Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165226/6/Br/Th

Linz, 23.08.2010

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über Berufung des Herrn X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach, vom 28. Juni 2010, Zl. VerkR96-355-2010, nach der am 23. August 2010 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

 

 I.    Der Berufung wird in Punkt 1) und 3) als unbegründet abgewiesen; im Punkt 2) wird der Berufung statt gegeben, der Schuldspruch wird diesbezüglich behoben und das Verfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

 

II.   In den Punkten 1) u. 3) werden dem Berufungswerber zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten je 16 Euro als Kosten für das Berufungsverfahren auferlegt (20% der ausgesprochenen Geldstrafen). Im Punkt 2) entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.:    § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 135/2009 – AVG, iVm § 19, § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 135/2009 – VStG;

Zu II.:  § 64 Abs.1 und 2., § 66 VStG.

 

 


 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat wider den Berufungswerber mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis 1) u. 2) wegen der Übertretung nach 1) § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 u. 3) §16 Abs.1 lit.c StVO 1960 jeweils iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 drei Geldstrafen (80 Euro, 100 Euro und 80 Euro und im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen von 36, 46 u. 36 Stunden) verhängt, wobei wider ihn als Tatvorwürfe formuliert wurden,

1) er habe ein Fahrzeug überholt, obwohl nicht einwandfrei erkennbar war, ob das Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr eingeordnet werden kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

Tatort: Gemeinde Feldkirchen an der Donau, Landesstraße Freiland, Nr. 127 bei km 19.800. Tatzeit: 08.02.2010, 11:15 Uhr.

2) habe er ein Fahrzeug überholt, wodurch andere Straßenbenützer behindert wurden.

Tatort: Gemeinde Feldkirchen an der Donau, Landesstraße Freiland, Nr. 127 bei km 19.800. Tatzeit: 08.02.2010, 11:15 Uhr und

3) habe er ein Fahrzeug überholt, obwohl nicht einwandfrei erkennbar war, ob das Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr eingeordnet werden kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

Tatort: Gemeinde Feldkirchen an der Donau, Landesstraße Freiland, Nr. 127 bei km 19.250. Tatzeit: 08.02.2010, 11:15 Uhr.

Fahrzeug: Kennzeichen X, PKW, Skoda Superb

 

 

1.1. Die Behörde erster Instanz stützte führt begründend folgendes aus:

Auf Grund der Anzeige der Polizeiinspektion Ottensheim vom 9.2.2010, A1/1393/2010 erging von der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung an Sie eine Strafverfügung.

 

Sie erhoben dagegen Einspruch und führten wie folgt aus:

 

Ich erhebe Einspruch gegen die oa. Strafverfügung da ich die mir vorgehaltenen Übertretungen nicht begangen habe.

 

Möglicherweise wurde von mir ein Kfz Überholt aber mit Sicherheit nur dann, wenn die Wegstrecke so weit frei und für mich einsehbar ist, dass durch meinen Überholvorgang keine anderen Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden.

 

Ich bestreite demnach einen anderen Straßenbenützer behindert zu haben.

 

Um den Vorfall nachvollziehen zu können ersuche ich Zusendung einer Aktenkopie samt Skizze auf der die mir vorgehaltenen Übertretungen einwandfrei dokumentiert sind verbunden mit einer Frist zur Rechtfertigung von 3 Wochen.

 

Das Strafverfahren wurde in weiterer Folge gemäß § 29a VStG an die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach abgetreten.

 

Zur Aufforderung zur Rechtfertigung der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach gaben Sie folgende Stellungnahme ab:

Richtig ist, dass ich zum Tatzeitpunkt - also am 8.2.2010 gg. 11.15 Uhr in Feldkirchen a.d.D - das Kfz X gelenkt habe.

 

Zu Pkt.1

Ich habe die mir zur Last gelegte Übertretung nicht begangen sondern habe ich mich vor dem Überholvorgang sehr wohl davon überzeugt, keine anderen Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern. Im letzten bzw. vorletzten Absatz der Anzeige wird vom Meldungsleger ja selbst angeführt, dass ich mit dem Überholvorgang erst „nach der unübersichtlichen Linkskurve" begann was auch heißt, dass die Sicht „nach der Kurve" - als ich meinen Überholvorgang startete - nicht beeinträchtigt war und ich jegliches Gefahrdungspotential mich oder andere Verkehrsteilnehmer betreffend - ausschließen konnte.

 

Zu Pkt.2

Ich habe keine anderen Straßenbenützer behindert.

Es stimmt, dass zu Beginn meines Überholvorgangs aus der Gegenrichtung plötzlich ein Fahrzeug mit überhöhter Geschwindigkeit mir entgegenkam. Um diesen nicht zu gefährden bzw. um einen Verkehrsunfall zu verhindern brach ich meinen Überholvorgang sofort ab, setzte den Fahrtrichtungsanzeiger und reihte mich ohne Behinderung anderer Straßen-Benutzer wieder in die Kolonne ein. Ich bestreite, dass dadurch ein Fahrzeuglenker zum Abbremsen genötigt wurde. In der Anzeige schreibt der Meldungsleger ja selbst, dass eine Fahrzeugkolonne mit einer Geschwindigkeit von 70 km/h unterwegs war. Wie in der Fahr­schule gelernt muss zum nächsten fahrenden Fahrzeug bei dieser Geschwindigkeit ein Sicherheitsabstand von 21m eingehalten werden und setzt ich natürlich voraus, dass dies auch der Meldungsleger getan an. So hatte ich - sollte der Meldungsleger die Geschwindigkeit zwischenzeitlich nicht erhöht haben - auch genügend Platz zum Fahrstreifenwechsel und ist für mich die Behauptung des Beamten, er hätte durch mein Fahrverhalten sein Kfz stark abbremsen müssen, nicht nachvollziehbar.

 

Ich habe bereits mit Schreiben vom 18.2.2010 um eine Skizze ersucht, auf der die mir vor­gehaltenen Übertretungen eindeutig ersichtlich sind.

Auf der Kopie der beigelegten Straßenkarte sind zwar die jeweiligen StraßenKm markiert jedoch ersuchte ich um eine (Hand)Skizze aus der hervorgeht wo ich meinen Überholversuch begann, aus welcher Entfernung das Kfz mit überhöhter Geschwindigkeit (welches mir nicht vorgeworfen wurde zu behindern) entgegenkam, wo ich mich wieder einreihte etc. Ich ersuche also nochmals um Vorlage einer Handskizze zu Demonstrationszwecken.

 

Zu Pkt.3

Ich bestreite die mir zur Last gelegte Übertretung da für mich einwandfrei erkennbar war, das Fahrzeug nach dem Überholvorgang wieder einordnen zu können ohne andere Straßen­benützer zu gefährden oder zu behindern.

Ich hatte damals meinen Überholvorgang weit vor der in der Anzeige erwähnten „unübersichtlichen Kurve" schon beendet.

Vielleicht wäre auch für diesen Tatbestand eine Handskizze unter Einbeziehung eines Zeit-Weg-Diagramms hilfreich aus der hervorgeht wo ich den Überholvorgang startete und (unter Einbeziehung der gefahrenen Geschwindigkeit) ihn wieder beendet haben muss.

 

Aus den oa. Gründen bestreite ich nach wie vor die mir zur Last gelegten Übertretungen und ersuche um Einstellung des Verfahrens.

Es wurde im Rechtshilfeweg der Meldungsleger einvernommen, welcher folgende zeugenschaftliche Aussage machte:

 

Auf Grund der Ladung vom 04.05.2010 erscheint Herr Al X und gibt unter Hinweis auf den Diensteid und die Wahrheitspflicht Folgendes zu Protokoll:

Ich befand mich in meinem Privatfahrzeug auf dem Weg zum Dienst. Ich fuhr in einer Kolonne von 5 PKW hinter einem LKW her. Die Fahrgeschwindigkeit betrug ca. 70 km/h.

Insgesamt tätigte der angezeigte Lenker 2 Überholvorgänge.

Beim ersten Überholvorgang überholte er mein Fahrzeug - Beginn des Überholvorganges ist auf dem Lichtbild 2 ersichtlich.

