Linz, 05.06.2012
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 8. Kammer (Vorsitzender: Dr. Werner Reichenberger, Berichter: Dr. Ewald Langeder, Beisitzer: Dr. Leopold Wimmer) über die Berufung Z R, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. W R, O, M, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns des Bezirkes Braunau am Inn vom 17. Februar 2011, Zl. SV96-251-2010-Sc, wegen einer Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) zu Recht erkannt:
I. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt. Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses ist dahingehend zu korrigieren, dass als Tatzeitende der 17.02.2011 einzusetzen ist.
II. Der Berufungswerber hat zusätzlich zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat in Höhe von 436 Euro zu leisten.
Rechtsgrundlagen:
Zu I: §§ 16 Abs.2, 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;
zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) Geldstrafen in Höhe von 2.180 Euro bzw. Ersatzfreiheitsstrafe von 6 Tagen verhängt, weil er als Inhaber der Einzelfirma R Z, S, W, es verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten habe, dass diese Firma als Dienstgeber den rumänischen Staatsbürger I N seit 04.08.2009 als Dienstnehmer in der Postgarage der Firma S AG Kfz-Technik in S, A, in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt, welches über der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs.2 ASVG gelegen sei, mit Reinigungsarbeiten beschäftigt habe, obwohl N nicht vor Arbeitsantritt zumindest mit den Mindestangaben zur Pflichtversicherung aus der Krankenversicherung beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet gewesen sei. Bei der gegenständlichen Beschäftigung der genannten Person sei auch kein Sachverhalt vorgelegen, der eine Ausnahme von der Meldepflicht gemäß § 5 ASVG erfüllen würde.
Begründend führt das angefochtene Straferkenntnis an:
2. In der Berufung wird dagegen vorgebracht:
"In der umseits bezeichneten Strafsache erhebt der Berufungswerber Z R gegen das Straferkenntnis vom 17. Februar 2011, SV96-251-2010-Sc, zugestellt am 23.02.2011, sohin innerhalb offener Frist die
BERUFUNG,
weil mit dem gegenständlichen Straferkenntnis der Berufungswerber rechtsirrig zu einer Geldstrafe von € 2.180,00 wegen Verletzung der Meldepflicht gemäß § 5 ASVG verurteilt wird und dem Berufungswerber rechtswidrig vorgeworfen wird, den rumänischen Staatsbürger I N in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt über der Geringfügigkeitsgrenze ohne gesetzentsprechende Meldung beschäftigt zu haben.
Bei richtiger rechtlicher Beurteilung und rechtsrichtiger Ermittlung des Sachverhaltes hätte die Behörde zum Schluss kommen müssen, dass der Berufungswerber kein strafbares Verhalten zu verantworten hat und zwar aus folgenden Gründen:
Die Gewerbeberechtigung des I N ist ein klarer Beweis für seine Selbstständigkeit im Zusammenhang mit der Ausübung des Reinigungsgewerbes.
Der auf dieser Gewerbeberechtigung beruhende Werkvertrag entspricht der Wahrheit und wurde keineswegs zum Schein abgeschlossen.
Die Bezahlung erfolgt mittels einer Pauschale, die Anzahl der zu reinigenden Autobusse wird nicht vom Berufungswerber, sondern vom Auftraggeber, dem Eigentümer der Busse vorgegeben. Dieser fahrt die Busse zur Reinigung in den Fuhrpark ein. Der Berufungswerber hat hierauf keinen Einfluss.
Dementsprechend hat der Berufungswerber auch keinen Einfluss auf die Abnahme der gereinigten Autobusse als ordentlich gereinigt. Auch diese Abnahme wird vom Eigentümer der Busse vorgenommen.
Die Arbeitszeit und die Durchführung der selbstständigen Gewerbetätigkeit des I N bestimmt sich nicht nach dem Berufungswerber, sondern nach den Anforderungen des Arbeitgebers, der S AG KFZ Technik.
I N stellt seine Leistungen der Firma des Berufungswerbers ordentlich in Rechnung, I N bezahlt dafür seinen Steuerberater P in V.
I N bezahlt für die Reinigungsmittel und ist der Werkvertrag auf dem Formular der OÖ Wirtschaftskammer abgeschlossen und kann keineswegs von einer Scheinurkunde gesprochen werden.
Es liegt daher kein arbeitnehmerähnliches Dienstverhältnis im Sinne des § 2 Abs.2 Ausländerbeschäftigungsgesetz vor und ist daher auch kein Verstoß gegen § 33 Abs. 1 bzw. la ASVG gegeben.
Die Tatsache, dass ein Familienangehöriger des Berufungswerbers dem Selbstständigen I N fallweise eine Mitfahrgelegenheit geboten hat, ist unerheblich und kann jedenfalls nicht zulasten des Berufungswerbers ausgelegt werden.
Beweis:
Vorliegende Gewerbeberechtigungen sowie Werkverträge, Putzrechnungen,
Einvernahme eines informierten Vertreters der Firma S AG, KFZ Technik in S, A,
Einvernahme eines informierten Vertreters der Steuerberatungskanzlei P in V,
Einvernahme des I S N unter Beiziehung eines Dolmetsch unter Beiziehung des Rechtsvertreters des Berufungswerbers und des Berufungswerbers selbst, um das Fragerecht im Sinne der Waffengleichheit und der Wahrung des rechtlichen Gehörs ausüben zu können,
von Amtswegen einzuholende Auskunft der OÖ. Wirtschaftskammer, N. M,
Einvernahme des Berufungswerbers.
Zur Strafbemessung ist auszuführen, dass die Vorstrafe lediglich deswegen eingetreten ist, weil der Berufungswerber die Berufungsfrist versäumt hat, ein Wiederholungsfall liegt daher tatsächlich nicht vor und wäre daher bei erstmaliger Übertretung die Verhängung einer Geldstrafe für den Fall des Schuldspruches mit € 730,00 ausreichend, um den Berufungswerber vor weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Im Übrigen ist auch strafmildernd zu berücksichtigen, dass der Berufungswerber durch die selbstständige Gewerbeberechtigung des I N und die Wirtschaftskammer Oberösterreich und die Steuerberatungskanzlei in der Rechtmäßigkeit seines Verhaltens bestärkt wurde.
Der Berufungswerber stellt daher höflich den
ANTRAG,
die Rechtsmittelbehörde wolle der Berufung Folge geben und das angefochtene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 17. Februar 2011 ersatzlos beheben."
3. Die Akte enthalten die im angefochtenen Straferkenntnis bezogenen Aktenstücke.
4. Zur öffentlichen mündlichen Verhandlung wurden die Parteien sowie der gegenständliche Dienstnehmer als Zeuge geladen.
Dazu erhielt der Unabhängige Verwaltungssenat vom Vertreter des Berufungswerbers mit Datum vom 25.05.2012 folgende Mitteilung:
"Der Berufungswerber Z R und sein Rechtsvertreter Dr. W R teilen unter Bezugnahme auf das geführte Telefonat zwischen Herrn HR Dr. Ewald Langeder und Dr. W R vom 25.05.2012 höflich mit, dass ihnen die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung am 05. Juni 2012 nicht möglich ist und wolle der Unabhängiger Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich dies wohlwollend zur Kenntnis nehmen.
Die Berufungswerber wiederholen daher die bereits in den beiden Berufungen gestellten Anträge auf Aufhebung der beiden Straferkenntnisse vom 17.02.2011, SV 96-250-2010-Sc und SV 96-251-2010-Sc; in eventu wolle die Strafe herabgesetzt werden.
Die gegenständlichen Anträge wollen daher in der Verhandlung am 05. Juni 2012 verlesen werden."
Der Berichter der erkennenden Kammer erhielt am 30.05.2012 von J N (Cousin) telefonisch die Mitteilung, dass I und D N nach Rumänien verreist seien und daher als Zeugen in der öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht zur Verfügung stünden.
5. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung wurden die entscheidungsrelevanten Aktenteile verlesen und die Entscheidung verkündet.
6. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:
Aufgrund der Aktenlage ist davon auszugehen, dass im Werkvertrag vom 4.8.2009 als "Werk" vereinbart war: "Die Bodenreinigung (Nassreinigung) bei den Autobussen durchzuführen". Als Entgelt war vereinbart: "Pro gereinigtem Bus erhaltet der AN € 2,11." Darüber hinaus erledigte I S N laut eigener Auskunft die Reinigung der Fenster und die anfallenden Staubwischarbeiten. Die von ihm angegebene Zahl der Busse findet sich nicht im schriftlichen Werkvertrag, ebenso wenig die (durch Rechnungen belegte) Pauschale von 1.150 Euro. Ferner wurde diese Tätigkeit zumindest "von den Leuten der Stadtgarage" kontrolliert. Die Putzutensilien wurden von der Firma Breinigung gestellt, die Putzmittel von N von dieser Firma angekauft. Arbeitszeit und Arbeitsort waren (schon der Natur der Sache nach) vorgegeben. N arbeitete ausschließlich für die Firma Breinigung. Dass N über eine erhebliche betriebliche Infrastruktur verfügte, er werbend am Markt auftrat, er losgelöst vom konkreten Auftrag spezifische Betriebsmittel anschaffte und er das entsprechende wirtschaftliche Risiko trug, ist ebenso wenig hervorgekommen, wie dass die im Vertrag vorgesehene Vertretungsbefugnis aktuell geworden wäre. Dazu kommt die Regelmäßigkeit und längere Dauer der Tätigkeit.
Entsprechend diesen Feststellungen ist von einer persönlichen Leistungspflicht auszugehen, wobei von einer unternehmerischen Dispositionsfreiheit nicht die Rede sein kann. Vielmehr war schon aufgrund der Einfachheit der Verrichtungen die Entschlussfähigkeit auf ein Minimum beschränkt. Dass sich Weisungen, abgesehen am Beginn der Tätigkeit, faktisch weitgehend erübrigten, ergibt sich aus dem Charakter der Arbeit. Aus der Sicht der Auftragnehmers erfolgte die Tätigkeit in einem dem Auftraggeber (jedenfalls nicht ihm selbst) zuzurechnenden Betrieb.
Aus all dem ergibt sich, dass nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt (§ 539a ASVG) kein abgrenzbares Werk vorlag, sondern ein Dauerschuldverhältnis, das einfache Hilfsarbeiten zum Gegenstand hatte, die unter arbeitnehmertypischen Verhältnissen in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit erbracht wurden.
Dem Einwand des Vorliegens einer Gewerbeberechtigung ist entgegen zu halten, dass es sich dabei nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes um ein formales, nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt (also den tatsächlichen Umständen der Leistungserbringung) unbeachtliches Merkmal handelt. Dem Einwand, dass sich die Fremdbestimmtheit der Tätigkeit zum Teil aus Dispositionen (nicht des Berufungswerbers sondern) des Busunternehmens ergab, ist entgegen zu halten, dass dies für die Frage der Selbstständigkeit der Tätigkeit unerheblich ist. Das Argument des wahren wirtschaftlichen Gehalts ist generell jenen Bestimmungen des Werkvertrages entgegenzuhalten, die den obenstehenden Feststellungen widersprechen.
Die Tat ist daher dem Berufungswerber in objektiver und da keine Entschuldigungsgründe ersichtlich sind, auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen. Nicht entschuldigend wirkt die Rechtsunkenntnis des Berufungswerbers.
Zur Bemessung der Strafhöhe ist anzuführen, dass das angefochtene Straferkenntnis grundsätzlich unbestritten vom strafsatzbestimmenden Wiederholungsfall ausgeht. Das Versäumen der Berufungsfrist stellt keinen relevanten Einwand dar. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass im angefochtenen Straferkenntnis ohnehin nur die gesetzliche Mindestgeldstrafe und eine nicht unproportional überhöhte Ersatzfreiheitsstrafe verhängt wurden. Die "Bestärkung" der Überzeugung des Berufungswerbers von der Rechtmäßigkeit seines Verhaltens durch die Gewerbeberechtigung, die Wirtschaftskammer Oberösterreich und die Steuerberatungskanzlei stellt keinen Milderungsgrund von solcher Stärke dar, dass von einem Überwiegen im Sinne des § 20 VStG auszugehen wäre. Die Tat bleibt auch nicht so weit hinter den deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalt zurück, dass eine Anwendung des § 21 VStG gerechtfertigt sein könnte.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. Reichenberger