Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-102061/18/Bi/La

Linz, 31.03.1995

VwSen-102061/18/Bi/La Linz, am 31. März 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 3. Kammer (Vorsitzender: Dr. Johann Fragner, Berichterin: Mag. Karin Bissenberger, Beisitzer: Dr.

Wolfgang Weiß) über die Berufung des Herrn Mag. J, vertreten durch die Sachwalterin Mag. E, wiederum vertreten durch Dr. H vom 9. Juni 1994 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 19. Mai 1994, VerkR96/4295/1992-Or/Mu, wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

I. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Verfahrenskostenbeiträge sind nicht zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 45 Abs.1 Z1 iVm 3 Abs.1 VStG, §§ 134 Abs.1 iVm 64 Abs.1 KFG 1967.

zu II.: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 134 Abs.1 iVm 64 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 20.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 480 Stunden verhängt, weil er am 5. August 1992 um 7.15 Uhr den VW-Bus, Kennzeichen , von 4112, Eschelbergstraße 4, auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nach Linz, Wildbergstraße und zurück gelenkt habe, ohne die hiefür erforderliche Lenkerberechtigung der Gruppe B zu besitzen.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 2.000 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige, aus drei Mitgliedern bestehende 3. Kammer zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war nicht erforderlich, weil in der Berufung ausdrücklich nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet, eine mündliche Verhandlung aber nicht ausdrücklich verlangt wurde (§ 51e Abs.2 VStG).

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, die Erstinstanz habe im Straferkenntnis festgestellt, daß er zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig gewesen sei, wobei diese Feststellung tatsächlich unrichtig sei. Das Gutachten von Herrn Primarius Dr. T sei seinem gesetzlichen Vertreter nicht zur Stellungnahme zur Kenntnis gebracht worden, sodaß auch eine Verletzung des Rechtes auf Parteiengehör vorliege.

Tatsächlich ergebe sich aus verschiedenen anderen medizinischen Gutachten, daß die Erstinstanz nicht von seiner Zurechnungsfähigkeit ausgehen hätte dürfen. Er berufe sich dazu ausdrücklich auf die Einholung des Sachwalterschaftsaktes bzw. der darin erliegenden medizinischen Sachverständigengutachten und ausdrücklich auf die Einholung eines anderen medizinischen Sachverständigengutachtens. Die Erstinstanz habe außerdem seinem gesetzlichen Vertreter gegenüber keine Verfolgungshandlungen gesetzt, sodaß bereits Verjährung eingetreten sei.

Die Erstinstanz hätte bei der Strafbemessung infolge der Unzurechnungsfähigkeit auch angeblich vorliegende Vormerkungen nicht als erschwerend werten dürfen, sodaß die festgesetzten Strafen nicht den gesetzlichen Strafzumessungsgründen entsprächen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz, in den Sachwalterschaftsakt beim Bezirksgericht Urfahr-Umgebung sowie in das vom Rechtsmittelwerber vorgelegte Gutachten von Herrn Univ.-Prof. Dr. K J vom 12. Juni 1989.

Grundlage für das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren war ein Vorfall vom 5. August 1992 um ca. 7.15 Uhr, bei dem der Rechtsmittelwerber den unversperrt abgestellten VW-Bus gegenüber dem Haus Eschlbergstraße 4 in Betrieb genommen hat und damit zur Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung gefahren ist. Dort hat er mit der rechten Seite die Betonmauer entlang der Tiefgarageneinfahrt und die Führungsschiene des automatischen Tores gestreift und ist im Anschluß daran nach Rottenegg zurückgefahren. Er war bei dieser Fahrt nicht im Besitz einer entsprechenden Lenkerberechtigung.

Aus dem Verfahrensakt der Erstinstanz geht hervor, daß die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 17. August 1992 an den Rechtsmittelwerber zu Handen des damaligen Sachwalters, Herrn W P, erging, der mit Schreiben vom 19.

August 1992 der Erstinstanz mitteilte, daß seines Erachtens nach der Rechtsmittelwerber zum Zeitpunkt der Verwaltungsübertretung nicht zurechnungsfähig gewesen sei, wozu die Einholung eines medizinischen Gutachtens und weiterführend die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt wurde.

Im Akt befindet sich eine fachärztliche Stellungnahme vom 2.

Februar 1993, in der Primarius Dr. A T, Landesnervenklinik Wagner-Jauregg, Linz, die Zurechnungsfähigkeit des Rechtsmittelwerbers iSd § 3 VStG für den Zeitpunkt der Übertretung bestätigt und dies damit begründet, der Rechtsmittelwerber habe die Verantwortlichkeit keineswegs bestritten, sondern damit gerechtfertigt, daß ihm als Rentner einfach fad sei und er durch diese inkriminierten Handlungen Abwechslung in den öden und langweiligen Alltag gebracht habe.

Seitens der Erstinstanz wurde der Verein für Sachwalterschaft mit Schreiben vom 9. Februar 1993 vom Ergebnis zur Beweisaufnahme verständigt, jedoch ist keine Stellungnahme dazu eingelangt, sodaß das nunmehr angefochtene Straferkenntnis erging.

Seitens des unabhängigen Verwaltungssenates wurde die Amtsärztin der Abteilung Sanitätsdienst beim Amt der o.ö.

Landesregierung, Frau Dr. S H, zur Abgabe eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Zurechnungsfähigkeit des Rechtsmittelwerbers zum Tatzeitpunkt ersucht, jedoch hat diese nach Durchsicht der Aktenunterlagen und der Krankengeschichte über die stationären Aufenthalte des Rechtsmittelwerbers in der Landesnervenklinik Wagner-Jauregg festgestellt, daß dezidierte Aussagen über die Zurechnungsfähigkeit rückblickend nicht möglich seien. Begründet wurde dies damit, daß derartige Krankheitsbilder, wie sie beim Rechtsmittelwerber vorliegen, die Zurechnungsfähigkeit beeinträchtigen oder aufheben könnten, dies müsse aber nicht der Fall sein. Eine dezidierte Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt könne nur durch einen entsprechenden Facharzt abgegeben werden.