Als sich der angezeigte Lenker mit seinem Fahrzeug auf Höhe von meinem Fahrzeug befand kam aus der Gegenrichtung ein Fahrzeug entgegen.

Den aus der Gegenrichtung kommenden PKW konnte er aus dieser Position nicht wahrnehmen, da diese durch den LKW und die PKWs und den Kurvenverlauf eingeschränkt war.

Um einen Zusammenstoß zu vermeiden, musste der Lenker wieder auf den rechten Fahrstreifen wechseln. Die betreffende Örtlichkeit, wo der Lenker wieder auf den rechten Fahrstreifen wechselte, ist auf dem Lichtbild 1 ersichtlich.

Um dem Fahrzeug ein Einordnen zu ermöglichen, musste ich mein Fahrzeug stark abbremsen. Hätte ich meine Fahrzeug nicht so stark abgebremst, hätte sich der Lenker nicht mehr rechtzeitig einordnen können. Ich hielt zum vor mir fahrenden Fahrzeug genügend Sicherheitsabstand ein.

Das zweite Überholmanöver setzte der Lenker bei Strkm. 19,250. Bei diesem Strkm. setzte er

erneut zum Überholen der angeführten Fahrzeuge an, ohne sich vergewissern zu können,

dass er sich wieder gefahrlos in die Kolonne einordnen kann.

Lichtbild 4 zeigt die Örtlichkeit, wo der angezeigte Lenker den zweiten Überholvorgang

begonnen hat. Es handelt sich dabei - wie zu sehen - um eine unübersichtliche Doppelkurve

nach rechts beginnen.

Ich halte die Anzeige vollinhaltlich aufrecht.

 

[die an dieser Stelle offenbar während der Vollvegetation in das Straferkenntnis eingefügten sechs Fotos vom fraglichen Straßenzug  werden hier nicht dargestellt]

 

Zur Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme teilten Sie mit, dass Sie sich auf Ihren Einspruch beziehen und dem nichts weiter hinzuzufügen haben.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat erwogen:

 

§ 16 Abs. 1 lit. a StVO 1960 lautet: "Der Lenker eines Fahrzeuges darf nicht überholen wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist.

 

§ 16 Abs. 1 lit. c StVO 1960 lautet: "Der Lenker eines Fahrzeuges darf nicht überholen wenn er nicht einwandfrei erkennen kann, dass er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

 

Wie bereits dargelegt wurde, liegt dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren die Anzeige eines Polizeibeamten zugrunde, diese Anzeige wurde von dem Beamten im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens zeugenschaftlich bestätigt. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach tritt die Auffassung, dass die Angaben des Meldungslegers schlüssig sind und der Wahrheit entsprechen. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Zeuge bei sonstiger strafrechtlicher und dienstrechtlicher Sanktion zur Wahrheit verpflichtet ist, es besteht auch kein Hinweis, dass der Zeuge einem Irrtum unterlegen wäre, wobei darauf hinzuweisen ist, dass von einem Polizeibeamten erwartet werden kann, dass er einen Sachverhalt entsprechend feststellt. Es bestehen sohin keine Bedenken, die Anzeige bzw. die zeugenschaftliche Aussage des Polizeibeamten der Entscheidung zugrunde zu legen.

 

Zur zeugenschaftlichen Aussage des Polizeibeamten ist folgendes festzustellen: Aus den Bestimmungen des § 50 AVG im Zusammenhalt mit § 289 StGB (strafbarer Tatbestand der falschen Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde) ergibt sich, dass jedermann, der Beweisaussagen vor einer Behörde, sohin auch vor der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach, tätigt, zu wahrheitsgemäßen Angaben verpflichtet ist. Die Strafdrohung des § 289 StGB mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, ist so gravierend, dass es wohl gewichtiger Interessen an einem bestimmten Verfahrensausgang bedarf, um sich durch eine falsche Aussage der Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung auszusetzen. Liegen keine Anhaltspunkte für derartige Interessen vor, so kann davon ausgegangen werden, dass die Angaben des Anzeigers und Zeugen den Tatsachen entsprechen und - in Abwägung mit dem Vorbringen des Beschuldigten sowie mit allen übrigen Beweismitteln - im Rahmen der Rechtsfindung heranzuziehen sind. Eine allenfalls - wie im gegenständlichen Verfahren - gegebene Beamtenstellung desjenigen, der die Beweisaussage tätigt, bedeutet zwar keinesfalls von vornherein eine besondere Qualifikation seiner Beweisaussage, es besteht jedoch die Möglichkeit, dass ein Beamter in bestimmter Funktion aufgrund seiner Ausbildung und Diensterfahrung Geschehnisse und Sachverhaltsabläufe genauer wiedergeben kann, als eine andere Person. Auch diese Erwägungen wurden von der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach bei ihrer Beweiswürdigung beachtet.

