Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-523387/12/Bi/Ka/AK

Linz, 06.08.2013

 

 
 
 
 
 
E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau x, vom 4. Februar 2013 gegen den Bescheid des Landespolizeidirektors von OÖ. vom 14. Jänner 2013, FE-1140/2012, ua wegen Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

 

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Die Rechtsmittelwerberin wird aufgefordert, sich binnen eines Monats ab Rechtskraft dieses Erkenntnisses gemäß § 24 Abs.4 FSG zur Feststellung der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahr­zeugen gemäß § 8 FSG amtsärztlich untersuchen zu lassen und die zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen.

 

 

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 


Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde der Berufungswerber (Bw) in Bestätigung des Mandatsbescheides vom 21. September 2012 gemäß §§ 7, 24, 25,26, 29, 30 und 32 FSG die von der BPD Linz am 21.12.2009 für die Klasse B zu Zl. x erteilte Lenkberechtigung für die Dauer von 8 Monaten, gerechnet ab Bescheidzustellung, entzogen, das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenkraftfahrzeugen verboten und das Recht aberkannt, von einer allfällig bestehenden ausländischen Lenk­berechtigung in Österreich Gebrauch zu machen. Weiters wurde die Absolvierung einer Nachschulung des Kurstyps „Nachschulung bei sonstiger Problematik“ bis zum Ablauf der Entziehungsdauer bzw des Lenkverbotes angeordnet und erging die Aufforderung, sich innerhalb dieses Zeitraumes zur Feststellung der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen gemäß § 8 FSG amtsärztlich untersuchen zu lassen und die zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen. Die sofortige Ablieferung des Führerscheins wurde  angeordnet. Einer Berufung wurde gemäß § 64 Abs.2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 21. Jänner 2013.

 

2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungs­verhandlung erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, nach der Blutabnahme sei sie im Krankenhaus eingehend untersucht worden und die dortige Ärztin habe ihr Fahrtauglichkeit bestätigt. Sie bestreite deshalb den Vorwurf der Gefährdung der Öffentlichkeit und der Verkehrssicherheit. Die Entziehungsdauer sei unverhältnis­mäßig, ebenso die Maßnahmen zur Wiedererlangung der Lenkberechtigung.

Zur Sicherstellung der Verkehrssicherheit könne nur die Abgabe von Harntests die dauerhafte Abstinenz nachweisen; dem komme sie gerne nach, auch spontan ohne Vorankündigung. Die neuerliche Anordnung einer VPU und Nachschulung wären reine Schikane und Geldmacherei.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie weitere Erhebungen.

 

Laut Bußgeldbescheid hat die Bw am 24. April 2012 um 23.00 Uhr auf der A3 FR Passau/Linz, Hengersberg, den Pkw x  unter Wirkung des berauschenden Mittels geführt – Ergebnis der chemisch-toxikologischen/immuno­logischen Blutuntersuchung: THC 19,50 ng/ml, THC-Metabolit (11-OH-THC): 7,90 ng/ml, THC-Metabolit (THC-COOH): 60,00 ng/ml, Cocain-Metabolit (Benzoylecgonin): 119,80 ng/ml und Morphin:7,00 ng/ml. Hierbei handelt es sich um ein berauschendes Mittel sowie eine berauschende Substanz gem. Anlage zu § 24a StVG Aus toxikologischer Sicht ist das Führen eines Fahrzeuges unter der Wirkung der nachgewiesenen Stoffe nicht gegeben. laut Gutachten vom 14.5.2012 Der Bw wurde rechtskräftig (17.7.2012) ein Fahrverbot von 1 Monat auferlegt. Außerdem wurde eine Geldbuße von 500 Euro gemäß § 17 OWiG und Barauslagen vorgeschrieben.

