Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-590346/2/Gf/Rt

Linz, 29.03.2013

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Gróf über die Berufung der X und des X, Xsiedlung Nr. 1, X, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich, Zl. E1/2364/2012, mit dem eine Genehmigung zur Errichtung eines Sprengmittellagers erteilt wurde, zu Recht erkannt:

 

 

Aus Anlass der Berufung wird der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 AVG.

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

 

1.1. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich, Zl. E1/2364/2012, wurde dem Antrag der X (im Folgenden: Mitbeteiligte Partei) auf Errichtung eines oberirdischen Kleinlagers zur Lagerung von Schieß- und Sprengmitteln mit einer Höchstlagermenge bis 150 kg für den Standort X, X, gemäß § 35 des Sprengmittelgesetzes, BGBl.Nr. I 121/2009 i.d.g.F. BGBl.Nr. I 17/2013 (im Folgenden: SprG), mit der Maßgabe stattgegeben, dass dieses Lager entsprechend den durch ein Sachverständigengutachten modifizierten Einreichunterlagen errichtet und dessen Inbetriebnahme umgehend der Genehmigungsbehörde bekannt gegeben wird.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass dem dagegen erhobenen Vorbringen der Rechtsmittelwerber dahin, dass durch die Errichtung dieses Lagers die beabsichtigte Umwidmung ihres Grundstückes in Bauland gefährdet werden könne, im vorliegenden Genehmigungsverfahren keine Relevanz zukomme und die übrigen Verfahrensparteien gegen die Bewilligungserteilung ohnehin keine Einwände erhoben hätten.

 

1.2. Gegen diesen ihnen am 20. Februar 2013 per e-mail zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende, am 1. März 2013 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

 

Darin wenden die Beschwerdeführer ein, dass die Errichtung des Sprengmittellagers eine hohe Gefahr für das Leben und die Gesundheit der Anrainer bedeute. Eine solche sei schon bei der derzeitigen landwirtschaftlichen Nutzung der Liegenschaften gegeben; und sie erhöhe sich insbesondere dann, wenn umliegende Grundstücke künftig in Bauland umgewidmet werden. Außerdem resultiere auch eine Gefährdung für die Umwelt, wobei auch der vom Sachverständigen – zudem mit zweifelhaften Methoden – ermittelte Umfang der betroffenen Liegenschaften diesen Aspekten nicht ausreichend Rechnung trage.

 

Daher wird begehrt, den Genehmigungsantrag der Mitbeteiligten Partei abzuweisen.

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der LPD Oberösterreich zu Zl. E1/2364/2012 vorgelegten Akt; da die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen gemäß § 67d Abs. 1 AVG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2.2. Nach § 38 Abs. 2 SprG entscheidet über Berufungen gegen Bescheide der Landespolizeidirektion der Unabhängige Verwaltungssenat, und zwar – mangels abweichender sondergesetzlicher Regelung – gemäß § 67a Z. 1 erster Satz AVG durch Einzelmitglied.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Nach § 35 Abs. 1 SprG dürfen Lager für Sprengmittel nur mit Bewilligung der Behörde errichtet werden.

 

Eine solche Bewilligung ist nach § 35 Abs. 2 SprG zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass ausreichender Schutz vor Einwirkungen von außen auf das Lager und nach außen auf Menschen, Umwelt und fremdes Eigentum gewährleistet wird; die baulichen Voraussetzungen – wie die näheren Bestimmungen über die Bauweise oder die Beschaffenheit der Räume, sowie organisatorische Vorkehrungen, wie insbesondere Betriebsvorschriften unter Berücksichtigung des Standes der Technik – sind durch die Sprengmittellagerverordnung, BGBl.Nr. II 483/2010 (im Folgenden: SprLV), festgelegt.