 

Sie konnten sich in jede Richtung verteidigen. Dieser Umstand darf zwar nicht schlechthin gegen Sie gewertet werden, im vorliegenden Falle wird jedoch Ihren Angaben kein Glauben geschenkt. Ein Polizist, welcher Tag für Tag mit den Gefahren des Straßenverkehrs konfrontiert wird, kann Übertretungen sicher besser abschätzen als ein "normaler" Verkehrsteilnehmer - so wie Sie.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach gelangte daher zur Ansicht, dass die Ihnen vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen objektiv als erwiesen angesehen werden müssen und es sind auch keine Umstände hervorgekommen, welche Sie in subjektiver Hinsicht (§ 5 VStG) entlasten würden.

 

Sie haben daher die Ihnen vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht zu vertreten.

 

Auf Grund der Angaben des Meldungslegers kann die gegenständliche Verwaltungsübertretung schlüssig nachvollzogen werden und war deshalb mit einer Bestrafung vorzugehen.

 

Von geringfügigem Verschulden im Sinne des § 21 VStG kann keine Rede sein, sodass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ermahnung nicht vorliegen.

§ 99 Abs. 3 StVO sieht einen Strafrahmen bis zu 726 Euro Geldstrafe bzw. für den Fall der Uneinbringlichkeit bis zu 2 Wochen Ersatzfreiheitsstrafe vor.

 

Im gegenständlichen Fall lagen weder erschwerende noch mildernde Umstände vor.

Die verhängte Strafe entspricht nach Ansicht der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach unter Bedachtnahme auf die Kriterien des § 19 VStG dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung. Die geschätzten und nicht widersprochenen persönlichen Verhältnisse wurden berücksichtigt. Die Strafe liegt im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens und hält general- sowie vor allem spezialpräventiven Überlegungen stand. Ansatzpunkte für eine niedrigere Strafe waren nicht gegeben, ebenso wenig lagen die Voraussetzungen des § 20 VStG vor. Die Ersatzfreiheitsstrafe ist nach Ansicht der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach im Verhältnis zur Geldstrafe angemessen.

 

Bei der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach scheinen über Sie 4 (jedoch nicht einschlägige) Verwaltungsstrafvormerkungen vor.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.“

 

 

2.  In der gegen das Straferkenntnis bei der Behörde erster Instanz fristgerecht eingebrachten Berufung bestreitet der Berufungswerber die Tatvorwürfe mit folgenden Ausführungen:

Ich berufe gegen das Straferkenntnis der BH Rohrbach mit oa. Zahl da ich mich - wie bereits in meinem Einspruch und meiner anschließenden Rechtfertigung angeführt - nicht schuldig fühle, die mir vorgehaltenen Übertretungen begangen zu haben.

 

Ich finde nicht, wie im Schreiben der BH angeführt, dass der Sachverhalt durch die Aussage des Meldungslegers allein „einwandfrei" erwiesen ist. Aus diesem Grund ersuchte ich auch um Vorlage einer Handskizze unter Einbeziehung eines Zeit-Weg-Diagrammes zu Demon­strationszwecken, welche ich bis heute nicht erhalten habe.

 

Mir ist schon bewusst, dass eine Zeugeneinvernahme „unter Wahrheitspflicht" erfolgen muß, dem gegenüber sich ein Beschuldigter frei verantworten kann. Dies soll jedoch nicht heißen, dass , sollten die Aussagen nicht konform sein, automatisch der des Anzeigers (Polizisten) mehr Glauben geschenkt wird. Irren ist menschlich und auch ein Polizist ist in seinen Aussagen nicht unfehlbar. Auch ich bin Tag für Tag mit den Gefahren des Straßenverkehrs konfrontiert und sehr wohl in der Lage diese abzuschätzen.