Aus dem von der VPI Deggendorf vorgelegten Verfahrensakt geht hervor, dass die Bw auf der A3, km 5.753, kontrolliert wurde, wobei im Fahrzeug ein Joint (Tütchen mit Marihuanablüten), versteckt in einer Zigarettenschachtel, gefunden wurde. Die Bw habe eine träge/verlangsamte Pupillenreaktion aufgewiesen, habe unaufhörlich geredet und nervös gewirkt; fahrtypischen Ausfallserscheinungen seien von den kontrollierenden Beamten nicht festgestellt worden. Der Drogen­vortest war positiv auf Opiate, Kokain und THC. Die Blutabnahme ist um 23.50 Uhr im Klinikum Degendorf erfolgt. Laut rechtmedizinischem Gutachten Dris B. Medea, Universitätsklinikum Bonn, vom 14.5.2012 sei zum Zeitpunkt der Blutabnahme zumindest eine Überschreitung der „analytischen Grenzwerte“ im Sinne einer anzunehmenden Wirkung gemäß § 24a StVG gegeben gewesen.

Laut ärztlichem Bericht war bei der Untersuchung im Klinikum Deggendorf – eine Uhrzeit scheint dazu nicht auf – festzustellen: Gang sicher, feinschlägiger Dreh­nystagmus von 5 Sekunden Dauer, Finger-Finger-/Finger-Nasen-Versuch sicher, deutliche Sprache, unauffällige Pupillen, prompte Pupillenlicht­reaktion, klares Bewusstsein, geordneter Denkablauf, beherrschtes Verhalten, unauffällige Stimmung, kein äußerlicher Anschein des Einflusses von Alkohol, Drogen oder Medikamenten – zusammenfassende Beurteilung der Drogen-/Medikamenten-/Alkoholbeeinflussung: unauffällig. 

 

Seitens des UVS wurde der Bußgeldbescheid sowie das Gutachten der Rechtsmedizin Deggendorf von 14. Mai 2012 angefordert und im März 2013 übermittelt. Sodann wurde der Verfahrensakt Frau x, Amtsärztin beim Amt der Oö. Landesregierung, Abt. Gesundheit, mit der Frage, ob und inwieweit bei der Bw von einer Suchtgiftbeeinträchtigung auszugehen war, vorgelegt, die jedoch im Mai 2013 auf ein von Herrn Univ.Prof. Dr. x, Gerichtsmedizin Salzburg, einzuholendes Gutachten verwies. Diesem wurde der Akt mit dem Ersuchen um Gutachtenserstellung am 10. Mai 2013 übersandt und nach Urgenz im August 2013 ohne Gutachten rückübermittelt.

 

 

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4)  nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die verkehrszuverlässig sind. Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen ua die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beein­trächtigten Zustand gefährden wird. Als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.1 FSG hat gemäß § 7 Abs.3 Z1 FSG zu gelten, wenn jemand ein Kraftfahr­zeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß §§ 99 Abs.1 bis 1b StVO 1960 begangen hat.

Gemäß § 5 Abs.1 StVO 1960 darf, wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Gemäß § 99 Abs.1b StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen, wer in einem Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt.

 

Gemäß § 7 Abs.2 FSG sind, wenn es sich bei den in Abs.3 angeführten Tatbeständen um Verkehrsverstöße oder strafbare Handlungen handelt, die im Ausland begangen wurden, diese nach Maßgabe der inländischen Rechts­vorschriften zu beurteilen.

Gemäß § 24a Abs.2 (deutsches) Straßenverkehrsgesetz handelt ordnungswidrig, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Fahrzeug führt. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine in dieser Anlage genannte Substanz im Blut nachgewiesen wird. Satz 1 gilt nicht, wen die Substanz aus der bestimmungs­gemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt. Die in der Anlage genannten berauschenden Mittel bzw Substanzen sind ua Cannabis Tetrahydrocannabinol (THC), Heroin Morphin, Cocain Benzoylecgonin.

 

Damit ist in Deutschland nach dieser Bestimmung der Lenker eines Fahrzeuges strafbar, wenn eine dieser Substanzen in seinem Blut nachgewiesen wird – was bei der Bw unbestreitbar der Fall war, zumal sie laut ärztlichem Bericht den Konsum „unbekannter Drogen“ zuletzt am 21. April 2012 zugestanden hat. Die Voraussetzungen für die Verwirklichung des Gerichtsdelikts des § 316 StVG („Wer im Verkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 315a oder § 315c mit Strafe bedroht ist.”) lagen bei der Bw nicht vor.