 

Gemäß § 2 Abs. 3 SprG gilt das Sprengmittelgesetz allerdings (u.a.) nicht für solche Lager von Schieß- und Sprengmitteln, die in den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 16 der Gewerbeordnung, BGBl.Nr. 194/1994 i.d.g.F. BGBl.Nr. I 85/2012 (im Folgenden: GewO) fallen, wobei die letztgenannte Bestimmung (u.a.) festlegt, dass auf Anlagen zur Lagerung von Schieß- und Sprengmitteln, in denen in der Anl. 5 zur GewO genannte gefährliche Stoffe mindestens in einer im § 84a Abs. 2 GewO angeführten Menge vorhanden sind, die Bestimmungen der GewO über die Betriebsanlagen sowie die damit zusammenhängenden Bestimmungen der GewO (§§ 74 bis 84h, 333 bis 338, 353 bis 360, 362, 366 und 371 bis 373 GewO) maßgeblich (und demgemäß die Bestimmungen des Schieß- und Sprengmittelrechts nicht anzuwenden) sind.

 

Nach § 84a Abs. 2 GewO gilt der Abschnitt 8a der Gewerbeordnung "betreffend die Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen" für Betriebe, in denen in der Anl. 5 zur GewO genannte gefährliche Stoffe mindestens in einer in der Anl. 5 zur GewO, Teil 1 Spalte 2 und Teil 2 Spalte 2 (§ 84a Abs. 2 Z. 1 GewO) oder in der Anl. 5 zur GewO, Teil 1 Spalte 3 und Teil 2 Spalte 3 (§ 84a Abs. 2 Z. 2 GewO) angegebenen Menge vorhanden sind. In der in Anl. 5 enthaltenen Stoffliste ist die Mengenschwelle in Spalte 2 und Spalte 3 zwar jeweils in Tonnen angegeben; bezüglich mancher Stoffe reichen jedoch bereits geringe Mengen (insbesondere: 100 kg für Arsentrioxid [vgl. Anl. 5 Teil 1 Z. 4 GewO]; 10 kg für 4,4-Methylen-bis (2-chloroanilin) und seine Salze, pulverförmig [vgl. Anl. 5 Teil 1 Z. 19 GewO]; 150 kg für Methylisocyanat [vgl. Anl. 5 Teil 1 Z. 20 GewO]; und 1 kg für Polychlordibenzofurane und Polychloridbenzodioxine, in TCDD-Äquivalenten berechnet [vgl. Anl. 5 Teil 1 Z. 28 GewO]) aus, um insbesondere auch nach Maßgabe der in Z. 2 und 3 der Einleitung der Anl. 5 zur GewO vorgesehenen Berechnungsmethode im Ergebnis eine Genehmigungspflicht der Anlage nach der GewO zu begründen, die wiederum i.S.d. § 2 Abs. 16 GewO und § 2 Abs. 3 SprG zur Nichtanwendbarkeit des § 35 SprG führt.

 

3.2. Im gegenständlichen Fall geht weder aus dem Genehmigungsantrag der Mitbeteiligten Partei vom 19. Jänner 2012 und den diesem nachfolgenden Eingaben noch aus dem Gutachten des nichtamtlichen Sachverständigen vom 5. Dezember 2012 hervor, welche Arten von Sprengmittel in dem zur Errichtung beantragten, für eine Höchstlagermenge bis 150 kg konzipierten oberirdischen Kleinlager i.S.d. § 16 SprLV künftig verwahrt werden sollen. Vielmehr ist offensichtlich, dass sich dieses Gutachten mit dieser Sachproblematik überhaupt nicht auseinandergesetzt hat, obwohl objektiv keineswegs auszuschließen ist, dass unter Bedachtnahme auf eine höchstzulässige Gesamtlagermenge von 150 kg nach Maßgabe der Mengengrenzen des § 84a Abs. 2 GewO i.V.m. Anl. 5 zur GewO sowie i.V.m. der in Z. 2 und 3 der Einleitung der Anl. 5 zur GewO vorgesehenen Berechnungsmethode im Ergebnis eine Genehmigungspflicht der Anlage nach der GewO resultiert, die wiederum eine Anwendbarkeit des § 35 SprG ausschließt.