 

Die alleinige Begründung, dass ein Polizist Gefahren besser abschätzen kann als jeder „normale Verkehrsteilnehmer" und demzufolge nur seinen Aussagen Glauben geschenkt wird entspricht meiner Meinung nach auch dem Gleichheitsgrundsatz.

 

Aus diesem Grund ersuche ich nochmals um Einstellung des Verfahrens.“

 

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den o.a. Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach und deren auszugsweisen Verlesung anlässlich der Berufungsverhandlung. Beigeschafft wurden ferner Übersichtsaufnahme aus dem System Doris, sowie die Fahrzeugdaten betreffend die Motor- u. Beschleunigungsleistung. Ferner wurde in Vorbereitung der Berufungsverhandlung die Sichtweiten an den fraglichen Örtlichkeiten vermessen und hiervon eine Videoaufzeichnung erstellt, die im Rahmen der Berufungsverhandlung gesichtet wurde (AV Subzahl 4).

Der Überholweg wurde mittels Analyzer Pro 32, Version 6, unter Grundlegung der fahrzeugspezifischen Beschleunigungswerte und Bedachtnahme auf das abfallende Terrain zwecks Nachvollziehbarkeit der Anzeige berechnet.

Der Meldungsleger wurde im Rahmen der Berufungsverhandlung als Zeuge einvernommen.

Der Berufungswerber wurde als Beschuldigter  gehört. Ein Vertreter der Behörde erster Instanz nahm an der Berufungsverhandlung ebenfalls teil.

 

 

4. Der Berufungswerber führte an den oben angeführten Örtlichkeiten zwei Überholmanöver durch, wobei er als erstes das private  Fahrzeug des Meldungslegers überholte. Dieses war in einem Abstand zum Vorderfahrzeug von etwa 20 mit etwa 70 km/h in Richtung Linz unterwegs. Die Spitze der aus sechs Fahrzeugen bestehenden Kolonne bildete ein Lastkraftwagenzug.

Dabei musste sich der Berufungswerber nach dem ersten Überholvorgang wegen des herrschenden Gegenverkehrs vor dem Meldungsleger in die Kolonne hineinzwängen, wodurch sich Letzterer zum Abbremsen seines Fahrzeuges veranlasst sah.

Etwa nach 600 Metern überholte der Berufungswerber dann auch die noch vor ihm fahrenden Fahrzeuge (incl. Lkw-Zug). Dabei war laut Einschätzung des Meldungslegers für den Berufungswerber abermals nicht erkennbar ob ein Wiedereinordnen ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer möglich sein würde.

Die Gefahrensichtweite betrug an der Örtlichkeit des zweiten Überholvorganges maximal nur mehr knapp über 100 m.

 

 

4.1. Beim Fahrzeug des Berufungswerbers handelt es sich wohl um ein 160 PS starkes Fahrzeug, welches bei Windstille auf horizontaler Fahrbahn in 8,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigt. Dies entspricht einem rechnerischen mittleren Beschleunigungswert  von 3,27 m/sek2. Da im fraglichen Streckenbereich das Gelände etwa um 20 m abfällt liegt die Beschleunigungsleistung höher und kann mit 3,5 m/sek2 angenommen werden. Am 8.2.2010 um 11:00 Uhr herrschte in Linz (Messstelle Römerburgtunnel) ein Temperatur von – 2,5º Celsius, ein sehr schwacher Wind aus östlicher Richtung und den ganzen Tag über kein Niederschlag (Beilage 2b). Sohin kann von idealen Straßen- bzw. Fahrbahnverhältnissen ausgegangen werden.

Legt man die oben angeführten Beschleunigungswerte zu Grund wird bei sportlicher Fahrweise aus einem Abstand von fünfzehn Meter zum Vorderfahrzeug für einen Überholvorgang (vom Beginn des Ausscherens bis zum Wiedereinordnen) eine Wegstrecke von 150 m in Anspruch genommen (Berechnung mit Anlayzer Pro 32).

