Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-253316/14/Kü/Ai

Linz, 08.07.2013

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 6. Kammer (Vorsitzende: Dr. Ilse Klempt, Berichter: Mag. Thomas Kühberger, Beisitzer: Dr. Leopold Wimmer) über die Berufung von Frau X, vertreten durch X Rechtsanwälte Dr. X, Dr. X, Mag. X, Dr. X, Dr. X, Dr. X, MMag. X, X, X, vom 9. Oktober 2012 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 28. September 2012, SV96-73-2011 wegen Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 12. Juni 2013, zu Recht erkannt:

 

 

I.     Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.         Die Berufungswerberin hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltu-ngsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

zu II.: § 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 28. September 2012, SV96-73-2011 wurden über die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) wegen Verwaltungsübertretungen nach § 33 Abs.1 iVm § 111 Abs.1 Z1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) zwei Geldstrafen in Höhe von jeweils 2.180 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit jeweils Ersatzfreiheitsstrafen von 36 Stunden verhängt.

 

Diesem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde:

„Sie haben es als Dienstgeberin im Sinne des § 35 Abs.1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) zu verantworten, dass dieses Unternehmen am 25.5.2011 gegen 15:51 Uhr die Herren

1.) X, geb. X

2.) X, geb. X

auf der Baustelle X, X, beim Planieren des Parkplatzes in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit beschäftigte.

Obwohl diese Dienstnehmer nicht von der Vollversicherung im Sinne des § 5 ASVG ausgenommen und daher in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung pflichtversichert sind, wurde hierüber vor Aufnahme der Tätigkeit keine Meldung beim zuständigen Sozialversicherungsträger erstattet.“

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung mit der beantragt wird, dass Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

Begründend wurde von der Bw festgehalten, dass Herr X, als auch X nie bei ihr beschäftigt gewesen seien. Herr X, sei der Bruder ihres Mannes, habe ihnen bei Arbeiten geholfen und habe für diese Hilfe keine Entlohnung bekommen. Diese kurzfristige Bruderhilfe im eigenen Haushalt könne man nicht als Arbeitsbeschäftigungsverhältnis bezeichnen und sei auch nicht als solches anzumelden. Er sei bei ihnen ganz legal auf Besuch gewesen, somit sei ein Verstoß gegen AuslBG und ASVG nicht gegeben.

 

Herr X habe ihnen auch nur geholfen und habe dafür keine Entlohnung bekommen. Diese Hilfe sei spontan gekommen, da er bei ihnen gleich nebenan gewohnt habe und könne seine Tätigkeit nicht als Arbeitsbeschäftigung sondern nur als kurzfristige Hilfe bezeichnet werden, die eben nicht strafbar sei. Er habe freiwillig geholfen und seine Hilfe haben sie nicht, wie im Straferkenntnis angegeben, notwendig gebraucht.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat die Berufung mit Schreiben vom 10. Oktober 2012 vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

Da 2.000 Euro übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer, bestehend aus drei Mitgliedern des Unabhängigen Verwaltungssenates, berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, an welcher die Bw und ihr Rechtsvertreter sowie ein Vertreter der Finanzverwaltung teilgenommen haben und der Ehegatte der Bw sowie Herr X als Zeugen einvernommen wurden.

 

4.1. Danach steht folgender Sachverhalt fest:

Die Bw bewohnt zusammen mit ihren Ehegatten das Objekt X in X. In diesem Haus sind insgesamt 12 zusätzliche Zimmer vorhanden, die von der Bw zu Wohnzwecken an verschiedene Personen vermietet werden. Vor dem Haus befinden sich 6 Parkplätze, die von den Bewohnern benutzt werden können. Im Mai 2011 beabsichtigte die Bw diese 6 Parkplätze neu zu asphaltieren. Mit den Vorbereitungs- sowie Asphaltierungsarbeiten wurde ein Unternehmen beauftragt. Um Errichtungskosten für die Parkplätze zu sparen, wurde zwischen der beauftragten Firma und der Bw bzw. ihrem Ehegatten vereinbart, dass das für den Unterbau benötigte Schottermaterial nur angeliefert wird und den Einbau der Ehegatte der Bw selbst durchführt. Um diese Arbeiten ausführen zu können, hat sich der Ehegatte der Bw am 25. Mai 2011 einen Minibagger ausgeborgt und hat an diesem Tag damit begonnen den angelieferten Schotter auf den Parkplätzen zu verteilen.