 

Der Ermittlung dieser grundlegenden Sachfrage kommt jedoch – wie bereits zuvor dargestellt – deshalb essentielle Bedeutung zu, weil sich danach nicht nur die Zuständigkeit der (erstinstanzlichen und Berufungs-)Behörden, sondern auch die von diesen jeweils anzuwendenden Verfahrensvorschriften (nämlich: §§ 353 GewO oder §§ 38 SprG i.V.m. §§ 37 ff AVG) richten, welche insbesondere in Bezug auf die Rechtsstellung der Nachbarn erheblich voneinander divergieren.  

 

Davon ausgehend wäre es daher an der belangten Behörde gelegen, diese ihre Zuständigkeit determinierende Frage vorab – und zwar sowohl umfassend als auch zweifelsfrei – durch den von ihr beigezogenen Sachverständigen klarstellen zu lassen. Eine – noch dazu in keiner Weise inhaltlich spezifizierte und damit für die Verfahrensparteien auch nicht nachvollziehbare – telefonische Auskunft eines Bediensteten der "Gewerbeabteilung" (wie dies aus einem entsprechenden Aktenvermerk der Bezirkshauptmannschaft X vom 30. Jänner 2012, Zl. Sich60-1-2012, hervorgeht) – reicht dafür jedenfalls nicht hin.  

3.3. Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid sohin aus Anlass der vorliegenden Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos aufzuheben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden, wobei für jede dieser Beschwerden eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten ist.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 14,30 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

Dr.  G r ó f

 

Für die Richtigkeit

der Ausfertigung:


VwSen-590346/2/Gf/Rt vom 29. März 2013

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

GewO 1994 §2 Abs16;

GewO 1994 §84a Abs2;

SprG §35;

SprLV §16

 

 

* Nach §84a Abs2 GewO 1994 gilt der Abschnitt 8a der Gewerbeordnung "betreffend die Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen" für Betriebe, in denen in der Anl. 5 zur GewO genannte gefährliche Stoffe mindestens in einer in der Anl. 5 zur GewO 1994, Teil 1 Spalte 2 und Teil 2 Spalte 2 (§84a Abs2 Z1 GewO 1994) oder in der Anl. 5 zur GewO 1994, Teil 1 Spalte 3 und Teil 2 Spalte 3 (§84a Abs2 Z2 GewO 1994) angegebenen Menge vorhanden sind. In der in Anlage 5 enthaltenen Stoffliste ist die Mengenschwelle in Spalte 2 und Spalte 3 zwar jeweils in Tonnen angegeben; bezüglich mancher Stoffe reichen jedoch bereits geringe Mengen aus, um insbesondere auch nach Maßgabe der in Z2 und 3 der Einleitung der Anlage 5 zur GewO 1994 vorgesehenen Berechnungsmethode im Ergebnis eine Genehmigungspflicht der Anlage nach der GewO 1994 zu begründen, die wiederum iSd §2 Abs16 GewO 1994 und §2 Abs3 SprG zur Nichtanwendbarkeit des §35 SprG führt;

 

* Aufhebung des angefochtenen, auf §35 SprG gestützten Genehmigungsbescheides auf Grund einer von einem Anrainer erhobenen Berufung, wenn sich ergibt, dass sich das Gutachten des Sachverständigen mit der Frage, welche Arten von Sprengmittel in dem zur Errichtung beantragten, für eine Höchstlagermenge bis 150 kg konzipierten oberirdischen Kleinlager iSd §16 SprLV künftig verwahrt werden sollen, überhaupt nicht auseinandergesetzt hat; denn der Ermittlung dieser grundlegenden Sachfrage kommt sowohl für die Zuständigkeit der (erstinstanzlichen und Berufungs-)Behörden als auch für die Frage der von diesen jeweils anzuwendenden Verfahrensvorschriften (nämlich: §§353 ff GewO 1994 oder §§38 ff SprG iVm §§37 ff AVG), die insbesondere in Bezug auf die Rechtsstellung der Nachbarn erheblich voneinander divergieren, essentielle Bedeutung zu.

 

 

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