Selbst mit diesen für die bestehende Überholsicht (Gefahrensichtweite) einen sicheren Überholvorgang ermöglichenden Bedingungen, ist hier für den Berufungswerber nichts zu gewinnen.

So ist es nämlich durchaus glaubhaft, dass der Überholvorgang wegen Gegenverkehrs durch Einordnen vor dem Meldungsleger beendet werden musste. Selbst der Berufungswerber konnte nicht sagen, ob er vorher die vor ihm fahrende Fahrzeugkolonne hinreichend zu überblicken vermochte, wobei angesichts des vom Berufungswerber selbst eingestandenen Einordnens vor dem Fahrzeug des Meldungslegers die an sich glaubwürdige Darstellung des Meldungslegers sogar zusätzlich bestätigt zu werden scheint. Demnach kann es als logisch und plausibel gelten, dass bereits zum Zeitpunkt des ersten Überholentschlusses, mangels Abschätzbarkeit der Abstände der Vorderfahrzeuge, die sichere Durchführung des Überholvorganges, insbesondere wegen des herrschenden und im ersten Fall wohl schon sichtbar gewesenen Gegenverkehrs, nicht gesichert gelten konnte. Das dabei jedenfalls das überholte Fahrzeug des Meldungslegers behindert wurde, indem dieser vorsorglich bremste um dem Berufungswerber ein Einordnen zu erleichtern, beweist den zu Recht erhobenen Tatvorwurf in sehr anschaulicher Weise.

Das damit aber zusätzlich auch noch der Gefährdungstatbestand iSd § 16 Abs.1 lit.a StVO (Gefährdung oder Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer [des Gegenverkehrs]) erfüllt worden wäre, lässt sich aber andererseits nicht einmal aus den Ausführungen des Meldungslegers ableiten.

Demnach ist das mit dem ersten Überholvorgang geschaffene Gefährdungselement bereits im Punkt 1) vollinhaltlich erschöpfend geahndet zu erachten.

Da schließlich beim zweiten Überholvorgang die Gefahrensichtweite ob des Gefälles und des Kurvenverlaufes nach links bereits deutlich reduziert war, ist auch dieser Überholvorgang dahingehend zu qualifizieren, dass ein Erkennen einer sicheren Beendigung desselben nicht gesichert gelten konnte, wenngleich hier auch kumulativ die Bestimmung des § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 – die Gefährdung des Gegenverkehrs – wahrscheinlich und damit auch erfüllt worden wäre.

Der Einschätzung des Meldungslegers als erfahrenes Straßenaufsichtsorgan war hier daher auch seitens der Berufungsbehörde vollumfänglich zu folgen gewesen. Seine Aussage war glaubwürdig und mit dem Feststellungen vor Ort gut im Einklang zu bringen.

Der Berufungswerber konnte dem nichts von Überzeugung entgegen setzen. Seine Darstellung reduziert sich im Ergebnis auf die bloße Behauptung, dass einerseits kein Gegenverkehr geherrscht hätte, er sich aber dennoch vor dem Berufungswerber eingeordnet hätte, weil er nie mehrere Fahrzeug in einem Zug überholen würde. Dies entspricht aber weder der Praxis und es entbehrt vor allem jeder praxisnahen Logik, zumal beim ersten Überholvorgang die Gefahrensichtweite etwa 400 m betragen hätte und ein einmal eingeleiteter Überholvorgang bei einer solchen Sichtweite eben nur dann abgebrochen wird, wenn dies der Gegenverkehr fordert. Warum sollte der Berufungswerber den Überholvorgang trotz fehlenden Gegenverkehrs, bei noch 300 m bestehenden Sicht in den Verkehrsraum, durch ein Hineinzwängen vor dem Berufungswerber abgebrochen haben. Dies wäre allenfalls nur bei einem Fahranfänger realistisch, der mit einem Überholvorgang an sich bereits an die Grenzen seines Fahrkönnens stößt.

Das Pkws hinter einem Lkw eher nur im Umfang des Sicherheitsabstandes nachfahren entspricht ebenfalls der Verkehrspraxis. Ein Hineinzwängen bedingt daher jedenfalls eine kurzzeitige Verkürzung des Sicherheitsabstandes nach vorne und hinten.