Weiters wurde in Erfahrung gebracht, daß im Verfahren 2C 609/93 B beim Bezirksgericht Urfahr-Umgebung zur Frage der Zurechnungsfähigkeit des Rechtsmittelwerbers ein Gutachten vom medizinischen Gerichtssachverständigen Univ.-Prof.

Dr. D K beantragt wurde. Laut Mitteilung des Richters vom 6. März 1995 ist der Rechtsmittelwerber trotz mehrmaliger Vorladung beim Gerichtssachverständigen nicht erschienen, sodaß das beantragte Gutachten nicht erstellt werden konnte. Da dieses Gutachten im Rahmen eines Zivilverfahrens erstellt hätte werden sollen, bei dem der Rechtsmittelwerber hinsichtlich der von ihm behaupteten Zurechnungsunfähigkeit beweispflichtig sei, sei von der Erstattung des Gutachtens Abstand genommen worden.

Aus dem Gutachten des Gerichtssachverständigen Univ.-Prof.

Dr. K J vom 12. Juni 1989 geht hervor, daß der Rechtsmittelwerber zum damaligen Zeitpunkt bereits seit 10 Jahren an einer rezidivierenden paranoiden Schizophrenie mit Erregungszuständen, Stimmungsschwankungen und kriminellen Handlungen gelitten hat. Laut Gutachten besteht die Schwierigkeit besonders darin, daß der Betreffende noch intelligent genug ist, um Gesetze zu kennen und auch unumwunden zugibt, daß er sich des Strafbaren seiner Handlungen voll bewußt war, andererseits sei er aber durch die Psychose derart psychisch deformiert, daß er sich nicht richtig anpassen könne. Prof. J kommt zum Ergebnis, daß die Diskretionsfähigkeit eingeschränkt, die Dispositionsfähigkeit fallweise aufgehoben ist, und dem Rechtsmittelwerber die ihm damals zur Last gelegten Tathandlungen wegen Geisteskrankheit im Sinn des § 11 StGB nicht zuzurechnen seien, dh. er sei dafür nicht verantwortlich, weil, soweit überhaupt noch eine Einsichtsfähigkeit vorhanden sei, die Handlungsfähigkeit aufgehoben sei.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen, daß gemäß § 3 Abs.1 VStG nicht strafbar ist, wer zur Zeit der Tat wegen Bewußtseinsstörung, wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig war, das Unerlaubte der Tat einzusehen und dieser Einsicht gemäß zu handeln.

Beurteilungsgrundlagen für den tatsächlichen Zustand des Rechtsmittelwerbers am 5. August 1992 sind außer der fachärztlichen Stellungnahme von Primar Dr. T die gutachtlichen Ausführungen von Univ.-Prof. Dr. J und der Amtsärztin Dr. H.

Die fachärztliche Stellungnahme Primis. T vermag ein Gutachten zur Frage der Zurechnungsfähigkeit des Rechtsmittelwerbers nicht zu ersetzen, weil dieser an der Mitwirkung im Rechtsmittelverfahren als nichtamtlicher Sachverständiger im Grunde des § 7 Abs.1 Z5 AVG iVm § 24 VStG ausgeschlossen ist, zumal die fachärztliche Stellungnahme Grundlage für die Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses in erster Instanz war.

Der unabhängige Verwaltungssenat vertritt die Auffassung, daß die Einholung eines neuerlichen Sachverständigengutachtens durch einen Facharzt für Neurologie und Psychiatrie - ein solches wäre zur dezidierten Beurteilung des Zustandes des Rechtsmittelwerbers zum Zeitpunkt der Übertretung unbedingt notwendig - im gegenständlichen Fall deshalb nicht zielführend ist, weil auch dazu eine persönliche Kontaktaufnahme des Sachverständigen mit dem Rechtsmittelwerber notwendig wäre. Da der Rechtsmittelwerber bei Herrn Primar Dr. K nicht erschienen ist, ist nicht anzunehmen, daß er an der Erstellung eines anderen Sachverständigengutachtens bei einem anderen Sachverständigen mitwirken würde.

Die Erstellung eines Sachverständigengutachtens allein basierend auf der Krankengeschichte der Landesnervenklinik Wagner-Jauregg erscheint dem unabhängigen Verwaltungssenat auf der Grundlage der Ausführungen der Amtsärztin Dr.

H als nicht geeignet.

Den einzigen Anhaltspunkt für die vom Rechtsmittelwerber behauptete Zurechnungsunfähigkeit bildet damit das Sachverständigengutachten von Univ.-Prof. Dr. J aus dem Jahr 1989, worin dieser auf Grund der von ihm selbst durchgeführten Untersuchung des Rechtsmittelwerbers zum Ergebnis gelangt, daß dieser für mehrere Vorfälle im Oktober 1988 (Entwendung eines Mofas, Diebstahls eines PKW-Kennzeichens) wegen einer seit Jahren bestehenden Geistes krankheit als strafrechtlich nicht verantwortlich anzusehen ist.

Der unabhängige Verwaltungssenat gelangt auf der Grundlage der vorliegenden Verfahrensakte und Sachverständigengutachten unter Abwägung aller bekannten Umstände zu der Auffassung, daß für den Zeitpunkt der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung im Zweifel zugunsten des Beschuldigten angenommen werden muß, daß der Rechtsmittelwerber unzurechnungsfähig war.

Aus diesen Überlegungen war spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Entfall der Verfahrenskosten ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum