Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101585/18/Kei/Bk

Linz, 10.03.1994

VwSen-101585/18/Kei/Bk Linz, am 10. März 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Michael Keinberger über die Berufung der M, wohnhaft in , vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. G, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 8. Oktober 1993, Zl.

VerkR-96/772/1993-Hu, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung (StVO) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 16. Februar 1994 und mündlicher Verkündung am 24. Februar 1994, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde sowie zu den Kosten des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetztes (AVG) iVm § 24 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG); § 45 Abs.1 Z1 und § 51 VStG; Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 8. Oktober 1993, Zl. VerkR-96/772/1993-Hu, wurde über die Berufungswerberin eine Geldstrafe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt, weil sie "am 24.11.1992 gegen 17.45 Uhr im Gemeindegebiet von Piberbach, auf der B kurz nach dem Verkehrszeichen 'Ortsende P' in Richtung Neukematen, das Moped, KZ , gelenkt" habe, "und es dabei nach einem Verkehrsunfall mit Personenschaden, mit dem ihr Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang" gestanden sei, "unterlassen" habe, "die nächste Sicherheitsdienststelle sofort zu verständigen". Dadurch habe sie eine Übertretung der §§ 4 Abs.2 und 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 begangen, weshalb sie gemäß § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 zu bestrafen gewesen sei.

2. Gegen dieses der Berufungswerberin am 10. Oktober 1993 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die am 21. Oktober 1993 der Post zur Beförderung übergebene und daher fristgerecht erhobene Berufung. Die Berufungswerberin beantragt, daß das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wird.

3. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, hatte der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG).

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 30. Oktober 1993, Zl.VerkR-96/772/1993-Hu, Einsicht genommen und am 16. Februar 1994 eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e VStG durchgeführt.

Folgender Sachverhalt wurde als erwiesen angenommen:

Am 24. November 1992 um ca 17.45 Uhr ist die Berufungswerberin mit ihrem Moped im Gemeindegebiet von Piberbach auf der Bruckhofstraße aus der Richtung von Neukematen kommend (nicht - wie im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses ausgeführt - "in Richtung Neukematen") gefahren. Die Geschwindigkeit hat ca 30 km/h betragen. Es war bereits dunkel, die Witterung und die Straße waren feucht. Am linken Fahrbahnrand sind die beiden Schwestern A und H gegangen. Eine der beiden Frauen hielt dabei eine Lampe in der Hand. Als die Berufungswerberin die Fußgängerinnen bemerkte, bremste sie das Moped abrupt ab.

Durch das Abbremsen ist sie mit dem Moped zu Sturz gekommen und danach - mit deutlich verminderter Geschwindigkeit - der A "hineingerutscht". Frau P und die Berufungswerberin sind dabei am Boden zu liegen gekommen Frau P kam dabei auf einem weichen Boden (Feldboden) zu liegen. Die Berufungswerberin hat daraufhin die Frau P befragt, ob sie verletzt sei. Diese hat mehrmals beteuert, daß sie keine Schmerzen hätte und auch einen Arzt nicht brauche. Die Frau P trug eine relativ dicke Kleidung Mantel). Sie hatte keine äußerlich sichtbare (zB offene) Verletzung. Sie hat nicht gejammert oder auf sonstige Weise kundgetan, woraus zu ersehen gewesen wäre, daß eine Verletzung vorgelegen sei. Die Berufungswerberin hat die Frau P nach Hause begleitet und ist bei ihr zuhause noch einige Zeit verweilt. Erst in der Nacht sind Schmerzen aufgetreten, was dazu geführt hat, daß Frau P sich am 25. November 1992 in ärztliche Behandlung begab und am selben Tag durch die Berufungswerberin die Meldung an die Gendarmeriedienststelle erstattet wurde.

4. In der Sache selbst hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Gemäß § 4 Abs.2 StVO haben, wenn bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden sind, die im Abs.1 genannten Personen (ds alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht) Hilfe zu leisten; sind sie dazu nicht fähig, so haben sie unverzüglich für fremde Hilfe zu sorgen.

Ferner haben sie die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen. Wenn bei einem Verkehrsunfall, an dem ein Schienenfahrzeug oder ein Omnibus des Kraftfahrlinienverkehrs beteiligt ist, sich erst nach dem Wegfahren des Schienenfahrzeuges bzw des Omnibusses nach dem Unfall eine verletzte Person meldet, kann auch das Unternehmen, dem das Schienenfahrzeug bzw der Omnibus gehört, die Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigen.

Gemäß § 99 Abs.2 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 500 S bis 30.000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen, (lit.a) der Lenker eines Fahrzeuges, dessen Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofern er den Bestimmungen des § 4 Abs.1 und 2 zuwiderhandelt, insbesondere nicht anhält, nicht Hilfe leistet oder herbeiholt oder nicht die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt.

4.2. Im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem O.ö. Verwaltungssenat sind in den Ausführungen der beiden Zeuginnen A und H jeweils Widersprüche zutage getreten, was die Glaubwürdigkeit dieser Zeuginnen mindert. Insbesondere die im Zuge des Verfahrens vor dem O.ö. Verwaltungssenat - nicht in jenem vor der belangten Behörde - einvernommene Zeugin T, die einen sehr glaubwürdigen Eindruck gemacht hat hat gehört, wie Frau P mehrmals gesagt hätte, "ihr tue nichts weh und sie brauche keinen Arzt".

Die Berufungswerberin hat Frau P befragt, ob diese verletzt gewesen sei. Die Schmerzen sind - wie in Punkt 3 ausgeführt - erst später - und zwar in der folgenden Nacht deutlich geworden. Es ist - vor dem Hintergrund der in Punkt 3 angeführten Umstände - nicht erwiesen, daß der Berufungswerberin objektive Umstände zu Bewußtsein gekommen sind oder (bei gehöriger Aufmerksamkeit) zu Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen sie die Möglichkeit der Verletzung der Frau in den (ersten) Stunden nach dem Unfall zu erkennen vermocht hätte.

4.3. Aus den angeführten Gründen war nach dem Grundsatz in dubio pro reo (s hiezu Art.6 Abs.2 EMRK) vorzugehen, der vorliegenden Berufung gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Berufungswerberin gemäß § 66 Abs.1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem O.ö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Keinberger

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