftig sind. Wurde der zweite Bescheid jedoch im Berufungsverfahren aufgehoben, so kann er den ersten Bescheid nicht derogieren.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

 

 

 

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