 

Zu dieser Zeit war auch der Bruder des Ehegatten der Bw, Herr X, zu Besuch in X. X ist in Kroatien beschäftigt und ab und zu auf Besuch in Österreich. Im Mai 2011 war er insgesamt 5 Tage zu Besuch bei der Bw.

 

Nachdem X gesehen hat, dass sein Bruder mit dem Minibagger Schotter verteilt, hat er von sich aus zur Schaufel gegriffen und diesem dabei geholfen den Schotter in den Randbereichen zu verteilen. Er hat dies freiwillig gemacht und dafür auch kein Entgelt erhalten. Festzuhalten ist, dass der Ehegatte der Bw auch alleine im Stande gewesen wäre diese Arbeiten auszuführen. Herr X hat insgesamt 3-4 Stunden bei den Arbeiten mitgeholfen.

 

Am Nachmittag ist auch der deutsche Staatsangehörige X, der im Haus der Bw ein Zimmer gemietet hat, beim Parkplatz erschienen und hat im Freien eine Zigarette geraucht. Auch Herr X hat dann von sich aus eine Schaufel genommen und ca. 1 Stunde bei den Schotterplanierungsarbeiten freiwillig mitgeholfen. Er hat für seine Hilfe keine Gegenleistung erhalten. Herr X war zu diesem Zeitpunkt bei der Go-Kart Bahn in X beschäftigt. Die Miete für sein Zimmer im Haus der Bw wurde von seinem Dienstgeber im Vorhinein bezahlt.

 

Am 25.5.2011 nachmittags wurde von Organen des Finanzamtes Grieskirchen Wels beim Parkplatz eine Kontrolle durchgeführt und wurden dabei die Herrn X und X bei deren Hilfstätigkeiten gesehen. Im Zuge der Kontrolle wurde die Bw über die Arbeitsleistungen der beiden befragt und gab diese an, dass Herr X der Bruder ihres Ehemannes sei, der zu Besuch ist und freiwillig seine Hilfe angeboten hat. Ebenso gab die Bw gegenüber den Kontrollorganen an, dass Herr X ein Mieter in ihrem Haus sei und freiwillig geholfen habe.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den glaubwürdigen und nachvollziehbaren Aussagen der Bw in der mündlichen Verhandlung, die dem Grunde nach mit ihren Angaben im Zuge der Kontrolle einwandfrei übereinstimmen. Zudem werden die Aussagen der Bw von den in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen in glaubwürdiger Weise bestätigt, sodass insgesamt beim Unabhängigen Verwaltungssenat keine Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussagen bestehen. Vielmehr steht für den Unabhängigen Verwaltungssenat fest, dass sowohl Herr X als auch Herr X von sich aus freiwillig und unentgeltlich bei den Planierungsarbeiten bei den Parkplätzen vor dem Haus der Bw mitgeholfen haben.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 111 Abs.1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 ASVG meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs.3 ASVG entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

1.     Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder

2.     Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder

3.     Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder

4.     gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

Gemäß § 111 Abs.2 ASVG ist die Ordnungswidrigkeit nach Abs.1 von der Bezirks-verwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen und zwar

-      mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

-      bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungs­strafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Nach § 33 Abs.1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

Nach § 35 Abs.1 ASVG gilt als Dienstgeber i.S. dieses Gesetzes u.a. derjenige, für dessen Rechnung jener Betrieb geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist. Dies gilt entsprechend auch für die gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 ASVG pflichtversicherten, nicht als Dienstnehmer beschäftigten Personen.