 

 

5.1. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. erwogen:

 

Der § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 besagt, dass ein Lenker nicht überholen darf wenn er nicht einwandfrei erkennen kann, ob er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern…

Diesbezüglich ist in Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen der Behörde erster Instanz hinzuweisen.

Nach § 16 Abs.1. lit.a StVO ist überholen auch nicht zulässig, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist.

Der lit.c ist demnach die speziellere Bestimmung, wobei sich die Tatbestandselemente zumindest teilweise überschneiden.

Zum Kumulationsprinzip im Verwaltungsstrafverfahren ist grundsätzlich festzustellen, dass im Falle eines zeitlichen, örtlichen und sachlicher Einheit darstellenden, sowie von einem Gesamtvorsatz getragenen Tathandlungen als Tateinheit zu sehen sind  (Stadlmayer ZVR 1980, 65; mit Hinweis auf VwGH 26. 4. 1973, 601/72; 20.11.1974, 587/74; sowie auch ZfVB 560/1976, 988/1976). Dies trifft insbesondere auf diese Fallgestaltung wenn bereits die speziellere Bestimmung den Unwert des Tatverhaltens vollumfänglich erschöpft, sodass nicht nochmals die damit verursachte Wirkung  zu bestrafen ist!

Die verfassungsrechtliche Grenzen einer Doppel- oder Mehrfachbestrafung im Sinne des Art.4 Abs.1 des 7. ZPEMRK findet sich dort, "wo der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens vollständig erschöpft ist, sodass ein weitergehendes Strafbedürfnis entfällt, weil das eine Delikt den Unrechtsgehalt des anderen Delikts in jeder Beziehung mitumfasst" (VfGH 5.12.1996, G9/96 u.a. mit Hinweis auf VfGH 11.3.1998, G262/97,G328/97 und auf Kienapfel, Grundriss des österreichischen Strafrechts, 6. Aufl., 1996, 245).

 

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

 

 

6.1. Grundsätzlich ist festzustellen, dass die hier offenbar forsch ausgeführten Überholvorgänge vor dem Hintergrund der etwa neun Meter breiten Fahrbahn in der Überzeugung ausgeführt wurden,  dass es sich schon ausgehen werde.

 

 

Auf eine entsprechende Disposition anderer Verkehrsteilnehmer wurde vom Berufungswerber offenbar vertraut, was letztlich die Inkaufnahme eines „Hinzwängens“ durchaus einkalkulierte. Eine zumindest abstrakte Gefährdung muss einem Überholentschluss wie er hier vorlag – bei offenkundig nicht gesicherter Erkennbarkeit der jeweiligen Zwischenabstände der vorausfahrenden Fahrzeuge – zu Grunde gelegt werden.

Konkret ist zur Strafzumessung auszuführen, dass angesichts des jedenfalls abstrakten Gefährdungspotentials riskanter Überholmanöver bei bloßer Ausschöpfung des Strafrahmens im untersten Bereich sehr niedrig angesetzt wurde. Insbesondere aus Gründen der Generalprävention ist es geboten derartige Fehlverhalten im Straßenverkehr, die auf mangelhaftes Unrechtsbewusstsein und einer erhöhten Neigung zum Risikoverhalten schließen lassen, durch entsprechende Ausschöpfung des Strafrahmens zu ahnden. Die hier verhängten Geldstrafen sind daher trotz des nur auf € 1.200 anzunehmenden Monatseinkommens in Verbindung für die Sorgepflicht für drei Kinder als sehr milde zu beurteilen.

Ein Ermessensfehler kann darin jedenfalls nicht gesehen werden.

Hinsichtlich des Punktes 2) wurde der Unwertgehalt bereits mit der Bestrafung zu Punkt 1) vollumfänglich umfasst und erschöpfend erledigt. Das etwa auch der Gegenverkehr gefährdet worden wäre kann dem Beweisverfahren nicht schlussgefolgert werden.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

H i n w e i s:

Gegen  diesen  Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen  ab der  Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof  erhoben werden; diese  muss ‑ von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen ‑ jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

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