 

Gemäß § 5 Abs.1 StVO ist zu bestrafen, wer in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt.

Unter dem Begriff „beeinträchtigt“ ist Fahruntüchtigkeit zu verstehen, dh es kommt nicht wie in Deutschland darauf an, ob im Blut eine dieser Substanzen nachweisbar ist, sondern die Substanz muss auch eine nachteilige Wirkung auf die Fahrtüchtigkeit haben; nach österreichischem Recht sind auch keine Mindest- bzw Grenzwerte für bestimmte Substanzen im Blut vorgesehen.

Bei der Bw waren bis auf die positiven Vortestergebnisse auf THC, Morphin und ein Cocain-Metabolit alle Ergebnisse unauffällig. Insbesondere lag kein auf Beeinträchtigung hindeutendes Fahrverhalten („fahrtypische Ausfalls­erschein­ungen“) vor, ein spezieller Anlass für die Lenker- und Fahrzeugkontrolle ist dem Polizeibericht nicht zu entnehmen, der Drogenvortest erklärt sich mit dem im Fahrzeug gefundenen Joint. Bei der klinischen Untersuchung war die Bw ebenfalls unauffällig, dh von daher ist keine „Fahruntüchtigkeit“ bzw kein „durch Suchtgift beeinträchtigter Zustand“ zu begründen.

 

Damit hat die Bw keine bestimmte Tatsache gemäß § 7 Abs.3 Z1 FSG verwirklicht, weshalb keine Verkehrsunzuverlässigkeit anzunehmen ist. Damit war der angefochtene Bescheid hinsichtlich der ausgesprochenen Entziehung der Lenkberechtigung, des Lenkverbots und der Aberkennung des Rechts gemäß      § 30 FSG ebenso aufzuheben wie die daran geknüpften Maßnahmen nach § 24 Abs.3 FSG, dh der Nachschulung und der VPU.

 

Zur gemäß § 24 Abs.3 angeordneten Vorschreibung einer amtsärztlichen Untersuchung ist aber festzustellen, dass der Bw laut Eintragung im  Führer­schein­register wegen Verweigerung der Blutabnahme im Zusammenhang mit Suchtgift bereits von 7. Juli 2008 bis 7. Jänner 2009 die Lenkberechtigung entzogen worden war und ihr 2009 ein Führerschein für die Klasse B mit Code 104 ausgestellt wurde, dh unter Vorschreibung ärztlicher Kontrollunter­suchungen.

 

Gemäß § 24 Abs.4 FSG ist, wenn Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ein von einem Amtsarzt erstell­tes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

Voraussetzung für die Erlassung eines Aufforderungsbescheides nach Abs.4 sind begründete Bedenken in der Richtung, dass der Inhaber einer Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht mehr besitzt. Hierbei geht es noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen von Erteilungsvoraussetzungen geschlossen werden kann; es müssen aber genügend Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen (vgl ua VwGH 30.9.2002, 2002/11/0120; 22.6.2010, 2010/11/0067; 16.4.2009, 2009/11/0020; 22.6.2010, 2010/11/0076)

 

Aus dem rechtsmedizinischen Gutachten des Universitätsklinikums Bonn vom 14. Mai 2012  geht eindeutig hervor, dass die Bw mehrere verschiedene Suchtmittel, darunter auch Morphin, konsumiert hat. Obwohl im konkreten Fall eine Fahruntüchtigkeit beim Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht gegeben war, bestehen damit nach Auffassung des UVS ausreichende Bedenken, ob bei der Bw  die Voraussetzungen für die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen in ausreichendem Maß gegeben sind, weshalb die Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung – auf der geänderten Rechtsgrundlage des § 24 Abs.4 FSG – aufrecht bleibt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten.

Mag. Bissenberger

 

 

 

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