 

Nach § 4 Abs.2 ASVG ist als Dienstnehmer anzusehen, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

 

Gemäß § 539a Abs.1 ASVG ist für die Beurteilung von Sachverhalten nach diesem Bundesgesetz in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (zB Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend.

 

5.2. Dem Einwand der Bw, wonach gegenständlich nur kurze freiwillige Hilfeleistungen und jedenfalls keine Arbeitsverhältnisse vorliegen, kommt Berechtigung zu. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes können als Gefälligkeitsdienste bzw. Freundschaftsdienste nur kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anerkannt werden, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsberechtigten erbracht werden, wobei die Partei - unabhängig von der grundsätzlichen Verpflichtung der Behörde zur amtswegigen Erforschung des für die Entscheidung notwendigen Sachverhaltes - eine entsprechende Mitwirkungspflicht bei der Aufstellung entsprechend konkreter Behauptungen und Beweisanbote trifft (vgl. VwGH vom 23.5.2012, Zl. 2010/08/0179). Demnach wird eine Dienstnehmereigenschaft iSd § 4 Abs. 2 ASVG nur dann angenommen werden können, wenn aufgrund der Betrachtung des wahren wirtschaftlichen Gehaltes und nicht der äußeren Erscheinungsform der Tätigkeit ein Mindestmaß an wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit der Arbeitskraft besteht.

 

Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens gelangt der Unabhängige Verwaltungssenat zum Schluss, dass die vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Kriterien des Gefälligkeitsdienstes gegenständlich erfüllt sind. Die spezifische Bindung besteht unzweifelhaft, da es sich bei Herrn X um den Bruder des Ehegatten der Bw handelt, der auf Besuch in Österreich gewesen ist. Der Ehegatte der Bw wäre in der Lage gewesen die Arbeiten auch alleine durchzuführen und hätte keine Hilfe nötig gehabt. Trotzdem hat Herr X von sich aus eine Schaufel genommen und war seinem Bruder bei den Tätigkeiten freiwillig behilflich und hat sich so erkenntlich für die Gastfreundschaft gezeigt. Das Motiv der Arbeitsleistung ist daher geprägt durch die familiäre Bindung. Fest steht zudem, dass nicht vereinbart gewesen ist, dass Herr X irgendeine Gegenleistung für seine Hilfeleistung erhält. Die von X ausgeführten einfachen Handgriffe stellen nach Art, Umfang und Dauer jedenfalls keine Tätigkeit dar, die geeignet wäre den Dienstnehmerbegriff des § 4 Abs.2 ASVG zu erfüllen. Die Tätigkeit von Herrn X ist damit als Gefälligkeitsdienst zu werten.

 

Auch hinsichtlich der Tätigkeit des deutschen Staatsangehörigen X kann eine in persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit zur Bw stehende Arbeitsleistung nicht erkannt werden. X ist bei der Go-Kart Bahn in X beschäftigt und nur als Mieter eines Zimmers im Haus der Bw dort auch aufhältig und somit mit der Bw bekannt. Den Verfahrensergebnissen zufolge, hat er von sich aus, während er eine Zigarette geraucht hat, bei den von ihm beobachten Planierungsarbeiten eine Schaufel in die Hand genommen und ca. 1 Stunde lang dort mitgeholfen. Dem Grunde nach war seine Arbeitskraft für die Durchführung der Arbeiten vor Ort nicht erforderlich und war auch keinesfalls vereinbart, dass Herr X für seine Arbeitsleistung ein Entgelt erhält. Auch in diesem Fall kann nur von einem kurzfristigen, unentgeltlichen Gefälligkeitsdienst des anwesenden Mieters und nicht von einer beitragspflichtigen Arbeitsleistung in wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit ausgegangen werden.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Bw sozialversicherungsrechtlichen Meldepflichten nicht widersprochen hat, weshalb ihrer Berufung Folge zu geben und das Straferkenntnis aufzuheben war.

 

6. Aufgrund der Einstellung des Strafverfahrens entfällt gemäß § 66 Abs.1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

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